Klaus Wegleitner, Patrick Schuchter u.a. (Hrsg.): Zu jung fürs Thema Sterben?!
Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 14.09.2023

Klaus Wegleitner, Patrick Schuchter, Bernadette Groebe, Dirk Blümke (Hrsg.): Zu jung fürs Thema Sterben?! Junge Menschen für Hospizkultur in Gesellschaft #interessieren #stärken #beteiligen. der hospiz verlag Caro & Cie. oHG (Esslingen) 2022. 324 Seiten. ISBN 978-3-946527-51-0. D: 39,00 EUR, A: 40,10 EUR.
Thema und Autoren
Warum gibt es so wenige junge Menschen, die in der ehrenamtlichen Hospiz- und Trauerbegleitung tätig sind? Im Rahmen des Projektes „Junge Menschen in der Sterbe- und Trauerbegleitung“ entstand ein deutschlandweiter Experimentierraum mit zwölf Projektstandorten, um junge Menschen für Hospizarbeit zu interessieren und sie daran zu beteiligen. Das Buch vereint Beiträge zu konkreten Erfahrungen von jungen Menschen in Begleitung und zu den vielfältigen Aktivitäten mit jungen Menschen, Hospizarbeit in den lokalen Gemeinden und Communities vernetzt zu gestalten. Es regt an, von den Perspektiven, Fragen und Gedanken der jungen Menschen zu lernen, selbstkritisch auf Bestehendes zu schauen und gemeinsam mit jungen Menschen die Hospizkultur weiterzuentwickeln.
Herausgeber sind Klaus Wegleitner, assoziierter Professor an der Universität Graz, Patrick Schuchter, Philosoph und Krankenpfleger, Bernadette Groebe, sie arbeitet in Köln als Referentin der Fachstelle „Hospizarbeit, Palliativversorgung und Trauerbegleitung“ der Malteser und Dirk Blümke, er ist Diplomtheologe und Leiter der Fachstelle der Malteser.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in vier Kapitel unterschiedlicher Länge gegliedert. In den „Einstimmungen“ wird zunächst betont, weil wir den Tod nicht sehen wollen, vermeiden wir ihn, als gäbe es ihn nicht. Damit aber erhalte er eine Dominanz, die völlig unverhältnismäßig ist. In dieser Publikation wird ein Projekt der Malteser und DHPV vorgestellt, an dem 60 junge Teilnehmer teilnahmen mit dem Titel „Junges Ehrenamt Hospiz“. Sterbende seien Lebende bis zum Schluss. Danach folgen Fallvignetten von jungen Menschen, die Sterbende oder Familienangehörige begleitet haben und von ihren Erfahrungen berichten.
Im Kapitel eins „Junge Menschen interessieren und stärken“ werden verschiedene Aktivitäten und Projekte der Malteser vorgestellt, die mit unterschiedlichen Projektpartnern durchgeführt wurden. Rückblickend auf diese unterschiedlichen Projekte lasse sich ein sehr offener Umgang mit dem Thema „Sterben, Tod und Trauer“ bei Jugendlichen erkennen. Des Weiteren wurde ein Grundkurs „Trauernde Erwachsene“ als Zusatzqualifikation im Studiengang „Soziale Arbeit“ konzipiert und durchgeführt. Es gab zudem einen 90minütiges Onlineseminar an der Hochschule konzipiert für Studiengänge in den Bereichen Gesundheit und Soziales.
Kapitel zwei ist mit dem Thema „Junge Menschen beteiligen“ überschrieben. Es folgen weitere Veranstaltungen der Malteser, die sich als Experimentierraum für neue Ideen und Ansätze verstehen. Hier haben sich die Hospizdienste aus ihrer Komfortzone gewagt und sind neue Wege gegangen. Mit diesen Erfahrungen möchten die Malteser auch anderen Hospizdiensten Mut machen, dass auch junge Menschen einen festen Platz in der Trauer- und Sterbearbeit haben.
Kapitel drei ist dem Thema „Junge Menschen in der Sterbe- und Trauerbegleitung- alles eine Frage der Qualifizierung“ gewidmet. Für alle Qualifizierungsformate gibt es Grundanforderungen wie beispielsweise: Eigene Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben, Tod und Trauer, Basiswissen, Begleitungswege, Familiensysteme, Selbstsorge. Allen hier genannten Kommunikations- und Begleitungsansätzen ist gemeinsam, dass sie dem Feld der humanistischen Psychologie zuzuordnen seien. Ein Qualifizierungsformat ist zum Beispiel das Berliner Modell, hier werden die Teilnehmer auf den Kontakt mit Familien mit gesunden Kindern und Jugendlichen und einem sterbenden Elternteil vorbereitet.
Weitere Ausführungen zum Thema „Anregendes und Bewährtes: Kleiner Methodenpool“ vorbehalten. Hier werden verschiedene Methoden vorgestellt, die helfen sollen beim Erstgespräch das Eis aufzutauen und diverse Hilfen, die Orientierung im Gespräch zu behalten. Genannt seien hier der Methodenkoffer, die Wunschblumen, die Friedhofskerze, das Rundtuch Rondo oder die-Storyline Methode.
„Grundsatzfragen und das größere Bild“ ist der Titel des letzten und damit vierten Kapitels. Der Bogen spannt sich von einem Umgang mit Bildern des Scheiterns in Projekten über die Bedeutung von partizipativen Zugängen und von systematischen Lernprozessen in Organisationen, bis hin zu den organisatorischen Implikationen neuer Ehrenamtlichkeit und eines hospizlichen Bildungsverständnisses. Scheitern kann nur, wer unbekanntes Terrain betritt. Neu strukturierte Vorbereitungskurse für junge Menschen, Kulturveranstaltungen, Workshops, Seminare und weitere kreative Projekte wurden geplant und verwirklicht und nicht immer war klar, ob aus Stolpersteinen Trittsteine werden. Scheitern ist somit als prozesshafter Aspekt des Werdens zu begreifen. Partizipation beginne in den Köpfen der Erwachsenen: je mehr wir jungen Menschen Raum und Verantwortung übergeben, je ehrlicher werden wir sie beteiligen, umso überraschter werden wir sein, was junge Menschen alles anstoßen können.
Diskussion
Es ist eine Publikation, in der ein spezifisches, bisher relativ seltenes wissenschaftliches Thema aufgegriffen und bearbeitet wird – das Thema der Trauer und des Todes in ehrenamtlichen Projekten. Ein so vielfältiges Buch kann nur durch die gemeinsame Leidenschaft, die Ko-Kreativität, das Engagement und Zusammenwirken vieler Menschen entstehen. Es sind neue Wege beschritten worden, um für die Idee „Junge Menschen in der Sterbe- und Trauerbegleitung“ zu werben und sie für ein Ehrenamt zu gewinnen. Junge Menschen haben in der Steuerungsgruppe, den Projektgruppen, dem Lenkungsausschuss und in den Arbeitsgruppen dieses Buch erst ermöglicht. Interessant und belebend sind in den einzelnen Kapiteln „Stimmen – Erlebnisse – Gefühle“, die etwas vom Inneren der jungen Menschen verraten. Hier ein Bespiel: „Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das kollektive Trauern etwas tief Berührendes und Ehrliches hat. Ich kann mir vorstellen, dass diese Arbeit mit viel Dankbarkeit verbunden ist. Sowohl von mir, weil ich dabei sein darf, als auch von den Betroffenen, weil jemand an ihrer Seite ist und Halt gibt.“
Fazit
Es ist ein Buch, was betroffen macht und Mitgefühl provoziert, weil es mit Empathie und Leidenschaft geschrieben wurde. Die vielen Projekte, die hier initiiert wurden, geben Beispiele für ehrenamtliches Engagement und Vielseitigkeit. Für alle, die Anregungen für das Arbeiten mit jungen Menschen suchen, empfiehlt sich dieses Buch.
Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische
Sozialforschung und Gerontologie
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Zitiervorschlag
Gisela Thiele. Rezension vom 14.09.2023 zu:
Klaus Wegleitner, Patrick Schuchter, Bernadette Groebe, Dirk Blümke (Hrsg.): Zu jung fürs Thema Sterben?! Junge Menschen für Hospizkultur in Gesellschaft #interessieren #stärken #beteiligen. der hospiz verlag Caro & Cie. oHG
(Esslingen) 2022.
ISBN 978-3-946527-51-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30282.php, Datum des Zugriffs 30.09.2023.
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