Michael Meyer, Ruth Simsa u.a. (Hrsg.): Handbuch der Nonprofit-Organisation
Rezensiert von Dr. Siegmund Pisarczyk, 30.05.2023

Michael Meyer, Ruth Simsa, Christoph Badelt (Hrsg.): Handbuch der Nonprofit-Organisation. Strukturen und Management. Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH (Stuttgart) 2022. 6. Auflage. 603 Seiten. ISBN 978-3-7910-5561-9. D: 69,99 EUR, A: 72,00 EUR.
Das Thema
Für Nonprofit-Organisationen (NPOs) gibt es große Herausforderungen, z.B. im sozialen Bereich und in der Pflege aufgrund der Alterung der Gesellschaft, zunehmende Armut und der Integrationsproblematik. Diese erfordern noch mehr NPO-Engagement für die Gesellschaft. Der Staat zieht sich aus der finanziellen Verantwortung für die NPO-Unterstützung kontinuierlich zurück. NPOs sind immer mehr auf sich selbst angewiesen. Die Konkurrenz auf dem Spendenmarkt bringt zahlreiche NPOs an ihre existenziellen Grenzen. Dazu kommen z.Z. Krisen wie Coronabekämpfung, Krieg in der Ukraine und die Energiekrise. NPOs müssen in diesen schwierigen Zeiten ihre zivilgesellschaftliche Verantwortung unter Beweis stellen.
Die Herausgeber:innen
Ruth Simsa hat eine Professur am Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) inne und ist u.a. Vorstand von „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ sowie der ISTR – International Society for third Sector Research. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Zivilgesellschaft, soziale Bewegungen und Leadership in Nonprofit-Organisationen.
Michael Meyer arbeitet als Professor an der WU Wien und leitet das Institut für Nonprofit Management sowie das Kompetenzzentrum für NPOs und Social Entrepreneurship. Er ist tudierter Sozia- und Wirtschaftswissenshaftler Meyer forschte an der WU und Universität Stanford; dort arbeitet seit 2017 im Bereich Civic Life of Cities Lab. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Verbetriebswirtschaftlichung im Nonprofit-Sektor, Nonprofit Governance (u.a. als staatliches Koordinierungssystem), Social Entrepreneurship (z.B. Herstellung von NPOs-Produkten), Diskurs- und Organisationsanalyse.
Christoph Badelt ist emeritierter Professor für Wirtschafts- und Sozialpolititk an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er gründete an der WU Nonprofit als Forschungsschwerpunkt sowie das NPO-Institut, und lehrte u.a. zwei Jahre an der Universität of Wisconsin in Madison, USA. Von 2002 bis 2015 war er Rektor der WU Wien und von 2016 bis 2021 Leiter des Österreichischen Institus für Wirtschaftsforschung (WIFO). Zurzeit ist Badelt Präsident des österreichsichen Fiskalrats und zugleich des österreichischen Produktivitätsrats.
Alle drei Herausgeber gehören zu den renommierten Autoren der NPOs-Forschung-, und Lehre im deutssprachigen Raum. Ihnen und allen mitwirkenden Autorinnen und Autoren an diesem Handbuch gebührt besenderer Dank für diese hochaktuelle Veröffentlichung.
Aufbau und Inhalt
Dieses Werk besteht aus drei Teilen mit insgesamt 29 Kapiteln.
Es werden u.a. folgende Fragen beantwortert:
- Was sind Nonprofit-Organisationen?
- Woraus bestehen sie?
- Wie funktionieren Nonprofit-Organisationen in der Zivilgesellschaft?
- Was bestimmt die NPOs-Kommunikation?
- Wie werden erfolgreiche NPOs finanziert?
Teil 1 „Die Bedeutung des Sektors aus unterschiedlichen Perspektiven“, in 11 Kapiteln werden die NPOs-Grundlagen analysiert:
- Nonprofit-Organisationen: Abgrenzug, Definitionen, Forschungszugänge (Michael Meyer, Ruth Simsa, Christoph Badelt).
- Der Nonprofit-Sektor in Deutschland (Eckhard Priller; Annette Zimmer).
- Der Nonprofit-Sektor in der Schweiz (Georg von Schnurbein).
- Der Nonprofit-Sektor in Österreich (Astrid Pennerstorfer, Ulrike Schneider).
- Internationale Variationen von Nonprofit-Sektoren (Michael Meyer, Ruth Simsa).
- Zwischen Nützlichkeit und Gewinn: NPOs aus betriebswirtschaftlicher Sicht (Wolfgang Mayrhofer).
- Zwischen Marktversagen und Staatsversagen: Nonprofit-Organisationen aus ökonomischer Sicht (Astrid Pennerstorfer, Christoph Badelt).
- Gesellschaftliche Restgröße oder treibende Kraft? Soziologische Perspektiven auf NPOs (Ruth Simsa).
- Rechtsformen für NPOs (Thomas Höhne, Michael Röcken).
- Steuerrecht für NPOs: Deutschland und Österreich im Vergleich (Andreas Lummerstorfer, Johannes Fein).
- Arbeits- und sozialrechtliche Rahmenbedingungen in NPOs (Monika Drs, Eberhard Eichenhofer, Thomas Gächter).
In diesem ersten Teil befassen sich die Autoren mit der Situationsanalyse der NPOs in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es werden Spezifika in einzelnen Ländern hervorgehoben unter Berücksichtigung der sozioökonomischen, soziologischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Zugänge. Die Verbindung des Nonprofit-Sektors mit der Zivilgesellschaft gewinnt immer mehr an Bedeutung (vgl. S. 87), wobei Zivilgesellschaft das Private meint, nicht gewinnorientiertes Engagement, verbunden mit der Hoffnung auf mehr Partizipation, Demokratie und soziale Gerechtigkeit“ (S. 9).
NPOs verfolgen andere Ziele als Unternehmen der freien Wirtschaft. Zugleich lassen sich in den letzten Jahren bestimmte Veränderungen festzustellen, dass BWL eindeutig in das Denken bzw. Handeln der NPOs „eingedrungen“ ist (vgl. S. 107). Die Frage, warum NPO enststehen, lässt sich kurz damit antworten und begründen, dass diese wegen der Mängeln anderer staatlichen Institutionen einen bestimmten Ausgleich schaffen müssen (vgl. S. 114). Man spricht von „Entrepreneurship-Theorien“, die besagen, dass bestimmte Unternehmer (Entrepreneure) z.B. neue Produkte auf den Markt bringen, in Form einer NPO (vgl. S. 119). NPO entwickeln sich mit ihren Institutionen unterschiedlich je nach Land. Das Gemeinnützigkeitssteuerrecht ist sowohl in Deutschalnd als auch in Österreich mit dem Begriff „Steuerliche Begünstigungen“ gebunden. In Deutschland gilt die Abgabenordnung (AO), und in Österreich wende man die Lösung im Sinne der Bundesabgabenordnung (BAO) an (vgl. S. 169 ff.). Es wird dafür plädiert, die vergleichende Nonprofit-Forschung weiter voranzutreiben, um weitere Erkenntnisse über unsere Gesellschaft zu gewinnen. Dabei kommt der Gemeinnützigkeit in den NPOs, wie z.B. für Vereine eine wichtige Rolle zu.
Teil 2 „Klassische Management-Aufgaben in NPOs“ besteht aus 12 Kapiteln:
- Besonderheiten des Managements von NPOs (Michael Meyer, Ruth Simsa).
- Ziele, Werte und Strategien in NPOs (Christian Horak, Gerhard Speckbacher).
- Organisation von NPOs (Florentine Maier, Michel Meyer).
- Marketing in NPOs (Renate Buber).
- Personalmanagement in NPOs (Markus Gmür, Ruth Simsa).
- Finanzierung von NPOs und Impact Investments (Margarete Rammerstorfer, Kai Weinmayer).
- Controlling und Rechnungswesen in NPOs (Christian Horak, Josef Baumüller).
- Projekt- und Prozessmanagement in NPOs (Reinhardt Millner, Christian G.Majer).
- Führung in NPOs (Ruth Simsa, Johannes Steyrer).
- Innovations- und Gründungsmanagement in NPOs (Reinhard Millner, Peter Vandor, Magdalena Wnkler).
- Fundraising und Finanzierungsquellen (Christian Grünhaus, Günther Lutschinger).
- Freiwilligenmanagement (Paul Rameder, Marlene Walk).
Im zweiten Teil handelt es sich grundsätzlich um das Management der NPOs mit der Betonung diverser Formen. Folglich werden alle relevanten Bereiche des NPOs-Managements beschrieben, dazu zählen z.B.
- Marketing,
- Controlling,
- strategisches Management,
- Organisation,
- Projektmanagement,
- Finanzierung,
- Personalmanagement und Fundraising.
Dem NPO-Management kommen unterschiedliche Aufgaben mit Widersprüchen zu. NPOs brauchen ebenfalls effiziente Strukturen. Es wird den Führungskräften in NPOs eine selbstbewusste Denkweise (vgl. S. 223) empfohlen und zugleich betont, dass es keinen „One-best-Way“ in der NPOs-Führung gibt: „dass das breite Spektrum der NPOs divergierende Erfolgsvoraussetzungen aufweist“ (S. 383). NPOs-Führung bewegt sich zwischen zwei Extrempunkten: einerseits folgt, „Auf zu viel Autonomie (…) zentralisierte Kontrolle; anderrerseits folgen auf Ineffizienz kahlschlagartige Budgetdeckel; kumpelhafte Verbrüderung wird durch versachlichte Distanz abgelöst usw.“ (S. 396). Zum Schluss dieses Teiles wird die Rolle des Freiwilligenmanagements vorgestellt.
Teil 3 „Beyond Management – Klassische NPO -Themen“.
In diesem abschließenden Teil schildern die Autoren in sechs Kapiteln folgende Schwerpunkte:
- Freiwilligenarbeit in Nonprofit-Organisationen (Eva More-Hollerweger, Paul Rameder).
- Spannungsfelder und Perspektiven in der NPO-Kommunikation (Gerlinde Mautner).
- Evaluation und Wirkungsmessung (Christian Grünhaus, Olivia Rauscher).
- Spenden und Philanthropie (Michaela Neumayr).
- Nonprofit-Governance (Florentine Maier, Michael Meyer).
- NPO und gesellschaftliche Krisen (Ruth Simsa, Michael Meyer).
Abschließend im Teil drei wird zu Beginn die Thematik der Freiwilligenarbeit in den NPOs geschildert. Freiwilligenarbeit meint freiwilliges Engagement. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden in Osteuropa neue Formen zivilgesellschaftlicher Organisationen gesucht und gefunden. Im Süden des europäischen Kontinents wiederum spielen bzw. spielen familiäre Strukturen eine wichtigere Rolle als NPOs (vgl. S. 471). Es wird verwiesen auf die Relevanz der Organisationskommunikation: „Das Etablieren einer spezialisierten PR- oder Corporate-Communications-Abteilung ist einerseits ein wichtiger Indikator für eine entsprechende Schwerpunktsetzung seitens der Organisationsleitung. Andererseits kann es auch ein indirektes Signal für das,Abschieben‘ des Themas sein und somit gerade ein Indikator für einen Mangel an Bewusstsein für die flächendeckende Präsenz von kommunikativen Prozessen und die gesteuerte Verantwortung für sie“ (S. 492). Es wird unterstrichen, dass kompetente Kommunikation Basisqualifikationen für Personal und Führungskräfte in NPOs sind (vgl. S. 492). NPOs gewinnen besonders in Krisen an Bedeutung: „Sie werden mehr und von anderen Personengruppen als üblich gebraucht, und ihre Leistungen werden tendenziell mehr geschätzt“ (S. 576). Des Weiteren wird in diesem Teil über Spenden und Kommunikation aus organisationaler und gesellschaftlicher Sicht berichtet. Als bedeutsam wird die Problematik der Evaluation und die Wirkungsmessung der einzelnen NPOs angesehen. Die Trias Spenden, Philanthropie und Freiwilligenarbeit ist für die Existenz der NPOs der Gegenwart von enormer Bedeutung.
Die Standardwerke zu diesem Thema werden systematisch berücksichtigt, z.B. Publikationen von Helmut K. Anheier, Christoph Badelt, Manfred Bruhn, Ken Burnett, Peter Buss, Kai Fischer, Christian Gahrmann, Jürgen Habermas, Marita Haibach, Bern Helmig, Philip Kotler, Michael Meyer, Eckard Priller, Robert Putschert, Georg von Schnurbein, Ruth Simsa, Hans Urlich, Michael Urselmann, Max Weber und Annette Zimmer.
Das Handbuch ist eine impulsgebende Bestandaufnahme für eine breite Fachdiskussion des Managements in NPOs. Um von diesem Buch optimal zu profitieren, muss man zuerst einen bestimmten Fach- und Fremdwortschatz verstehen. Dazu zählen z.B. Fachbegriffe wie
- „Social Profit“ (S. 5),
- „Impact Investing“ (S. 11),
- „Watchdogs“(S. 50),
- „Venture Philanthropy“ (S. 51),
- „Social-Origins-Theorie“ (S. 76),
- „Isomorphie“ (S. 223),
- „Vision“ (S. 227),
- „Balance Scorecard“ (S. 239),
- „Crowdfunding“ (S. 314),
- „Social Responsible Investing“ (S. 323),
- „Benchmarking“ (S. 339),
- „Big-Five-Modell“ (S. 387),
- „Mailing“ (S. 435),
- „Controlling Governance“ (S. 547).
Zu den Formen der NPOs gehören u.a. Vereine, und gGmbHs, die in der Gesellschaft als Organisationen funktionieren, z.B. Feuerwehr, Sportvereine, Wohlfahrtverbände, politische Parteien und Menschenrechtsorganisationen (vgl. S. 3).
Charakteristisch für NPOs sind folgende Merkmale: ein Mindestmaß an formaler Organisation; es sind nichtstaatliche Organisationen, also private. NPOs dürfen keine Gewinne bzw. Überschüsse an Mitglieder bzw. Eigentümer ausschütten; sie streben vielmehr Entscheidungsautonomie und ein Minimum an Selbstverwaltung an. Ein Mindestmaß an Freiwilligkeit hat für NPOs erhebliche Bedeutung (vgl. S. 7 ff.).
Im Ländervergleich zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen sich Unterschiede: Bei NPOs in der Schweiz zeichnet sich ab, dass sich der staattliche Sektor ändert bzw. auflöst zugunsten des NPO-Sektors (vgl. 48 ff.). NPOs sind in der Schweizer Gesellschaft stark verankert (vgl. S. 51). In Österreich dagegen sind NPOs stärker mit dem Staat verbunden.
Vereine bestimmen im großen Maße die Alltagskultur in Österreich (vgl. S. 55 ff.). Es wird bemängelt, dass über die ca. 130. 500 NPOs in Österreich nach wie vor nicht optimal informiert werden. Die Vermittlung der vorhandenen Daten muss verbessert werden (vgl. S. 70).
Der NPOs-Sektor entwickelt sich unterschiedlich je nach Staat und Tradition. Dabei wird auch die Relation zwischen Umwelt und der Zivilgesellschaft von großer Bedeutung. Der Begriff „Zivilgesellschaft“ meint „…die Sphäre jenseits von Markt und Staat, in der sich BürgerInnen und andere Organisationen engagieren. (…) NPOs sind wichtige Akteure der Zivilgesellschaft; die Variationen von Noprofit-Sektoren und die Spielarten der Zivilgesellschaft hängen zusammen“ (S. 73).
Es wird festgestellt, dass in den letzten Jahren die Betriebswirtschaftslehre immer mehr in das Denken und Handeln in den NPOs eingedrungen ist (vgl. S. 107).
NPOs wird – anders als die kommerziellen und staatlichen Akteure bzw. Produzenten „Nischenfüller“ (S. 113) und gleichen Mängel des staatlichen Engagements aus. NPOs sollen darüber hinaus bestimmte Werte vermitteln, z.B. Solidarität. Man spricht in diesem Zusammenhang u.a. von Entrepreneurship als Ausnutzen unternehmerischer Möglichkeiten in der institutionellen Form einer NPO (vgl. S. 119).
NPOs haben die Funktion der Integration gesellschaftlicher Teilsysteme, z.B. Inklusion (vgl. S. 136 ff.). Die Begriffe der „Nonprofit-Organisation“ und „Gemeinnützigkeit“ werden meist auf Vereine reduziert; es gibt aber noch weitere Formen, z.B. Stiftungen und Genossenschaften (vgl. S. 153 ff.). Die Abgabenordnung sagt über Gemeinnützigkeit Folgendes: „Eine NPO verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 der Abgabenordnung (AO)“ (vgl. S. 175). Dabei müssen Satzungszwecke genau defniert werden, um eventuelle Steuerbegünstigungen beanspruchen zu können (vgl. S. 188). NPOs sind verpflichtet sich an die Bestimmungen des Arbeitsrechts zu halten (vgl. S. 208). Das Management in den NPOs muss nicht betriebswirtschaftlich handeln; aber ein verantwortlicher Umgang mit wirtschaftlichen Ressourcen und effektive Methoden ist sehr zu empfehlen (vgl. S. 223).
„Die Strategieformulierung beschreibt, wie eine Organisation dauerhaft Wert für ihre Stakeholder im Sinne der Mission bzw. des Leitbildes der Organisation schafft“ (S. 227). Zugleich muss geklärt werden, wer die Stakeholder der NPOs sind und welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Die strategische Basis einer NPO sind Vision, Mission und Leitbild. Diese Komponente bestimmen die NPO-Zwecke nach Außen. Die Strategie wiederum dient den internen Zwecken (vgl. S. 227). Folglich wird z.B. Qualitätssicherung ein wichtiger Teil der Strategieumsetzung (vgl. 238 f.).
Management und Marketing bilden eine Einheit und bestimmen das Geschäftsmodell.
Ein „NPO-Relationship-Marketing“ kümmert sich um den Aufbau von Beziehung zu Anspruchspartnern (Spender und Fördergelder) (vgl. S. 273). Bei der Marketingskonzeption sind die Faktoren sowohl des strategischen als auch des operativen Marketingcontrolling zu berücksichtigen (vgl. S. 282). Ein weiteres Feld ist das Personalmanagement in den NPOs. Traditionell haben Hauptamtliche bzw. Freiwillige in den NPOs starke intrinsische Motivation sich zu engagieren (vgl. S. 304). Die Entwicklung in der Gesellschaft fundiert z.Z. zu mehr Individualisierung und Selbstverwirklichung; dies erfordert entsprechende personalpolitischen Modelle.
Ein weiterer Schwerpunkt des Handbuches behandelt die NPO-Finanzierung. „Investitionen und Finanzierung sind Basis für das Wachstum aller Unternehmen“ (S. 309) und können im NPO-Bereich und in kommerziellen Unternehmen verschieden interpretiert werden und bestimmen daher den Ausgangspunkt jeglicher unternehmerischer Aktivität (vgl. S. 309). Die NPOs arbeiten nicht gewinnorientiert, aber kostendeckend (vgl. S. 311). Fundraising und Crowdfunding sind relewante Alternativen des Finanzmanagements der NPOs.
Die Finanzierung und Wirtschaftlichkeit der NPOs können mit Hilfe des Controlling optimiert werden. Controlling bedeutet „lenken, steuern, regeln“ (S. 333).
Die Hauptaufgabe des Controlling ist die „Kontrolle der Planerreichung“ (vgl. 334); die Balance Scorecard (BSC) ist eines der Controllinginstrumente. BSC empfiehlt sich u.a. als Instrument zur operativen Umsetzung der NPO-Ziele (vgl.S. 338).
An welchen organisatorischen Möglichkeiten kann sich eine NPO orientieren?
Dafür bieten sich das Projekt- und Prozessmanagement an: „Projektmanagement verschafft NPOs eine erhöhte organisatorische Flexbilität, da die Stammorganisation für neue Aufgaben und Veränderungen nicht besonders gut geeignet ist“ (S. 360). Dazu werden zahlreiche Finanzierungsformen im Sinne der Spezifika der Projekte gefördert, z.B. durch Stiftungen (vgl. S. 361).
Der NPO-Erfolg hängt von der Führung ab: „Die Forschung geht generell von einer großen Bedeutung von Leaderspip als Erfolgfaktor für NPOs aus“ (S. 384. Zu empfehlen ist NPOs das „Big-Five-Modell“; es besteht aus fünf Persönlichkeitsvariablen: „Emotionale Stabilität“, „Extraversion“, „Offenheit für Erfahrungen“, „Soziale Verträglichkeit“ und „Gewissenhaftigkeit“ (vgl. S. 387 ff.). Eine gute NPO-Führung ist gut beraten, sich mit den Stärken dieses Modells zu befassen, die Vorzüge sind eindeutig.
Des Weiteren lässt sich die Frage stellen, welche Rolle Innovation in NPOs spielt.
Innovation ist erstens als „das sinnvolle Neue“ und zweitens als „Innovation als Prozess“ zu verstehen ist (vgl. S. 403). Der österreichische Nationalökonom Schumpeter (1883-1950) definiert Innovation (1934): „ … als neue Kombination von Märkten, Produkten, Dienstleistungen, Geschäfstmodellen oder Betriebsmitteln“(vgl. S. 403)). In NPOs wird Innovation es etwas „leichter haben“, da sie sich u.a. nicht an Marktpreisen orientieren müssen (vgl. S. 404). Fundraising kann als soziale Innovantion gesehen werden, wenn man die Motive der Geldspender analysiert, z.B. Spenden für Umwelt-, Katastrophenhilfe (Türkei und Syrien 2022), Spenden gegen Hunger in einigen Ländern Afrikas, oder für die Ukraine.
Fundraising lässt sich vielfach definieren. Es handelt sich dabei je nach Auslegung am Ende doch immer um das Erschließen von Ressourcen (vgl. S. 423); eine erweiterte Definition ist bei Haibach (2019) und bei Urselmann (2020) zu finden. Erfolgreiches Fundraising konzentriert sich auf längerfristige Beziehung zu potenziellen Spendern, in der Fachsprache „Relationship Fundraising“(vgl. S. 425). Der Zyklus des „Relationship Fundraising“ besteht aus sieben Schritten: Identifizieren, recherchieren, qualifizieren, kultivieren, fragen, bedanken und pflegen (vgl. S. 437). Entscheidend ist in dieser Beziehung die Ermittlung der Spendenwünsche und die Vorstellung des einzelnen Förderers für bevorzugte Spendenprojekte. Eine Fundraising-Form in den NPOs ist Freiwilligenarbeit. In Deutschland engagieren sich 40 %, in Österreich 31 % und in der Schweiz 39 % aller Erwachsenen (vgl. S. 447). Zu den Gründen des freiwilligen Engagements zählen u.a. Altruismus, Dienstleistungwille für das Gemeinwohl oder Erwerb bestimmter Fähigkeiten (vgl. S. 471). „Beyond Management“ meint hauptsächlich Referenzen von Managern, u.a. definiert als Leistungsfähigkeit in der Führung. In den NPOs kommt der Freiwilligkeit eine große Rolle zu. Diese kann verschiedene Formen haben, z.B. in einer NPO oder Hilfen in der Nachbarschaftshilfe. Ausführlich wird darüber seit 1999 im Deutschen Freiwilligensurvey (vgl. S. 474) berichtet.
Eine wesentliche Rolle spielen sowohl die interne als auch die externe NPO-Kommunikation. Dafür hat sich der Begriff der „Corporate-Communication“ etabliert (vgl. S. 492). Von der NPO-Leitung sind sowohl strategische als auch operative Entscheidungen zu erwarten, man spricht hier von „integrierter Kommunikation“(vgl. S. 493; vgl. Bruhn 2010)). Auch Werteorientierung hat in der NPO-Kommunikation eine wichtige Funktion zu erfüllen (vgl. S. 501 f.).
Wie lassen sich strategisch gewollte Ziele bzw. Erfolge überprüfen?
Der Bezug der NPOs auf nicht-kommerzielle Kriterien muss in der Praxis ensprechend berücksichtigt und bewertert werden (vgl. 507 ff.). Man spricht in diesem Kontext vom „Social Impact“ oder vom gesellschaftlichen Mehrwert (vgl. S. 507). Evaluation gehört zu den erprobten Methoden der Leistungsmessung der NPOs. Der Erfolg der NPOs ist mehrdimensionaler als der kommerzieller Organisationen. NPOs verfolgen diverse Ziele, die nicht klar hierarchisiert werden können und deren „Erreichung meist schwer direkt messbar und bewertbar ist“ (vgl. S. 509). Social Impact kann mehrere Formen annehmen, z.B. ökonomische, soziale, politische, ökologische und kulturelle (vgl. S. 512).
NPOs im Bereich Menschenrechte und Umweltschutz finanzieren sich zum größten Teil durch Spenden, z.B. ist Greenpeace Deutschland zu über 98 % spendenfinanziert (vgl. S. 529). Anhand der Abbildung 57 (vgl. S. 532) werden im europäischen Vergleich Großbritanien und die Niederlande an erster Stelle genannt. Im internationalen Vergleich führen die USA (2019) mit einem Spendenvolumen aus Spenden von Privatpersonen in Höhe vom 277,8 Milliarden Euro, Deutschland liegt (2017) mit 9,8 Milliarden Euro im guten Mittelfeld (vgl. S. 533). In Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören Tierschutz, Gesundheit und internationale Katastrophenhilfe zu den wichtigsten Spendenzwecken (vgl. S. 533).
Das Spendenwesen erfordert Transparenz und nationale Gütesiegel als Glaubwürdigkeitsfaktor, dass die Spende an der richtigen Stelle ankommt, sodass Spendenmißbräuche möglichst vermieden werden können (vgl. S. 542). Das gesamte Spendenwesen bedarf einer effektiven Nonprofit-Governance.
„Governance“ meint die Steuerung von sozialen Systemen, d.h. ganzer Gesellschaften, einzelner Organisationen und deren Verbindung (vgl. S. 547). Die Politikwissenschaften befassen sich mit der Steuerung ganzer Gesellschaften mittels „Makro-Governance“. Betriebswirtschaften dagegen befassen sich mit der Steuerung einzelner Organisationen „Corporate Governance“. Dabei handelt es sich um die Rechenschaftspflicht und den Schutz der Stakeholderinteressen (vgl. S. 547 ff.). Governance kann NPOs einige Vorteile bringen, z.B. wie ein Unternehmen gewinnorientiert arbeitet, obwohl eine direkte Übernahme von Konzepten aus kommerziellen Unternehmen nicht angedacht ist (vgl. S. 548). Nonprofit-Governance kann aber für die Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen von Nutzen sein (vgl. S. 561).
Im abschließenden Kapitel wird die Frage untersucht: Wie reagieren NPOs auf gesellschaftliche Krisen, und wie sie Krisen schadensfrei überstehen? Gemeint sind Krisen, die aus der Umwelt der NPOs resultieren (vgl. S. 567), wobei „Krisen“ als „ … außergewöhnliche, schwierige, (…) und gefährliche Situationen, die auch Chancen in sich bergen können“, definiert werden (vgl. S. 567). Zu den wichtigen Krisen der letzten Jahre zählen die Wirtschaftkrise 2009, Flüchtlingskrise 2015 und die COVID-19-Pandemie 2020 ab (vgl. S. 567). Die Herausforderungen an die NPOs in den Krisen beziehen sich grundsätzlich auf die Bewältigung der Folgen der Krise: „NPOs sind oftmals zentrale Akteure im gesellschaftlichen Umgang mit Krisen…“(S. 568). NPOs meistern gesellschaftliche Krisen, indem sie „ … Kapazitäten bereitstellen, die flexibler als jene von öffentlichen Organisationen einsetzbar sind“ (S. 568 ff.). NPOs engagieren sich besonders in der Katastrophen- und Soforthilfe. Krisen haben zuletzt zu einer Politisierung zahlreicher NPOs geführt, was ihrer Akzeptanz teilweise geschadet hat (vgl. S. 576). NPOs sind in den meisten Fällen gewöhnt, Krisen unter schwierigen Voraussetzungen zu bewältigen, weil sie u.a. interne resiliente Strukturen aufgebaut haben.
Disskussion
Quo vadis NPOs? Meyers, Simsas, Badelts kommunizieren mit ihrem Handbuch Entwicklungen, Tendenzen und Handlungen der NPOs in den 20-er Jahren des 21. Jahrhunderts, die oft eigentlich staatliche Aufgaben erfüllen, da der Staat sich in manchen Fällen seiner Verantwortung entzieht. Das ist noch kein „Staatsversagens“, wohl aber eine hinterfragbare Verweigerung von Staatshandlungen. Mit Forderungen an die NPOs in der Zivilgesellschaft wird sowohl die soziale Relevanz der Freiwilligkeit der NPOs als auch die Orientierung an der freiheitlich- demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland betont. NPOs sollen einerseits ihren sozialen Beitrag auch im Sinne des Gemeinwohls leisten, andererseits auf dem schwerumkämpften Spendenmarkt effiziente Fundraisingstrategien entwickeln und nicht zuletzt ihre Kompetenzen im Bereich der modernen sozialen Medien unter Beweis stellen. Daraus ergeben sich Herausforderungen an das strategische Management und Marketing der NPOs. Vorteilhaft kann für NPOs z.B. sein das „Relationship Fundraising“ mit dem Ziel einer längerfristigen Partnerschaft mit Spendern und Spenderinnen aufgebaut wird. Die globalen Krisen seit ca. 20 Jahren zeigen die politische und sozial-verantwortliche Bedeutung der NPOs für die Zivilgesellschaft und den sozialen Frieden. Die Flüchtlingskrise 2015 hat bewiesen, dass ohne die philanthropische Uterstützung der Bürger und ohne das Engagement der NPOs die Situation kaum zu bewältigen war. Innovantionsmanagement und unbürokraisches Denken und Handeln gewinnen in den NPOs an Bedeutung, weil sie immer mit Krisen als Herausforderungen konfrontiert wurden und werden. Die Ökonomisierung der NPOs ist zwangsläufige Folge. Dieses Handbuch gibt zahlreiche zielführende Ratschläge, wie NPOs vom betriebswitrschaftlichen Management, Marketing, Controlling und Evaluation nachhaltig profitieren können.
Zu empfehlen ist das Handbuch besonders Managern in den Wohlfahrtsverbänden, Vereinen und Stiftungen aber auch Studierenden der Betriebswirtschaft, Sozialwissenschaften, Pädagogik, Politikwissenschaften und Zukuftsforschung, zudem allen Interessierten im Nonprofit-Bereich.
Diese 6. Auflage ist umfangreicher und leserfreundlicher als die vorhergehenden und u.a. um die Thematik „NPOs und gesellschaftliche Krisen“ erweitert.
Fazit
Die Systematik des Werkes ist überzeugend. Die Autoren und Autorinnen kommunizieren und argumentieren in einer verständlichen Sprache. Die gesellschaftliche Relevanz der NPOs ist eindeutig und das ist die Botschaft des wertvollen Handbuches.
Rezension von
Dr. Siegmund Pisarczyk
Diplompädagoge & Nonprofit Manager
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Es gibt 17 Rezensionen von Siegmund Pisarczyk.
Zitiervorschlag
Siegmund Pisarczyk. Rezension vom 30.05.2023 zu:
Michael Meyer, Ruth Simsa, Christoph Badelt (Hrsg.): Handbuch der Nonprofit-Organisation. Strukturen und Management. Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH
(Stuttgart) 2022. 6. Auflage.
ISBN 978-3-7910-5561-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30302.php, Datum des Zugriffs 28.09.2023.
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