Edith Arians: Migranten im nordrhein-westfälischen Strafvollzug
Rezensiert von Dr. Karsten Lauber, 04.07.2023
Edith Arians: Migranten im nordrhein-westfälischen Strafvollzug.. Eine rechtliche und empirische Analyse.
Duncker & Humblot GmbH
(Berlin) 2022.
403 Seiten.
ISBN 978-3-428-18618-1.
D: 109,90 EUR,
A: 113,00 EUR.
Reihe: Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften - 76.
Thema
An Publikationen, die sich mit Migration bzw. Migrantinnen und Migranten in/nach Deutschland befassen, mangelt es spätestens seit 2015 nicht. Nicht selten leiden diese Monografien an soliden aufenthaltsrechtlichen Betrachtungen sowie werturteilsfreien Analysen. Eine thematische Besonderheit bietet nun der Band von Edith Arians, die sich mit Migranten im nordrhein-westfälischen Strafvollzug befasst.
Autorin
Nach Verlagsangaben arbeitete die Autorin, Edith Arians, ab Januar 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht der Universität zu Köln am Lehrstuhl von Prof. Dr. Martin Waßmer. Zudem ist sie Autorin von diversen Urteilsanmerkungen sowie Veröffentlichungen zum Straf- und Strafvollzugsrecht.
Entstehungshintergrund
Es handelt sich um die Arbeit, die von der Autorin als Dissertation bei der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln eingereicht wurde. Betreuer waren Prof. Dr. Michael Kubink und Prof. Dr. Frank Neubacher. Die Monografie erscheint als Band 76 der Kölner Kriminalwissenschaftlichen Schriften, herausgegeben unter anderem von Frank Neubacher.
Aufbau
Die Arbeit teilt sich auf in folgende Kapitel:
- Einleitung
- Begriffsbestimmungen und historische Einordnung
- Statistische Befunde zu Migranten in der Bevölkerung und im Strafvollzug
- Rechtlicher Rahmen in Bezug auf Migranten im Strafvollzug
- Die empirische Untersuchung
- Konsequenzen für die Vollzugspolitik
- Schlussbetrachtung
- Anhang
Gerahmt werden diese Kapitel durch ein Inhaltsverzeichnis, ein Tabellenverzeichnis, ein Abkürzungsverzeichnis, ein 21-seitiges Literaturverzeichnis und ein 3-seitiges Sachverzeichnis. Rechtsprechung, Literatur und Gesetzgebung wurden bis November 2020 berücksichtigt.
Inhalt
In der Einleitung (S. 23 - 30) skizziert Arians mit der Zuwanderung nach Deutschland ab 2015 und der damit verbundenen Sicherheitsdebatte den Rahmen für ihre Untersuchung. Als daraus abgeleitetes Ziel der Untersuchung ergibt sich die Klärung, „ob und inwiefern der Umgang mit und die Behandlung von [männlichen] Migranten im Strafvollzug ein Problem darstellen und ob bereits Maßnahmen zur Förderung der Integration von Migranten im Vollzugsauftrag ergriffen wurden bzw. inwiefern diesbezüglich Handlungsbedarf besteht. Dabei gilt es nicht nur die rechtlichen Schwierigkeiten, sondern gerade auch die praktischen Herausforderungen im Umgang mit Migranten darzulegen“ (S. 24). Daran anschließend wird ein kurzer Überblick über den Forschungsstand gegeben, wobei auf die Arbeiten von Nadja Tzschaschel, Viktor Fröhmcke und Anja Rieder-Kaiser näher eingegangen wird.
Das folgende Kapitel „Begriffsbestimmungen und historische Einordnung“ (S. 31 - 44) beinhaltet Erläuterungen zu den Begriffen „Ausländer“, „Nichtdeutsche“ und „Migrant“. Ergebnis der Begriffsanalysen ist u.a. die Bewertung des Terminus „Ausländer“ als ungeeignet für den vorliegenden Untersuchungszweck. Der Rekurs auf den Begriff „Nichtdeutsche“ bezieht sich im Wesentlichen auf das Staatsangehörigkeitsgesetz im Allgemeinen und die doppelte Staatsbürgerschaft im Besonderen. Die Erläuterungen zum Begriff Migrant beinhalten weitestgehend Ausführungen zum Migrationshintergrund. Im Ergebnis ihrer Analyse verwendet die Autorin einen modifizierten Begriff des Ausländers in Anlehnung an § 2 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Verbindung mit Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz, in dem insbesondere auch Staatenlose Berücksichtigung finden.
Die kurze Analyse des Begriffs „Strafvollzug“ endet mit der Festlegung, wonach die Untersuchung ausschließlich den stationären Vollzug der Freiheitsstrafe im Sinne von § 38 Strafgesetzbuch (StGB) einbezieht. In der anschließenden historischen Einordnung wird die Entwicklung des „Ausländeranteils“ – nebst zuwanderungsprägenden Ereignissen – seit Ende des 19. Jahrhunderts grob skizziert. In Bezug auf Strafgefangene und Sicherungsverwahrte beinhaltet die Arbeit Daten für die Jahre 1975 bis 2019.
Weitergehende Informationen zu Migranten im Allgemeinen und deren Betroffenheit von Strafvollzug im Besonderen beinhaltet dann das Kapitel „Statistische Befunde zu Migranten in der Bevölkerung und im Strafvollzug“ (S. 45 - 70). Die dazu herangezogenen Daten beruhen im Wesentlichen auf dem Ausländerzentralregister und der Strafvollzugsstatistik. Aufgrund des erhöhten Anteils nichtdeutscher Strafgefangener (33,3 %) an allen Strafgefangenen ergibt sich bereits die Notwendigkeit einer weitergehenden Analyse.
Für eine rechtswissenschaftliche Arbeit fallen die Ausführungen zum „Rechtliche[n] Rahmen in Bezug auf Migranten im Strafvollzug“ (S. 71 - 139) moderat aus; diese beziehen sich vor allem auf das AufenthG, das Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen (StrVollzG NRW), das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) und die Strafprozessordnung (StPO). Differenziert wird aus der migrationsrechtlichen Perspektive zunächst nach den allgemeinen Bestimmungen des AufenthG, der aufenthaltsrechtlichen Situation von EU-Ausländern und von unionsrechtlich privilegierten Ausländern (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) sowie der aufenthaltsrechtlichen Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Die Ausführungen zum StrVollzG NRW legen einen Schwerpunkt auf den Aspekt der Resozialisierung, insbesondere auch die plausible Fragestellung, auf welches Ziel die Resozialisierung nichtdeutscher Strafgefangener gerichtet ist; die Resozialisierung in der deutschen Gesellschaft oder diejenige in Bezug auf das Herkunftsland – oder gar keine Maßnahmen zur Resozialisierung? Konkret werden die drei Gestaltungsgrundsätze Angleichungs-, Gegensteuerungs- und Integrationsgrundsatz analysiert. Abschließend widmet sich die Autorin den rechtlichen Möglichkeiten der Entlassung vor dem Endstrafenzeitpunkt. Beispielsweise eröffnet die Auslieferung die Möglichkeit einer vorzeitigen Haftbeendigung in einer deutschen Justizvollzugsanstalt. Als weitere Optionen werden die Vollstreckungshilfe und das vorläufige Absehen von weiterer Vollstreckung (§ 456a StPO) beschrieben und bewertet.
Ab Seite 140 beginnt mit der Beschreibung der empirischen Untersuchung das umfassendste Kapitel (S. 140 - 324). In methodischer Hinsicht fanden zur Bestandsaufnahme Befragungen in zwölf Justizvollzugsanstalten statt, um insbesondere Besonderheiten oder Probleme im Zusammenhang mit Migranten im Strafvollzug zu erheben – sowohl in Bezug auf Migranten als auch in Bezug auf die Bediensteten. Darüber hinaus wurde die Funktion der neuen Integrationsbeauftragten in NRW beschrieben. Die Kernuntersuchung basiert auf zwölf leitfadengestützten, nichtstandardisierten Experteninterviews (Integrationsbeauftragte) und damit auf einer qualitativen Methode (S. 144). Da pro Anstalt ein Interview geführt wurde, befinden sich zwölf Justizvollzugsanstalten im Sample.
Die zentralen Untersuchungsthemen sind Sprachbarrieren bzw. mangelnde Sprachkenntnisse, kulturelle Differenzen im Strafvollzug, religiöse Betreuung sowie Schwierigkeiten aufgrund des aufenthaltsrechtlichen Status. Die jeweilige inhaltliche Gliederung besteht aus der Beschreibung der Erkenntnisse aus den Interviews, der rechtlichen Analyse, der Darstellung der empirischen Ausgangslage, einer Stellungnahme und den abschließenden Vorschlägen für Lösungsansätze, ehe eine Zusammenfassung das jeweilige Thema rekapituliert und abschließt.
Hinsichtlich der Sprachbarrieren arbeitet Arians kleinteilig Regelungslücken und Umsetzungsmöglichkeiten bei Dolmetscherleistungen sowie dem Angebot für Sprachkurse zum Erwerb der deutschen Sprache heraus. Im zweiten Schritt wird der Umsetzungsstand in den untersuchten Anstalten beschrieben, ehe Lösungsansätze aufgezeigt werden. Die Autorin unterbreitet darin konkrete Vorschläge für neue, in das StrVollzG NRW aufzunehmende Normen.
Auch als Ergebnis der Analyse der kulturellen Differenzen im Strafvollzug besteht nach Einschätzung der Autorin gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Bereich der Vermittlung (inter-)kultureller Kompetenzen – sowohl auf der Seite der Gefangenen als auch auf Seiten der Justizbediensteten.
Aspekte der religiösen Betreuung sind kurzgefasst, da sie nicht zum Schwerpunkt der Untersuchung zählen. Im Wesensgehalt geht es hier um Art und Umfang der muslimischen Religionsbetreuung.
Mit Schwierigkeiten aufgrund des aufenthaltsrechtlichen Status befasst sich dann das letzte Untersuchungskapitel. Die inhaltliche Gliederung bezieht sich auf vollzugsöffnende Maßnahmen, Drogentherapie bei ausländischen Strafgefangenen und die psychische Belastung aufgrund der aufenthaltsrechtlichen Situation (letztere wird in der Einleitung auf S. 269 etwas verkürzt als „ausländerrechtliche Beratung“ angekündigt).
Arians konstatiert zwar bei den vollzugsöffnenden Maßnahmen eine ungleiche Lockerungspraxis zum Nachteil nichtdeutscher Häftlinge, beschreibt allerdings auch eine unzufriedenstellende Datenlage. Für eine Verbesserung der analysierten Situation wird eine Ergänzung derjenigen Verwaltungsvorschrift vorgeschlagen, die sich mit der Verlegung in den offenen Vollzug und vollzugsöffnende Maßnahmen befasst. Das Unterkapitel zur Drogentherapie rekurriert insbesondere auf die Schwierigkeiten bei der Vermittlung von ausländischen Inhaftierten in eine Drogentherapie nach der Haftentlassung. Zur abschließenden Klärung der aufenthaltsrechtlichen Situation schlägt die Autorin im Unterkapitel „Schwierigkeiten aufgrund des aufenthaltsrechtlichen Status“ eine Ergänzung des StrVollzG NRW (§§ 3, 10) vor, um die aufenthaltsrechtliche Beratung während des Strafvollzugs abzusichern.
Die empirische Untersuchung endet mit einem kurzen Rekurs auf die „erfolgreiche Installation der Integrationsbeauftragten“ (S. 321) und einer Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse (S. 323). Zum Abschluss zeigt die Autorin Konsequenzen für die Vollzugspolitik (S. 325) auf, ehe die Schlussbetrachtungen (S. 333) den Textteil beenden. Der folgende Anhang beinhaltet insbesondere etliche der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber vor allem auch den Interview-Leitfaden und die Einverständniserklärung bzgl. der Experten-Interviews.
Diskussion
Im Kapitel „Begriffsbestimmungen und historische Einordnung“ kritisiert die Autorin bereits frühzeitig den problematischen Begriff „Ausländerkriminalität“ – ganz im Sinne von Steffen/​Elsner: „Kriminalität ist keine Frage des Passes, sondern eine Frage von Lebenslagen“ (Steffen/​Elsner 2000: 20). Ebenso treffend wird darauf hingewiesen, dass es vor dem Hintergrund der spezialgesetzlichen Regelungen für Unionsbürger sowie zwischenstaatlicher Vereinbarungen fast nur noch Personen aus Drittstaaten ohne Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland sind, die umfänglich als „Ausländer“ im Sinne des AufenthG zu bezeichnen sind. Dass im Kern die Definition des Ausländers Verwendung findet, die auch die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) nutzt, ist plausibel. Bei der Bezugnahme auf die PKS (S. 36 f.) hätte sich allerdings ein Hinweis auf die „Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik“ (vgl. Bundeskriminalamt 2021: 7) angeboten. Positiv ist zudem hervorzuheben, dass Arians (wiederkehrend) darauf hinweist, dass wir es trotz der begrifflichen Analysen nicht mit einer homogenen Gruppe zu tun haben (S. 37 f.).
Im Kapitel „Statistische Befunde zu Migranten in der Bevölkerung und im Strafvollzug“ werden nicht nur die verwendeten Datenquellen anschaulich beschrieben, sondern in Bezug auf die Strafvollzugsstatistik auch das Fehlen einer Verlaufsstatistik in Deutschland (zurecht) bemängelt (S. 58).
Die Ausführungen zum „Rechtliche[n] Rahmen in Bezug auf Migranten im Strafvollzug“ nehmen in Bezug auf das AufenthG die Ausweisung (§§ 53 ff AufenthG) in den Blick. Dahingehend hätten grundlegendere Ausführungen noch mehr zum Verständnis beitragen können, beispielsweise durch die Hervorhebung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel (§ 5 AufenthG). Bei der Beschreibung eines an die Ausweisung geknüpften Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 AufenthG) wäre ein Hinweis wünschenswert gewesen, dass über die Länge nach Ermessen entschieden wird und § 11 AufenthG zudem verschiedene Fristen konkret benennt (S. 76). Schwerer wiegt allerdings das Manko, dass in der Analyse der Rechtsfolgen der Ausweisung ein wesentlicher Aspekt fehlt, obwohl sich die Autorin mit ihrem allgemeinen Hinweis auf die Gefahrenabwehr auf dem richtigen Weg befindet (S. 76, 82 f.). Hier hätte der Ursprung des Aufenthalts- bzw. Ausländerrechts deutlicher werden müssen, denn das vormalige „Fremdenrecht“ ist im Kern Polizeirecht. Im Übrigen darf man von diesem recht kurz gefassten Kapitel keine tiefergehenden Analysen erwarten, vielmehr einen soliden Kurzüberblick. Dieses Fazit bezieht auch die knappen Ausführungen zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis ein. Gleichwohl es hierzu wenig Daten und Forschung gibt, handelt es sich bei diesem Thema immerhin um einen der zentralen allgemeinen Diskursinhalte. Dass es „bundesuneinheitliche Ausweisungs- und Abschiebungspraxis gibt“ (S. 82) – wie die Autorin schreibt – ist richtig. Ausschlaggebend ist dabei bereits die im AufenthG normierte Zuständigkeitsregelung (§ 71 AufenthG). Demnach sind für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen die Ausländerbehörden zuständig und das sind im Wesentlichen die Kommunen und Landkreise, wobei auch die zentralen Ausländerbehörden auf Landesebene nicht zu vergessen sind.
Angesichts unzureichender Daten bzgl. der Umsetzung der Vollstreckungshilfe greift die Autorin auf Bundestagsdrucksachen und damit auf eine gute alternative Quelle zurück (S. 127). Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch ihre Kritik an der bestehenden Datenlage, die grundlegende Differenzierungen, hier die Unterscheidungen bzgl. Überstellungen in das EU-Ausland bzw. das Nicht-EU-Ausland, nicht zulässt (S. 129). Des Weiteren überzeugt das Teilkapitel mit kriminalpolitischen Erwägungen, geht es hier doch um die Dauerforderung nach der Überführung straffällig gewordener Ausländer/-innen in das Heimatland, die sich auch im aktuellen Koalitionsvertrag der „Ampelkoalition“ wiederfindet (vgl. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP 2021: 140). Deutlich wird, dass bestehende Möglichkeiten in Bezug auf § 456a StPO nicht ausgeschöpft werden.
Die Beschreibungen und Analysen der zentralen Untersuchungsthemen (Sprachbarrieren bzw. mangelnde Sprachkenntnisse, kulturelle Differenzen im Strafvollzug, religiöse Betreuung und Schwierigkeiten aufgrund des aufenthaltsrechtlichen Status) sind durchwegs solide und erfreulicherweise ohne die inzwischen häufig anzutreffenden Werturteile. Bei der Analyse der kulturellen Differenzen im Strafvollzug dürfen an den Kultur-Begriff keine zu hohen sprachlichen bzw. begrifflichen Ansprüche gestellt werden. Naheliegend ist es, bei den Ausführungen zur psychischen Belastung der Inhaftierten aufgrund der Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Aufenthaltssituation die Einbeziehung der Ausländerbehörde bei den avisierten Beratungsangeboten vorzuschlagen (alternativ auch Mitarbeitende des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – BAMF). Unklar bleibt bei diesem Vorschlag der Autorin, weshalb die kommunalen Ausländerbehörden oder der Bund Unterstützung für die Landesbehörden gewähren sollen, zumal es auf Landesebene zentrale Ausländerbehörden gibt. Der kommunale Ansatz lässt zudem die bundesweit hohe Belastung der Ausländerbehörde außer Acht, die derartige Beratungsleistungen aus Gründen fehlender Personalressourcen nur bedingt leisten können.
Im empirischen Teil ist auffällig, dass die Daten aus den Experteninterviews offenbar nur allgemein in die Analyse einfließen, ohne dass Fundstellen benannt werden. Insofern ist die Umsetzung bzw. Herstellung von Transparenz bei der methodischen Vorgehensweise nicht gut gelungen. Auf der anderen Seite ist die Analyse sehr detailliert angelegt; dass es dahin gehend Redundanzen gibt, liegt in der Natur der Sache. Nicht zu vergessen ist, dass es sich eben um eine wissenschaftliche Qualifikationsarbeit handelt.
Nicht ungewöhnlich ist, dass die Bewertung der Leistung der (interviewten) Integrationsbeauftragte sehr positiv auffällt. Eine kritische Reflexion ist demgegenüber nur selten anzutreffen. Da eine Methodenkritik leider fehlt, wäre an anderer Stelle auszuführen gewesen, dass für ein umfassenderes Bild der Tätigkeit der Integrationsbeauftragten weitergehende Analysen vonnöten gewesen wären, beispielsweise im Rahmen von Interviews der Inhaftieren.
Wie bereits erwähnt, wurden von der Autorin Rechtsprechung, Literatur und Gesetzgebung bis November 2020 berücksichtigt. Demgegenüber erscheint die Veröffentlichung der Arbeit im Jahr 2022 etwas spät. Trotz dieses Redaktionsschlusses beinhaltet das Literaturverzeichnis die 4. Auflage von Michael Bocks Kriminologie-Lehrbuch und nicht die 5. Auflage aus dem Jahr 2019. Ähnlich verhält es sich mit dem Kriminologie-Lehrbuch von Hans-Dieter Schwind, das mit der 23. Auflage genannt wird und nicht mit der 2021 erschienen 24. Auflage von (nun) Schwind/​Schwind.
Fazit
Die Monografie von Edith Arians ist gut lesbar und überzeugt durch eine bemerkenswerte Innenbetrachtung des Strafvollzugs, dabei wird vielfältiger Handlungsbedarf innerhalb der Strafvollzugsanstalten deutlich, die offenbar noch immer zu sehr als Verwahranstalten agieren. Arians überzeugt ebenfalls bei den kriminologischen Ausführungen zur „Ausländerkriminalität“ und zeigt sich bei den aufenthaltsrechtlichen Bezugnahmen zwar recht knapp, aber durchaus solide. Es wird deutlich, dass Edit Arians über ein recht gutes Fachwissen verfügt und auf dieser Grundlage kluge Gedanken in den Diskurs einzuführen vermag. So ist positiv hervorzuheben, dass die Analyse wiederkehrend zu konkreten Vorschlägen führt, insbesondere in Bezug auf Änderungen im Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen (StrVollzG NRW).
Literatur
Bundeskriminalamt (Hrsg.) (2021): Polizeiliche Kriminalstatistik. Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik in der Fassung vom 01.01.2021. Wiesbaden: Eigenverlag.
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP (Hrsg.) (2021): Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag 2021 - 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP).
Steffen, W.; Elsner, E. (2000): Kriminalität junger Ausländer, in: Deutsches Polizeiblatt, Nr. 5/2000, S. 20-24.
Rezension von
Dr. Karsten Lauber
M.A. (Kriminologie, Kriminalistik, Polizeiwissenschaft), M.A. (Public Administration)
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Zitiervorschlag
Karsten Lauber. Rezension vom 04.07.2023 zu:
Edith Arians: Migranten im nordrhein-westfälischen Strafvollzug.. Eine rechtliche und empirische Analyse. Duncker & Humblot GmbH
(Berlin) 2022.
ISBN 978-3-428-18618-1.
Reihe: Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften - 76.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30327.php, Datum des Zugriffs 03.10.2024.
Urheberrecht
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