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Sarah Mühlbacher: Recht und Sorge

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 21.01.2025

Cover Sarah Mühlbacher: Recht und Sorge ISBN 978-3-593-51877-0

Sarah Mühlbacher: Recht und Sorge. Eine kritische Soziologie zur Teilhabe von Kindern. Campus Verlag (Frankfurt) 2024. 348 Seiten. ISBN 978-3-593-51877-0. D: 40,00 EUR, A: 41,20 EUR.
Reihe: Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie - 38.

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Thema

Durch Rechte sollen Kinder sowohl geschützt als auch beteiligt werden. Sarah Mühlbacher zeigt, inwiefern sich rechtliche Reformprojekte immer wieder in rechtliche Regelungen verkehren, die die Perspektiven und Lebensrealitäten von Kindern unsichtbar machen.

Autorin

Sarah Mühlbacher, Dr. phil, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Aufbau und Inhalt

In dieser soziologischen Studie analysiert Sarah Mühlbacher reformerische, gegenreformerische und transformatorische Positionen in den Diskursen um zentrale Reformen seit den 1960er-Jahren und verdeutlicht, welche Stimmen kein Gehör fanden. Sie rekonstruiert die strukturelle Abwertung der Sorge, die Naturalisierung von Kindheitskonzepten und die Hierarchisierung von Differenzen in rechtlichen Diskursen, Verfahrens- und Subjektivierungsweisen in kapitalistischen Gesellschaften als Schlüssel zum Verständnis dieser paradoxalen Konstellation. Das Buch endet mit einem Ausblick auf eine radikale Transformation von Rechten in Beziehung zu Politiken radikaler Sorge.

Nachdem in den ersten Kapiteln zunächst formale Aspekte behandelt wurden, die für eine Dissertation üblich und vorgeschrieben sind, beginnt im dritten Kapitel die empirische Analyse, deren Gegenstand die Debatten um die Reform des Sorgerechts der 1960er und 1970er Jahre ist, bei denen unterschiedliche Sichtweise auf die rechtlichen Kindheitsbilder deutlich wurden. Seinerzeit stand das Kind im Spannungsfeld der Pole Autonomie und Sorge, was sich langsam zu ändern begann. Immer mehr Bedeutung bekam die Auffassungen, „denen ein Bild eines selbstbestimmten und gleichzeitig fürsorgebedürftigen Kindes zugrunde liegt“ (S. 19). Im folgenden Kapitel erfolgt die Reflexion der vorher ermittelten Zuschreibungen an Kindheit anhand von kindheitssoziologischen Positionen. Eine große Bedeutung kommt dabei dem aktuellen Begriff des Adultismus (siehe hierzu Adultismus) zu, aber auch die Anerkennung von Familienentwürfen außerhalb der Heteronormativität. Dabei kommt Sarah Mühlbacher zu der Erkenntnis, dass gut gemeint in diesem Fall nicht allumfassend gut gemacht sei. Es finde eine „Marginalisierung queerer Verwandtschaftsverhältnisse“ (S. 20) statt, die dazu beitrage, zum Beispiel den Gewaltschutz zu erschweren.

Im weiteren Verlauf geht es dann um Reformprojekte, die in den vergangenen Jahrzehnten unternommen wurden, um das Verhältnis Eltern-Kind sozusagen zu modernisieren. Ein Quantensprung dabei war sicherlich die Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetz, das wesentlich mehr auf Beteiligung und Unterstützung setzt, als es vorher durch das Jugendwohlfahrtsgesetz der Fall war. Die grundsätzliche Frage, die die Autorin in diesem sechsten Kapitel aufwirft ist genauso spannend wie provokativ: „Inwiefern eröffnen staatliche Hilfen Handlungsspielräume für Hilfeberechtigte oder schließen diese, indem sie soziale Ungleichheit reproduzieren?“ (S. 20). Aufgegriffen wird auch der Diskurs um die Einführung der Kinderrechte ins Grundgesetz, die Sarah Mühlbachers Auffassung nach gerade diejenigen nicht schützen, für die es besonders notwendig sei: nämlich geflüchtete Kinder. Den Abschluss bildet ein zusammenfassendes und in die Zukunft blickendes Kapitel.

Diskussion

Wer am Lehrstuhl von Ferdinand Sutterlüty forscht und arbeitet, gehört sicherlich zu den Expert:innen des Fachbereichs Soziologie schlechthin. Das wird auch in diesem Buch von Sarah Mühlbacher deutlich, dass spannende Aspekte propagiert und analysiert. Der soziologische Duktus der Sprache ist dabei durchgängig anspruchsvoll und fordert viel Konzentration, was dieser Profession aber nach Erfahrung des Rezensenten grundlegend zueigen zu sein scheint. Wer sich davon nicht abschrecken lässt – und das wäre sehr schade –, erlebt eine großartige, immer noch aktuelle Auseinandersetzung um Kindheits- und Elternbilder.

Fazit

Dieses Buch ist sicherlich keines, das sich mal so eben zwischendurch lesen lässt. Dafür ist es zu anspruchsvoll. Wer sich darauf einlässt, der wird manche Überraschung erleben.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Es gibt 128 Rezensionen von Wolfgang Schneider.

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ISSN 2190-9245