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Reinert Hanswille (Hrsg.): Systemische Therapie mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien

Rezensiert von Ortrud Aden, 03.05.2023

Cover Reinert Hanswille (Hrsg.): Systemische Therapie mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien ISBN 978-3-8497-0441-4

Reinert Hanswille (Hrsg.): Systemische Therapie mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. 88 Interventionen für die Praxis. Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2022. 428 Seiten. ISBN 978-3-8497-0441-4. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR.
Reihe: Kinder- und Jugendlichentherapie.

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Thema

Mehrere erfahrene systemische Therapeutinnen und Therapeuten haben nach Anregung des Herausgebers Beschreibungen ihrer wirksamsten Übungen und Methoden eingebracht. Diese werden immer in einem bestimmten Raster dargestellt und unter verschiedenen Gesichtspunkten geordnet.

Der Herausgeber entschied sich bewusst für Interventionen, die wenig Vorbereitung benötigen und gleichzeitig Raum bieten für eigene Weiterentwicklungen, damit sie im therapeutischen Alltagsgeschehen realisierbar sind. Ihm ist wichtig, dass systemische Therapie sich nicht auf mechanische Anwendung von Techniken beschränkt, die Individualität des Klientensystems und die Persönlichkeit der Therapeutin stehen für ihn im Mittelpunkt. Das Buch richtet sich nicht an spezielle Berufsgruppen. Man findet keine störungsspezifischen Interventionen, der Focus soll auf Anstößen zur Weiterentwicklung eines Systems liegen.

Aufbau

Nach der Einführung folgen zwei Teile, den Abschluss bildet ein Technikkompass.

In der Einführung beschreibt der Herausgeber seine Intentionen für dieses Buch, den Aufbau und seine Stellungnahme zu verschiedenen Perspektiven.

Im Teil 1 geht der Herausgeber in fünf Kapiteln auf Grundlagen der systemischen Therapie ein. Ich werde diesen Teil im Abschnitt „Inhalt“ näher beschreiben.

Teil 2 ist der Hauptteil und besteht aus den Kapiteln 6–9:

  • Interventionen im Einzelsetting
  • Interventionen, die sich vor allem für das Mehrpersonensetting eignen
  • Interventionen für das Paarsetting
  • Interventionen, die sich für verschiedene Settings eignen.

Alle Methoden folgen einem Raster mit 15 Aspekten, dabei geht es beispielsweise um Ziel und Dauer der Intervention, die Zielgruppe, benötigtes Material, die Durchführung, Kontraindikationen und weitere.

Im abschließenden Technikkompass findet man einen Überblick über alle Interventionen.

In dieser Tabelle findet man die Interventionen, die jeweilige Seitenzahl und Informationen über das mögliche Setting und das Alter, für das die jeweilige Intervention geeignet ist. Informationen über die Therapiephase und weitere Eckdaten zur Durchführung runden den Überblick ab.

Inhalt

Im Folgenden beschreibe ich die Kapitel von Teil 1 näher.

Im ersten Kapitel setzt der Herausgeber sich mit dem Stellenwert der Techniken für den therapeutischen Prozess auseinander, er erwähnt die verfahrensübergreifenden Wirkfaktoren der Psychotherapie und kommt zu dem Schluss, dass Techniken und Methoden nur wirksam sind, wenn sie sinnvoll in den therapeutischen Prozess eingebunden sind. Sie richten sich nach den Arbeitshypothesen, den Zielen für den Beratungsprozess und der individuellen Situation des Klientensystems und sind eingebunden in die systemischen Grundhaltungen und in die Systemtheorie. Man brauche immer wieder Übung und Supervision, um die Techniken souverän und sinnvoll einsetzen zu können und dabei gleichzeitig das Klientensystem im Blick zu behalten, der Herausgeber vergleicht diesen Prozess mit dem Erlernen bestimmter Sportarten oder einem Musikintrument.

Er benennt das sogenannte „Systemische Paradoxon“: Einerseits gehe es bei der systemischen Therapie ausschließlich darum, Anregungen – Pertubationen – zu geben, den größten Anteil an einer Veränderung habe aber das Klientensystem selber. Andererseits sei aus der Psychotherapieforschung bekannt, dass Interventionen wirksamer sind, wenn die Therapeuten von ihrer Wirkung sehr überzeugt seien. Zwischen diesen beiden Polen gelte es, die Waage zu halten.

Im zweiten Kapitelbeschreibt der Herausgeber Beispiele, in denen eine gut geplante und korrekt durchgeführte Intervention komplett an den dringenden aktuellen Bedürfnissen des Klientensystems vorbeiging. Mit der „richtigen“ Haltung könne man fast nie eine falsche Methode anwenden, im Gegensatz dazu könne man mit einer „tollen Methode“ durchaus Fehler machen. Dennoch können originelle Methoden durchaus ihren Platz in der systemischen Therapie haben.

Im dritten Kapitel geht es um Elemente einer systemischen Prozessgestaltung und ihre Bedeutung für die Auswahl der Intervention.

Der Herausgeber beschreibt zunächst acht generische Prinzipien, die jeweils anhand von drei Kriterien dargestellt werden. Dabei handele es sich explizit nicht um ein Phasenmodell, das in dieser Reihenfolge abgearbeitet werden soll, sondern um Bedingungen für Veränderungsprozesse, die als „Konkretisierung für ein klinisches Modell systemischer Therapie und Beratung“ verstanden werden könne.

Anschließend setzt er sich mit der Bedeutung der Zielfindung auf verschiedenen Ebenen und den Besonderheiten des Prozesses der Zielfindung auseinander, wenn mehrere Personen verschiedene Ziele einbringen.

Eine Besprechung der systemischen Hypothesen rundet das dritte Kapitel ab. Systemische Hypothesen werden im Prozess immer wieder angepasst. Häufig haben Klient:innen linearkausale Erklärungen für Probleme, die sie einer Person des Systems zuordnen. Erst wenn diese Lösungsversuche scheitern, werde Hilfe von außen gesucht.

Der Herausgeber beschreibt ein Modell der Hypothesenbildung in vier Schritten:

  • Die Beobachtungsfunktion
  • Die Ordnungsfunktion
  • Die Anregungsfunktion
  • Die abgeleitete Funktion

Danach geht er auf „die drei Quellen der systemischen Hypothese“ und die „Nützlichkeit einer systemischen Hypothese“ ein

Das vierte Kapitelhandelt von „Haltungen systemischer Beratung und Therapie“. In der systemischen Literatur gebe es dazu verschiedene Ansichten, der Begriff werde häufig gebraucht. Bestimmte Grundhaltungen werden in allen Gesprächstherapien erwähnt beispielsweise positive Wertschätzung, Empathie und Kongruenz. Der Herausgeber beschreibt weitere Haltungen und Orientierungen, die typischerweise im Prozess der systemischen Therapie und Beratungen deutlich werden.

Im fünften Kapitel geht der Autor auf das „BASK“- Modell ein: Es geht um

  • „Behavior“ (Verhalten);
  • „Affect“ (Gefühl);
  • „Sensation“ (Körperempfindungen, Sinneswahrnehmungen);
  • „Kognition, Knowledge“ (Gedanken, Bewertungen, Wissen).

In der systemischen Beratung und Therapie gehe es häufig um Verhalten und Gedanken, das gleichmäßige Einbeziehen aller vier Ebenen könne aber den therapeutischen Prozess bereichern und auch für die Selbstwahrnehmung und die eigene Reflexion hilfreich sein.

Diskussion

Sowohl der Theorieteil als auch die Übungen sind übersichtlich und schlüssig dargestellt. Wer sich bereits mit systemischer Therapie und Beratung beschäftigt hat, bekommt eine Fülle von Anregungen. Gleichzeitig wird überzeugend vor einem Aktionismus mit Hilfe von Methoden und Techniken gewarnt. Auch die Hinweise auf die Bedeutung der systemischen Haltung und die Orientierungen dazu sind kurz und bündig zusammengefasst.

Wer sich einen ersten Überblick über die systemische Therapie und Beratung verschaffen möchte, kommt besonders im ersten Teil auf seine Kosten, aber auch das Schmökern im zweiten Teil, dem Hauptteil, gewährt einen Einblick in die systemische Therapie und Beratung.

Fazit

Das Buch stellt eine Bereicherung dar für alle, die mit systemischer Therapie und Beratung vertraut sind und bietet auch eine Möglichkeit, einen ersten Einblick in die systemische Therapie und Beratung zu bekommen.

Rezension von
Ortrud Aden
M. A. Sonderpädagogik und Rehabilitationswissenschaften, zur Zeit tätig in einer Autismusambulanz
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Es gibt 20 Rezensionen von Ortrud Aden.

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Zitiervorschlag
Ortrud Aden. Rezension vom 03.05.2023 zu: Reinert Hanswille (Hrsg.): Systemische Therapie mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. 88 Interventionen für die Praxis. Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2022. ISBN 978-3-8497-0441-4. Reihe: Kinder- und Jugendlichentherapie. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30367.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.


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