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Sabine Knickrehm, Olaf Rademacker (Hrsg.): Sozialgesetzbuch XIV - soziale Entschädigung

Rezensiert von Prof. Dr. Gerhard Igl, 19.06.2023

Cover Sabine Knickrehm, Olaf Rademacker (Hrsg.): Sozialgesetzbuch XIV - soziale Entschädigung ISBN 978-3-8487-3912-7

Sabine Knickrehm, Olaf Rademacker (Hrsg.): Sozialgesetzbuch XIV - soziale Entschädigung. Lehr- und Praxiskommentar. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2022. 1365 Seiten. ISBN 978-3-8487-3912-7. 120,00 EUR.
Reihe: Nomos Kommentar.

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Thema

Das Werk befasst sich mit dem am 19. Dezember 2019 verkündeten Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (verkündet im Bundesgesetzblatt 2019 I, S. 2652). Dieses Gesetz enthält in seinem Artikel 1 ein weiteres Buch des Sozialgesetzbuchs: Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch – Soziales Entschädigungsrecht – (SGB XIV). Das SGB XIV tritt mit dem Großteil seiner Vorschriften am 1. Januar 2024 in Kraft. Die zentralen Regelungen zu den Traumaambulanzen sind schon am 1.1.2021 in Kraft getreten. Schon bisher galten die Materien des Sozialen Entschädigungsrechts als besonderer Teil des Sozialgesetzbuches (siehe die in § 68 Nr. 7 SGB I aufgeführten Gesetze) Die Nummerierung dieses Buches des SGB mit SGB XIV mag etwas erstaunen, denn nach der bisherigen Nummerierung der Bücher des SGB, zuletzt SGB XII – Sozialhilfe – wäre die Nummerierung mit SGB XIII an der Reihe gewesen, wie auch der Referentenentwurf noch betitelt war. Offensichtlich wollte man aber dann ein Regelungswerk, das mit Gesundheitsschäden zu tun hat, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft einsteht (siehe § 5 SGB I), nicht mit einer Zahl versehen, die gemeinhin mit Unglück in Zusammenhang gebracht wird. Allerdings sagen weder die Gesetzesbegründung (Deutscher Bundestag, Drucksache 19/13824) noch das hier zu besprechende Werk dazu etwas aus.

Herausgeber:innen und Autor:innen

Die Herausgeber:innen dieses Werkes sind Sabine Knickrehm, Vorsitzende Richterin am Bundessozialgericht, und Olaf Rademacker, Richter am Bundessozialgericht. Beide fungieren auch als Mitautor:innen neben Dirk H. Dau, Richter am Bundessozialgericht a.D.; Renate Christine Kruse, Regierungsdirektorin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Dr. Anders Leopold, Richter am Landessozialgericht Hamburg, Tatjana Lilienfeld, Vorsitzende Richterin am Bayerischen Landessozialgericht, Dr. Miriam Meßling, ehemals Vizepräsidentin des Bundessozialgerichts, seit April 2023 Richterin des Bundesverfassungsgerichts, Dr. Tobias Mushoff, Richter am Landessozialgericht Nordrhein-Westfallen, Prof. Dr. Katja Nebe Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Olaf Rademacker, Richter am Bundessozialgericht, Stefanie Vogel, Richterin am Hessischen Landessozialgericht, Prof. Dr. Ursula Waßer, Richterin am Bundessozialgericht, und Dr. Christian Weber, Referatsleiter am Landesversorgungsamt beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt.

Entstehungshintergrund

Das Soziale Entschädigungsrecht steht – anders als etwa das Krankenversicherungsrecht (SGB V) oder das Pflegeversicherungsrecht (SGB XI) – in der öffentlichen Wahrnehmung derjenigen Rechtsmaterien, die mit Gesundheit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu tun haben, eher im Hintergrund. Bisher fanden sich die Vorschriften zum Sozialen Entschädigungsrecht in verschiedenen Gesetzen, so zentral im Bundesversorgungsgesetz (BVG), im Opferentschädigungsgesetz (OEG) und im Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie in weiteren Gesetzen für verschiedene Personengruppen (siehe die Aufzählung in § 68 Nr. 7 SGB I). Mit dem SGB XIV sind diese Materien in einem Buch des Sozialgesetzbuches zusammengefasst worden. Die Bedeutung des Sozialen Entschädigungsrechts wurde angesichts verschiedener jüngerer Ereignisse (Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, Amoklauf in München, Angriff auf die Synagoge in Halle) wieder hervorgehoben. Damit ist leidvoll deutlich geworden, dass sich das Soziale Entschädigungsrecht von seiner ursprünglichen zentralen Funktion der Entschädigung von Kriegsopfern hingewendet hat zur Entschädigung von Gewalttaten. Aber auch die anderen Entschädigungsbereiche, so die Opfer im Zusammenhang mit Infektionen (§ 56 IfSG) oder bei Impfschäden (§ 60 IfSG) sind in jüngster Zeit in ihrer Relevanz mittlerweile auch öffentlich breiter wahrgenommen geworden.

Das Soziale Entschädigungsrecht ist aber nicht nur wegen dieser aktuellen Anlässe, sondern schon längere Zeit vorher, ordnungs- und renovierungsbedürftig geworden. Das bisherige Recht war an vielen Stellen nicht mehr zeitgemäß. Aus diesem Grund finden sich im SGB XIV jetzt Leistungen zur Schnellen Hilfe bei Traumata (§§ 29 bis 40 SGB XIV). Im Rahmen der Opferentschädigung ging es vor allem um die Einbeziehung psychischer Gewalt als Schädigungstatbestand. Insgesamt war eine stärkere Anpassung der Leistungen an die Sozialversicherungsleistungen des SGB V, SGB VII und SGB XI notwendig. Hinzu kommt, dass die Zusammenführung in einem Buch des Sozialgesetzbuchs auch der Ordnung der Rechtsmaterie und damit der besseren Handhabbarkeit des Rechts in der Verwaltungspraxis dient. Die Entschädigungstatbestände des SGB XIV sind die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, erlitten durch eine Gewalttat, durch Kriegsauswirkungen beider Weltkriege, durch Ereignisse im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes und durch Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe.

Aufbau und Inhalt

Das Werk folgt in Aufbau und Inhalt der traditionellen juristischen Kommentierung von Einzelvorschriften. Angesichts der besonderen Rechtsentwicklung im Sozialen Entschädigungsrecht ergibt sich jedoch eine sonst nicht übliche Kommentierungssituation, die, wie die Herausgeber:innen im Vorwort betonen, ganz neue Herausforderungen mit sich bringt. Zentrum des bisherigen Sozialen Entschädigungsrechts ist das Bundesversorgungsgesetz (BVG), auf sich die anderen Entschädigungsgesetze, so das Opferentschädigungsgesetz oder die Entschädigung für Impfschäden bezogen. Das BVG wird ab dem 1.1.2024 abgelöst und gilt nur noch für einen kleinen Kreis Leistungsberechtigter weiter. Zahlreiche auf Grundlage des BVG entwickelte Grundsätze und die Rechtsprechung hierzu müssen auch für entsprechenden Neuregelungen im SGB XIV herangezogen werden. Die Herausgeber:innen wollen auch in der Übergangsphase bis zum 1.1.2024 eine Kommentierung der relevanten Gesetze der sozialen Entschädigung liefern. Als Hilfestellung für diese besondere Situation dient eine Synopse der einschlägigen Vorschriften. Weiter wird in der Kommentierung der neuen Vorschriften des SGB XIV jeweils in einem besonderen Abschnitt erläutert, an welcher Stelle die jeweiligen Regelungsgegenstände im alten Recht normiert waren. Unterschiede und Parallelen zwischen altem und neuem Recht werden herausgearbeitet. Die Herausgeber:innen sehen es als besonderes Anliegen, dass die Kommentierung bei praxistauglicher Gestaltung wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Diesen Anforderungen wird das Werk gerecht, was sich auch in der Gliederung der einzelnen Kommentierungen abbildet: In einer Gesetzesgeschichte wird das geltende und neue Recht gegenübergestellt und es werden die Änderungen im SGB XIV gegenüber dem BVG sowie die Parallelen herausgearbeitet. Auf die Gesetzesgeschichte folgt die Normsystematik mit der Darstellung des allgemeinen Regelungsgehaltes und der systematischen Einordnung sowie dem Normzweck. Vor diesem so erarbeiteten Hintergrund wird dann die Einzelkommentierung der jeweiligen Vorschrift vorgenommen.

Diskussion

Das Werk versteht sich nicht nur als Kommentierung des künftig ab 2024 geltenden im SGB XIV neugeordneten Sozialen Entschädigungsrechts, sondern auch als Kommentierung der Vorschriften in der Übergangssituation bis zum vollständigen Inkrafttreten des SGB XIV. Herausgeber:innen und Autor:innen haben für diese etwas unübliche Herausforderung bei der Kommentierung gut nachvollziehbare Darstellungs- und Erläuterungsweisen gefunden. Das macht den besonderen Wert dieses Werkes aus.

Fazit

Der von Sabine Knickrehm und Olaf Rademacker herausgegebenen Lehr- und Praxiskommentar zu dem im SGB XIV neugeordneten Soziale Entschädigungsrecht stellt für alle mit dieser komplexen Rechtsmaterie befassten Personen in Praxis und Wissenschaft eine wertvolle und unverzichtbare Hilfe zum Verständnis und zur Anwendung des SGB XIV dar.

Rezension von
Prof. Dr. Gerhard Igl
(Universitätsprofessor a.D., Universität Kiel)
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Es gibt 52 Rezensionen von Gerhard Igl.

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Zitiervorschlag
Gerhard Igl. Rezension vom 19.06.2023 zu: Sabine Knickrehm, Olaf Rademacker (Hrsg.): Sozialgesetzbuch XIV - soziale Entschädigung. Lehr- und Praxiskommentar. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2022. ISBN 978-3-8487-3912-7. Reihe: Nomos Kommentar. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30441.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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