Albert Wettstein: [...] Angehörige[...] von Menschen mit Demenz
Rezensiert von Anna Marita Bongartz, 04.10.2005
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Albert Wettstein: Belastung und Wohlbefinden bei Angehörigen von Menschen mit Demenz. Eine Interventionsstudie.
Edition Rüegger (vormals Rüegger Verlag)
(Zürich) 2005.
160 Seiten.
ISBN 978-3-7253-0802-6.
24,30 EUR.
CH: 38,00 sFr.
Nationales Forschungsprogramm 45, Probleme des Sozialstaats .
Autoren
- Dr. Albert Wettstein - Chefarzt Stadtärztlicher Dienst, Zürich
- Dr. Markus König - Gesundheitsökonom
- Regula Schmid - Psychologin und Leiterin der Memoryklinik Entlisberg, Zürich
- Dr. Sonja Perren - Psychologin und Oberassistentin Psychologisches Institut der Universität Zürich
Einführung in die Thematik
Eines der zurzeit aktuellsten Themen ist die mit dem demografischen Wandel einhergehende Zunahme von Demenzerkrankungen. Hier stehen vor allem die extremen Belastungen der pflegenden Angehörigen im Fokus der Betrachtung und die mit der Krankheit verbundenen Kosten für die Sozialsysteme. Die Mehrzahl der Demenzkranken leben zu Hause und werden dort von ihren Angehörigen - meist Ehe- bzw. LebenspartnerIn - unter größten Belastungen, enormen persönlichen Einschränkungen und in Folge der langjährigen Pflege mit gesundheitlichen Problemen betreut.
Daher gibt es heute vermehrt Entlastungsangebote für pflegende Angehörige von Demenzerkrankten. Neben der Stärkung und Befähigung der Pflegenden, um den enormen Belastungen standzuhalten und eine Selbstsorge zu entwickeln, zielen diese Angebote auch auf den längeren Verbleib der Erkrankten im häuslichen Umfeld ab. Dies soll zur Erhöhung der Lebensqualität beitragen, aber nicht zuletzt eine Vermeidung der vorzeitigen teuren institutionellen Langzeitpflege erreichen. Es stellt sich durch den Kostendruck für den Sozialstaat verstärkt die Frage nach Möglichkeiten, Grenzen und Wirksamkeit der angebotenen Interventionen. Eine Interventionsform stellt die Angehörigenschulung dar, die auch Gegenstand der vorliegenden Studie ist. Sie zählt zu den Interventionsformen, der nicht nur in der Schweiz derzeit eine hohe Bedeutung als Intervention für pflegende Angehörige beigemessen wird.
Überblick über Inhalt und Aufbau
Es handelt sich bei der vorliegenden Studie um eine Interventionsstudie mit zufälliger Zuteilung von Teilnehmenden in die Interventions- und Kontrollgruppe. Ansatzpunkt der Schulung ist der moderne Empowerment-Gedanke.
Die Memory Klinik Entlisberg, eine der beiden Nonprofit-Memory Kliniken der Stadt Zürich und einer der Rekrutierungskanäle der Studie sowie Hauptort für die Studiendurchführung, führt bereits seit 5 Jahren Angehörigenschulungen durch. Die Kostenübernahme ihrer Angehörigenschulungen wird von den Krankenkassen mit der Begründung abgelehnt (obwohl Anleitung von informellen Betreuern Pflichtleistung gemäß KVG ist), dass die Wirkung auf einer vermehrten Vermittlung von teuren, die Krankenkassen belastenden Entlastungsangeboten beruhe. Um ihren Ansatz breiter zum Einsatz zu bringen, ist jedoch eine Unterstützung der Schulungen durch die Sozialversicherungen nötig. Daher soll die Studie bei positivem Ergebnis den gesetzlich geforderten Nachweis erbringen, dass Angehörigenschulung wirkungsvoll und wirtschaftlich ist und deshalb als Pflichtleistung der sozialen Krankenversicherer zu entschädigen ist.
Die Studie wird wechselnd von an der Studie beteiligten Autoren in zehn Kapiteln dargestellt. Die Studienergebnisse werden durch übersichtliche Tabellen und anschauliche Grafiken ergänzt. Nach der Themeneinführung (1) folgen in den Kapiteln 2 - 5 eine Beschreibung der Studie, die Vorstellung und Diskussion der einzelnen Ergebnisse und eine Übersicht über die Wirkungen der Schulung. Vier weitere Kapitel (6 - 9) beschäftigen sich mit spezifischen Studienresultaten und Kapitel 10 bietet eine Zusammenfassung der wichtigsten Studienergebnisse. Die Ausführungen enden mit einem Schlusswort. Die folgenden Ausführungen sollen einen Einblick in die Inhalte der umfangreichen Studie geben. Die Seitenzahlen in eckigen Klammern geben Hinweis auf die Ausführlichkeit der Themendarstellungen.
(1) Einleitung [4] (Albert Wettstein)
Das beschriebene Thema ist auch in der Schweiz ein drängendes Problem des Sozialstaates und Anlass für die vorliegende Interventionsstudie im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms in Zusammenarbeit mit dem Stadtärztlichen Dienst, den Pflegezentren der Stadt Zürich und der Universität Zürich. Die Studie wurde durch den Schweizerischen Nationalfond finanziert, durch eine Förderung der Stadt Zürich sowie den Pharmafirmen Pfizer AG, Janssen Cilag AG, Schwabe AG sowie der Schweizerischen Alzheimervereinigung.
Der Autor führt kurz in den aktuellen Stand von Demenzerkrankungen in der Schweiz, die Kostensituation und derzeitige Prognosedaten ein und zeigt die Studienziele auf. Hauptziel ist es zu zeigen, dass die Last, die Demenzkranke für den Sozialstaat darstellen, reduziert werden kann.
Anhand internationaler Studien konnte eine kosteneffektive markante Reduzierung der Heimplatzierungsrate (15 Monate) durch Schulung und Beratung der Angehörigen nachgewiesen werden, was in der vorliegenden Studie für den Schweizer Kulturkreis geprüft werden soll.
Ergänzend zu den internationalen Studien sollen Ergänzungsstudien die Fragen beantworten, ob Angehörigenschulungen bei Demenz als wirksame Intervention einen bleibenden Effekt haben und die Beeinflussbarkeit schichtspezifisch ist, und ob es mit der Schulung gelingt, die von den Demenzkranken und ihren Angehörigen verursachten Gesundheitskosten zu reduzieren. Um die Frage nach einer schichtspezifischen Beeinflussbarkeit der Intervention beantworten zu können, wurde die Studie um einen sozioökonomischen Vergleich (steuerbares Einkommen, Vermögen, Bildung) erweitert. Zuverlässige Daten zu den objektiven Gesundheitsausgaben konnten für einen Teil der Studienteilnehmenden durch eine Vereinbarung mit vier großen Krankenkassen erhoben werden.
(2) Beschreibung der Studie [14] (Markus König & Albert Wettstein)
Es folgt eine Beschreibung des Studiendesigns, der Rekrutierungsphase (23 Monate) der Studienteilnehmenden und der angewandten Erhebungsmethoden. Die Phasen des Studienablaufs werden ausführlich vorgestellt: I. Rekrutierung mit Zeitrahmen, Rekrutierungskanälen und endgültigen Studienteilnehmenden nach Rekrutierungskanal. II. Basisevaluation Demenzkranke und Angehörige mit Angabe der Testmethoden, Ausschlusskriterien; Randomisierungsvorgang. III. Intervention in Form von Angehörigenschulung bzw. Gedächtnistraining für die Kontrollgruppe mit Übersicht der durchgeführten Termine, Teilnehmerzahlen. VI. Ablauf der jährlichen Befragungen und Nachbetreuung sowie Übersicht der angewandten Instrumente und Skalen (Beobachtungszeitraum 3 Jahre). Die beiden Ergänzungsstudien werden kurz vorgestellt.
Hier einige Details zu den Studienteilnehmenden (ursprüngliches Ziel 240): 128 Paare (65 Angehörigenschulung/63 Gedächtnistraining) von Betreuenden und demenzerkrankten Angehörigen - Betreuung in häuslicher Umgebung - gleicher Haushalt oder Gehdistanz. Angehörige: ∅ 70 Jahre (37 - 90 Jahre), 2/3 Frauen, >90 % Ehe-/LebenspartnerInnen. Demenzkranke: ∅ 75 Jahre - 60 % Alzheimer Demenz - 23 % Kombination Vaskuläre und Alzheimer Demenz. Studienkriterien: leichte bis mittelschwere Demenz.
(3) Darstellung der Intervention [24] (Regula Schmid)
In Anlehnung an Pinquart und Sörensen (2002) wird die Angehörigenschulung zu den psychoedukativen Interventionsstrategien mit unterstützenden und psychotherapeutischen Aspekten zugeordnet. Es folgen eine Beschreibung der für alle Studienteilnehmenden gleichen prozessorientierten Untersuchung und Beratung, der Ziele und Inhalte der Angehörigenschulung sowie eine kurze Darstellung der Intervention für die Kontrollgruppe (Gedächtnistrainings für die demenzkranke Person als Kontrollbedingung). Das psychologische Konzept der Angehörigenschulung basiert auf dem Ansatz der Salutogenese (Antonovsky). Die Autorin überträgt in kurzen prägnanten Erklärungen die Fundamente für Kohärenzerleben «Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit« auf die Situation der Demenzkranken und Angehörigen. Die daraus entstehenden Anforderungen zur Stärkung des Kohäranzerlebens von pflegenden Angehörigen bilden die Grundpfeiler des Konzeptes: Wissensvermittlung - Stärkung der Selbstwahrnehmung - Optimierung der Beziehungsdynamik - Stärkung der sozialen Kompetenz. Die Lerninhalte jedes der 8 Module werden stets nach Methoden, Inhalten und Zielen präsentiert (8 Nachmittagsseminare à 2 Stunden, dazu ein gemeinsames Treffen vor und Abendessen nach dem Seminar). Die Ergebnisse der Kursevaluation zu Inhalt und Bedeutung der Schulung für die Angehörigen runden diese Darstellung ab. Das Konzept des multimodalen und themenzentrierten Gedächtnistrainings (52 Trainingseinheiten für 52 Wochen im Jahr) für die Kontrollgruppe wird hier nur kurz angerissen. Für Interessierte gibt es einen Quellenverweis auf die publizierten Arbeitshefte (Arbeitsblätter und Instruktionen).
(4) Wer beteiligt sich an psychosozialen Interventionen für Angehörige von Demenzkranken? [12] (Albert Wettstein & Regula Schmid & Markus König)
Es herrscht derzeit großes Interesse an psychosozialen Angeboten, es ist aber wenig über die Teilnehmenden bekannt. Ein Vergleich der Interventionsgruppe mit 3 anderen Populationen soll beantworten, ob die Teilnehmenden der Schulung für die gesamte Population repräsentativ sind, oder ob gewisse sozio-ökonomische Gruppen hervorstechen. Anhand demografischer und sozioökonomischer Charakteristika (Schulbildung, Einkommen und Vermögen nach Datenerhebung beim kommunalen Steueramt) wird untersucht, ob bestimmte sozio-ökonomische Gruppen von teilnehmenden Betreuungspersonen über- oder untervertreten waren.
(5) Welche Wirkung hat Angehörigenschulung für die Betroffenen [26] (Sonja Perren & Markus König)
Die Autoren gehen auf die Schulungseffekte bezüglich Heimeintritt und Mortalität ein, auf Untersuchungen zu Auswirkungen auf Wohlbefinden und Belastung der pflegenden Angehörigen sowie aufseiten des Demenzerkrankten. Aufgrund einer Datenerhebung von objektiven Gesundheitskosten (Datenerhebung Krankenkassen) wurde in einer Teilstudie (Substichprobe 46 Angehörige/33 Demenzerkrankte) untersucht, ob sich die Angehörigen der Interventionsgruppe und die betreuten Demenzkranken in Höhe und Verlauf der Gesundheitskosten über den gesamten Beobachtungszeitraum von der Kontrollgruppe unterscheiden. Interessante Darstellungen zur Entwicklung der Zufriedenheit der Angehörigen mit dem sozialen Netzwerk, Inanspruchnahme von Unterstützung, Abhängigkeit von Bildung, Vermögen auf Effekte des emotionalen Wohlbefindens und der Lebensqualität runden die Darstellung ab.
(6) Der Heimeintritt bei Demenz - ein unvermeidbares Schicksal? Psychologische, medizinische und soziale Prädikatoren der Entscheidung [20] (Ulrike Lemke & Sonja Perren)
Die Betreuungssituation bei Demenz wird dargestellt und anhand einiger internationaler und schweizerischer Studien über den Einfluss medizinischer, psychologischer, sozialer und ökonomischer Faktoren auf den Heimeintritt referiert. Im Anschluss werden Studienergebnisse der für den Heimeintritt bedeutsamen Prädikatoren dargestellt.
(7) Lebensqualität von pflegenden Angehörigen: Selektion von individuell bedeutsamen Lebensbereichen als Adaptionsprozess [12] (Sonja Perren & Tamara Gonzàlez & Pamela S. Munõz & Janice K. Spiess)
Auf dem Hintergrund theoretischer Konzepte (Baltes & Baltes/Carstensen) zu «Adaptionsprozessen im Alter in Bezug auf Lebensqualität’ geht die vorliegende Untersuchung der Frage nach, ob sich ein Selektionsprozess bei pflegenden Angehörigen beobachten lässt und sich Angehörigenschulung auf diesen Selektionsprozess auswirkt. Es werden vertiefende Analysen zur individuellen Lebensqualität gezeigt, welche die veränderte Bedeutsamkeit von Lebensbereichen der Angehörigen während des Beobachtungszeitraums aufzeigen.
(8) Der Austritt aus der Pflegerolle durch Heimeintritt oder Tod: Entlastung oder Belastung für die pflegenden Angehörigen? [18] (Sonja Perren & Mirjam Forster)
Der aktuelle Forschungsstand über die je nach Studie variierenden positiven sowie negativen Auswirkungen von Heimeintritt oder Tod auf das physische, psychische und soziale Wohlbefinden von pflegenden Angehörigen wird beschrieben sowie die Studienergebnisse zu den beiden bedeutsamen Lebensübergängen «Heimeintritt und Tod des Demenzerkrankten’ vorgestellt.
(9) Pflege von Angehörigen mit Demenz [12] (Markus König & Albert Wettstein)
Die Autoren stellen die Methode (Contingent Valuation Methode - im Umweltbereich entwickelt - Anwendung auch im Gesundheitsbereich) vor, mit der die in Geldeinheiten ausgedrückten Belastungen der pflegenden Angehörigen ermittelt wurden. Angehörige und Demenzkranke wurden befragt, welchen Anteil ihres Vermögens sie für jede der drei hypothetischen Behandlungen aufzuwenden bereit sind: Behandlung 1 führt zu einer vollständigen Heilung der demenzkranken Person - Behandlung 2 führt zur Stabilisierung der Krankheit und durch Behandlung 3 nimmt die Krankheit zwar weiter ihren Verlauf, aber sie ist mit keiner Belastung für den Angehörigen verbunden.
Hier einige interessante Werte: Die Angehörigen sowie die demenzerkrankte Person sind für die Behandlungen bereit, zwischen 14 % und 31 % ihres Vermögens auszugeben. Angehörige haben eine deutlich geringere Zahlungsbereitschaft zur Vermeidung ihrer zukünftigen Belastung aus der Pflege (18 % des Vermögens = 53.000 CHF), aber eine deutlich höhere Zahlungsbereitschaft zur Verbesserung der Gesundheit des Erkrankten (zu 1 = 31 % / zu 2 = 24 %). Die Demenzerkrankten sind bereit, 22 % ihres Vermögens für die hypothetische Behandlung aufzuwenden, die mit keiner Belastung für den Angehörigen verbunden ist. Angehörige sind bereit, rund 50 % mehr für die Stabilisierung oder Heilung der demenzerkrankten Person zu zahlen als der Betroffene selbst. Neben den totalen Kosten wurde auch die Zahlungsbereitschaft für eine kleine Reduktion der Belastung untersucht. Der geschaffene Wert, den die Angehörigen bereit sind, für eine Reduktion ihrer derzeit durchschnittlich mittleren Belastung um eine Stufe auf "gering" aufzuwenden, beträgt 2200 CHF. Für ein Entlastungsangebot, das diese Reduktion der Belastung erreicht, beträgt somit der damit geschaffene Wert für die Betreuenden im Durchschnitt 2200 CHF pro Jahr (ca. 1.420 Eur).
(10) Zusammenfassung der Studienergebnisse [6] (Albert Wettstein & Regula Schmid & Markus König & Sonja Perren)
Hier einige dargestellte Ergebnisse im Überblick:
- Die Wirksamkeit der Schulung auf die Verzögerung der Heimplatzierung konnte im Beobachtungszeitraum (3 Jahre) nicht nachgewiesen werden.
- Die Teilnahme der Angehörigen an der Schulung hat keinen signifikanten Effekt auf Mortalitätsrisiko, Gesundheit, Verhalten und kognitive Leistungen der Demenzerkrankten.
- Es konnten bei den Angehörigen der Schulungsgruppe positive Auswirkungen auf der psychosozialen Ebene, ein Aufrechterhalten des Wohlbefindens und allgemeinen Niveaus der Lebensqualität, aufgezeigt werden. Es werden Adaptionsprozesse wie Optimierung oder Kompensation, die eine vermehrte Entlastung bewirken, vermutet. Grundlage dieser Annahme ist das Ergebnis, dass sich Angehörigen der Interventionsgruppe aufgrund einer Empfehlung während der Schulung öfter als die der Kontrollgruppe von der Betreuung ablösen lassen.
- Die Schulung wirkte sich nicht auf Gesundheit, Pflegeaufwand und subjektive Belastung der Angehörigen der Interventionsgruppe aus. Sie zeigte keine signifikanten Effekte bezüglich Höhe und Verlauf der Gesundheitskosten der Angehörigen und Demenzkranken, d.h., sie ist nicht gesundheitskostenrelevant.
- Die sozio-ökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen waren trotz großer Anstrengungen durch die verschiedenen Rekrutierungskanäle in der Studienpopulation quantitativ untervertreten, d.h., Angehörigenschulungen sprechen nur eine Minderheit der Betroffenen besonders in der Gruppe der sozio-ökonomisch Benachteiligten an.
Würdigung
Studien zu Interventionseffekten, wie die vorliegende Länderstudie der deutschsprachigen Schweiz sowie die ebenfalls erwähnte Metaanalyse (Pinquart & Sörensen 2002), die sich mit der speziellen Situation der Betreuenden von Demenzkranken befassen, tragen dazu bei, dass Interventionskonzepte einer Effektivitätsprüfung bezüglich Inanspruchnahme und Wirksamkeit unterzogen werden. Grenzen und Möglichkeiten werden transparenter und nur so können rechtzeitig geeignete Maßnahmen zur Erhöhung von Nutzung und Wirksamkeit ergriffen werden.
Positiv ist die Darstellung der Grenzen von psychoedukativen Interventionen (wie bei Pinquart & Sörensen), die recht hohe Ansprüche vor allem an die Angehörigen von Demenzkranken in Bezug auf zeitliches und emotionales Engagement stellen und bei weitgehend festgelegtem Programm wenig Modifikation und Eingehen auf Einzelne bieten. Die Ergebnisse zeigen den Handlungsbedarf für weitere Forschungen mit ausreichend großen Stichproben über Langzeiteffekte, aber vor allem die Notwendigkeit, bestehende Angebote zu modifizieren sowie andere Wege zur Unterstützung für die Mehrheit der Angehörigen von Demenzkranken zu entwickeln, die mit Psychoedukation nicht angesprochen werden können. Die Autoren nennen zwar wichtige Aspekte für zukünftige Angebote, wie individuellere, langfristigere emotionale Begleitung und Unterstützung, reißen diese aber nur an.
Ergänzt werden müsste sicher noch der Aspekt der zugehenden Angebotsform.
Interessant wäre ein Ausblick gewesen, ob und welche ersten Auswirkungen die Ergebnisse auf die Angebote der an der Studie beteiligten Memory Kliniken haben werden.
Der Ansatz, den ökonomischen Nutzen aus den Entlastungsangeboten mit den Kosten zu vergleichen, trägt nicht nur den vor allem im Gesundheitsbereich geforderten wirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung, sondern ist aber auch für alle Verantwortlichen im Bereich der Demenzbetreuung ein interessanter Wert, der für die Reflexion der eigenen Angebote anregend und für strategische Neuausrichtungen hilfreich sein kann.
Vermisst wurde ein Resümee der Autoren auf die eingangs geschilderte Problematik der verweigerten Kostenübernahme durch die Krankenkassen.
Fazit
Umfangreiche, gut dargestellte und prägnant zusammengefasste Studienergebnisse, ergänzt durch den aktuellen Forschungsstand, machen dieses Buch für fachlich versierte Leser zu einem absolut empfehlenswerten Werk.
Rezension von
Anna Marita Bongartz
Pflegefachkraft
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