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Flora von Spreti, Wulf Bertram u.a. (Hrsg.): Kunsttherapie kompakt (griffbereit)

Rezensiert von Prof. Dr. habil. Ruth Hampe, 20.03.2023

Cover Flora von Spreti, Wulf Bertram u.a. (Hrsg.): Kunsttherapie kompakt (griffbereit) ISBN 978-3-608-40143-1

Flora von Spreti, Wulf Bertram, Thomas Fuchs (Hrsg.): Kunsttherapie kompakt (griffbereit). Schöpferisch denken ? therapeutisch handeln. Schattauer (Stuttgart) 2023. 384 Seiten. ISBN 978-3-608-40143-1. D: 38,00 EUR, A: 39,10 EUR.

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Thema

Mit diesem umfangreichen Themenband werden Grundlagen und Anwendungsfelder der Kunsttherapie beleuchtet. Damit bildet es eine umfassende Ergänzung zum Verstehen des besonderen Ansatzes kunsttherapeutischen Intervenierens und Arbeitens.

Aufbau und Inhalt

In der Zusammenstellung der Beiträge werden sowohl kunst- und kulturhistorische, medizinische als auch psychotherapeutische Sichtweisen u.a. als kunsttherapeutische Zugänge vorgestellt. Mit 40 Autor*innen sowie 32 durchgehend nummerierten Beiträgen stellt es ein umfangreiches Kompendium zur Kunsttherapie dar – ergänzt durch das Geleitwort von Prof. Hans Lauter.

Das Buch gliedert sich in sieben Teile nach folgenden Thematiken:

  1. Schöpferisch denken – schöpferisch handeln
  2. Annäherung
  3. Anwendung – Erfahrung – Wirkung
  4. Praxis der Kunsttherapie
  5. Historische Erinnerungen
  6. Praxis: Handwerk
  7. Kunst und Mensch

Im Folgenden sollen diese Themenbereiche aufgrund des Umfangs nur kurz umrissen werden, ohne die z.T. namenhaften Autor:innen im Einzelnen herauszustellen, sondern vielmehr um Anregung zur weitergehenden Auseinandersetzung mit diesen Beiträgen zu geben.

Teil 1 (D.v. Engelhardt; T. Fuchs; T. Hellinger; L. Reddemann)

Mit vier Beiträgen, die jeweils auf die Bedeutung von Kunsttherapie ausgerichtet sind, werden philosophische, anthropologische Zugänge sowie künstlerische Handlungsaspekte und die künstlerische Verarbeitung von Traumata anhand von Künstler:innen-Biographien angesprochen. Es handelt sich um einen vielschichtigen Einblick in die Thematik und eröffnet neue Sichtweisen zum kunsttherapeutischen Gestalten. Ist es einerseits die Verbindung von Wahnsinn und Kreativität – auch aus historischen Dokumenten ersichtlich –, so ist es andererseits die Bedeutung des Bildes in seiner „ikonischen Differenz“ als Imagination, d.h. in der Fiktionalität bezogen auf Vorstellungs- und Einbildungskraft. Das Bild in der Kunsttherapie entwirft eine andere Wirklichkeit, auch Emotionalität und Kreativität betreffend, und ist zugleich als propriozeptives Leibesempfinden zu verstehen. Im Hinblick auf die Tradition des Bildermachens ist auch der Raum im Bild wahrzunehmen, wobei das Bild als Medium im Prozess der Formfindung fungiert. Die Herausforderung des Gestaltens im inneren Dialog der Emotionalität von Nähe, analytischer Distanz, bildnerischem Denken und unbewusstem Handeln wird mit Illusion und ein Stück Magie in Verbindung gebracht. Weiterhin wird darauf eingegangen, wie Künstler:innen ihre Lebenserfahrungen im ästhetischen Handeln zu verarbeiten versucht haben, und zwar exemplarisch anhand von drei Biographien, d.h. Nelly Sachs, Rainer Maria Rilke und Niki de Saint Phalle.

Teil 2 (E. Stöger & R. Buchheim; T. Röske; K. Dannecker; D. Titze; H. Stoffels)

Mit fünf Beiträgen wird auf unterschiedliche Beziehungsaspekte zwischen Kunst und Therapie Bezug genommen. So wird beispielsweise die Transformation von Tagtraumimaginationen in gemalte Bilder als unbewusster Zugang zum Unbewussten und in der kompositionellen Darstellung beispielsweise als Brücke zum Verstehen inneren Erlebens von Klienten im Therapieverlauf herausgestellt. Auch die Zeugnisse künstlerischen Gestaltens vom 1800 bis heute machen deutlich, wie sich eine diagnostische und ästhetische Perspektive kreuzen. Diskussionen um Art brut und Outsider Kunst haben angesichts aktueller Entwicklungen existentiell geprägter künstlerischer Gestaltungsformen eine zunehmende Integration in Kunstkontexten zur Folge gehabt. So ist im Sinne einer Inklusion unter der Perspektive von Disability Studies die zunehmende Integration in den Kunstbetrieb als unumkehrbar zustande gekommen. Bezogen auf Grundlagen eines Paradigmenwechsels werden in der Hinsicht auch Intersubjektivität und Veränderungsprozesse in der Kunsttherapie wahrnehmbar, was die Funktion des Kunsttherapeuten als Katalysator und Kunst als ‚Container‘ betrifft. Als Schlüsselereignisse in der therapeutischen Behandlung werden ‚entscheidende Begegnungsmomente‘ hervorgehoben, die Veränderungen im Prozessverlauf bewirken können. Als ästhetisches Moment geht es einher mit einer ‚intersubjektiven Wende‘. Unter dem Gesichtspunkt werden Resonanzbeziehungen als lebens- und überlebensnotwendig wahrgenommen und anhand von Fallbeispielen belegt. Kunst als selbstregulierende und beziehungsstiftende Funktion wird in dem Zusammenhang vergleichbar mit der Rolle einer spiegelnden Mutter gedeutet, bzw. es wird auf die psychodynamische Funktion der Leinwand als Ersatz für das Gesicht der guten Mutter verwiesen, wobei dem Kunsttherapeut verbunden mit einer Dritten Hand die Funktion eines aktiven Ko-Konstrukteurs zukommen soll. Zugleich wird ein Dreiklang im kunsttherapeutischen Prozess bezogen auf Medium, Gespräch und Zeit gesehen. Das Werk gilt dahingehend als äußeres Bild im Vergleich zum inneren Bild von Patienten und zur Resonanz von Therapeuten angesichts der Flut von Bildern in den Medien und im Alltagsleben. Die Differenz des kunsttherapeutischen Gestaltens in Resonanz zu inneren und damit eigenen Bildern bildet folglich eine andere Dimension eines Spiegelstadiums in der Spannung von Fiktion und Inszenierung. Insofern wird auch auf getrennte Welten bezogen auf das Künstlerische und Therapeutische Bezug genommen, und zwar als lebensverändernde Fantasie in der Befähigung zum eigenen Leben.

Teil 3 (P. Henningsen; G. Pitsch-Walz; J. Melches; E. Stalujanas & S. Euler; B. Wild)

Im Hinblick auf die Wirkungsweise von kunsttherapeutischem Handeln wird auf neuronale Netzwerke bzw. motorische, sensorische, kognitive und emotionale Anteile psychosomatischer Aktivität Bezug genommen. Sowohl die patientenzentrierte Perspektive als auch eine leib-seelische Kommunikation im Dreieck von „Patient – Werk – Therapeut“ als wir-zentrische Kommunikation werden thematisiert. Kunsttherapie wird als schöpferisch-therapeutische leib-seelische Praxis eingestuft und ist folglich im Kontext der Theorie des „verkörperten Denkens und Fühlens“ wahrzunehmen. Als Spezialtherapie wird Kunsttherapie zur Verbesserung der Negativ-Symptomatik eingestuft. In der Hinsicht werden bezogen auf Verhalten und Handeln beispielsweise folgende Aspekte benannt: Aktivierung, Konzentrationssteigerung, emotionale Entlastung, neues Hobby, Selbstwertsteigerung, salutogenetische Perspektive, Kommunikation und neue Einsichten. In Anbetracht dessen wird eine Kooperation zur Verhaltenstherapie herausgestellt, und zwar als synergetische Effekte von Kunst- und Verhaltenstherapie, auch was eine bessere Verankerung von psychoedukativen Inhalten zum Finden von Lösungsstrategien über Kunst und Kreativität betrifft. Weiterhin wird eine Dualität von Kunst als Therapie und Kunst in der Therapie hervorgehoben. Die Theoriebildung zur Kunsttherapie ist zweiseitig ausgerichtet, d.h. zum einen auf störungs-, klientel- und settingspezifische Ansätze klinischer Kunsttherapie und zu anderen auf Kunst-, Kultur- und Bildungswissenschaften. Eine theoretische Fundierung sollte weitergehend multi- und transdisziplinär ausgerichtet sein, was die beiden Pole Psychotherapie und Kunst betrifft. Dementsprechend wird das Zentrum kunsttherapeutischer Praxis im sinnlichen Erleben des material- und körperbezogenen, schöpferischen Prozesses wahrgenommen. Die Relevanz von Bild und Fallbericht wird in der künstlerisch-therapeutischen Forschung veranschaulichend vorgestellt. Ergänzend wird die Beziehung zum Mentalisieren und der Mentalisierungsbasierten Therapie (MBT) reflektiert. Aspekte wie Haltung des Nichtwissens, empathische Validierung, Klarifikation, Challenging, Innehalten und Zurückspulen sowie Affektelaboration und Affektfokus werden als Haltung und Interventionen einer Mentalisierungsbasierten Therapie vorgestellt sowie als Anwendung in Bezug auf Kreativitätstherapien thematisiert. Mit der Thematisierung von Sprache, Psychotherapie und Kunsttherapie wird auf eine nichtsprachliche Ebene und Stärke im kunsttherapeutischen Prozess verwiesen. Als Gestaltungsinteraktionen werden die drei Ebenen differenziert, d.h. der kinästhetische/​sensorische Level, der perzeptive/​affektive Level und der kognitiv/​symbolische Level – auch im Sinne einer Bewegungsdynamik in der Bildbearbeitung von Gestaltetem. Grundlegende psychotherapeutische Kenntnisse werden für das kunsttherapeutische Arbeiten als notwendig angesehen, wie Abwehrmechanismen, Widerstand, intrapsychische Strukturen, Bildungstheorie, Konflikte, aber auch Gesprächstechniken, gewaltfreie Kommunikation u.a. Künstlerisches Handeln und das Sprechen werden zudem als zusammengehörend bzw. einander befruchtend bewertet.

Teil 4 (T. Kluttig, S. Kulhanek & C. Renz; F.v. Spreti & P. Martius; A. Habenkorn; C. Schindler; E. Boehlke, V. Schöwering, M. Katzzorke & A. Kobe; H. Kirchlechner)

In diesem Kapitel mit sechs Beiträgen unterschiedliche Praxisfelder der Kunsttherapie thematisiert, d.h. in der Forensik, mit Borderline-Patienten, im Justizvollzug, in interkulturellen Kontexten wie Island, im Arbeitsförderbereich mit Menschen geistiger Beeinträchtigung und in einem psychiatrischen Krisenzentrum. Die Poesis, die dem gestaltungstherapeutischen Gestalten wie dem Theaterspiel als ressourcenfördernder Behandlungsansatz zukommen kann, wird eindrücklich an der Umsetzung der Biographie von Ernst Ludwig Kirchner in einer projektorientierten Theaterarbeit mit Patienten einer forensischen Klinik dargestellt. Dies betrifft einerseits die Künstlerbiographie und andererseits mögliche Identifikationsprozesse, die Rollenentwicklung und persönliche Veränderung der Mitwirkenden aus der Klinik. Poesis in der forensischen Kunsttherapie wird bezogen auf die mögliche Wirksamkeit allgemein erläutert und in der Zielorientierung thematisiert. Im Hinblick auf Borderline-Persönlichkeitsstörungen (BPS) im klinischen Kontext werden theoretische Grundlagen vermittelt sowie anhand von Fallbeispielen und den gestalteten Bilden ein sinnlicher Zugang im Verstehen der Störungen vermittelt. Zugleich wird die Einbettung in die schöpferische Ressource wahrgenommen, wobei der Bildraum zu einer Art Bühne wird und das Bildnerische eine entlastende Containerfunktion erhalten kann. Einen anderen Zugang zur Kunsttherapie wird über die Porträtmalerei im Justizvollzug vorgestellt, und zwar über den prozessualen Verlauf der Bildgestaltung mittels kunsttherapeutischer Begleitung. Angesichts eines interkulturellen Vergleichs wird auf die Verankerung von Kunsttherapie in Island bezogen auf eine Kinder- und Jugendpsychiatrie eingegangen. Am Beispiel der GIB-Stiftung, d.h. der Gesellschaftlichen Integration von Menschen mit Behinderungen, wird eine Projektarbeit mit Malen an einen Bauzaun in den unterschiedlichen Facetten des Gestaltens anschaulich anhand mitwirkender Teilnehmer dargestellt. Die Subjektivität der einzelnen Teilnehmer und die Wirkung dieser Projektarbeit auf den einzelnen werden deutlich gemacht. Anhand eines Erfahrungsberichtes aus dem Psychiatrischen Krisenzentrum Atriumhaus in München mit drei Fallbeispielen werden weiterhin unterschiedliche Gestaltungsprozesse vermittelt, um einen Einblick in die Vielschichtigkeit des Tätigkeitsbildes zu geben.

Teil 5 (G. Waser; S. Lütscher)

Aus historischer Sicht werden Erfahrungen einerseits mit Gaetano Benedetti und andererseits mit der psychiatrischen Klinik „Bellevues“ verbunden mit der Geschichte eines offenen Ateliers geschildert. Der Ansatz von Benedetti zur Psychotherapie der Schizophrenie und seine Zuwendung zur Kunsttherapie werden theoretisch fundiert vorgestellt. Die Begriffsbildung des „Übergangssubjekt“ im Vergleich zum „Übergangsobjekt“ von Donald W. Winnicott wird in der theoretischen Ableitung nachvollziehbar. Zudem wird Benedettis Ansatz des Progressiven therapeutischen Spiegelbildes (PTS), den er gemeinsam mit Maurizio Peciccia entwickelt hat, verdeutlicht. Dieser Beitrag spiegelt das persönliche Verhältnis und die Wertschätzung des Autors mit Benedetti wider. Mit der Darlegung des Ansatzes der „Privaten Psychiatrischen Klinik Bellevue“, die 1980 geschlossen wurde, wird dagegen einerseits auf die Familie Binswanger, die die Leitung der Klinik seit 1857 über Generationenfolgen innehatte, und auf Ludwig Binswanger als Begründer der Daseinsanalyse Bezug genommen. Andererseits wird auf das dortige Offene Atelier unter Leitung von Edina Anson und Fräulein Antje sowie die Bildrettung der dort gestalteten Bilder eingegangen. Anhand von Bildbeispielen mit Patientenberichten aus der Zeit und dem Bericht zur Rettung der Bildersammlung lässt sich diese Zeit eindrucksvoll nachvollziehen. 

Teil 6 (S. Völker; R. Buland & N. Gottschild; J. Melchers; F.v. Spreti; D. Jallerat)

In diesem Teil mit fünf Beiträgen geht es um das Handwerk der Kunsttherapie in unterschiedlichen Facetten. Die soziale Dimension des „Hand in Hand“ wird im Kontext künstlerischen und wissenschaftlichen Handelns erörtert. In Anlehnung an Gottfried Boehm wird das Bild zugleich in seiner Referenz, im Prozess und in seiner eigenen Realität wahrgenommen. Historische Zugänge zur Kunstgestaltungen, aber auch in der Begegnung von Kunst, Ästhetik und Psychologie als spezifisches Potenzial der Kunsttherapie werden detailliert reflektiert. Dahingehend wird der visuelle Raum als Begegnungsraum im intersubjektiven Spiegelungsprozess thematisiert hin zu neuen Bildentwicklungen und Narrativen, wobei das Poetischen als bedeutsames Dritte im therapeutischen Prozess neuen Sinn generieren kann. Mit der Thematisierung des Spiels im kunsttherapeutischen Prozess wird das Gestaltungs-Spiel in der Kunsttherapie in seinem Verlauf und seiner Dynamik eingehend behandelt. Unter dem Aspekt geht es auch um die Förderung von Selbstheilungskraft und Gestimmtheit. In einen weiteren Beitrag werden zur Prozess- und Zielkomplexität allgemein kunsttherapeutische Methoden in der Differenzierung nach Technik, Methode und Ansatz untersucht. Daraus ableitend wir eine Erweiterung des Methodenverständnisses um die Komponente des Spiels angesprochen. In der Herausstellung von Handwerk, Kunst und Psychotherapie werden grundlegend wesentliche Aspekte zum Arbeitsfeld der Kunsttherapie aufgearbeitet. Damit wird ein differenzierter Einblick in verschiedene Aspekte zur Wirksamkeit künstlerischen Handelns und Kunsttherapie gegeben, sei es unter dem Fokus des inneren Überlebens, des Gestaltens zur Konfliktlösung, der Regression und Exploration, Individuation oder im Lernprozess des Experimentierens. Weitergehend werden vielschichtige Aspekte zur Einbeziehung von Kunsttherapie in die Institution Klinik fundiert dargelegt. Nach verschiedenen Kontaktmöglichkeiten unterschieden werden wesentliche Thematiken angesprochen. Einzelne Fallbeispiele unterstützen dieses Verständnis, wobei auch die Bedeutung von Materialien bis hin zur Größe des Formats im Einzelnen mit verschiedenen Einsatzmöglichkeiten beschrieben wird. Dabei spielt die Haltung des Therapeuten in der triangulierten Beziehung eine ebenso große Rolle wie die Kenntnis um klinische und ausbildungsbedingte Aspekte. Im Hinblick auf eine medizinische Indikation von Kunsttherapie wird diese zwar einerseits verneint, andererseits aber bezogen auf das Erlangen von Bewältigungsstrategien als auch diagnostischen Einsichten, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit u.a. unterstützt. Weiterhin werden spezifische Methoden der Kunsttherapie bezogen auf theoretische Bezüge und das Setting vorgestellt. Dies betrifft das Squiggle-Spiel nach Donald W. Winnicott, die Sandspieltherapie nach Margaret Löwenfeld und Dora Kalff, das progressive therapeutische Spiegelbild nach Gaetano Benedetti und Maurizio Peciccia, das Begleitende Malen nach Helena Schrode, das Begleitete Malen nach Bettina Egger, die Arbeit am Tonfeld nach Heinz Deuser, das Intuitive Malen nach Ingrid Riedel, das Geführte Zeichnen nach Maria Gräfin Hippius, die Resonanzbildmethode nach Gisela Schmeer. Weiterhin werden Kontextbezüge vorgestellt und in dem Zusammenhang der Einsatz kunsttherapeutischer Methoden in der klinischen und ambulanten Praxis reflektiert.

Teil 7 (J. Wertheimer; M. Neiser-Rudolf; N. Giese-Kroner; G. Rudolf; F. Steger)

Die biografische Dimension künstlerischen Schaffens bezogen auf einzelne Künstlerpersönlichkeiten wird in den unterschiedlichen Ausrichtungen nebeneinander gestellt. Mit dem Bezug auf die prähistorische Gestaltung eines Art Löwenmenschen wird exemplarisch auf archäologische Aspekte des Bildnerischen in der Phase um 38 000 Jahre vor unserer Zeitrechnung als Schwelle kultureller Evolution eingegangen. In dem Zusammenhang werden „epigenetische Marker“ als Reaktion auf Umwelteinflüsse genannt und u.a. der aus Mammutelfenbein gefertigte Löwenmensch, gefunden in der Schwäbischen Alp, auch in Verbindung zur Migration in der Begegnung mit Neuem gedeutet. Insofern wird diese Figurine auch als Sehnsucht des Menschen nach einer verlorenen Verbindung zum Tier wahrgenommen. Mit der Vorstellung der Biografie von Paula Becker-Modersohn als weibliche Künstlerin in ihrem Werdegang wird ein Vergleich zum Frau-Sein und zur Künstlerin heute thematisiert. Ähnlich werden in einem weiteren Beitrag die Reputation von weiblichen Kunstschaffenden auf der internationalen Kunstbühne angesprochen sowie Netzwerke und die Bedeutung von GEDOK als Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstfördernden hervorgehoben, um Künstlerinnen in ihrem Werdegang zu unterstützen. Dagegen hat der Künstler James Ensor als psychisch belasteter Künstler erst im hohen Alter zunehmende Anerkennung für sein außergewöhnliches Werk vor dem 40. Lebensjahr im Gestalten von maskenhaften Gestalten einer bedrohlichen Welt erhalten. Dies wird im Kontext seiner Biografie reflektiert. In den Bildern von betroffenen Klientinnen aus einem Arzneimittelskandal in der DDR zwischen 1978 und 1979 aus zwei Workshops mit einer Kunsttherapeutin 2017 und 2018 wird die unbewusste Verarbeitung in der Bewältigung und Identitätssuche dieser Frauen deutlich. Erst im Jahr 2000 und dann 2020 im Rahmen des Anti-D-Hilfegesetzes und seiner späteren Novellierung kam es zu einer Verbesserung der materiellen Situation der geschädigten Frauen und infizierten Kontaktpersonen. Mit dieser Darstellung wird nochmals Bezug genommen auf eine Schädigung infolge einer kontaminierten Anti-D-Immunprophylaxe, der mehrere tausend Frauen der DDR mit der folgenden Erkrankung an Hepatitis C und weiteren psychischen Belastungen sowie Einschränkungen damals ausgesetzt waren.

Diskussion

Im Ganzen handelt es sich, wie der Titel des Buches bereits vorgibt, um eine komplexe Darlegung von unterschiedlichen Zugängen zur Kunsttherapie aus historischer, kunstgeschichtlicher und psychosomatischer Sicht sowie um die Einbettung in unterschiedliche praktische Handlungsfelder. Es werden wesentliche Aspekte kunsttherapeutischer Arbeitsmethoden und klinischer Einbeziehungen dargelegt und zugleich Verbindungen zu Nachbarwissenschaften bzw. anderen therapeutischen Ansätzen hergestellt. In der Hinsicht ist das Buch in seiner Vielschichtigkeit empfehlenswert für Auszubildende, aber auch für Praktiker und institutionelle Träger. Die Akzeptanz und Unterstützung kunsttherapeutischer Arbeitszusammenhänge in unterschiedlichen Bezugsbereichen wird damit als Forderung nochmals unterstrichen und bezogen auf weitere Möglichkeitsräume erweitert.

Fazit

Mit dieser Publikation wird eine theoretische Fundierung kunsttherapeutischer Praxisfelder bezogen auf eine breit angelegte Verflechtung mit anderen Disziplinen sowie zum Handwerk der Kunsttherapie gegeben.

Rezension von
Prof. Dr. habil. Ruth Hampe
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Es gibt 16 Rezensionen von Ruth Hampe.

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Zitiervorschlag
Ruth Hampe. Rezension vom 20.03.2023 zu: Flora von Spreti, Wulf Bertram, Thomas Fuchs (Hrsg.): Kunsttherapie kompakt (griffbereit). Schöpferisch denken ? therapeutisch handeln. Schattauer (Stuttgart) 2023. ISBN 978-3-608-40143-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30275.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.


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