Gertrud Siller: Supervision
Rezensiert von Prof. Dr. Tim Middendorf, 24.03.2023

Gertrud Siller: Supervision. Eine grundlegende Einführung.
Verlag W. Kohlhammer
(Stuttgart) 2022.
131 Seiten.
ISBN 978-3-17-037266-5.
26,00 EUR.
Reihe: Kohlhammer Urban Taschenbücher.
Thema
Das Werk „Supervision. Eine grundlegende Einführung“ von Prof. Dr. Gertrud Siller stellt zentrale Basiselemente von Supervision in den Mittelpunkt, die sowohl deren Professionalität als auch ihre spezifische Eigenlogik kennzeichnen. Somit unternimmt die Autorin den erfolgreichen Versuch, nicht der Vielzahl an Überblickswerken ein weiteres Buch hinzuzufügen, sondern stattdessen einem spezifischen und neuen Zugang zur Supervision – in ihrer Kennzeichnung als professionalisiertes Beratungsformat – zu folgen. Auf diese Weise nimmt sie Studierende und Auszubildende der Supervision sowie Lehrende und Forschende als Zielgruppe in den Blick.
Autor:in oder Herausgeber:in
Prof. Dr. Gertrud Siller ist seit 2010 Professorin für Bildung und Beratung in sozialen Arbeitsfeldern an der Fachhochschule Bielefeld. Sie ist zudem als Supervisorin (DGSv) und Lehrsupervisorin tätig und beschäftigt sich im Schwerpunkt mit den Themen Bildung und Beratung sowie deren Schnittstellen zur Sozialen Arbeit.
Aufbau
Das Buch „Supervision. Eine grundlegende Einführung“ von Prof. Dr. Gertrud Siller ist in sieben Kapitel und ein abschließendes Literaturverzeichnis unterteilt.
Zu Beginn ist eine Einführung zu lesen, die einen ansprechenden Überblick über den Aufbau der Veröffentlichung bietet. Als sehr hilfreich ist in der Einleitung hervorzuheben, dass Prof. Dr. Getrud Siller für die einzelnen Zielgruppen Kapitel benennt, die von besonderem Interesse für die Lesenden sein könnten.
Das zweite Kapitel Der „supervisorische Blick“, sein Gegenstand und seine methodologischen Grundlagen führt in den Gegenstand von Supervision und seine methodologischen Grundlagen ein. Die Autorin grenzt Supervision wissenschaftlich fundiert von weiteren beruflichen Beratungsformaten ab und geht in weiteren Unterkapiteln auf ihre methodologischen Grundlagen Mehrperspektivität (Kap. 2.1), dialogische Grundhaltung (Kap. 2.2) und den rekonstruktiven Gegenstandsbezug (Kap. 2.3) ein.
Im dritten Kapitel Historische und aktuelle Entwicklungslinien der Supervision und ihrer Anwendungsfelder beleuchtet Prof. Dr. Getrud Siller in drei Unterkapiteln die historische Entwicklung und Professionalisierung von Supervision sowie aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen. Sie transportiert durch die Darstellung ein klares Verständnis der vergleichsweise jungen supervisorischen Tradition und schafft Verknüpfungen zu aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen (an dieser Stelle sei exemplarisch die Corona-Pandemie erwähnt).
Das vierte Kapitel Kennzeichen der Professionalität supervisorischen Handelns ist mit einem Umfang von 29 Seiten das quantitativ Umfangreichste im Buch. Die Autorin fokussiert im ersten Teil Strukturlogiken sowohl professioneller (Handlungs-)Praxis als auch professioneller Supervisionspraxis. Auf diese Weise relationiert sie den zentralen Gegenstand supervisorischer Praxis mit ihrer eigenen handlungsdeterminierenden Strukturlogik. Im zweiten Teil werden typische supervisionsinhärente Phänomene (Aufgaben- und Prozessorientierung; Triadisches Vorgehen; Parteilichkeit und Allparteilichkeit in der Supervisionsbeziehung) diskursiv und durch Anreicherungen von Praxisbeispielen und Zusammenfassungen in den Blick genommen.
Im fünften Kapitel Grundformen der Supervision thematisiert Prof. Dr. Getrud Siller verschiedene Supervisionsformate inklusive ihrer Spezifika. Das Kapitel verschafft den Lesenden einen Überblick über mögliche Supervisionskontexte, um die Vielfältigkeit supervisorischer Arbeit konkreter zu greifen.
Das sechste Kapitel Prozessstruktur der Supervision bringt den Lesenden einen zeitlichen Verlauf von Supervisionsprozessen näher. Beginnend mit einer Akquise und der anschließenden Kontraktphase nimmt die Autorin anschließend Bezug auf den Ablauf von Supervisionsprozessen bis hin zur Abschlussphase.
Das siebte Kapitel Fallbeispiel einer Teamsupervision stellt eine Besonderheit des Werks dar. Obwohl die einzelnen Darstellungen im Buch oft durch anschauliche und gut verständliche Fallbeispiele aus der supervisorischen Praxis angereichert wurden, nimmt die Autorin sich zum Abschluss noch Zeit für eine ausgiebige Fallbeschreibung. Auf diese Weise bündelt sie zentrale Erkenntnisse aus den vorherigen Kapiteln durch eine Theorie-Praxis-Relationierung und fasst zudem ihre Erkenntnisse aus der Fallbearbeitung nochmals diskursiv und selbstreflexiv zusammen.
Das Buch endet mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis, das für Interessierte noch weitere spannende Werke impliziert.
Inhalt
„In dieser Einführung werden zentrale Basiselemente der Supervision vorgestellt, die ihre Professionalität markieren und die in ihre Handlungsansätze durchgängig Eingang gefunden haben. Damit wird der Versuch unternommen, ihre spezifische Eigenlogik sichtbar zu machen, die sie als professionalisiertes Beratungsformat begründet“ (Siller 2022, S. 7).
Mit diesem Zitat aus der Einleitung rahmt Prof. Dr. Gertrud Siller den Inhalt des hier rezensierten Buchs. Sie widmet sich zunächst übergeordneten Kennzeichen von Supervision und ihren methodologischen Grundlagen. Sie schafft diesbezüglich sowohl praxeologische als auch handlungstheoretische Bezüge und konstruiert durchgängig Verknüpfungspunkte zur konkreten supervisorischen Praxis. Dabei geht sie auf Grundlagen supervisorischer Beziehungsarbeit ein und stellt wie versprochen die Basiselemente von Supervision theoretisch und praxisnah dar.
Die Darstellung der historischen Entwicklung von Supervision seit Ende des 19. Jahrhunderts in England und den USA sowie der Besonderheiten der Supervisionsentwicklung in Deutschland schafft einen Kontext, aus dem heraus die Autorin emanzipatorische und gesellschaftskritische Entwicklungslinien von Supervision skizziert und zudem ihren Professionalisierungsweg nachzeichnet. Sie beendet dies in der heutigen Zeit mit einer Relationierung von aktuellen Herausforderungen von Supervision und der derzeitigen Arbeitswelt.
Kennzeichen der Professionalität supervisorischen Handelns beinhalten sowohl persönlich-biografische Anteile der Supervidierenden als auch die Wahrung zentraler Handlungskennzeichen im Vollzug der supervisorischen Praxis. Prof. Dr. Gertrud Siller bringt beispielsweise die individuellen Anteile eines professionellen Habitus mit Wissen und Können einzelner Zusammenhänge in Verbindung, um anschließend schon fast Handlungsmaxime für professionalisiertes Handeln im supervisorischen Prozess zu entwickeln. Sie durchleuchtet demnach die Verwobenheit von personalen Anteilen der Beteiligten und dem gemeinsamen Herstellungsprozess supervisorischer Praxis.
Überblicksartig erläutert sie im Anschluss verschiedene Supervisionskontexte wie Team-, Gruppen und Einzelsupervision mit ihren Eigenarten und Unterformen. Es werden zudem klassische Supervisionsprozesse im zeitlichen Ablauf dargestellt: All dies geschieht selbstreflexiv zur Orientierung der Lesenden und nicht zur Darstellung eines „richtigen“ Weges.
Die Falldarstellung am Ende des Werks beinhaltet einen Verlauf einer Teamsupervision von der ersten Kontaktanfrage bis zur Auswertungssitzung am Ende des Prozesses.
Durchgängig sind im Buch verschiedene visuelle Markierungen zu finden, die unterschiedliche Botschaften transportieren: Kästen für die prägnante Darstellung von Begrifflichkeiten oder Themenfeldern, dunkelgrau hinterlegte Zusammenfassungen von beschriebenen Inhalten und mit grauen Balken versehene Fallbeispiele zur praxisnahen Verankerung der theoretischen Inhalte.
Diskussion
Die Autorin ist mit dem anspruchsvollen Ziel gestartet, eine grundlegende Einführung in den Bereich der Supervision zu geben. Sie hat das Ziel mit dem vorliegenden Buch nicht nur erreicht, sondern weit übertroffen. Prof. Dr. Gertrud Siller schafft es mit einer fast schon spielerisch anmutenden Leichtigkeit, die grundlegenden Themen und Theoriekonstrukte von Supervision darzulegen und stetig neue Querverbindungen zu ziehen. Dabei wirkt das Werk nicht überfrachtet oder zu verdichtet, sondern ganz im Gegenteil: Es besticht durch eine Zugänglichkeit, die das Lesen trotz komplexer Themenfelder leicht erscheinen lässt. Das liegt einerseits am Schreibstil und andererseits an der hervorragend nachvollziehbaren Struktur. Der logische Aufbau und die Übergänge zwischen den Themen, gepaart mit einer hohen Praxisnähe und -relevanz schaffen ein Lesevergnügen, das in theoretischen Werken in dieser Form selten auftritt.
Als eine Besonderheit ist die schon benannte visuelle Vielfalt im Buch herauszustellen, denn die verschiedenen, direkt ins Auge stechenden Informationskanäle innerhalb des Werks verknüpfen die fachlichen Informationen einerseits anschaulich, und andererseits ermöglichen sie je nach Interesse ein Querlesen des Werks. Auf diese Weise werden verschiedene Lesendengruppen (Studierende, Lehrende, Interessierte, Wissenschaftler*innen uvm.) angesprochen.
Fazit
Das vorliegende Buch schafft eine herausragende Einführung in das Feld der Supervision mit all seinen grundlegenden Kennzeichen. Somit ist es für alle Menschen empfehlenswert, die sich sowohl grundlegend als auch vertiefend mit Supervision auseinandersetzen möchten.
Rezension von
Prof. Dr. Tim Middendorf
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Zitiervorschlag
Tim Middendorf. Rezension vom 24.03.2023 zu:
Gertrud Siller: Supervision. Eine grundlegende Einführung. Verlag W. Kohlhammer
(Stuttgart) 2022.
ISBN 978-3-17-037266-5.
Reihe: Kohlhammer Urban Taschenbücher.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30404.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.
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