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Karl Kreuser, Karin Sonnleitner u.a. (Hrsg.): Beratungskompetenzen

Rezensiert von Wolfgang Witte, 22.06.2023

Cover Karl Kreuser, Karin Sonnleitner u.a. (Hrsg.): Beratungskompetenzen ISBN 978-3-8309-4605-2

Karl Kreuser, Karin Sonnleitner, Cristina Lenz, Sascha Ferz, John Erpenbeck u.a. (Hrsg.): Beratungskompetenzen für Mediation, Coaching und Supervision. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2022. 144 Seiten. ISBN 978-3-8309-4605-2. 29,90 EUR.
Reihe: Kompetenzmanagement in der Praxis - 14.

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Thema

Der Sammelband wendet sich an Berater:innen, deren Ausbilder:innen sowie an entsprechende Institutionen und Dachverbände. Im Mittelpunkt steht das Beratungsformat Mediation, wobei Coaching und Supervision weitgehend mitgemeint sein sollen. Ziel ist es, Beratungskompetenzen zu beschreiben, um Mediation als Berufsbild zu etablieren und Hinweise u.a. für Zertifizierungen oder auch gesetzliche Regulierungen zu geben.

Autor:innen und Herausgeber

Die Autoren:innen sind Ausbilder:innen und Wissenschaftler:innen, die sich mit der Erforschung von Beratung, insbesondere Mediation und der Ausbildung von Mediatoren:innen befassen. 

Aufbau und Inhalt

Karl Kreuser setzt sich in seinem Beitrag „Kompetenz und Beratung“ dafür ein, den Klienten:innen lösungsorientiertes Denken und Handeln zu ermöglichen. Dies erfordert sowohl fundiertes Fachwissen und Methodenwissen als auch Intuition, Erfahrung und Empathiefähigkeit für die oftmals komplexen und nicht vorhersehbaren Beratungsprozesse und deren Ergebnisse. Beratungskompetenz definiert Karl Krauser als die Fähigkeit der Berater:in zu selbstorganisiertem kreativem Handeln, das den Klienten:innen den Zugang zu eigenen Kompetenzen ermöglicht. Der Autor unterscheidet Basis- und Schlüsselkompetenzen sowie Fähigkeiten und Bereitschaften. Bei den vier Basiskompetenzen handelt es sich um personale, aktivitäts- und umsetzungsbezogene, fachlich-methodische und sozial-kommunikative Kompetenzen. Hieraus werden mit Bezug auf den KompetenzAtlas aus dem KompetenzExplorer KODE*X 64 Schlüsselkompetenzen abgeleitet. Für Mediation schlägt der Autor eine Ergänzung um die Kompetenz „Empathiefähigkeit“ vor. Diese Schlüsselkompetenzen können operationalisiert und als Grundlage für kompetenzbasierte Ausbildungsziele und als Kriterien für Personenzertifizierungen genutzt werden. Kreuser setzt die identifizierten Kompetenzen ins Verhältnis zu den „Fähigkeiten und Bereitschaften“ insbesondere der Klienten:innen. Grundlegend für das von ihm entworfene „kompetenzbasierte Interventionsmodell“ sind dabei die Bereitschaft (Wille und Haltung) sowie die Fähigkeit (Wissen, Erfahrung, Fertigkeiten) sich in der Beratung der Lösung bzw. der Veränderung eines Problems zu stellen. 

Karin Sonnleitner und Sascha Ferz stellen in ihrem Beitrag „Mediationskompetenz im Wandel“ Ergebnisse der Erhebung von 2021 im Vergleich zu derjenigen von 2010 vor. Von den ca. 9.000 Mitgliedern der beteiligten neun (Mediations-)Fachverbände nahmen 540 Mitglieder an der Befragung teil, womit die erforderliche Repräsentativität für die Autorinnen gegeben ist. Die abgefragten 32 Kompetenzen wurden dem Kode KompetenzAtlas Stand 2017 entnommen und in vier „Basiskompetenzgruppen“ (personale Kompetenzen, Aktivitäts- und Handlungskompetenzen, sozial-kommunikative Kompetenzen sowie Fach- und Methodenkompetenzen) gebündelt. Sozial-kommunikative Kompetenzen beispielsweise behalten Kommunikationsfähigkeit, Verständnisfähigkeit, Dialogfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit, Beziehungsmanagement, Integrationsfähigkeit, Sprachgewandtheit und Problemlösungsfähigkeit. Im Ergebnis wurden von den Befragten die sozial-kommunikativen und die personalen Basiskompetenzen am höchsten bewertet, daher „sollten diese Kompetenzen in Zukunft weiterhin forciert werden.“

Cristina Lenz befasst sich in ihrem Beitrag „Zukunftsfähig machen – Praxis kompetenzorientierter Aus- und Weiterbildung von Mediator*innen – Indikatoren und Hinweise für nachhaltige Ausbildungsgänge“ mit Folgerungen für die Aus- und Weiterbildung von Mediatoren:innen. Um „Vertrauen in sich als den Prozess steuernde Person zu ermöglichen“, schlägt sie die Nutzung der Rollenspielmethode vor, die selbstreflexives Lernen auf der Basis eigener Erfahrungen und deren Analyse ermöglicht. Für eine zeitgemäße Bildung von Erwachsenen betont sie die Beratungs- und Begleitfunktion der Lehrenden sowie gruppenbezogene Lernprozesse. Vor diesem Hintergrund sieht sie die Bedeutung von Prüfungen als formale externe Verpflichtung kritisch. Der Beitrag beinhaltet ferner Reflexionen und Vorschläge zur Nutzung digitaler Medien und Online-Formate.

John Erpenbeck setzt sich in „Kompetenztraining und Wertetraining in Mediation, Coaching Supervision“ mit der Bedeutung des Kompetenzdenkens auseinander, wobei er für die in Rede stehenden Handlungsfelder die personalen und sozial-kommunikativen Kompetenzbereiche hervorhebt. Zentral geht es ihm um Handlungsfähigkeit, die weder durch bloße Wissensanhäufung noch durch bestimmte Persönlichkeitseigenschaften gegeben ist, sondern wesentlich auf verinnerlichten Regeln, Normen und Werten gründet. Als Beispiele nennt Erpenbeck Selbstsicherheit, Kooperationsfähigkeit, Solidarität, Kontaktbereitschaft, Selbstdisziplin oder Kreativität. An anderer Stelle beschreibt er Werte als „Ordner“, die in sozialer Selbstorganisation entstehen und ein gemeinsames Handeln von kollektiven Subjekten erst möglich machen. Die Relevanz von Kompetenzen und Werten kann durch Ratingverfahren in Befragungen erfasst werden. Soziale Validität erhält solche Einschätzung, indem Erfassungsprozesse als faire, partnerschaftliche Situationen im Sinne einer gemeinsamen Problemlösung gestaltet werden. Der Autor benennt für fundamentale Unterschiede zwischen Kompetenztraining und Wertetraining. Kompetenztraining vermittelt demnach Handlungsorientierung, Werteorientierung dagegen eine Haltungsorientierung.

Karl Kreuser beschreibt in „Kompetenzen der Professionen – Kompetenzen für Mediation, Coaching und Supervision“ Anforderungen an den Professionsbegriff. Merkmale einer Profession sind demnach ein abgegrenztes Tätigkeitsfeld, eine gesellschaftliche Funktion, reflektierte Verantwortung, Vertrauensschutz, Dienstleistungsorientierung, eine spezifische Theorie, ein begründetes Vorgehen, fundierte Auftragsklärung, Handeln unter Unsicherheit, diagnostische Kompetenz, Bereitschaft mit eigenen Irrtümern richtig umzugehen und das Arbeiten mit Interventionen. Als Metakompetenz der vier Basiskompetenzen (Kommunikationsfähigkeit, Verständnisfähigkeit, Glaubwürdigkeit, Dialogfähigkeit) und der 16 wichtigsten Schlüsselkompetenzen betrachtet Kreuser Empathie, als „etwas, das im Prozess zwischen Menschen entsteht“, als „Zustand Verstandenwerden bei der Klient*in“ und „Zustand Verstehen bei der Berater*in“. Sein Beitrag endet mit einer Einordnung der dargelegten Kompetenzprofile in den Europäischen, den österreichischen und den schweizerischen Qualifizierungsrahmen (EQR, DQR, NQR-CH), wobei eine Einordnung zum Qualitätsniveau der Stufe 6 (Bachelor/​Meister/​staatlich geprüfte Berufe) vorgeschlagen wird.

Yvonne Hofstetter Roggers Beitrag „Gute Praxis der Mediationsausbildung am Beispiel der Schweiz“ beschreibt die 2020 in Kraft getretenen neuen Reglemente und Richtlinien einer generalistischen Mediationsausbildung des Schweizer Dachverband Mediation (SDM) im Unterschied zu spezialisierten Ausbildungen u.a. im juristischen Bereich, in der Bau und in der Wirtschaftsmediation. Um einem „Wildwuchs von Spezialisierungen“ entgegenzuwirken, setzt die generalistische Mediationsausbildung des SDM auf Kompetenzorientierung anstelle von Lernzielen und einer Auslistung von Themenfeldern im Sinne einer Inhaltsangabe. In eine kompetenzorientierte Ausbildung sollen „die bisherige Berufsbiographie, das erworbene Wissen, Können, professionell geprägte Denkmuster, leitende Werte und Handlungsroutinen“ eingehen und kritisch reflektiert werden. Roggers erläutert dies anhand der Themen Konfliktlösungskompetenz, Kommunikationskompetenz und Glaubwürdigkeit und macht klar, dass solche Kompetenzen nicht einfach „vermittelt“ werden können, sondern der Reflexion, der Selbsterfahrung und des Trainings bedürfen. Um diesem Anspruch in der Meditationsausbildung gerecht zu werden, reichen die üblichen 18-monatigen, 200 Stunden umfassenden SDM-Ausbildungen nicht aus, von anderen, kürzeren ganz zu schweigen. Abschließend diskutiert die Autorin die Perspektive einer Professionalisierung, d.h. eines definierten, anerkannten und ggf. staatlich geschützten Profils der Mediation, insbesondere in der Schweiz. Sie argumentiert dazu in Richtung des Niveau Master of Advenced Studies, d.h. auf Nachdiplomstudiengänge. Als Zusatzstudium soll diese Qualifizierung zu „Mediation als anspruchsvolles Handeln in komplexen Situationen“ befähigen. 

Thomas Robrecht befasst sich in seinem Beitrag „Mediation ist Kompetenzentwicklung“ mit Qualitäten von auf Kompetenz basierenden Mediationsprozessen, wobei er die Rollen der „Mediand*innen, der Mediator*innen und der Mediationsausbilder*innen“ unterscheidet. Grundlegend ist für ihn eine „mediative Haltung“, die sich je nach Rolle unterschiedlich ausprägt. Sie bildet sich ab in operationalisierbaren Schlüsselkompetenzen. Am Beispiel der Kommunikationsfähigkeit wird beschrieben, wie durch aktives Zuhören und Aufbau von Empathie Verantwortung für das Gelingen des Dialogs im Mediationsprozessübernommen werden kann. Vertiefend analysiert Robrecht unterschiedliche Dialogqualitäten „aktive Symmetrie“, „Asymmetrie“ und „reaktive Symmetrie“. In der Mediation soll die Reflexionsfähigkeit der Beteiligten gefördert werden, die Robrecht über acht Stufen vom reaktiven Modus zum aktiven Modus beschreibt. Abschließend wirft er einen Blick auf den „heutigen unüberschaubaren Ausbildungsmarkt mit seinen großen Qualitätsunterscheiden“ und fordert, dass in „Mediationsausbildungen die Grundlagen von Reflexionsfähigkeit und Kompetenzentwicklung“ gebildet werden.

Diskussion

Der Sammelband hat zum Ziel, Grundlagen für eine Positionierung von Mediation am Markt der personenbezogenen Beratung zu bestimmen. Es werden relevante, operationalisierbare, trainierbare und vermittelbare Schlüsselkompetenzen für Meditation ermittelt und beschrieben. Für die Ermittlung dieser Kompetenzen wurde u.a. eine aufwändige Umfrage bei Mitgliedern verschiedener Verbände durchgeführt. Einbezogen wurden neun Fachverbände aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Liechtenstein. Obwohl sich über die Repräsentativität der Ergebnisse streiten ließe, sind die daraus abgeleiteten Feststellungen nachvollziehbar.

Im Kern geht es um die hervorgehobene Bedeutung von sozial-kommunikativer Basiskompetenz für personenbezogene Beratungsformate im Verhältnis zu fachbezogenen Feldkompetenzen. Die übergreifenden Schlüsselkompetenzen sind Grundlage für die Konstruktion einer verschiedene Beratungsfelder umfassenden Verbandsidentität sowie für die Qualifizierungen von Mediatoren:innen. Die Autoren:innen diskutieren u.a. den Abschluss auf Bachelor- (Kreuser) oder auf Masterebene (Hofstetter), wobei letzteres auf ein Aufbaustudium zielt. Beide wenden sich gegen Kurzzeitweiterbildungen, die erfahrungsbezogenes, selbstreflexives Lernen kaum möglich machen. Anspruchsvoll erscheint die Beurteilung von Lernerfolgen in Bezug auf sozial-kommunikative Basiskompetenzen, weil diese kaum formell bewertet werden können, sondern, wie Erpenbeck ausführt, jeweils durch intersubjektive Verständigung festgestellt werden.

Offen bleibt das jeweils notwendige Ausmaß an Feldkompetenz u.a. in den Bereichen Recht, Bauen oder Familie im Verhältnis zu den geforderten Schlüsselkompetenzen, was in und zwischen den Verbänden weiterhin diskutiert werden dürfte. Schwer nachzuvollziehen ist der Titel des Sammelbandes, der u.a. Ergebnisse für Coaching und Supervision verspricht. Davon ist jedoch so gut wie gar nicht die Rede, ebenso sind entsprechende Dachverbände wie die Deutsche Gesellschaft für Supervision (DGSv) nicht in die Umfrage einbezogen gewesen. Selbst wenn manche Aussage übertragbar sein dürfte, führt der Titel des Sammelbandes hier in die Irre. Sehr bedenkenswert ist Kreusers Vorschlag, generell von Klienten:innen zu sprechen statt von Coachees, Supervisanden:innen oder Mediand:innen um deren Autonomie und Selbstverantwortung zu betonen. 

Fazit

Der Sammelband bietet eine überzeugende Grundlegung für ein feldunabhängiges allgemeines Grundverständnis von Mediation und ihre Positionierung am Markt der personenbezogenen Beratungsformate. Die Qualifizierung von Mediatoren:innen soll auf der Grundlage sozial-kommunikativer Basiskompetenzen erfolgen. Interessierte sollten jedoch beachten, dass sich der Band fast ausschließlich auf Mediation bezieht.

Rezension von
Wolfgang Witte
Pädagoge M.A., Supervisor und Coach (DGSv/SG)
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Es gibt 7 Rezensionen von Wolfgang Witte.

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Zitiervorschlag
Wolfgang Witte. Rezension vom 22.06.2023 zu: Karl Kreuser, Karin Sonnleitner, Cristina Lenz, Sascha Ferz, John Erpenbeck u.a. (Hrsg.): Beratungskompetenzen für Mediation, Coaching und Supervision. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2022. ISBN 978-3-8309-4605-2. Reihe: Kompetenzmanagement in der Praxis - 14. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30258.php, Datum des Zugriffs 09.12.2023.


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