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Sarah Guddat, Maik Voelzke-Neuhaus: Kunsttherapie im Rahmen der DBT

Rezensiert von Svenja Rehse, 23.02.2023

Cover Sarah Guddat, Maik Voelzke-Neuhaus: Kunsttherapie im Rahmen der DBT ISBN 978-3-608-40030-4

Sarah Guddat, Maik Voelzke-Neuhaus: Kunsttherapie im Rahmen der DBT. Skillsatelier für Patientinnen und Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung. Schattauer (Stuttgart) 2021. 146 Seiten. ISBN 978-3-608-40030-4. D: 40,00 EUR, A: 41,20 EUR.

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Thema

Herausgeber:in

Sarah Guddat ist Kunsttherapeutin auf der DBT-Station der Ameos Dr. Heines-Klinik in Bremen, Lehrbeauftragte für Kunsttherapie und Kunst im Sozialen an der HKS Ottersberg und freischaffende Künstlerin Maik Voelzke-Neuhaus ist Ergotherapeut, Zusatzqualifikation Verhaltenstherapie, DBT-Therapeut (SP), DBT-Trainer (SP), Leitung des Referates „Fachtherapien“ im Dachverband DBT, Klinikum Bremen Ost, Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie 

Entstehungshintergrund

Die theoretische Grundlage des Buches basiert auf Literatur von M.M. Linehan (1996, 2016), M. Bohus und M. Wolf (2013), die explizit zu der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) geforscht und die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) entwickelt und etabliert haben. M.M. Linehan ist selber von der Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. Das Buch bietet ein Theoriegerüst zur DBT, zur BPS und zu Kunsttherapie allgemein sowie im Kontext der BPS. Die klar strukturierte, modularisierte verhaltenstherapeutische Arbeit an der Emotionsregulierung der Patient*innen wird im Gesamtverlauf stationärer Therapie vorgestellt. Die nonverbale, kunsttherapeutische Arbeitsweise in der DBT, das Kernthema des Buches ist ein Novum und entsprechend ausführlich wird die kunsttherapeutische Praxis mit den aufeinander aufbauenden Modulen und Aufgaben beschrieben, weil sie als bedeutsam und wichtig in der DBT erkannt wurde. Das Autorenteam, insbesondere Sarah Guddat in ihren Beiträgen, erläutert konkret das Skillstraining als strukturiertes, praxisnahes psychotherapeutisches Arbeitsmittel. Viele anschauliche Fallbeispiele zu allen kunsttherapeutischen Sequenzen tragen zu Verständnis und Erkenntnis bei und helfen, den Praxistransfer zu fundieren.

Aufbau

Das Buch ist gegliedert in die zwei Teile: Grundlagen und Module. Der Grundlagenteil umfasst vier Kapitel: Einführung in die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), Einführung in die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) und Sucht (beides Maik Voelzke-Neuhaus), Einführung in die Kunsttherapie (Sarah Guddat) und Kunsttherapie im Rahmen der Dialektisch-Behavioralen Therapie (Maik Voelzke-Neuhaus). Zu jedem Kapitel gibt es zwei bis vier Unterkapitel. Im zweiten Teil: Module werden die Module Achtsamkeit, Stresstoleranz, Umgang mit Gefühlen, „Zwischenmenschliche Fertigkeiten“, Selbstwert, Therapiebesprechungen und Sucht mit jeweils bis zu neun Unterkapiteln und teils noch weiteren Differenzierungen aufgefächert. Zu allen Modulthemen werden die Methoden der DBT, die konkreten Aufgaben, deren Umsetzung und Fallbeispiele dargestellt.

Inhalt

Den Auftakt des Buches macht ein Überblick über die Entstehungsgeschichte der DBT. Die amerikanische Psychologin Marsha Linehan, selber von der Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen, entwickelte die DBT in den 1980er-Jahren für chronisch suizidale Frauen und als ambulantes, äußerst strukturiertes Konzept. Aufgrund der hohen Wirksamkeit wird sie von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in den S2-Richtlinien als modularisierte Form der Psychotherapie für Borderline-Patient*innen empfohlen.

Professor Martin Bohus (1994) und Arbeitsgruppe etablierten die DBT als stationäres, drei Monate dauerndes Angebot in Freiburg und passten die Module entsprechend an. Zudem gibt es Weiterentwicklungen in den Indikationsbereichen Sucht, Essstörungen, Depressionen, stationär, Adoleszenz, Krisenintervention, Forensik, ACES = Nach-Akutphase Borderline, Eltern, Paare und Familien sowie Posttraumatische Belastungsstörung. Die DBT umfasst kognitive Verhaltenstherapie mit dem Fokus auf Emotionsregulation, Techniken aus anderen Therapieformen und Philosophien (z.B. Gesprächstherapie, Hypnotherapie, Zen-Buddhismus). 

Im Teil „Grundlagen“ und seinen ersten vier Kapiteln wird das theoretische Fundament zu den Eckpunkten: DBT, Borderline-Persönlichkeitsstörung und Sucht, Kunsttherapie und Kunsttherapie im Kontext der DBT vermittelt. Das erste, zweite und vierte Kapitel sind von Maik Voelzke-Neuhaus verfasst, der als Leitung des Referates Fachtherapien im Dachverband DBT und als DBT Trainer tätig ist.

Das erste Kapitel: „DBT“ wird auf acht Seiten dargestellt: es sind kurze Informationen zur Entstehungsgeschichte, zur Therapiestruktur, den Therapiebausteinen und der therapeutischen Grundhaltung zusammengetragen.

Im Kapitel zwei: „Einführung in die Borderline-Persönlichkeitsstörung und Sucht“ werden beide Krankheitsbilder individuell aber auch in ihrer wechselseitigen Bedingtheit und Verschränkung und den damit verbundenen therapeutischen Herausforderungen skizziert, es umfasst sieben Seiten.

Kapitel drei von Sarah Guddat, Kunsttherapeutin auf der DBT Station Ameos Dr. Heines-Klinik in Bremen, gibt einen Überblick über Kunsttherapie und ihre Anwendungsbereiche, stellt die wesentlichen theoretischen kunstbasierten Ansätze dar, erläutert die vielfältigen kunsttherapeutischen Arbeitstechniken und zeigt die Wirkungsweise der Kunsttherapie auf (zehn Seiten). Hier werden die Kunsttherapeutische Triade, Kunsttherapie als Reflexionsmedium, Prozessorientiertheit und Ziele der Kunsttherapie sowie das Gruppen- und Einzelsetting grundlegend vorgestellt.

Im Kapitel vier mit fünf Seiten geht es um Angebote der Ameos Klinik wie 5-Sinne-Gruppe und Skillsatelier. Im Weiteren werden Strukturen und strukturelle Mittel in der Arbeit mit Patient*innen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen dargestellt. Diese sind als Querschnittsthemen und Standards der Therapie gesetzt. So ist auch die grundlegende und explizite sprachliche Achtsamkeit durch ein Benennen der Patient*innen als Menschen mit einer Borderline-Störung (anstatt Borderliner) zu beachten. Benannt werden Aspekte wie: Einbindung in ein interdisziplinäres Team, Kunsttherapeutische Inhalte in strikter Anlehnung an das DBT Modulhandbuch mit Fokus auf eine achtsame Haltung und ohne analytische Besprechung, Skillsarbeit durch Anspannungswahrnehmung und Übungen zur Emotionsregulierung. Weiterhin werden Angaben zu Gruppengröße, Pünktlichkeit zur Therapiesitzung, die 24-Stunden-Regel zum Umgang mit den eigenen Werken, der bewertungsfreie Raum und abschließend konzeptionelle Regeln zum Thema Formate und Material vorgestellt und erläutert. Es geht u.a. um die Themen Vorstrukturiertheit, Begrenzung aber auch um methodische Möglichkeiten individueller Anpassungen entsprechend der Patient*innenbedarfe. In der 5-Sinne-Gruppe und der Folgegruppe Skillsatelier werden diese begründet und angewendet.

Im Teil zwei, komplett verfasst von der Kunsttherapeutin Sarah Guddat, werden die Module

  • Achtsamkeit,
  • Stresstoleranz,
  • Umgang mit Gefühlen,
  • zwischenmenschliche Fertigkeiten,
  • Selbstwert und
  • Therapiebesprechungen behandelt.

Jedes Modul wird mit einer allgemeinen Einführung eröffnet, in der jeweils auch die Brücke zur Borderline-Erkrankung geschlagen wird. Besonderer therapeutischer Fokus wird auf das „Was“ und das „Wie“ zu erlernender Fertigkeiten gelegt. Der allgemeinen Themeneinführung folgen Unterpunkte zur praktischen kunsttherapeutischen Umsetzung in Form von konkreten Übungen sowie ergänzenden Fallbeispielen.

Im Modul „Achtsamkeit“ als Therapieeinstieg und Basis aller weiteren strukturierten Interventionen wird die Aufmerksamkeit auf das Energie- und Stresslevel von Patient*innen und deren Fähigkeit zu Wahrnehmung und Regulation gelegt. Fünf-Sinne-Aquarelltechnik im sensorischen Spektrum von Fühlen, Schmecken, Hören, Riechen, Sehen machen den Auftakt der praktischen Gestaltungsthemen. Es folgen der Speckstein-Handschmeichler und Temperabilder mit den Händen ohne Pinsel (beides zum Bereich Fühlen), der Aquarell Rundlauf (aus dem Bereich Sehen), die Wohlfühlinsel (zum Bereich Fühlen), Klangkugeln (aus den Bereichen Fühlen und Hören) sowie Malen nach Musik mit Acryl (aus dem Bereich Hören). Mit unterschiedlichen Materialien von Aquarell/​Papier über Ton und Musik werden in diesem Modul die Wahrnehmung und die Sinne angeregt, ein Fallbeispiel ergänzt die 18 Seiten umfassenden Gestaltungsübungen. Zu jeder kunsttherapeutischen DBT-Aufgabe werden die benötigten Materialien aufgelistet und der Ablauf, die Wirkung, Was und Wie-Fertigkeiten und Varianten der Technik präsentiert. Abschließend verdeutlicht ein Fallbeispiel die Aufgabe und Wirkung.

Das zweite Modul Stresstoleranz ist wie die folgenden nach demselben Schema aufgebaut und umfasst 23 Seiten. Hier sind die Inhalte der Unterkapitel in zwei Teile unterteilt: kunsttherapeutische Techniken für kurzfristige und langfristige Skills. Erstere, kurzfristige Skills umfassen sechs zu erlernende Methoden: den Notfallkoffer und Skillsketten, sich ablenken, sich beruhigen mithilfe der Sinne, den Augenblick verändern, pro und contra-Konsequenzenbild und gelenkte Aufmerksamkeit durch die Technik des Buchbindens. Unter langfristige Skills fallen Aufgaben wie die drei Themen: innere Bereitschaft durch Überschriften, Entscheidung für einen neuen Weg und radikale Akzeptanz. Zu jedem Punkt werden konkrete kunsttherapeutische Übungen vorgestellt, z.B. Duftsäckchen, Kleckerbilder, Landart, Blind-/​Linkszeichnung als Gehirn-Flic-Flac, Bild zur Vergangenheit, zum Heute und der Zukunft, Krafttier-Rundlauf, Tonkugel, Positivtagebuch u.v.a., dazu finden sich wiederum Fallbeispiele. Das Modul drei: Umgang mit Gefühlen hat acht Unterkapitel: Gefühle abschwächen (mit 4 Übungen in unterschiedlichen Materialien wie: Tonarbeit zu „Wut abschwächen“, Gefühl in Form und Gegenform, Held des Alltags und HILFS-Skill), dann ein Kapitel zu Vergangenheitserleben mit Arbeit zum inneren Kind und Ressourcenbild, folgend das Thema Tonkneten, Problemlösen durch STOP-DENK mit neun Schritten und kunsttherapeutischen Aufgaben wie: Wunschobjekte, Ausschnitte erweitern und lösungsorientierte Strategien gestalten durch gezielte Interventionen wie Problemsituationen im Bild verpacken, ausschneiden und übermalen. Das Gefühlsprotokoll VEIN-AHA (eine Seite) besteht aus einer Checkliste aus den Anfangsbuchstagen VEIN-AHA, „Glaubenssätze relativieren“ (zwei Seiten) mit Fallbeispiel und ABC gesund (eine Seite), eine Checkliste mit Handlungsanweisungen (bestehend aus den Anfangsbuchstaben ABC gesund) zur Stressreduzierung und Überforderungsvermeidung, sind weitere Schritte in der Struktur des therapeutischen Settings. Der Umgang mit spezifischen Gefühlen (sechs Seiten) umfasst die kunsttherapeutischen Aufgaben: Schattenbilder, Sorgenfresser und Stoff, aus dem Gefühle gemacht sind, hier wird wie in fast allen anderen Kapiteln auch wieder ein Fallbeispiel ergänzt.

Das Modul zwischenmenschliche Fertigkeiten bietet Einblicke in die Themen: dialogisches Malen zu zweit, Floßtechnik, Beziehungsbilder, es umfasst sieben Seiten inklusive eines Fallbeispiels.

Im Modul Selbstwert werden drei Unterkapitel dargestellt:

  • Fairer Blick mit den Aufgaben: innen- und Außenwahrnehmungs-Boxen und Selbstporträt/Visitenkarten,
  • das Unterkapitel Wohlbefinden „InSEL Skill“ mit den zwei Unterpunkten: Bestandteile von InSEL und Glücksbox.
  • Das Unterkapitel drei befasst sich auf einer Seite mit Arbeit an Glaubenssätzen, was jedoch inhaltlich kooperativ mit der/m Psychotherapeut*in bearbeitet wird.

Das Modul Therapiebesprechungen mit zwei weiteren Punkten Gefühls- und Zielbesprechungen und Werkbesprechungen gibt einen Überblick über Regeln im sprachlichen Umgang mit den Werken und zeigt die Besonderheit des DBT-Verfahrens auf.

Im abschließenden Modul Sucht, verfasst von Maikl Voelzke-Neuhaus werden auf dreizehn Seiten in zwei unterkapiteln die Besonderheiten und Herausforderungen der DBT Sucht erläutert und Skills und kunsttherapeutische Techniken zur Krisenbewältigung und zum Annehmen der Realität beschrieben.

Eine etwas über zwei Seiten lange Literaturliste ergänzt die Publikation.

Diskussion

Das Buch Kunsttherapie im Rahmen der DBT basiert auf Literatur von M.M. Linehan (1996, 2016) und M. Wolf/M. Bohus (2013) und deren Konzept der DBT. Wenngleich es viele fachspezifische Ausprägungen der DBT gibt, die im einführenden Kapitel gelistet sind, ist die nonverbale, kunsttherapeutische Arbeit mit Patient*innen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung im DBT-Verfahren ein eindrucksvolles Beispiel einer Verhaltenstherapie mit Fokus auf Emotionsregulation. Das Buch bietet mit seinem Theorieteil einen klaren, komprimierten und leicht verständlichen Themeneinstieg. Die Aufteilung der Einführungssequenzen auf beide Autoren gemäß ihrer Arbeitsschwerpunkte ist fachlich sinnvoll und inhaltlich stimmig und ausgewogen. In der nachfolgenden, umfangreichen und detaillierten Darstellung der Praxis, die, bis auf das Schlusskapitel Modul Sucht, ausschließlich von der Kunsttherapeutin Sarah Guddat verfasst ist, werden die aufeinander aufgebauten Therapie-Module vorgestellt und die Autorin ermöglicht mit ihren genauen Beschreibungen einen Gesamtüber- und -einblick in die Arbeitsweise der Kunsttherapie in der DBT.

Alle Module und die darin gesetzten Aufgaben werden strukturiert und anschaulich dargestellt, die beigefügten Fallbeispiele sind grundsätzlich bereichernd, qualitativ weitgehend konkret auf die jeweilige kunsttherapeutische Aufgabe und das damit verknüpfte Therapieziel bezogen. Einige farbige Abbildungen veranschaulichen die Aufgaben bzw. beleuchten die Fallbeispiele. Die Praxiskapitel überzeugen insgesamt durch die chronologisch dargestellten Therapiemodule und dem immer gleichen Aufbau: einer allgemeiner Einführung und der konkreten Gestaltungsaufgabe mit allen notwendigen Informationen.

So wird die DBT und ihre Ziele als Therapiekonzept im Setting von durchschnittlich drei Monaten stationärer Therapie als umfassendes Verhaltenstraining authentisch vermittelt und der Transfer in Alltagshandeln nachvollziehbar. Auch die Patient*innen mit der BPS und ihre harte Therapiearbeit an ihren Fähigkeiten zur Emotionsregulierung (Skillstraining) werden in ihrem Verhalten eindrücklich beschrieben. Ein eigenes Kapitel zur Therapeutischen Grundhaltung (Kap. 1.3) erläutert acht therapeutische Grundannahmen der DBT, die für die herausfordernde Arbeit mit BPS wegweisend sein sollten. Es werden sowohl die Vorurteile, Ausprägung, Heftigkeit und potenzielle Gefahren der Erkrankung BPS für den therapeutischen Prozess deutlich gemacht als auch therapeutische Schutzmechanismen und Regularien vermittelt, um Überforderung, Misserfolg auf beiden Seiten zu reduzieren. Mit der Beachtung der Grundannahmen sollte der Therapieverlauf tendenziell gelingen können.

Eine wichtige Ergänzung bietet das Kapitel: Modul Therapiebesprechungen, da hier der Stellenwert und die besondere Arbeitsweise der Kunsttherapie im Rahmen der DBT deutlich werden. Die kunsttherapeutische Arbeit ist rein auf Achtsamkeit und Wahrnehmung von Gefühlen im Prozess des Gestaltens fokussiert. Die Ausklammerung analytischer Bildbesprechungen, wie sie in anderen Settings der Kunsttherapie stattfinden, trägt zur Fokussierung der Patient*innen auf die eigenen Emotionen bei. Die Erkrankung BPS mit ihren Verhaltensausprägungen wird dadurch nie aus dem Fokus verloren und die Patient*innen werden strukturiert immer wieder auf die emotionale Ebene geführt, gezwungen sich damit andauernd zu beschäftigen und ihren Umgang zu finden. Sollten die Bildinhalte doch Thema werden sollen, weil die Patient*innen darüber sprechen möchte, wird das Teil der begleitenden Psychotherapie, aber nicht der Kunsttherapie. Das im Klinikverbund gegebene therapeutische Team wird nur eingangs des Buches erwähnt, hier könnten Ergänzungen zu konkreter Zusammenarbeit und Verantwortlichkeit, zu therapeutischer Unterstützung usw. und ggf. weitere Auskunft gegeben werden, was aber nicht explizites Thema des Buches ist.

Das Modul Sucht von M. Voelzke-Neuhaus bietet ergänzende therapeutische Interventionen für Menschen mit BPS und Suchtproblematik und zeigt deren Ziele und Veränderungsstrategien übersichtlich auf. Die Komplexität dieser miteinander verwobenen Erkrankungen wird in die Einführung und die therapeutischen Methoden deutlich, aber auch die Schwere der Erkrankungen und die kleinschrittigen Lernaufgaben, die immer mit Rückfallgefahr verbunden sind. Die Überwindung einer Suchtproblematik und einer BPS werden mittels der strukturierten Therapieform in vielen kleinen Schritten langfristig möglich und machen – genau wie die vorigen Module Mut und Hoffnung für Betroffene und sind methodisch wegweisend für Therapeut*innen.

DBT als Methode fußt auf vorliegenden Materialien u.a. insbesondere Publikationen der Amerikanerin MM Linehan und dem von ihr publizierten Trainingsmanual der DBT mit BPS sowie einem Arbeitsbuch mit Arbeitsblättern. Entsprechend der Übersetzung wirken manche Bezeichnungen und Checklisten mit Handlungs-/​Verhaltensanleitungen konstruiert und sprachlich gezwungen, weil diese vermutlich aus dem amerikanischen übernommen wurden. Methoden wie: InSEL Skills, VEIN-AHA, etc. muten im Deutschen zunächst befremdlich, die Themen um die es inhaltlich bei den Checklisten geht, sind aber verständlich und im verhaltenstherapeutischen Lernprozess sinnvoll und kognitiv sowohl für die Leserschaft gut nachvollziehbar wie auch die Patient*innen im Therapieverlauf nachvollziehbar, sinnvoll, lern- und anwendbar. Die Methode DBT in der Kunsttherapie ist innovativ und informativ und auch für nicht explizit mit BPS arbeitenden Therapeut*innen spannend, zeigt das Buch doch übersichtlich die in Methode der Kunsttherapie in der DBT umfassend auf und verweist auf weitere Facetten in denen mit der DBT gearbeitet wird (s.o. und im Buch S. 3). Inwieweit genau die Arbeitsblätter des Trainingsmanuals übernommen oder für die stationäre Therapie überarbeitet wurden, geht aus der Publikation von S. Guddat und M. Voelzke-Neuhaus leider nicht hervor: die Recherche ob und welche Veränderungen vorgenommen wurden obliegt weiteren Recherchen der Leser*innenschaft. Die DBT als in sich geschlossene kognitive Verhaltenstherapie mit Fokus Emotionsregulation liest sich vielversprechend und zeigt kunsttherapeutische Interventionen und Methoden um Patient*innen mit BPS durch sehr strukturierte Lernschritte zu einem selbstbestimmten Leben nachhaltig zu helfen. Konkrete Ergebnisse der DBT sind in diesem Buch nicht zu finden, doch die Struktur der Module und die Fülle an kunsttherapeutischen Impulsen lassen positive Wirkungen erwarten.

Fazit

Die Publikation von S. Guddat und M. Voelzke-Neuhaus: „Kunsttherapie im Rahmen der DBT/Skillsatelier für Patientinnen und Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung“ zeigt eindrücklich, mit welchen aufeinander aufbauenden, stark strukturierten Verhaltens-Therapiemodulen und darin enthaltenen kunsttherapeutischen Aufgaben die Patient*innen an ihrer Emotionsregulierung (und ggf. an ihrer zusätzlichen Suchtproblematik) arbeiten, um nachhaltig Verhaltensweisen und Handlungen zu erlernen, die ein selbstbestimmtes, ausgeglichenes und erfülltes Leben führen zu können. Übersichtlich, leicht verständlich und sehr detailliert werden die vielfältigen Aufgaben dargestellt, mit denen Patient*innen sich auseinandersetzen – die Arbeitsweise der Kunsttherapie im diesem Kontext ist spezifisch, sie fokussiert ausschließlich die Emotionen im Gestaltungsprozess.

Rezension von
Svenja Rehse
M.A., Dozentin Pädagogik (Fach-/Hochschulen) und Kunsttherapie
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Es gibt 19 Rezensionen von Svenja Rehse.

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ISSN 2190-9245