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Philipp Mayring: Einführung in die qualitative Sozialforschung

Rezensiert von Prof. Dr. Christel Walter, 12.09.2023

Cover Philipp Mayring: Einführung in die qualitative Sozialforschung ISBN 978-3-407-29601-6

Philipp Mayring: Einführung in die qualitative Sozialforschung. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2023. 7. Auflage. 140 Seiten. ISBN 978-3-407-29601-6. D: 21,00 EUR, A: 21,60 EUR.
Reihe: Beltz Studium. .

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Thema

In der 7. Auflage der „Einführung in die Qualitative Sozialforschung“ hat Philipp Mayring die Struktur der Publikation, einen geordneten Überblick über qualitative Forschungsmethoden zu geben, gegenüber der Anfang der 1990er Jahre erschienenen Erstauflage weitgehend beibehalten. Allerdings wurden die Referenzliteratur und auch die Hinweise auf Programme zur Computerunterstützung qualitativer Analysen auf den aktuellen Stand gebracht. Neu hinzugekommen sind in der 7. Auflage Abschnitte zur Mixed-Methods-Forschung und zur Qualitativen Evaluationsforschung.

Autor

Der Autor ist Professor i.R. für psychologische Methodenlehre an der Universität Klagenfurt und Leiter des Vereins zur Förderung Qualitativer Forschung (ASQ) in Klagenfurt, Österreich.

Entstehungshintergrund

Als das Buch erstmals Anfang der 1990er Jahre erschien, war es eine der wenigen Publikationen, die einen Überblick über qualitative Methoden in der Sozialforschung boten. Mittlerweile haben die Publikationen zur Thematik stark zugenommen; die Situation ist unübersichtlicher geworden. Jedenfalls zeigt die 7. Auflage des Buches, dass eine breite Leserschaft (z.B. Studienanfänger) einen Überblick über qualitative Methoden nach wie vor nachfragt.

Philipp Mayring galt und gilt als ein Protagonist qualitativer Methodologie in der akademischen Psychologie, der die Anerkennung und verstärkte Berücksichtigung dieser Methodologie in der am quantitativen Paradigma orientierten Disziplin beeinflusst hat. Dieser institutionelle Kontext mag dazu beigetragen haben, dass Philipp Mayring seit jeher die Kombination quantitativer und qualitativer Methoden betont, wenn immer das vom Untersuchungsgegenstand her als empfehlenswert erscheint.

Aufbau

Im Grunde umfasst das Buch drei distinkte Teile. In den ersten beiden Kapiteln (Teil 1) werden geschichtliche und theoretische Überlegungen zur qualitativen Sozialforschung skizziert. Die Kapitel 3 und 4 (Teil 2) widmen sich verschiedenen Untersuchungsansätzen und -methoden. Im 5. und 6. Kapitel (Teil 3) geht es um Vorgehensweisen bei qualitativen Analysen: Es wird auf (aktuelle) Computerprogramme zur Unterstützung qualitativer Analysen und auf Gütekriterien qualitativer Forschung hingewiesen. Das Buch (Kapitel 7) endet mit einer kurzen Schlussbemerkung über „Fallstricke qualitativer Forschung“. Die Kapitelgliederung des Buches wird seit der Erstausgabe des Buches beibehalten.

Inhalt

Während die Ausführungen zur „Geschichte qualitativen Denkens“ sehr knapp ausfallen (der Zeitraum von Aristoteles bis zu den neueren Mixed-Methods-Ansätzen wird auf ca. zehn Seiten abgehandelt), ist das Kapitel zur „Theorie qualitativen Denkens“ informativ und enthält diskussionswürdige Aussagen. Diese bilden den Kern des Buches.

Philipp Mayring gründet seinen qualitativen Ansatz auf fünf Postulaten: Das menschliche Subjekt in seiner Ganzheit und Historizität ist Gegenstand und Ziel der Forschung (1); detaillierte und methodisch kontrollierte Beschreibung ist Ausgangspunkt der Forschung (2); Ziel ist die interpretative Erschließung des Untersuchungsgegenstands (3); Forschung orientiert sich am Alltag der Individuen (4); schrittweise Verallgemeinerung der Forschungsergebnisse aus den untersuchten Einzelfällen (5).

Diese fünf Postulate konkretisieren sich in den häufig zitierten „13 Säulen qualitativen Denkens“, die anschließend beschrieben werden, und, wie angedeutet, beispielsweise die Historizität des menschlichen Individuums, die Einzelfallbezogenheit der Beschreibungen sowie die induktive und argumentative Verallgemeinerung der Ergebnisse umfassen.

In den Kapiteln 3 und 4 werden 23 wichtige Untersuchungsansätze der qualitativen Analyse kürzer oder länger vorgestellt. Philipp Mayring gliedert die Ansätze in Untersuchungspläne (z.B. Einzelfallanalyse, qualitative Evaluationsforschung), Erhebungsverfahren (z.B. narratives Interview, teilnehmende Beobachtung), Aufbereitungsverfahren (z.B. Formen der Protokollierung) und Auswertungsverfahren (z.B. Gegenstandsbezogene Theoriebildung, Objektive Hermeneutik). Übergänge zwischen den Ansätzen und die Kombination der Methoden werden explizit erwähnt. Trotzdem mag die gewählte Einteilung auch Kritik hervorrufen. Untersuchende, die etwa mit der Gegenstandsorientierten Theoriebildung oder mit der objektiv-hermeneutischen Methodologie arbeiten, werden die Klassifikation ihrer Ansätze als bloße „Auswertungsverfahren“ anzweifeln.

Nach dem Kapitel 5 mit Hinweisen zum Computereinsatz in der qualitativen Sozialforschung erfolgen Überlegungen zur Qualität bzw. zu Gütekriterien qualitativer Untersuchungen. Diese speziellen Qualitätsmerkmale ergeben sich aus den zuvor behandelten Postulaten, wobei Philipp Mayring deren Vereinbarkeit mit Gütekriterien des quantitativen Forschungsansatzes hervorhebt.

Diskussion

Das Buch von Philipp Mayring vermittelt einen Überblick über das Spektrum qualitativer Untersuchungsansätze und -verfahren und informiert über Anforderungen qualitativer Forschung. Dabei vermeidet der Autor unnötige Polemik in Richtung quantifizierender Forschungsansätze, bemüht sich vielmehr in der neuen Auflage verstärkt um eine Anschlussfähigkeit qualitativer und quantitativer Forschung. Dagegen sind die vorgenommenen Einordnungsversuche qualitativer Forschungsansätze strittig. Es ist generell fraglich, ob alle Forschungsansätze sich in Philipp Mayrings Buch als angemessen dargestellt finden.

Als Einführungstext konkurriert das Buch mit umfangreicheren Readern zu qualitativen Methoden, die zwar umfassender informieren, dafür aber eine schnelle Orientierung und einen strukturierten Einblick in die Grundlagen „qualitativen Denkens“ erschweren (z.B. Mey & Mruck 2020).

Nicht verständlich ist, wieso gegenüber früheren Auflagen auf das hilfreiche Sachregister im Anhang verzichtet wurde. Weiterhin hätte man sich eine redaktionelle Überarbeitung gegenüber der Erstauflage gewünscht. Wenn man die Erstausgabe neben die Neuauflage legt, irritiert beispielsweise, wenn man in beiden Auflagen liest „Gerade in den letzten Jahren…“ (S. 92). Als ob die qualitative Forschung seit gut dreißig Jahren stagniert hätte! Missverständliche Fehler wie die Formulierung „lebenssprachliche Bedeutung“ oder „geschäftliche“ statt „gesellschaftliche Lebensformen“ (S. 109), die sich bereits in der 1. Auflage befinden, hätten anlässlich der Neuauflage getilgt werden können. Diese und neue Fehler in der 7. Auflage trüben den Gesamteindruck.

Fazit

Im Titel des Buches von Philipp Mayring scheint das Wort „Einführung“ mit Bedacht gewählt zu sein. Hinter der im Buch berücksichtigten Begrifflichkeit und den skizzierten Methoden verbergen sich ausgiebige wissenschaftliche Diskussionen und detaillierte Handlungsempfehlungen, die in einem 140-seitigen Buch nur andiskutiert werden können. So ist das Buch als erste Orientierung oder als Einführungstext im Rahmen einschlägiger Lehrveranstaltungen geeignet.

Quellenangaben

Mey, Günther, Mruck, Katja (Hrsg.) (2020). Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. 2., erweiterte und überarbeitete Auflage. Band1 und 2. Wiesbaden: Springer

Rezension von
Prof. Dr. Christel Walter
Berlin
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Es gibt 11 Rezensionen von Christel Walter.

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Zitiervorschlag
Christel Walter. Rezension vom 12.09.2023 zu: Philipp Mayring: Einführung in die qualitative Sozialforschung. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2023. 7. Auflage. ISBN 978-3-407-29601-6. Reihe: Beltz Studium. . In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30358.php, Datum des Zugriffs 03.10.2024.


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