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Holger Lindemann: Die systemische Metaphern-Schatzkiste

Rezensiert von Farina Eggert, 03.01.2024

Cover Holger Lindemann: Die systemische Metaphern-Schatzkiste ISBN 978-3-525-40549-9

Holger Lindemann: Die systemische Metaphern-Schatzkiste. Grundlagen und Methoden für die Beratungspraxis. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2022. 5., durchgesehene Auflage. 344 Seiten. ISBN 978-3-525-40549-9. D: 39,00 EUR, A: 41,00 EUR.

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Thema

In der systemischen Arbeit wird immer wieder deutlich, dass das Aufgreifen von Metaphern und die Bildung von Analogien ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der praktischen Tätigkeit ist – vor allem dann, wenn es um einen Perspektivwechsel geht. Das Reden in Metaphern ermöglicht eine „andere Sicht auf die Dinge“ und eröffnet neue (Lösungs-)Türen. Ob in der Supervision, Organisationsberatung oder auch Familienberatung: Ein gutes Verständnis für Bildsprache und der gezielte Einsatz von metaphernorientierten Methoden macht einen zentralen Bestandteil der systemischen Beratung aus und gehört damit zum Kern des systemischen Handwerkszeugs einer jeden Beraterin.

Autor

Prof. Dr. Holger Lindemann ist Erziehungswissenschaftler, Supervisor, Coach, Organisationsberater und Mediator. Darüber hinaus ist er zertifizierter Lehrender (SG/DGSF) für systemische Beratung, Systemisches Coaching, Systemische Supervision und Organisationsentwicklung. Außerdem ist Lindemann Professor für Entwicklungspsychologie und Systemische Beratung an der Medical School Berlin und Leiter des HafenCity Instituts für Systemische Ausbildung (HISA) in Hamburg.

Entstehungshintergrund

Bei dem vorliegenden Titel handelt es sich um das Ergebnis einer langen Reise des Sammelns, Experimentierens und Forschens. Nach dem ersten Erscheinen im Jahr 2012 wurde die Metaphern-Schatzkiste stets durch den Autor erweitert. Für die aktuelle Auflage unter dem Titel „Die systemische Metaphern-Schatzkiste“ wurde die Struktur des Titels erneut überarbeitet sowie diverse Themen und praktische Beispiele ergänzt. Ausgegliedert wurde die sogenannte „Heldenreise“, welche zukünftig als eigenständiges Werk unter dem Titel „Die systemische Heldinnen- und Heldenreise“ veröffentlicht wird. Daher wird die entsprechende Methodik im vorliegenden Band auch keinen Eintrag finden.

Aufbau

Der Titel unterteilt sich in zwölf Kapitel und lässt sich grob in die nachfolgenden drei Bereiche gliedern:

  • Theoretische Grundlagen (Kapitel 1–3)
  • Praktische Anwendungsmöglichkeiten (Kapitel 4–10)
  • Konkrete praktische Beispiele und Metaphernsammlung (Kapitel 11–12)

Abgeschlossen wird das Buch mit einem Quellen- und Materialienverzeichnis sowie einem Verzeichnis der Übungen.

Der vorliegende Titel bietet somit:

  • Eine Übersicht über die wichtigsten und relevantesten Formen von Metaphern
  • Grundlagen zum Anwenden von Metaphern
  • Eine Methodensammlung, bei der Metaphern oder Analogien zum Einsatz kommen
  • Ein Modell zur erleichternden Arbeit mit Metaphern
  • Ein Modell zur Sammlung von eigenen Metaphern
  • Eine Übersicht über die Themenbereiche, bei denen die Arbeit mit Metaphern sinnvoll sein kann

Inhalt

Nach einem kurzen Vorwort zur Entstehungsgeschichte und dem Aufbau des Titels widmet sich Lindemann im ersten Kapitel den Definitionen und Formen von Metaphern. Er führt demnach zunächst in die Definition ein und beschreibt die Funktion der Metaphern damit, „etwas zu sagen und damit etwas anderes zu meinen“ (S. 15). Wie bei allen systemischen Techniken und Grundbegriffen existieren aber auch für den Begriff „Metapher“ unterschiedliche Definitionen mit entsprechenden Schwerpunkten. So greift er bei den Definitionen auf Nietzsche, Hüther wie auch Hagemann und Lakoff und Johnsen zurück. Zusammenfassend hält er fest, dass eine Metapher aus verschiedenen Ebenen besteht: einer direkten und wörtlich zu nehmenden und einer übertragenden Bedeutung (S. 16). Daraus ergibt sich eine Interpretationskette, die – sofern man diese individualisiert – auf Beratungssettings angewendet werden kann.

Darauf aufbauend, werden nachfolgend die Grundformen sprachlicher Metaphern vorgestellt. Er unterscheidet dabei in

  • Einfach sprachliche Metaphern,
  • geflügelte Worte, Sprichworte, Sinnsprüche und Aphorismen als Metaphern,
  • komplexe Erzählformen und
  • lyrische Texte als Metaphern.

Diese Darstellung der Grundformen folgt einer logischen Systematik, nach der auch die Methoden im Buch geordnet wurden.

Im darauffolgenden Kapitel bespricht Lindemann die Grundprinzipien und Basistechniken der Arbeit mit Metaphern. Dabei widmet er sich vertiefend den nachfolgenden systemischen Techniken, die für die Arbeit mit Metaphern wichtig sind oder eine Grundlage ihrer Anwendung darstellen:

  • Perspektivwechsel und Zirkularität
  • Reframing
  • Kontextualisierung
  • Externalisierung als Objektivation und Personifikation
  • Dekontextualisierung und Rekontextualisierung
  • Dissoziation und Assoziation
  • Anker
  • Internalisierung und Habitualisierung
  • Peacing und Leading
  • Narration
  • Symbolische Interaktion
  • Humor, Leichtigkeit und Klientenbezug

Lindemann schließt das Kapitel mit seinen Grundsätzen ab, die er aus seinen langjährigen Erfahrungen in der Beratungsarbeit gesammelt hat. So setzt er sich beispielsweise als Grundsatz, Sprachbilder nur dann aufzugreifen, wenn der Kontext es zulässt. Darüber hinaus möchte er sich immer bewusst dafür oder dagegen entscheiden, dieselben Sprachbilder wie der/die Gegenüber zu verwenden. Als dritten wichtigen Grundsatz seiner Arbeit beschreibt er, dass er Bilderwelten nur dann aufmacht/​eingeht, wenn er sicher ist, dass diese ausreichend gefüllt sind. Zu guter Letzt möchte er seine Klient:innen stets zum Malen oder Visualisieren anregen und arbeitet daher gerne mit Bildervorlagen (vgl. S. 60.).

In dem Abschnitt zu den „Basistechniken der Arbeit mit Metaphern“ beschreibt Lindemann verschiedene Vorgehensweisen im beraterischen Umgang mit Metaphern. Der Sinn einer aktiven Beratungsarbeit mit Sprachbildern sei demnach, einen Perspektivwechsel herbeizuführen. Durch die neue und zum Teil fantasievolle Beschreibung eines Problems kann es neu betrachtet und erlebt werden. Neben dem beraterischen Wechsel auf eine andere Betrachtungsebene würden zudem auch andere Hirnareale genutzt werden, da das Sprachverständnis und bildliche Vorstellungsvermögen neurologisch an anderer Stelle verortet sei (siehe Kapitel 3.1.1. und S. 61 ff). Daran anschließend werden folgende Techniken in der Arbeit mit Metaphern vorgestellt:

  • Implizites Verwenden von Metaphern
  • Explizites Aufgreifen und Ausweiten von Metaphern
  • Anbieten von Metaphern
  • Nutzung des Zufalls
  • Offene, verdeckte und teiloffene Arbeit

Darauf aufbauend, wird im vierten Kapitel die Arbeit mit einfachen sprachlichen Metaphern vorgestellt. Die Arbeit mit einfachen sprachlichen Äußerungen, wie beispielsweise Worte oder auch Phrasen, beschreibt Lindemann als einfachsten Zugang zu Metaphern. Er führt mit Beispielen, Warnhinweisen und Grafiken untermauert in diese Metaphernformate ein:

  • Objektivationen
  • Personifikationen
  • Rollen, innere Anteile und Ego-States
  • Landschafen, Gebiete und Kontexte
  • Sprichwörter, Aphorismen und Zitate
  • Komplexe Metaphernwelten

Im Unterschied zu diesen einfachen sprachlichen Metaphern entfalten komplexe Erzählungen ihr Potenzial erst dadurch, dass sie verschiedene Rollen, Geschehnisse und Orte in Verbindung bringen. Hierbei handelt es sich sowohl um das Einbringen von „therapeutischen Geschichten“ als auch das exemplarische Erzählen von Klient:innen – sei es zur Visualisierung einer möglichen Zukunft als auch zur Erzählung über ein bereits vergangenes Ereignis. Lindemann unterscheidet dabei in

  • Geschichten als Intervention und
  • Geschichtenerzählen als Intervention

Um beide Formen der Intervention für Berater:innen handhabbar zu machen, werden in diesem Kapitel zentrale Strukturelemente verschiedener literarischer Gattungen sowie diverse Vorgehensweisen beim Storytelling vorgestellt und mit Hinweisen für weitere Literatur und Webadressen ergänzt.

Während Kapitel 6 sich mit der Arbeit mit Gedichten und Liedern beschäftigt, konzentrieren sich die Inhalte des Kapitel 7 auf die Arbeit mit Bildern. In Letzterem werden alle Formen von methodischen Bildarbeiten hinsichtlich der Funktionalität und Einsatzmöglichkeiten für die beraterische Tätigkeit untersucht. Ergänzt durch Übungen und Praxisbeispiele erklärt Lindemann die Risiken und Möglichkeiten einer jeden Methode.

Im Kapitel 8 widmet sich Lindemann der Arbeit mit Skulpturen, wobei sich ein Großteil dieses Kapitels auf die Aufstellungsarbeit mit Figuren und Gegenständen konzentriert. Daran anschließend bleibt noch die Arbeit mit bewegungs- und handlungsorientierten Methoden. Hier werden vor allem diese Methoden in den Fokus gerückt:

  • Psychodrama,
  • Hand- und Fingerpuppen,
  • Musizieren und Tanzen,
  • Symbolische Körpererfahrung und symbolische Handlungen,
  • Rituale,
  • Artefakte, Talismane und Amulette,
  • Beobachtungs- und Handlungsaufgaben.

Nachdem der/die Leser:in sich mit den verschiedenen Formen der Arbeit mit Metaphern auseinandergesetzt hat, beschreibt Lindemann ein übergreifendes Modell, das die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Methoden und Arbeitsformen erklärt. Anhand der Geschichte von „Alice hinter den Spiegeln“ nach Caroll (1871) erklärt Lindemann in zusammenfassender Form die Funktionsweise von Metaphern. Abschließend wird ein Grundmuster für die Arbeit mit Metaphern vorgestellt, das die zuvor beschriebenen Strukturen und Bestandteile entsprechend aufweist.

Das Buch schließt mit einer Übersicht über die Themenbereiche von Metaphern der Metaphernsammlung, die Lindemann auch als Download zur Verfügung stellt. Neben den kurzen Einführungstexten, die jeweils in den Themenbereich führen, werden ebenfalls auch Hinweise zur Struktur und Verwendung jener Metaphern gegeben.

Diskussion

Laut Lindemann soll das Buch für die Arbeit mit Metaphern in zweierlei Hinsicht hilfreich sein: Zum einen sollen die Regeln erläutert werden, nach denen das sogenannte Metaphern-Spiel (siehe dazu Kapitel 2) aufgebaut und gespielt werden kann. Zum anderen werden zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten und konkrete Beispiele dazu gegeben. Untermauert werden die Inhalte durch anschauliche Tabellen, Fotos und Grafiken, die durchdacht und verständlich sind. Zur weiteren Lektüre verweist Lindemann zudem auf Onlinematerialien und Websites.

Was der/die Leser:in jedoch erhält, ist weitaus mehr. Der umfangreiche und anschauliche Theorieteil verdeutlicht die Vielschichtigkeit von Metaphern und führt „nebenbei“ auch in die methodischen Grundlagen systemischer Arbeit ein. Der stetige Bezug zu Metaphern lässt hierbei schnell vermuten, dass eine systemische Beratung ohne Metaphern zwar möglich, aber sinnfrei wäre.

Zweifelsfrei ist jede Beratungssituation individuell und wenngleich der Titel ein buntes Sammelsurium verschiedenster Möglichkeiten, Techniken und Settings bietet, so bleibt die Ausgestaltung einer Metapher und die Spielgestaltung des „Metaphern-Spiels“ doch stets den Beratenden selbst überlassen. Nur er/sie kann in der individuellen Situation die Relevanz und Wertigkeit der Metapher (und eventuell der damit verbundenen Methodik) einschätzen. Der Band bietet folgerichtig somit ein Nachschlage- und Inspirationswerk für Berater:innen, die Metaphern zielgerichtet anwenden möchten. Auch kann er hilfreich sein, ähnlich zu Lindemann selbst, eigene Grundsätze für die Arbeit mit Metaphern zu entwickeln oder grundsätzlich an der eigenen Haltung in der Beratung zu arbeiten. Darüber hinaus erfüllt der Titel noch einen weiteren wichtigen Auftrag: Er sensibilisiert Leser:innen zur reflektierten Auseinandersetzung mit eigenen Metaphern und der eigenen Bildsprache.

Fazit

Der vorliegende Titel zeigt, wie Metaphern in den unterschiedlichsten Settings wirksame Erfolge erzielen können. Neben den theoretischen Grundlagen bietet das Buch zahlreiche Praxisbeispiele, Übungen, Hinweise sowie konkrete methodische Anleitungen und ist damit das ultimative Handbuch für alle systemischen Berater:innen, die zielgerichtet mit Metaphern arbeiten möchten. 

Rezension von
Farina Eggert
Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (B.A; M.A), Systemische Beraterin (DGSF), Promovendin an der FSU Jena
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Es gibt 8 Rezensionen von Farina Eggert.

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Zitiervorschlag
Farina Eggert. Rezension vom 03.01.2024 zu: Holger Lindemann: Die systemische Metaphern-Schatzkiste. Grundlagen und Methoden für die Beratungspraxis. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2022. 5., durchgesehene Auflage. ISBN 978-3-525-40549-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30334.php, Datum des Zugriffs 09.10.2024.


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