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Marcus Eckert, Torsten Tarnowski: Stress- und Emotionsregulation

Rezensiert von Gertrude Henn, 14.06.2023

Cover Marcus Eckert, Torsten Tarnowski: Stress- und Emotionsregulation ISBN 978-3-621-28860-6

Marcus Eckert, Torsten Tarnowski: Stress- und Emotionsregulation. Trainingsmanual zum Programm Stark im Stress. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2022. 2., überarbeitete Auflage. 333 Seiten. ISBN 978-3-621-28860-6. D: 44,95 EUR, A: 46,50 EUR.

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Thema

Unter dem Titel „Stark im Stress“ (SIS) haben die Autoren ein multimodales Stresspräventionstraining konzipiert, das einen gesunden Umgang mit Stress und Emotionen vermittelt und nach § 20 SGB V zertifiziert ist. Das vorliegende Buch ist das zugehörige standardisierteTrainingsmanual.

Autoren

Prof. Dr. Marcus Eckert ist Professor für Psychologie an der Apollon-Hochschule Bremen. Dr. Thorsten Tarnowski ist Diplom-Sozialpädagoge. Beide sind Geschäftsführer des Instituts LernGesundheit in Lüneburg.

Entstehungshintergrund

Stress und Emotionen gehören zum Leben und sind allgegenwärtig. Fehleinschätzungen und schlecht angepasste Reaktionen bewirken auf Dauer gesundheitliche Probleme und beeinträchtigen Interaktionen und Handlungen. Ein „adaptiver Umgang mit Stress und Emotionen ist daher wünschenswert und notwendig“, so die Autoren (S. 13). Vor diesem Hintergrund haben sie ein wissenschaftlich fundiertes, evaluiertes Trainingsprogramm entwickelt. Seine Qualität wird durch ausgebildete TrainerInnen gesichert, die in dem Manual die wissenschaftlichen und methodisch-didaktischen Grundlagen finden. Die Autoren erhoffen sich darüber hinaus, dass das Buch „Anleitung, Anregung und vor allem Bereicherung für die eigene Praxis“ ist (S. 14).

Aufbau

Das gedruckte Buch umfasst 333 Seiten. Inhaltlich ist es in drei Teile untergliedert.

Im ersten Teil werden die wissenschaftlichen und methodisch-didaktischen Grundlagen und aus ihnen resultierend der Aufbau des Trainings erläutert.

Der zweite Teil beinhaltet das eigentliche Manual mit den drei Modulen „Ressourcen stärken“, „Stress und aversive Emotionen annehmen“, „Stress und Emotionen verändern“. Jedes Modul besteht wiederum aus drei Kurseinheiten. Diese werden in ihrem Aufbau inhaltlich wie methodisch-didaktisch ausführlich dargestellt. Die (zukünftigen) TrainerInnen erhalten Stundenbilder, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, bis hin zu sprachlichen Vorschlägen.

Teil drei widmet sich Aspekten der Qualitätssicherung. Er schildert Wirksamkeitsstudien, die Abgrenzung zu klinischem Handeln sowie Möglichkeiten einer begleitenden Evaluation.

Den Anhang bilden ausführliche Literaturangaben und ein kurzes Sachwortverzeichnis.

Mit dem Erwerb der Printausgabe erhält man einen Download-Code für die PDF-Version. Ein besonderer Service bei dem vorliegenden Manual sind die umfangreichen Begleitmaterialien. Dazu zählen: Präsentationsfolien für alle Kurseinheiten, ein Begleitheft für TeilnehmerInnen mit allen Arbeitsblättern, Audioanleitungen, Vorlesetexte der verschiedenen Achtsamkeits- und Entspannungsübungen. Um zwischen den Kurseinheiten zu unterstützen, haben die Autoren außerdem eine Trainings-App entwickelt, die tägliche Mini-Übungen und Impulse schickt (auch als „Kärtchen“ erhältlich).

Eckert & Tarnowski stellen die Inhalte von Stark im Stress zusätzlich als Onlinetraining zur Verfügung. Den LeserInnen des Manuals wird ein vergünstigter Zugang gewährt.

Inhalt

I Grundlagen

Stress und Emotionen – alltägliche Phänomene

Die Autoren stellen die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen von Stress vor. Sie erläutern auch die guten Seiten von Stress und warum ein mittleres Maß an Anspannung notwendig ist, um komplexe Aufgaben zu bewältigen. Sie beschreiben, wie sich bei Dauerbelastung physische und psychische Störungen entwickeln.

Welche Rolle Bewertungen dabei spielen ob Ereignisse zu Stress führen, wird mit dem Transaktionalen Stressmodell nach Lazarus erläutert. Dessen Komplexität sehen sie als optimal für das Training an. Ergänzt wird es durch die Theorie der Ressourcenerhaltung nach Hobfoll. Für die im Training zu vermittelnden Coping-Strategien werden die problem- und emotionsfokussierte Strategie nach Lazarus mit den Formen der Stressverarbeitung nach Erdmann & Junke kombiniert.

Die Grundlogik: Ist ein Problem lösbar oder scheint es lösbar, kann es angegangen werden, vollständig oder in Teilen gelöst werden (problemfokussiertes Coping). Ist es dagegen nicht lösbar, besteht die Strategie darin, Erregung und aversive Emotionen zu regulieren (emotionsfokussiertes Coping). Das die meisten herausfordernden Situationen lösbare wie unlösbare Anteile haben und adaptive Strategien erforderlich sind, muss den TeilnehmerInnen nicht nur kognitiv nachvollziehbar nahegebracht werden.

Kognitive Prozesse werden durch allgegenwärtige Emotionen beeinflusst und umgekehrt. Sie „können als Bündel von Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen angesehen werden, die es Menschen ermöglichen, schnell, ohne langes Nachdenken auf bestimmte Reize zu reagieren“ (S. 28). Sie steuern u.a. Aufmerksamkeit und Handlungstendenzen. Die Fähigkeit aversive Emotionen zu akzeptieren oder zu verändern geht mit verbesserter Gesundheit und verbesserter Selbststeuerung einher.

Multimodale Stressprävention

Wirksame Stressprävention soll die individuellen Bewältigungskompetenzen stärken und den AdressatInnen ein breites, flexibles Repertoire im Umgang mit Belastungen nahebringen. Sie muss daher auf drei Ebenen ansetzen:

Palliativ-regeneratives Stressmanagement zielt auf die Regulierung der physiologischen und psychischen Stressreaktion. Hierzu gehören der Abbau von Anspannung durch kurzfristige Maßnahmen, kontinuierliches Entspannungstraining, Regeneration und Erholung im Alltag, Erleben angenehmer Emotionen.

Kognitives Stressmanagement zielt auf dysfunktionale Gedanken, Einstellungen, Bewertungen, Muster oder überhöhte Ansprüche. Jene gilt es wahrzunehmen, anzunehmen sowie zu modulieren.

Im Rahmen des kognitiven Stressmanagements kommen daher Ansätze aus der kognitiven Verhaltenstherapie zum Tragen (mit der klaren Abgrenzung von Therapie zu Training!). Die Autoren stellen die drei für das kognitive Stressmanagement wichtigen Ansätze mit ihren Kerngedanken kurz vor.

Die Kognitive Therapie nach Beck. Sie beschreibt u.a. die kognitive Triade – drei typische negative Denkmuster („Ich bin ein Versager!“ – „Mir wollen alle Schlechtes!“ – „Es wird schrecklich werden!“). Als Ansatz für Stressinterventionen dienen der Aufbau von Selbstwert oder das Erahnen eines biografischen Sinnes als kognitive Gegenregulation, die in das „Stark im Stress“-Training einfließen.

Das Stressimpfungstraining nach Meichenbaum will ähnlich einer Schutzimpfung bereits vorab immunisieren und so die Belastungen im erträglichen Rahmen halten. In drei Phasen werden Problemsituationen analysiert, gleichzeitig Faktoren, die Stress aufrechterhalten, identifiziert. Im Anschluss werden neben dem Einüben von Entspannung hilfreiche Kognitionen eingeübt. Abschließend werden Stresssituationen bewusst und „gestuft“ aufgesucht, die eingeübten Strategien erprobt.

Die Rational-emotive Therapie nach Ellis basiert auf der Grundannahme, dass ein auslösendes Ereignis erst über Interpretation und Bewertung (rationale/​irrationale Überzeugungen) zu einer Reaktion führt. Das eingängige ABC-Schema (A – activating event; B – belief; C – consequences) wird im vorgestellten Training als Stressmodell angewandt.

Instrumentelles Stressmanagement setzt an den Stressoren an. Es zielt auf Veränderung von Anforderungen und Belastungen. Methodisch zählen hierzu beispielsweise das Problemlösetraining, das Training sozialer Kompetenzen, Konfliktlösetraining oder Zeitmanagement.

Aufbau und Aufrechterhaltung von Trainingsmotivation

Ohne gefestigte Trainingsmotivation und Integration von Übungen in den Alltag bleiben Gesundheitstrainings wenig wirksam. Das Verändern von Verhaltensgewohnheiten geschieht nicht nebenbei. Die Autoren messen dieser Tatsache ein großes Gewicht bei. Sie legen in ihrer Konzeption Wert darauf, dass TeilnehmerInnen Motivation aufbauen und aufrechterhalten können. Sie orientieren sich dazu am sozial-kognitiven Prozessmodell HAPA (Health Action Process Approach) von Schwarzer, das drei motivationale Stadien unterscheidet: nicht-intentional – intentional – aktional.

Damit Gesundheitsverhalten gezeigt wird und Verhaltensänderungen überhaupt erreichbar sind, ist die Ausbildung einer Intention Voraussetzung. Sie wird von Risikoerwartung (wahrgenommene Ist-Soll-Diskrepanz), Handlungs-Ergebnis-Erwartung (realistische Zielsetzungen mit Wert sowie spürbaren Effekten) und Selbstwirksamkeitserwartung (die Überzeugung es durchführen zu können) beeinflusst. Um von der Intention in die Aktion zu kommen sind weitere Schritte notwendig. Die Selbstwirksamkeitserwartung muss aufrecht erhalten werden (Überzeugung durchhalten zu können). Gefördert wird sie durch eine angeleitete, kleinschrittige Handlungs- und Bewältigungsplanung. Wenn letztere in Verhalten münden, ist der Übergang in die aktionale Phase vollzogen. Das intendierte Verhalten muss initiiert, aufrecht erhalten und immer wieder neu aufgenommen werden.

Übertragen auf das Stresspräventionstraining sollen die Gruppenmitglieder zunächst Trainingsintentionen bilden. Die Autoren legen Wert darauf, dass Trainingsintentionen konkret und spezifisch formuliert werden. Zu deren Entwicklung soll eine Ist-Soll-Diskrepanz wahrgenommen werden, die umso motivierender ist, je stärker sie affektiv geladen ist. Um zu einer adäquaten Handlungs-Ergebnis-Erwartung zu kommen, werden sie bei einer realistischen Zielsetzung unterstützt. Sie werden ermuntert, auch Teilziele zu identifizieren. Zielhandlungen sollen so gewählt werden, dass Effekte zeitnah spürbar sind, um die Zielbindung zu erhalten. Gegebenenfalls muss der Schwierigkeitsgrad angepasst werden, der Einzelne ermutigt werden, sich dadurch nicht abzuwerten, sondern sich einen „Selbst-Vertrauensvorschuss“ (S. 43) zu geben.

Für die sich anschließende Trainingsplanung wird unterschieden zwischen Handlungsplanung und Bewältigungsplanung.

Bewährt haben sich u.a. „Wenn-Dann-Pläne“ nach Gollwitzer sowie Zielformulierungen nach den SMART-Kriterien. Allerdings ist darauf zu achten, dass Zielhandlungen nicht im – oft unbewussten Konflikt – mit wichtigen Einstellungen und Überzeugungen stehen. Um Bewältigungsstrategien zu planen, sollen Hindernisse und Schwierigkeiten antizipiert werden. Viele davon sind bekannt. Zur Überwindung kann bereits ihre Analyse ausreichend sein. Ebenso können vorhandene Strategien angepasst oder bekannte Lösungen genutzt werden, bspw. von anderen Gruppenmitgliedern.

Begleitend wird die Selbstwirksamkeit unterstützt durch ressourcenorientiertes Fragen, einfache gut durchführbare Handlungen und positive Verstärkung.

Somit ist eine „solide Grundlage für das Initiieren, Aufrechterhalten und Wiederaufnehmen von Zielverhalten“ geschaffen (S. 45). Wird das Verhalten gezeigt, sollte es unmittelbar verstärkt werden, was die Wirksamkeit erhöht. Hierzu zählen die Würdigung, Anerkennung und Wertschätzung durch die Leitung. Gleichzeitig sollen die Gruppenmitglieder lernen sich selbst zu verstärken z.B. durch geeignete positive Selbstverbalisation, das Koppeln einer neuen Verhaltensweise an eine alte (z.B. achtsames Innehalten immer dann, wenn die Haustür aufgeschlossen wird). Eine Verhaltensverstärkung erfolgt besonders durch spürbare angenehme Effekte. Sie müssen allerdings bewusst wahrgenommen werden.

Das Entwickeln und Einüben neuer Verhaltensweisen findet zwischen den Trainingseinheiten statt. Es erfordert eigenverantwortliches regelmäßiges Üben. Das zuverlässige Ausführen von mitgegebenen „Hausaufgaben“ ist ein zentraler Wirkfaktor.

Eckert & Tarnowski nutzen zusätzlich mediale Wege. Dazu zählen SMS, mit denen sich TeilnehmerInnen untereinander erinnern oder anerkennen, standardisierte Mini-Impulse oder Übungen per SMS oder Unterstützung durch die Trainings-App.

Aufbau des Trainings Stark im Stress

Das Training ist modular gestaltet. Es besteht aus drei aufeinander aufbauenden Modulen. Jedes Modul besteht aus drei 90-minütigen Einheiten. Sie sollen am besten wöchentlich stattfinden. Zwischen den Einheiten soll mindestens viermal pro Woche 20 Minuten trainiert werden. Die Autoren stellen die Bedeutung von „cold- und hot-learning“ nach Glasenapp als bedeutsam in der Arbeit mit Stress und Emotionen voran. Sie verdeutlichen die Aufgabe der Leitung für eine passende, nämlich „warme“ Lerntemperatur zu sorgen. Stark im Stress enthält daher psychoedukative Elemente („cold learning“) und Elemente, die die Auseinandersetzung mit dem eigenen biografischen Erleben („warm“ learning) erfordern. Hot learning bleibt dagegen dem therapeutischen Setting vorbehalten.

II Manual

Auf der Basis der Grundlagen aus Teil I schließt das Trainingsmanual an. Seine einzelnen Module werden hier vorgestellt.

Modul 1 Ressourcen stärken

Tragfähige Trainingsmotivation (Einheit 1)

In der ersten Einheit sollen eine tragfähige Trainingsmotivation aufgebaut, die Trainingsgründe exploriert und ein guter Grund für das Training gefunden werden. Es wird über die Entstehung und die Folgen von Stress und Emotionen informiert, die TeilnehmerInnen angeleitet, persönliche Stressanzeichen und Frühwarnsysteme wahrzunehmen.

Achtsamkeit und Entspannung (Einheit 2)

Einheit zwei vermittelt die Wirkung von Achtsamkeit und Entspannung als effektive Maßnahmen zur Stressbewältigung. Sie lernen die Progressive Muskelentspannung kennen und achtsames Gehen als Praxis von Achtsamkeit im Alltag.

Regeneration und hilfreiche Emotionen (Einheit 3)

In Einheit drei werden Wege erarbeitet angenehme Emotionen zu fördern und im Alltag abzurufen. Das häufige Erleben angenehmer Emotionen stärkt die emotionale Selbstwirksamkeitserwartung. Es „führt dazu, dass Stress und aversive Emotionen besser ausgehalten und bewältigt werden können“ (S. 51, zit. nach Greenberg). Genutzt wird die Ankertechnik. Die Gruppe lernt die Wirkung regelmäßiger kleiner Erholungspausen kennen und entwickelt, wie sich Regeneration im Alltag etablieren lässt.

Modul 2 Stress und aversive Emotionen annehmen

Warum Annehmen sinnvoll sein kann (Einheit 4)

Einheit vier beleuchtet, warum das Annehmen von Stress und negativen Emotionen sinnvoll sein kann. Die TeilnehmerInnen lernen Indikatoren für das Annehmen und Gefahren dysfunktionaler Regulation kennen und erkennen. Sie erarbeiten Strategien im Umgang mit unveränderbaren Problemen. Sie setzen sich mit der Veränderbarkeit von Stimmungen und emotionalen Zuständen vor dem Hintergrund ihrer biografischen Erfahrungen auseinander. Angeleitet werden sie dabei – rückblickend wie antizipierend – eine mögliche biografische Sinnhaftigkeit zu erkennen, die eine kognitiven Neubewertung unterstützen kann.

Belastbarkeit stärkende Maßnahmen (Einheit 5)

Einheit fünf steht unter dem Schwerpunkt, wie Selbstwirksamkeit und Selbstkomplexität gestärkt werden können. Nach dem Konzept der Selbstkomplexität von Linville ist das Selbst multimodal organisiert. Aspekte des Selbst können „soziale Rollen, Einstellungen, körperliche Beschaffenheiten, Aktivitäten oder soziale Beziehungen“ sein (S. 55). Eine höhere Selbstkomplexität wirkt Resilienz und Akzeptanz fördernd. Die Gruppenmitglieder erhalten hierzu Entwicklungsimpulse, setzen sich mit ihrem sozialen Netz auseinander und entwickeln ein persönliches Resilienzprojekt. Erneut werden hier biografische Ressourcen aktiviert.

(Selbst-)Wertschätzung aufbauen und pflegen (Einheit 6)

Selbstwertschätzung und Fremdwertschätzung wirken sich positiv auf die Grundstimmung, somit stabilisierend aus. Vor diesem Hintergrund wird in Einheit sechs angeleitet, wertschätzend mit sich umzugehen und sich selbst zu würdigen. Dabei werden auch innere Widerstände reflektiert. Gleichzeitig erhalten die TeilnehmerInnen Anregungen, auf welche Weise sie das Erhalten einer Fremdwertschätzung fördern können. Das Gruppensetting bietet dazu gute Erfahrungsmöglichkeiten.

Modul 3 Stress und Emotionen verändern

Ging es in Modul zwei zunächst um das Annehmen von Stress und aversiven Emotionen, richtet sich der Fokus in Modul drei auf das Verändern. „Ein dialektisches Verhältnis von Annehmen und Verändern“ gilt nach den Autoren „derzeit als Goldstandard in Therapie und Training“ und als gesundheitsförderlich. Sie beziehen sich u.a. auf Linehan, Soler und Chen & Miller (S. 57). Für Veränderungen bestehen drei Ansatzpunkte: Körper, Kognitionen, Verhalten. Jedem der – von den Autoren als „Stellschrauben“ bezeichneten Ansatzpunkte ist eine Einheit gewidmet.

  • Stellschraube Körper (Einheit 7)

Die TeilnehmerInnen lernen das Körperspannung, Körperhaltung, Bewegungen und psychische Vorgänge miteinander zusammenhängen und sich wechselseitig beeinflussen (Embodimentforschung). Sie erarbeiten konkrete Anwendungsmöglichkeiten, um sich die wechselseitigen Prozesse zu Nutze zu machen. Dazu üben sie, über gezielte Veränderungen von Spannung, Haltung und Bewegung ihre Emotionen selbstwirksam zu regulieren.

  • Stellschraube Gedanken (Einheit 8)

In Einheit sieben wird präzisiert und erfahrbar gemacht, wie Kognitionen Emotionen beeinflussen. Sie identifizieren dysfunktionale Gedankenmuster und erarbeiten Schritt für Schritt, wie sie förderliche Gedanken entwickeln können. Unterstützt wird der Prozess durch die Arbeit mit dem Werte- und Entwicklungsquadrat nach Schulz von Thun, als anschaulichem einfachem Instrument, das auch beim Entwickeln hilfreicher und förderlicher Gedanken unterstützen kann.

  • Stellschraube Verhalten (Einheit 9)

Das Anwenden der Stellschraube Verhalten „besteht darin, sich entgegengesetzt zu den Handlungsimpulsen zu verhalten und dadurch das Emotions- und Stresserleben zu beeinflussen“ (S. 282). Die Gruppenmitglieder lernen das Konzept der inneren Antreiber als Stressverstärker kennen. Sie identifizieren, welche bei ihnen zutreffend sind (bei deren gleichzeitiger Würdigung). Sie erproben, wie sie diese relativieren und sich kognitiv distanzieren können. Den Abschluss bildet die Integration aller „drei Stellschrauben“ verbunden mit Überlegungen, um diese systematisch anzuwenden.

Diskussion

Stresspräventionsprogramme sind dann sinnvoll, wenn sie multimodal aufgebaut sind. Sie zeigen Wirkung, wenn ausreichend Trainingsmotivation aufgebaut werden kann und die AdressatInnen bereit sind im Alltag zu üben. Die Gruppe hat für den Erfolg von Gesundheitsförderungsprogrammen eine wichtige Bedeutung. Sie kann zur Entlastung beitragen („anderen geht es ähnlich“), kann motivierend und verstärkend wirken und ist gleichzeitig soziales Übungsfeld für wertschätzenden Umgang und Konfliktbewältigung. Dazu bedarf es eines guten vertrauensvollen Klimas.

Ein gutes Programm braucht psychoedukative, auf Wissens- und Erfahrungsstand der TeilnehmerInnen abgestimmte Elemente plus die Chance über Experimente und Erfahrungen zu lernen und Ressourcen zu aktivieren. Es braucht einen nachvollziehbaren Aufbau, der Schritt für Schritt eine Entwicklung begünstigt, bei der sie mithalten können. Es sollte ein breites, dabei flexibles Bewältigungsrepertoire vermitteln. Sie benötigen Hilfestellungen und Reflexionsoptionen, auch im Umgang mit Hindernissen sowie Ermutigung bei deren Überwindung. Gleichzeitig muss die Verantwortung bei ihnen bleiben.

TrainerInnen benötigen ein solides theoretisches und methodisch-didaktisches Fundament gepaart mit der Bereitschaft Gruppenprozesse anzustoßen, zu begleiten und ein positives Lernklima zu gestalten.

Alle diese – aus Sicht der Rezensentin – wichtigen Bausteine eines guten Stresspräventionstrainings sind im vorliegenden Trainingsmanual trefflich umgesetzt. Die Bandbreite an Techniken und Methoden ist gleichfalls groß.

Es ist durchgängig zu erkennen, wie wichtig den Autoren ein wertschätzender und ermutigender Umgang mit den Gruppenmitgliedern ist, der auch kleine Erfolge würdigt und Schwierigkeiten anerkennt. Ebenso wichtig ist ihnen, diese zur Selbstwertschätzung zu befähigen und den anderen ebenso zu begegnen. Auf welchem Weg das gelingen kann, wird immer wieder verdeutlicht und angeleitet.

Für genauso wesentlich halten sie, dass die TeilnehmerInnen ihre Trainingsmotivation klären und aufrecht erhalten. Hierzu nutzen sie vielfältige Methoden und Instrumente. Hervorzuheben ist besonders die Trainings-App, die täglich zweimal die Anwendung im Alltag und das Etablieren neuer Gewohnheiten stärkt. Die App wurde durch die Rezensentin im Verlauf der letzten Wochen selbst „getestet“. Der Erinnerungs- und Aufforderungscharakter ist gelungen.

Fazit

Die im Vorwort formulierte Hoffnung der Autoren, das Buch möge „Anleitung, Anregung und Bereicherung für die Praxis“ werden, wird aus Sicht der Rezensentin ausnahmslos erfüllt. Wissenschaftliche Grundlagen, methodisch-didaktischer Aufbau, Übungen, Experimente und die zahlreichen Begleitmaterialien machen das Buch nicht nur für „Stark im Stress“-TrainerInnen wertvoll. Wer qualifizierte Stresspräventionstrainings anbietet, findet hier weitere Anregungen und Impulse.

Rezension von
Gertrude Henn
Diplom-Sozialpädagogin, Entspannungs- & Stressmanagement-Trainerin
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Es gibt 12 Rezensionen von Gertrude Henn.

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Zitiervorschlag
Gertrude Henn. Rezension vom 14.06.2023 zu: Marcus Eckert, Torsten Tarnowski: Stress- und Emotionsregulation. Trainingsmanual zum Programm Stark im Stress. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2022. 2., überarbeitete Auflage. ISBN 978-3-621-28860-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30450.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.


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