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Michelle Lok-Yan Wichmann, Lisa Tölle et al.: Sicher miteinander

Rezensiert von Prof. Dr. Torsten Linke, 11.10.2023

Cover Michelle Lok-Yan Wichmann, Lisa Tölle et al.: Sicher miteinander ISBN 978-3-497-03176-4

Michelle Lok-Yan Wichmann, Lisa Tölle, Silke Pawils, Daniel Mays: Sicher miteinander - Schutzkonzepte für die heterogene Schule entwickeln. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2023. 160 Seiten. ISBN 978-3-497-03176-4. D: 26,90 EUR, A: 27,70 EUR.

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Thema

Die Entwicklung von Schutzkonzepten in pädagogischen und erzieherischen Einrichtungen ist mit Blick auf Kinderschutz und Kinderrechte eine notwendige und für die Institutionen zugleich herausfordernde Aufgabe. In der vorliegenden Publikation wird dieser Aufgabe für das Handlungsfeld Schule nachgegangen und aufgezeigt, wie ein Prozess zur Entwicklung und Implementierung eines Schutzkonzeptes gestaltet werden kann. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf einem inklusiven Vorgehen.

Autorinnen

Wichmann, Michelle Lok-Yan ist Psychologin. Sie forscht zu interpersoneller Gewalt an der Universität Siegen.

Tölle, Lisa ist Sonderpädagogin und Kriminologin. Sie arbeitet zu Themen der sexuellen und politischen Bildung an der Universität Siegen.

Pawils, Silke (PD Dr.) ist Psychologin und am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig. Sie leitet dort die Forschungsgruppe „Prävention im Kindes- und Jugendalter“.

Mays, Daniel (Prof. Dr.) hat an der Universität Siegen eine Professur für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Förderpädagogik inne.

Entstehungshintergrund

Der praxisorientierte Band greift einen relevanten und zentralen Punkt des pädagogischen Handelns auf, den Kinderschutz. Von den Autorinnen werden in der Einleitung (S. 11 ff.) wichtige Aspekte benannt, die in den letzten Jahren die Notwendigkeit einer stärkeren Untersetzung von Themen wie Kinderschutz, Kindeswohl und Kinderrechten sehr deutlich gemacht haben. Einen Schwerpunkt bilden hier die Prävention und Intervention im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt. Das Kinder und Jugendliche von sexualisierter Gewalt betroffen sind und welche Dimensionen hier vorliegen, ist bereits seit einigen Jahrzehnten durch Dunkelfeldstudien gut belegt. Jedoch bezog sich die Auseinandersetzung zunächst stark auf nicht institutionelle pädagogische Kontexte, bspw. die Familie und das familiennahe Umfeld (Linke 2020, S. 62 ff.). Als Ausgangspunkt der Entwicklung sich mit diesem Thema auch stärker in pädagogischen Kontexten zu befassen, können die Aufdeckungsfälle sexualisierter Gewalt in pädagogischen Institutionen genannt werden, die vor gut einem Jahrzehnt bekannt geworden sind (Retkowski et al. 2018). Aktuelle Studien verweisen auf einen weiterhin hohen Handlungsbedarf im Bereich der Prävention und Intervention in verschiedenen Lebenswelten, so auch der Schule (Maschke und Stecher 2022, 2018).

Aufbau und Inhalt

Der Band ist als Praxisbuch konzipiert und folgt einer klaren Struktur. In den ersten beiden Kapiteln wird die theoretische Basis gelegt auf die im Punkt 3 die praxisorientierten Ausführungen zur Entwicklung eines Schutzkonzeptes aufbauen.

Im ersten Kapitel Basiswissen I: Kinder- und Jugendschutz in der Schule (S. 15–34) widmen sich die Autorinnen den organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Der inklusive Anspruch des Werks ein Schutzkonzept für die heterogene Schule zu entwickeln zeigt sich hier bspw. in der Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention als eine der zentralen rechtlichen Grundlagen. Abgerundet wird das Kapitel indem abschließend Stimmen aus der Praxis zu Wort kommen und verschiedene Perspektiven aus der Praxis berücksichtigt werden (S. 28 f.).

Im zweiten Kapitel Basiswissen II: Sexualität und sexualisierte Gewalt (S. 35–76) wenden sich die Autorinnen vor allem dem Punkt der sexualisierten Gewalt zu indem sie bspw. eine Begriffsklärung vornehmen, Prävalenzen und Folgen für Betroffene darlegen und auch auf Täter und deren Vorgehen eingehen. Dabei folgen Wichmann et al. einer klaren und übersichtlichen Struktur und ergänzen ihre Ausführungen mit Abbildungen, Reflexionsimpulsen und Beispielen. Am Ende gehen die Autorinnen auf besonders vulnerable Gruppen im schulischen Kontext ein und richten die Perspektive auf Lernende mit spezifischen Förderbedarfen, Behinderungen und auf Lernende mit queeren Bedarfen sowie Lernende mit Migrations- und Fluchterfahrungen. Das Kapitel schließt mit einem Überblick über Informations- und Kontaktstellen.

Kapitel 3 Fachkundigenwissen: Auf dem Weg zum lebendigen Schutzkonzept (S. 77–136) stellt das umfassendste Kapitel dar. Es erfolgt eine Anleitung, wie Schritt für Schritt der Prozess zur Entwicklung eines Schutzkonzeptes gestaltet werden kann und welche inhaltlichen Punkte dabei aus Sicht der Autorinnen zu beachten sind. Anhand von Schaubildern, Techniken und Checklisten wird dies praxisnah bearbeitet und wie in den vorhergehenden Kapiteln durch weiterführende Literaturvorschläge und Informationsmöglichkeiten ergänzt. Auch in diesem Kapitel gehen Wichmann et al. auf inklusive Fragen ein und besprechen spezifische Aspekte zu den o.g. und von ihnen als besonders vulnerabel identifizierten Adressat:innen (S. 115 ff.).

Diskussion

Wichmann, Tölle, Pawils und Mays legen ein sehr gut durchdachtes, strukturiertes und sprachlich eingängiges Buch für die schulische Praxis vor. Den Autorinnen ist es gelungen den Text auf das Wesentliche zu straffen, ohne das wichtiger Inhalt und die Stringenz verloren gehen. Die Quellenverweise und Literaturvorschläge bieten die Möglichkeit zur weiteren wissenschaftlichen/​theoretischen Vertiefung mit den Themenbereichen. Für die Anreicherung des Themas mit praxisorientierten Inhalten geben Wichmann et al. ebenfalls umfassende Hinweise.

Der Aufbau des Buches mit zahlreichen Abbildungen und Aufzählungen ermöglicht einen guten Überblick für Lesende und eine Ergebnissicherung der zentralen Punkte. Durch Beispiele und Reflexionsimpulse werden die Lesenden angeregt, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen und diese auf die eigene Praxis zu beziehen – dadurch wird ein wichtiger Impuls zur Reflexion des eigenen pädagogischen Handelns gesetzt. Dies ist ein Punkt, der sowohl bei den ersten Schritten hin zur Entwicklung eines Schutzkonzeptes als auch für die weitere Gestaltung des fortlaufenden Prozesses von Bedeutung ist. Ein weiterer Punkt, der den Autorinnen wichtig ist, ist der inklusive Ansatz. Schutzkonzepte müssen mit allen und für alle Menschen die im institutionellen Kontext eingebunden sind entwickelt werden, um in der Praxis zu wirken.

Die theoretischen Inputs sind eine gute Ausgangsbasis für eine reflexive Auseinandersetzung mit der Thematik und die vorgeschlagenen Handlungsmöglichkeiten bieten einen anschlussfähigen Ausgangspunkt für die Praxis und hinsichtlich einer Adaption und Weiterentwicklung an einrichtungsspezifische Bedarfe. Der Band ist eine wichtige Publikation mit Blick auf die Bedeutung des Schutzauftrages und hier speziell zur Entwicklung von Schutzkonzepten in schulpädagogischen Einrichtungen.

Fazit

Eine klare Empfehlung (nicht nur) für die pädagogische Praxis im schulischen Kontext. Dieses Buch sollte in jeder Schule zur Verfügung stehen und genutzt werden. Ebenso ist es zu empfehlen für das Studium der Erziehungs- und Bildungswissenschaft, um angehende Lehrende mit dieser Thematik bereits im Studium praxisorientiert vertraut zu machen und ihnen Möglichkeiten zur Reflexion und Konzeptentwicklung aufzuzeigen. Für die Praxis der Sozialen Arbeit, vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (bspw. die Schulsozialarbeit, die Hortbetreuung und die Kinderschutzarbeit), und für das Studium der Sozialen Arbeit bietet sich der Band ebenfalls an, um sich mit der Schnittstelle Schule-Jugendhilfe im Kontext des Schutzauftrages zu befassen und um die Überlegungen für konzeptionelle Entwicklungen (auch) über den schulischen Rahmen hinaus zu nutzen.

Quellenangaben

Linke, Torsten, 2020. Sexuelle Bildung in der Kinder- und Jugendhilfe. Die Bedeutung von Vertrauenskonzepten Jugendlicher für das Sprechen über Sexualität in pädagogischen Kontexten. Gießen: Psychosozial-Verlag. ISBN 978-3-8379-2944-7 [Rezension bei socialnet].

Maschke, Sabine und Ludwig Stecher, 2022. „Ich habe so etwas erlebt – und will es nie wieder“ Sexualisierte Gewalt aus der Perspektive Jugendlicher: Fakten, Einordnungen und Prävention. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. ISBN 978-3-407-25892-2 [Rezension bei socialnet]

Maschke, Sabine und Ludwig Stecher, 2018. Sexuelle Gewalt. Erfahrungen Jugendlicher heute. Weinheim, und Basel: Beltz Verlag. ISBN 978-3-407-25789-5 [Rezension bei socialnet]

Retkowski, Alexandra, Angelika Treibel und Elisabeth Tuider, 2018. Handbuch Sexualisierte Gewalt und pädagogische Kontexte. Theorie, Forschung, Praxis. Weinheim und Basel: Beltz Juventa. ISBN 978-3-7799-3131-7 [Rezension bei socialnet]

Rezension von
Prof. Dr. Torsten Linke
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig
Fakultät Architektur und Sozialwissenschaften
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Es gibt 7 Rezensionen von Torsten Linke.

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ISSN 2190-9245