Wiltrud Brächter: Einführung in die systemische Sandspieltherapie
Rezensiert von Prof. Dr. Lilo Schmitz, 31.05.2023

Wiltrud Brächter: Einführung in die systemische Sandspieltherapie.
Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
126 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0405-6.
D: 18,95 EUR,
A: 19,50 EUR.
Reihe: Carl-Auer Compact.
Thema
Wiltrud Brächter fügt ihren Standardwerken zur pädagogischen und therapeutischen Sandspielarbeit diesen kompakten neuen Band hinzu, der vor allem die Möglichkeiten narrativer systemischer Sandspielarbeit mit Kindern, Erwachsenen und Familien beleuchtet.
Autorin
Wiltrud Brächter ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Systemische Therapeutin (SG), Akkr. Supervisorin für systemische Therapie mit Kindern und Jugendlichen (PTK-NRW). Sie ist in der Fortbildung, Supervision und Selbsterfahrung in narrativer systemischer Sandspieltherapie sowie in systemischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie tätig. Ihr narrativer entwicklungsbetonter Ansatz jenseits der im deutschsprachigen Bereich vorherrschenden jungianischen Ausrichtung der Sandspieltherapie steht in der Tradition der Sandspielbegründerin Margret Lowenfeld in London, deren erfrischende, am Kind ausgerichtete kreative Arbeit sie weiter fortführt.
Inhalt
Zu Beginn gibt Wiltrud Brächter einen kurzen Abriss der Geschichte des therapeutischen Sandspiels.
Dann führt sie in die Besonderheiten der narrativen Sandspieltherapie ein: Hier werden die entstandenen Bilder, die oft eine Problemtrance darstellen, als Teil einer Geschichte gesehen, die mit Mitteln der narrativen Therapie weiter gesponnen und in Richtung einer entlastenden und hoffnungsvollen Entwicklung verändert werden kann.
In ihrer Arbeit gibt Wiltrud Brächter ihren kleinen und großen Klient*innen viel Freiheit beim Bauen einer Szene mit nassem oder trockenem Sand, grenzt die Spieleinheit jedoch vom alltäglichen Spiel ab, indem sie aufmerksam dem Spiel folgt und ankündigt, dass am Ende ein Foto der Sandszene gemacht wird. Mit pädagogischem Geschick geht sie bereits während des Prozesses auf die Persönlichkeit der Menschen ein, die eine Sandszene bauen und begleitet sie je nach Stil schweigend oder im Gespräch.
Nach dem Foto des fertiggestellten Bildes erfolgt ein Gespräch über das Bild. Die Therapeutin hat für sich erste Hypothesen aus der Betrachtung des Bildes gebildet, lässt sich aber nicht von der Jungianischen Figurendeutung leiten, sondern bleibt vor allem offen für die Bedeutung, die ihre Klient*innen den jeweiligen Figuren geben. Lediglich die raumsymbolischen Deutungsmuster aus der Sandspieltheorie übernimmt Brächter, da sie ermöglichen, rasch Zukunftsrichtung und mögliche Spannungspole zu entdecken. Auf den letzten Seiten ihres Bandes findet sich dazu eine kleine Check-Liste, die der Leserin eine erste Orientierung im Sandbild ermöglicht.
Brächters besonderer Beitrag in der narrativen Sandspieltherapie besteht darin, dass das Sandspiel als Teil einer Geschichte betrachtet wird, die weiter gesponnen werden soll. „Wenn das ein Moment aus einer Geschichte wäre, wie würde sie weitergehen?“
Zeigen sich im Sandbild Problemsiuationen, regt Brächter zur Weiterarbeit mit dem Bild in Richtung Lösung und gute Entwicklung an. „Was würdest du den Figuren wünschen?“ „Wer könnte zur Hilfe kommen?“ Hilfe und Anteilnahme, Schutz und Geborgenheit für verletzte Anteile ziehen sich wie ein roter Faden durch die Weiterentwicklung der Sandgeschichten. Märchenhafte Einstiege in die Geschichte („Es war einmal…“) betonen die Möglichkeit von Wundern und guten Entwicklungen, von Veränderbarkeit hin zu einem guten Ende.
Diese Geschichten begleitet die Therapeutin mit narrativen Methoden, die Problemerzählungen durch Reframing und lösungsfokussierte Alternativen dekonstruieren. Wiltrud Brächter schlägt kreative Interventionen vor, mit denen die Therapeutin mit Hilfe von Stellvertreterfiguren und/oder Begleittieren behutsam ins Sandspiel eintreten kann und dialogisch im Kontakt mit den Klient*innen für zusätzlichen Schutz und gute Entwicklungen sorgen kann.
Ist im Sand ein gutes Ende entstanden, wird es in Worte gefasst (Erweiterung: aus der Perspektive einer Randgestalt des Sandbilds), gemeinsam betrachtet und fotografiert.
Ob das Bild in der Kindertherapie auch den Eltern gezeigt werden soll, überlässt Brächter den Kindern. Oft entsteht durch die gemeinsame Betrachtung eine vertiefte Kommunikation zwischen Eltern und Kindern durch den neuen Zugang zur emotionalen Welt des Kindes.
Sandspiel ist auch eine Möglichkeit zur Arbeit mit der gesamten Familie. Brächter beschreibt, wie sie mit Sandskulpturen in der Familientherapie arbeitet und erläutert ihr Vorgehen mit vielen Beispielen. So besteht beispielsweise eine interessante und fruchtbare Variante in einer Problemexternalisierung, bei der eine stellvertretende nicht-menschliche Figur für das Problem gewählt wird.
Wiltrud Brächter warnt stets davor, die Momentaufnahme eines Sandspiels diagnostisch so zu betrachten, als sei die Familie nun so zu verstehen, wie das Bild es mitteilt. Sandbilder besonders von Familien sind Momentaufnahmen, die sich zu einem anderen Zeitpunkt ganz anders präsentieren können.
Neben der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien ist das Sandspiel auch für andere therapeutische und beraterische Bereiche gut einzusetzen. Diese werden von Wiltrud Brächter zum Teil sehr konkret vorgestellt.
Für das Paarsandspiel stellt sie beispielsweise den Ansatz von Linde von Keyerlingk mit 3 Sitzungen vor. Ausführlich und mit eindrucksvollen Beispielen stellt Brächter die vielfältigen Möglichkeiten der Sandspielarbeit mit Gruppen vor.
Ertragreich ist auch die Kombination von Sandspiel mit Ego-State-Therapie: Für die Ego-State-Therapie und -beratung ist das Sandspiel besonders geeignet, weil den einzelnen Ego-States ganz aussagekräftige Figuren zugeordnet werden können. Tierfiguren – zahme und wild gefährliche, menschliche Figuren mit ausdrucksstarken Eigenschaften machen den Charakter der Ego-States deutlich.
Diskussion
Wiltrud Brächter hat auf kreative Weise die Möglichkeiten der Sandspieltherapie und -beratung entscheidend erweitert und für viele Felder anwendbar gemacht. Ihre vielen Praxisbeispiele in diesem Kompakten Band zeigen, wie beherzt, sensibel und kreativ sie mit Kindern, Jugendlichen, Familien und erwachsenen Einzelklient*innen arbeitet.
Eine Meisterleistung ist es, die Vielzahl von Anwendungsfeldern in diesem kompakten Band darzustellen. Es gelingt ihr wunderbar – einschließlich kompakter Zusammenfassungen der einzelnen Anwendungsschritte.
Fazit
Dieses Buch ist ein Schatz! Wer es liest, wird eine Fülle von Anregungen für die eigene Praxis erhalten. Es sollte von der Hochschule bis zur Praxis unbedingt angeschafft werden.
Rezension von
Prof. Dr. Lilo Schmitz
Hochschule Düsseldorf (Ruhestand) und ILBB - Institut für Beratung Brühl
Website
Mailformular
Es gibt 131 Rezensionen von Lilo Schmitz.
Zitiervorschlag
Lilo Schmitz. Rezension vom 31.05.2023 zu:
Wiltrud Brächter: Einführung in die systemische Sandspieltherapie. Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
ISBN 978-3-8497-0405-6.
Reihe: Carl-Auer Compact.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30364.php, Datum des Zugriffs 26.09.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.