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Sandra Deistler: Praxisbuch kunsttherapeutische Biografiearbeit

Rezensiert von Svenja Rehse, 05.07.2023

Cover Sandra Deistler: Praxisbuch kunsttherapeutische Biografiearbeit ISBN 978-3-7799-7224-2

Sandra Deistler: Praxisbuch kunsttherapeutische Biografiearbeit. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. 140 Seiten. ISBN 978-3-7799-7224-2. D: 24,00 EUR, A: 24,70 EUR.

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 Thema

Das Praxisbuch Kunsttherapeutische Biografiearbeit von Sandra Deistler gibt in zwei Teilen 'Kunsttherapie und Biografiearbeit' sowie 'Kunsttherapeutische Biografiearbeit im Kontext' Informationen und Themenbeispiele für die praktische kunsttherapeutische Arbeit unter dem handlungsleitenden Thema Biografiearbeit. Gleichermaßen grenzt es sich durch den Fokus Biografiearbeit von weiteren psycho-therapeutischen Themen, methodischen Zugängen und Verfahren ab, wenngleich auch Biografiearbeit durchaus als heilsam und quasi-therapeutisch erlebt werden kann. Es fließen 25-jährige Berufserfahrungen aus psychosomatischen Kliniken und entsprechend vielen Fortbildungen der Autorin ein. Konkret nimmt sie jedoch ihre Ausbildung als Trainerin für Biografiearbeit zum Anlass, ihre Erfahrungen im Buch diesbezüglich zu bündeln und als eigenständige Richtung ihrer vielfältigen Arbeitsgebiete als Kunsttherapeutin auszuweisen. Viele Methoden und Ansätze aus ihrer Berufspraxis sowie Fortbildungen bezieht sie ein. Diese sind z.B. Methoden der Stressbewältigung und Emotionsregulation, verschiedenen verhaltenstherapeutische Modellen der dritten Welle wie Schematherapie, Akzeptanz- und Commitmenttherapie kombiniert mit kunsttherapeutischen Mitteln und Methoden sowie „Mindful SelfCompassion“, einen achtsamkeitsbasierten Ansatz nach C. Germer und K. Neff.

Diese bilden auch die Grundlagen ihrer angewandten Biografiearbeit und werden jeweils vorgestellt und kurz erläutert. Das Buch bietet viele praxisnahe Anregungen zum Thema und eine Fülle an Erfahrungswissen und lädt ein zum kreativen Experimentieren mit der eigenen Biografie oder Klienten, die sich mit ihrer eigenen Geschichte beschäftigen möchten. 

Autor:in oder Herausgeber:in

Sandra Deistler ist Diplom-Kunsttherapeutin (FH) Nürtingen, Trainerin für Biografiearbeit und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie arbeitet seit 2022 in eigener Praxis und bietet für regionale Kooperationspartner Workshops und Seminare an. Außerdem ist sie im Netzwerk LebensMutig e.V. engagiert. Sie hat langjährige klinische Erfahrungen und entsprechende Weiterbildungen zu den Themen Stressbewältigung und Emotionsregulation, verschiedenen verhaltenstherapeutische Modellen der dritten Welle wie Schematherapie, Akzeptanz- und Commitmenttherapie kombiniert mit kunsttherapeutischen Mitteln und Methoden sowie „Mindful SelfCompassion“, einen achtsamkeitsbasierten Ansatz nach C. Germer und K. Neff, absolviert und in ihre Arbeitsweise integriert. Sandra Deistler war vor ihrer Selbstständigkeit 20 Jahre Kunsttherapeutin in Kliniken für seelische Gesundheit. Ihre Homepage ist: https://www.atelierfuenf.de/.

Entstehungshintergrund

Nach langjähriger beruflicher Tätigkeit als Kunsttherapeutin (FH) Nürtingen und Heilpraktikerin in verschiedenen Kliniken für seelische Gesundheit und ihrer Ausbildung zur Trainerin für Biografiearbeit ist die ursprünglich gelernte Krankenschwester Sandra Deistler seit Frühjahr 2022 mit eigener Praxis, Atelier fünf, vertreten. Ihre Trainerausbildung Biografiearbeit hat den Fokus ihrer kunst-therapeutischer Arbeit neu ausgerichtet und sie zum Verfassen des Buches angeregt. Sie breitet mit dem vorliegenden Buch vielfältige Themen, Materialien und Methoden für kunsttherapeutische Biografiearbeit aus und zeigt auch einige methodische Aspekte auf der Seite der/des therapeutisch Begleitenden und deren/​dessen Rolle auf (z.B. Charmante Fragen, S. 127). Auch im Netzwerk LebensMutig e.V. ist Sandra Deistler vertreten.

Aufbau

Das „Praxisbuch Kunsttherapeutische Biografiearbeit“ von Sandra Deistler mit den Massen 22,7cm x 15,8 cmx 0,7cm ist ein mit seinem glänzenden, weißen Schutzumschlag und dem halbseitigen grafischen Coverbild aus grauem Untergrund mit grünen geschwungenen Wellen ein gewichtsmäßig leichtes Büchlein, das gut in die Tasche passt und auch unterwegs gut zu lesen ist. Es umfasst auf 132 Seiten die zwei Teile A 'Kunsttherapie und Biografiearbeit – Hintergrund und Bezugsrahmen' mit den drei Unterkapiteln Kunsttherapie, Biografiearbeit und Biografiearbeit im Rahmen einer Psychotherapie und jeweils weiteren Untergliederungen (S. 15–56) sowie B 'Kunsttherapeutische Biografiearbeit im Kontext' ohne weitere Untergliederungen (S. 57–128).

Das umfangreiche Vorwort (S. 7–10) zeigt den persönlichen und fachlichen Werdegang der Autorin, ihre beruflichen Akzente ihrer berufspraktischen Kunsttherapie in verschiedenen Kliniken für seelische Gesundheit und eine Auswahl wegweisender Fortbildungen. Teil A ist in drei Teile untergliedert: Teil A 'Kunsttherapie und Biografiearbeit' und hat die drei Schwerpunkte: Kunsttherapie mit fünf differenzierenden Unteraspekten, Biografiearbeit mit sieben kurzen Themenvertiefungen, davon eines im Kontext anthroposophischer Biografiearbeit und Biografiearbeit im Rahmen einer Psychotherapie mit zehn Unterkapiteln. Im ersten Unterkapitel A.1 Kunsttherapie geht es um eine Einordnung der Kunsttherapie und ihrer Wesensmerkmale, Nutzen, Sinn und Wirkungsweisen, Faktoren und den Transfer in eine Praxis der Biografiearbeit. Dies wird auf je einer Seite kompakt erläutert. Im zweiten Kapitel A.2 Biografiearbeit werden Rahmen und Themen von Biografie mit Metaphern und bildreichen Impulstexten dargestellt und in seiner Vielfalt skizziert. Das Kapitel: Wie funktioniert Erinnern? gibt einen kurzen Überblick und Eindruck über Gehirnstrukturen, Emotionenbildung, neuronale Netzwerke, Erinnern im Kontext von Raum und Zeit und zeigt anhand einiger Zeichnungen, wie sich Biografie im Gehirn gestaltet, manifestiert und Gedächtnis und Erinnerung entstehen. Im dritten Unterkapitel A.3 Biografiearbeit im Rahmen einer Psychotherapie werden z.B. die verschiedenen therapeutischen Verfahren wie Stress und Selbstfürsorge, Posttraumatische Belastungsstörung, Schematherapie, Akzeptanz- und Commitmenttherapie, aber auch Identität und Selbstwert, Biografiearbeit versus Therapie und Biografiearbeit und Bildende Kunst und verschiedene andere Therapieformate und -verfahren auf je 1–2 Seiten vorgestellt. Die Unterkapitel zu den drei Themenbereichen: Kunsttherapie, Biografiearbeit und Biografiearbeit im Rahmen einer Psychotherapie umfassen je eine bis maximal drei Seiten.

Teil B 'Kunsttherapeutische Biografiearbeit im Kontext' ist nicht untergliedert. Er umfasst mit den Unterkapiteln B1-B14 je eine kreativtherapeutische Methode bzw. ein Oberthema zur praktischen Anwendung, das im Umfang von einer bis zu zehn Seiten unterschiedlich stark vertieft wird. Solche Themen sind z.B. Gute Orte (B3/S. 63), Atmen (B3/S. 70), Kreativminiaturen (B5/S. 80), Auf dem Weg sein – Reisen auf dem Papier (BB11/S. 105) und Einen Garten gestalten (B12/S. 117), aber auch Umgang mit Emotionen (B6/S. 89), Bedürfnisse (B7/S. 92), Werte (B8/S. 93). Am Ende des Buches folgt eine umfangreiche persönliche Danksagung mit Foto der Autorin (S. 129) und eine knapp über zwei Seiten umfassendes Literaturverzeichnis sowie verwendete Internetquellen (S. 130–132).

Inhalt

Das „Praxisbuch Kunsttherapeutische Biografiearbeit“ von Sandra Deistler bietet zwei Schwerpunktteile: 'Kunsttherapie und Biografiearbeit – Hintergrund und Bezugsrahmen' mit Informationen zu 'Grundlagen der Kunsttherapie', der 'Biografiearbeit' und der 'Biografiearbeit im Rahmen einer Psychotherapie' (Teil A) und konkrete Ansatzpunkte, Themen- und Anwendungsbeispiele sowie Impulse zu Rahmen und Setting zur praktischen Gestaltung im Kapitel 'Kunsttherapeutische Biografiearbeit im Kontext' (Teil B).

Im ersten Teil werden grundlegende Informationen angeboten. Es findet in A.1 eine kurze Einführung und Auseinandersetzung mit den Themen Kunsttherapie als Disziplin, Spielen, Joint Visual Attention, Wandeln statt Wegmachen, Wortbilder und Symbolkraft statt. Hier wird ein grundlegender Einblick in Sandra Deistlers Verständnis, den Ansatz und ihren fachlichen Einstieg in Kunsttherapeutische Biografiearbeit gegeben. Einen Eindruck gibt sie auch über das Atelier und seine ideale, vielfältige und auch üppige Ausstattung mit Materialien aller Art und der Möglichkeit, so viel zu benutzen wie gewünscht.

In A.2 Biografiearbeit geht es um Themen, die Biografiearbeit umfassen und die anschauliche Herleitung, wie und was Biografiearbeit meint. Es werden von Szenarien entwickelt mit den Themen: Das Leben schreibt Geschichten, Das Leben ist ein Geschenk, Das Leben zeichnet, Lebenswert-e, Der Rote Faden. Außerdem beinhaltet dieses Kapitel den Exkurs: Anthroposophische Biografiearbeit und Wie funktioniert Erinnern.

Im dritten Kapitel A.3 Kunsttherapeutische Biografiearbeit im Rahmen einer Psychotherapie wird die Grundlage des kunsttherapeutischen Ansatzes aus den ihr zugrunde liegenden zwei Richtungen Psychotherapie und Kunst hergeleitet um daraufhin mit konkreten Störungsbildern und therapeutischen Methoden konkretisiert, verbunden und vertieft zu werden. Es werden zunächst kurze theoretische Impulse verschiedener psychotherapeutischer Methoden eingebracht. Diese sind: Stress und ein wirksames Mittel – Selbstfürsorge, hier wird unter anderem die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) erläutert, Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) mit Definition und Narrativer Expositionstherapie (NET), Schematherapie und Akzeptanz- und Commitmenttherapie – ACT (A.31-A.3.4).

Auch die anschließende Auseinandersetzung mit Themen wie Identität und Selbstwert, Biografiearbeit versus Therapie, Lohnenswerte Therapieziele setzen (A3.5 – A.3.7) werden aus der psychotherapeutischen Sicht dargestellt und eingeführt. Diese Kapitel werden mit eingestreuten und grafisch hervorgehobenen therapeutischen Szenarios und Fragen veranschaulicht, z.B. 'Woran erkennst du Stress? Wie reagiert dein Körper (…)? Wie reagiert deine Seele (…)? Verändert sich dein Verhalten in stressigen Situationen (…)? Oder: 'Ich habe Gedanken. – Ich bin nicht meine Gedanken. – Ich bin viel mehr.' Kunst als der der Kunsttherapie zugrundeliegende Bereich wird eingeführt und durch die Kapitel: Biografie und Bildende Kunst, Ego Documents mit 'Kolonie Rosental von Angelika Müller als Beispiel autobiografischer Gegenwartskunst' und Ausgewählte Methoden der Bildenden Kunst mit den drei Beispielen Künstlerbücher, Zine-Art und Wortkunst konkret unterlegt (A.4-A.4.2).

Kapitel B widmet sich in der Einführung einigen kunsttherapeutischen Zugängen in der Biografiearbeit und insbesondere der kunsttherapeutisch-biografischen Psychotherapie. Die Schnittstelle Kreativität wird beleuchtet und ihre Auswirkungen auf die persönliche Lebensgestaltungskompetenz z.B. durch Wahrnehmen und Annehmen eigener Geschichte, werden in ihrer Bedeutung aufgezeigt. Weiter werden die Gemeinsamkeiten von Kunsttherapie und Biografiearbeit dargestellt. Ressourcen, Emotionen, Werte und Ziele werden im Lebenskontext angeschaut, Metaphern und eingängige Bilder als Beispiele für einen Transfer eingebracht. Sandra Deistler ist überzeugt „Kunsttherapeutische Biografiearbeit öffne Tore und Türen um in Kontakt und in den inneren Dialog mit uns selbst zu kommen.“ (S. 57). Die im Anschluss folgenden Gestaltungsideen für kunsttherapeutische Biografiearbeit sind als Themen und Elemente einer Therapiestunde gedacht, praktisch verbunden mit oder eingebunden in eine Geschichte oder mit einer einleitenden Atemübung. Handlungsleitend sind die drei Bereiche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, diese stellen den Bezugsrahmen ressourcen- und lösungsorientierter Therapie.

B.1 (Druckfehler: im Buch ist es B.2) startet mit Weisheitsgeschichten – Lieblingsgeschichten, hier wird der Schwerpunkt auf Märchen gelegt, die in einem persönlichen Prozess neu geschrieben und inszeniert werden können. HeldIn sein und die Themen und Abenteuer im Lebensverlauf bilden das Oberthema und den roten Faden, KlientIn inszenieren und verändern die Geschichte nach eigenen Meilensteinen und Mustern neu und reflektieren die Entwicklung ihres Selbst im Verlauf und aufgrund des erlebten Perspektivwechsels und der Distanz. Hier findet eine Ausweitung vom malerisch-gestalterischen Arbeiten u.a. auch auf das Schreiben statt. Monster im Weg und die Geschichte von der Buddha-Statue ergänzen dieses Kapitel.

Gute Orte (B.2) wird ergänzt durch die Beispiele Ankern und Art Journaling, methodisch werden diese Gestaltungsthemen durch zwei Techniken: Eine einfache Bindung und Herstellung eines Zines ergänzt. Diese werden durch anleitende Zeichnungen und gekennzeichnete Texteinschübe einfach und anschaulich dargestellt. Auch das Calm-Down-Glas und die eingeschobene Arbeitsanleitung gehören zu diesem Kapitel.

B.3 Atmen (Druckfehler, im Buch ist es B.2) werden Überblick und Übungsanleitung auch anhand einer Spirale gegeben um den Atem regelmäßig und konzentriert fließen zu lassen. Mögliche Begleittexte als Anleitung zur Atemübung oder Atemmeditation und eine Zeichnung dazu sind wiederum eingeschoben und gekennzeichnet.

B.4 wechselt das Medium zu Wortschätzchen und Schreibminiaturen. Bausteine und Gestaltungsimpulse dieses Kapitels sind: Das Leben als Buch, Wortgeschenke, Ein Manifest schreiben und die Methodische Schreibsammlung: Akrostichon, ABCDarium, Elfchen Rondell und Schneeball sowie 10 random facts about me sind die Themenbeispiele und wechseln sich mit kurzen Anleitungen zur genauen Anwendung in der Biografie-/​Therapiestunde ab.

Kapitel B.5 betitelt Kreativminiaturen versammelt ebenfalls mehrere Ideen. Diese sind als Thema und mit Beispielen zur genauen Anleitung auch vielfältig und abwechslungsreich mit Listen und weiterführenden Stichwortimpulsen unterlegt. Die Aufgabe: Das bin ich versammelt Selbstporträts unter den Kategorien: Wenn du ein(e) … wärst, wärst du…

das Tier…

die Farbe…

dieses Nahrungsmittel…

dieses Getränk…

die Pflanze…

das Lied…

der Planet/die Insel… und

…ich wünsche mir für mich… (S. 81)

Weiter geht es mit dem Thema Glück, betitelt: Schneeglückchen und Kroküsse. Dies baut auf einer Definition des Glücks und seinen fünf Arten nach Dr. med. E. von Hirschhausen auf.

Schmetterlingsgedanken des Alltags beinhaltet auch eine Bastelanleitung. Es folgen: Fünf Fragen, das Kastanienwunder, Steine, Gaben, Vom Kopf bis zu den Füssen, Sinnvoll-Zine, Eine Lebenskette gestalten, bieten mit Themen, Anleitungen, Assoziationen und Ergänzungen sowie einigen Schwarz-Weiß-Produktfotos eine Vielzahl an konkreten Anregungen mit kurzer aber genauer Anleitung zur Umsetzung

B.6 Umgang mit Emotionen, B7 Bedürfnisse und B.8 Werte geben einen kurzen Eindruck über die jeweilige Thematik und Bedeutung für die kunsttherapeutische Biografiearbeit, den jeweiligen Sinn, Zweck und Transfer. Auch diese Kapitel sind mit ergänzenden oder anleitenden Einschüben, Assoziationen, Anregungen, Zitaten und Tipps durchmischt, die Erklärungen, Denkanstöße und Impulse geben und die Themen auf unterschiedliche Art ergänzen. Das Kapitel Werte wird durch Gestaltungsangebote Ikigai (japanisch: Lebenssinn), Freude, Freude-Bücher mit kunsttherapeutischen Biografiearbeits-Aufgaben ergänzt.

Das Kapitel B.9: Dem gesunden Erwachsenen und dem glücklichen Kind die volle Aufmerksamkeit schenken behandelt ein ideales Therapiethema und gleichermaßen Therapieziel, es behandelt die Integration des Erwachsenen- und des Kind-Ichs durch das kreative, spielerische Tun in Therapie und den Transfer in den Alltag. Auch hier finden ergänzende Einschübe ihren Weg und anregende Fragen bieten die Möglichkeit, dieses – wie auch alle anderen Themen zu vertiefen. Bestandsaufnahme im Hier und Jetzt ist noch eine konkrete Anleitung des Kapitels B.9, zwei Schwarzweiß-Fotos mit Beispiel-Collagen kunsttherapeutischer KollegInnen runden dieses Thema ab. Das Leben in Farben leben (B.10) gibt Impulse zur Gestaltung mit und Definition und Wirkung von Farben. Auch gibt es in diesem Beispiel die Möglichkeiten der Zuordnung und der biografischen Reflexion von Farben unter bestimmten Gesichtspunkten und Kriterien, z.B. das eigene Farbenrad gestalten.

B.11 Auf dem Weg sein – Reisen auf dem Papier, birgt wieder eine Mehrzahl von weiterführenden Themen wie Verkehrsregeln und Wetterbericht, Die Heldin/Der Held, Behausungen, Fortbewegungsmittel, Tankstellen anfahren, der Notfallkoffer, Landkarten, Tierbegleiter Freunde. Hier werden sehr viele Bilder und Metaphern gegeben, die jeweils mit weiteren Assoziationen und Umsetzungen teils auch bildlich durch Skizzen, Fragenimpulse und Anleitungen für die Anleitung sowie zum Basteln konkretisiert werden.

Einen Garten gestalten mit Farbe, Stift und Pinsel (B.12) und die Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft mit je eigenen Kreismodellen und Zuordnungen sowie die Übung Lotosblume, bilden den Abschluss der kreativen Übungen, auch hier werden über mehrere Seiten vertiefende Erklärungen und Einschübe gegeben. Charmante Fragen (B.13) und Reduktion auf das Wesentliche (B.14) runden Sandra Deistlers Ansatz und ihr Fachwissen und Verständnis Kunsttherapeutischer Biografiearbeit ab. Diese je einseitigen Texte fokussieren noch einmal den Auftrag, Sinn wie auch die fachlich-therapeutische Professionalität und Haltung in kunsttherapeutischer Biografiearbeit. Sie vertiefen diese nicht, geben jedoch einen generellen Ausblick und den Impuls, die persönliche Biografie und die Kreativität im Lebensalltag nicht zu vernachlässigen.

Diskussion

Die Autorin Sandra Deistler gibt auf den 132 Seiten im Praxisbuch kunsttherapeutische Biografiearbeit in den zwei Teilen einen umfangreichen Einblick in kunsttherapeutisches biografisches Arbeiten. Sie gibt einen theoretischen Bezugsrahmen, der von verschiedenen therapeutischen Zugängen gespeist wird. Sandra Deistler hält durchgängig den Fokus auf die Praxisanwendung kunsttherapeutischer Biografiearbeit. Ihre theoretischen Einführungen sind kompakt zusammengefasst. Sie beruhen auf ihrem Kunsttherapiestudium in Nürtingen, zahlreichen Fortbildungen und fachlichen Hintergrundinformationen z.B. aus Bezugswissenschaften wie Neurobiologie, Anatomie und Medizin. Diese stützen ihren kunsttherapeutischen Ansatz und bieten methodische Ansatzpunkte für Vertiefungen. Die jeweiligen Themen und Methoden sind im Buch nur angerissen, bieten BerufspraktikerInnen jedoch genug Inhalt und laden darüber hinaus zur persönlich-fachlichen Vertiefung ein, sollte man damit arbeiten wollen.

Der zweite Teil B gibt eine Fülle an Bildern und Metaphern als Themenaufgaben für die praktische Biografiearbeit. Sandra Deistler bietet eingängige Beispiele (Märchen, gute Orte mit entsprechenden Unterthemen, Atmen, das Leben in Farben leben und auch Themen wie Umgang mit Emotionen, Bedürfnisse und letztlich Querverweise und Impulse aus der Kunst). Diese sind für jeden Menschen und als Impulse für kreativ-gestalterische Reflexionen möglich, interessant und erkenntnisreich. Hier sind sie jedoch auf den therapeutischen Einsatz ausgerichtet sind. Diese AdressatInnen des Buches sind nicht eindeutig erkennbar. Weggelassen wurden konkrete Verweise, konkrete Impulse bei verschiedenen Störungsbildern, wenngleich einige Krankheitsbilder dargestellt werden (z.B. PTBS). Auf Patientenbeispiele/​deren Therapiewerke wurde bewusst und begründet verzichtet. Dadurch fällt der therapeutische Anwendungskontext etwas unter den Tisch – die Themen und Methoden geben Raum und Freiheit, sich diesbezüglich zu positionieren.

Die Fülle der Themen ist üppig und facettenreich aber tendenziell überfordernd. Die Beispiele sind zusätzlich unterfüttert durch eingestreute Zitate, Impulse, Fragen und Denkanstöße, die Themen immer weiter erweitern – wie kunsttherapeutische Biografiearbeit ein offenes Feld ist. So werden den LeserInnen die Texte im Teil B aus der Philosophie, Pädagogik, Kunsttherapie inspirierend aber auch ergebnisoffen dargeboten. Die Verfasserin öffnet die Kiste ihres reichen und bunten Erfahrungsschatzes. Vertiefende Auseinandersetzung und den tatsächlichen Transfer muss die therapeutisch arbeitende Person selber leisten. Der Spannnungsbogen Teil A zu Teil B ist vorhanden und die Fülle der aufgezeigten thematischen Möglichkeiten biografischer kunsttherapeutischer Arbeit bietet dazu Praxisbeispiele mit teilweise sehr genauen Anleitungen. Assoziative Wortkunst, bildreiche Sprache, Geschichten, auch Philosophie, Psychologie, Kunstkontext sind eine Fundgrube um sich daran zu bedienen. Die Rolle und Verantwortung des/r TherapeutIn, Risiken und Grenzen der kunsttherapeutischen Biografiearbeit und die konkreten Ansatz- und Umsetzungsmöglichkeiten (private Praxis? Kliniken? Einzel und Gruppenarbeit etc.) werden von der Verfasserin nicht bedient.

Fazit

Das „Praxisbuch Kunsttherapeutische Biografiearbeit“ von Sandra Deistler bietet eine Fülle an thematischen Anregungen und Metaphern für die Biografiearbeit mit künstlerischen Mitteln und Methoden. Es öffnet sich durch eine Fülle eingestreuter Zitate, Impulse und Assoziationen zu Nachbardisziplinen und erweitert Kunsttherapie z.B. auch auf Schreiben, Wortkunst und Theater. Die theoretischen Grundlagen sind ausreichend skizziert, als Praxisbuch ist es eine wertvolle Unterstützung kunsttherapeutischer Biografiearbeit im Kontext. Konkrete Verweise auf den Einsatz der Themen bei und mit Klienten, eine Vertiefung möglicher Krankheitsbilder oder beispielhafte Abläufe von Therapiestunden sind in diesem Buch nicht enthalten.

Rezension von
Svenja Rehse
M.A., Dozentin Pädagogik (Fach-/Hochschulen) und Kunsttherapie
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Es gibt 12 Rezensionen von Svenja Rehse.

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Zitiervorschlag
Svenja Rehse. Rezension vom 05.07.2023 zu: Sandra Deistler: Praxisbuch kunsttherapeutische Biografiearbeit. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. ISBN 978-3-7799-7224-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30401.php, Datum des Zugriffs 13.09.2024.


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