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Caterina Gawrilow: Lehrbuch ADHS

Rezensiert von Dr. Carsten Rensinghoff, 03.04.2023

Cover Caterina Gawrilow: Lehrbuch ADHS ISBN 978-3-8252-5999-0

Caterina Gawrilow: Lehrbuch ADHS. Modelle, Ursachen, Diagnose, Therapie. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2023. 3. aktual. Auflage. 193 Seiten. ISBN 978-3-8252-5999-0. D: 27,00 EUR, A: 27,80 EUR, CH: 34,70 sFr.

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Thema

Gawrilow beschreibt in ihrer Publikation die vielfältigen Aspekte der ADHS. „Das gesamte Buch hat das Ziel, darzulegen, dass […] (eine – CR) vermeintlich vergleichsweise schwächere Wirksamkeit von Selbstregulartonsstrategien im Vergleich zu Medikation mit MPH (Methylphenidat – CR) vor allem darauf zurückzuführen ist, dass in vielen Studien Selbstregulationsstrategien heterogen induziert und die Konsequenzen uneinheitlich erfasst worden sind, was auf Studien zur Wirksamkeit von MPH nicht zutrifft“ (S. 129).

Autor

Caterina Gawrilow ist Professorin für Schulpsychologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Entstehungshintergrund

In ihrem Vorwort zur dritten Auflage schreibt die Autorin, dass hierin neue Forschungsergebnisse eingefügt wurden

Inhalt

Bei ADHS handelt es sich um die häufigste Störung im Kindes- und Jugendalter. Hierbei handelt es sich um eine Auffälligkeit, die auch im Erwachsenenalter bestehen bleibt.

Schon vor der Veröffentlichung des „Struwwelpeters“ gab es ADHS. Dieses Phänomen führt bei Kindern zu Schwierigkeiten in der Schule

Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität sind die Kernsymptome der ADHS. Neben diesen „Schwächen“ gilt es Stärken und Ressourcen bei Kindern, die mit der Diagnose ADHS leben, zu konstatieren, als da z.B. wären: ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, Kreativität oder Spontaneität.

ADHS kann nicht nur Kinder betreffen, sondern bekommt bei Erwachsenen Relevanz, wenn zur Aufmerksamkeitsstörung und motorischen Hyperaktivität noch zwei weitere Kriterien (z.B. Affektlabilität und desorganisiertes Verhalten) vorliegen

In der Regel handelt es sich bei ADHS nicht um eine isolierte Diagnose. Häufig liegen komorbide Störungen vor, wie beispielsweise Lese-Rechtschreibschwäche oder Konzentrationsschwierigkeiten. Im Erwachsenenalter können bei ADHS als komorbide Störungen z.B. Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit, Angststörungen, Tic-Störungen, oder Schlafstörungen auftreten.

ADHS tritt häufiger bei Jungen als bei Mädchen auf.

Bei der ADHS handelt es sich um eine Störung der selbstregulativen Fähigkeiten, die genetisch verursacht sein kann. Bei der Selbstregulation handelt es sich um „die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen kontrollieren zu können“ (S. 72).

Zur Entwicklung der ADHS wird angeführt, dass Mütter von vermehrten Aktivitäten im Mutterleib berichten. Oft sind gestörte Mutter-Kind-Interaktionen zu beobachten.

Im Erwachsenenalter kann diagnostisch eine vermutete ADHS letztlich in eine Borderline-Persönlichkeitsstörung münden. Erwachsene mit ADHS haben Probleme im Berufsleben. „Jedoch zeichnen sich Erwachsene mit ADHS auch durch ganz bestimmte Fähigkeiten aus: Hyperfokussierung und kreative Lösungsvorschläge“ (S. 113).

Diskussion

Gawrilow stellt die Impulsivität heraus und sagt, dass Kinder mit ADHS häufig nur schwer abwarten können, bis sie an der Reihe sind. „Sie unterbrechen andere häufiger als Kinder ohne ADHS“ (S. 22). Diesem Phänomen begegnet man hier und dort z.B. auf Tagungen. Ein Gespräch wird rüde von einem Kollegen unterbrochen, weil er nur kurz Hallo sagen will. Der nicht abwarten Könnende – unter Umständen Mediziner – bekommt dann aber nicht die Diagnose ADHS angeheftet – oder etwa doch?

Die Autorin schreibt, dass mit dem Übungsprogramm „ADHS in der Schule“ ein standardisiertes und evaluiertes Fort- und Weiterbildungsprogramm für Lehrkräfte vorliegt und dasselbe zum Standard der Weiterbildung werden sollte. Dies ist ein frommer Wunsch, dem nur zuzustimmen ist. Eigene Erfahrungen lassen jedoch die Bereitschaft zur Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte nicht erkennen. Diese Erfahrung macht sich dann im Scheitern von Schülerexistenzen im allgemeinen Schulsystem bemerkbar. Die Schäden dürften kaum mehr behebbar sein.

Da Gawrilow sich auch mit ADHS im Erwachsenenalter befasst, ist die Zielgruppe nicht nur auf die Psychologie und Pädagogik bei Kindern beschränkt. Für den Bereich Pädagogik ist es ein empfehlenswertes Lehrbuch für Lehrerinnen und Lehrer. Hier ist feststellbar, dass eine psychiatrisch festgestellte ADHS nicht die empfohlene Therapie erfährt, wie z.B. die Umschulung in ein anderes Schulsystem – im konkreten Fall in den förderpädagogischen Zweig der Waldorfschule. Mehrere Gründe können hierfür verantwortlich sein:

  1. die, letztlich abgebende Schule, möchte sich aus Angst vor der Öffentlichkeit das Scheitern nicht eingestehen;
  2. die Lehrerschaft kennt sich mit ADHS nicht aus;
  3. die Lehrerschaft will das Problem, bis zur vollkommenen Vernichtung der Schülerexistenz, aussitzen;
  4. die Lehrerschaft gibt den Eltern des betroffenen Schülers die Schuld;
  5. die Lehrerschaft erkennt in den häufigen Fehlzeiten des betroffenen Schülers keinen Handlungsbedarf, sondern sanktioniert hier nur in unangemessener Weise, z.B. durch elterliche Zahlung eines Ordnungsgeldes.

Für die Lehrerinnen und Lehrer der allgemeinen Schulen besteht hier ein hoher Fort- und Weiterbildungsbedarf. Ein Anfang hierzu kann durch die Lektüre des Lehrbuchs ADHS gemacht werden.

Fazit

Bei der besprochenen Publikation handelt es sich um ein Werk, welches in sympathisch knapper Form das Notwendige zu ADHS liefert. Bei der Lektüre kommt dann hier und da schon mal die Frage auf: „Bin das nicht ich?“

Rezension von
Dr. Carsten Rensinghoff
Teilhabeberater, EUTB – Verein zur sozialen und beruflichen Integration (VSBI e.V.) in Sangerhausen,
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Zitiervorschlag
Carsten Rensinghoff. Rezension vom 03.04.2023 zu: Caterina Gawrilow: Lehrbuch ADHS. Modelle, Ursachen, Diagnose, Therapie. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2023. 3. aktual. Auflage. ISBN 978-3-8252-5999-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30372.php, Datum des Zugriffs 05.10.2023.


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