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Gerhard Roth, Michael Koop: Schule mit Köpfchen

Rezensiert von Prof. Dr. Elisabeth Müller Fritschi, 10.07.2023

Cover Gerhard Roth, Michael Koop: Schule mit Köpfchen ISBN 978-3-608-98651-8

Gerhard Roth, Michael Koop: Schule mit Köpfchen. Erkenntnisse aus der Hirnforschung für den Unterricht nutzen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2022. 240 Seiten. ISBN 978-3-608-98651-8. D: 25,00 EUR, A: 25,70 EUR.

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Thema

Im vorliegenden Buch werden Erkenntnisse der Hirnforschung dargelegt, die für Schule und insbesondere Lehrpersonen relevant sind, sei es allgemein für die Gestaltung des Lehrens und Lernens im Schulkontext oder sei es für das Verständnis der Persönlichkeitsentwicklung und -förderung im Speziellen.

Autoren

Gerhard Roth ist emeritierter Professor für Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurobiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen, Michael Koop lehrt an der Gesamtschule Bremen-Ost und hat dort zusammen mit dem Erstautor ein Schulreformprojekt geleitet.

Entstehungshintergrund

Im Buch werden die Grundlagen und Erfahrungen im Rahmen des Projektes „Reform des Schulunterrichts“, das seit 2012 an der Gesamtschule Bremen-Ost läuft, dargestellt. In diesem Projekt geht es um die bewusste Verschränkung von Theorie und Praxis, bzw. von Neuro- und Kognitionswissenschaft und Schulpraxis mit dem Ziel, die Unterrichtsqualität zu verbessern.

Aufbau

Drei zentrale Themen gliedern das Werk. Im ersten Teil geht es um die „Bedeutung der Lehrer- und der Schülerpersönlichkeit für den Lernerfolg“ (S. 17 bis 52), im zweiten um „hirngerechten Unterricht“ (S. 53 bis 160) und im dritten um den „Umgang mit Intelligenz- und Begabungsunterschieden und mit Lern- und Verhaltensstörungen“ (S. 161 bis 222). In einem Ausblick (S. 223 bis 228) wird das Thema „Fortbildung und Schulung für das Lehrpersonal“ angetippt. Während Michael Koop Erfahrungswissen und illustrierende Fallbeispiele aus der Schulpraxis beisteuert, legt Gerhard Roth die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verschiedenen Aspekten dieser Schulpraxis dar.

Inhalt

Teil 1: Michael Koop beginnt mit Erläuterungen zum Erstkontakt mit den Kindern und Lerngruppen. Seine Tipps und Fallbeispiele zeigen auf, wie unter Nutzung der Vorbildfunktion der Lehrpersonen verbindliche Regeln der Zusammenarbeit etabliert werden, sodass sich verlässliche (Rollen-)Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden entwickeln können. Gerhard Roth vertieft mit einem Beitrag aus wissenschaftlicher Sicht über die Entwicklung der Persönlichkeit, deren Facetten und deren Bedeutung für die Lehrenden-Lernenden-Beziehung. Der Fokus der Ausführungen liegt bei der Rolle des Zusammenspiels von sechs „psychoneuralen Systemen“ (S. 80) bei der Entstehung der individuellen Persönlichkeit und deren Stabilität bzw. Veränderbarkeit.

Teil 2: Im Teil zwei schildert Michael Koop, wie guter Unterricht ablaufen kann. Er zeigt beispielsweise, wie zu Beginn des Unterrichtsprozesses Aufmerksamkeit und Konzentration sowie Anschlussfähigkeit des Stoffes an Vorwissen hergestellt bzw. genutzt werden können. Als weitere Faktoren der Qualität von Unterricht thematisiert er Motiviertheit und Lernbereitschaft, transparente und gerechte Leistungsbeurteilung, Wiederholung und Zeit. Er skizziert das Modell einer neuen Tagesstruktur wie sie im Reformprojekt erarbeitet wurde, einer Tagesstruktur, die sich von einem engen 45-Minuten-Takt verabschiedet, um den erläuterten Qualitäts-Faktoren besser gerecht zu werden. Gerhard Roth erläutert die neurobiologischen Grundlagen zu Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozessen, und zur Rolle von Motivation und Wiederholung für die Konsolidierung des Gelernten.

Im Teil 3 beschreibt Michael Koop, wie er in der Praxis mit seinen Lerngruppen Differenzen zwischen den einzelnen Schülerinnen und Schülern bezüglich Verhalten ebenso wie bezüglich Begabungen beobachtet und einschätzt, und wie er mit der breiten Palette an Unterschieden umgeht. Gerhard Roth wiederum fasst wissenschaftliche Erkenntnisse zu möglichen Quellen von Differenz zusammen: Intelligenz, Begabung und deren Entwicklungs- bzw. Förderpotenzial, Lernstörungen und -behinderungen, Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), Persönlichkeitsstörung, Autismus werden skizziert. Es handelt sich dabei um Basiswissen, das für Lehrpersonen bei der Beobachtung und Einschätzung von Auffälligkeiten von Bedeutung ist.

Im kurzen Ausblick (Teil 4) fordert Gerhard Roth eine systematische Weiterbildung von Lehrpersonen auf wissenschaftlicher Grundlage, wobei die Bedeutung der Persönlichkeit von Lehrenden und Lernenden einerseits (s. Teil 1 und 3) und die wissenschaftlichen Grundlagen schulischen Lernens (s. Teil 2) ebenso relevant sind wie regelmäßige Schulungen.

Diskussion

Beide Autoren lassen die Lesenden an ihrem großen Fundus von (schul-)relevantem Wissen teilhaben. Dabei ist die Verknüpfung von theoretischem und praktischem Wissen im zweiten Teil (Lehr-/​Lernprozesse) plausibler als im ersten Teil (Lehrer- und Schülerpersönlichkeit). Dennoch sind die Ausführungen insgesamt reichhaltig und dank guter Gliederung, klarer Sprache und anschaulichen Beispielen sehr lesefreundlich. Lehrpersonen, Schul(reform)verantwortliche und Weiterbildungsfachpersonen können sich hier wertvolles Wissen holen, sei es für ein vertieftes Verständnis oder zur Reflexion der (eigenen) Schulpraxis oder für die Gestaltung von Weiterbildungsformaten. Vielversprechend scheint das in seinen Grundzügen skizzierte und zugrunde liegende Reformprojekt, welches „hirngerechten“ (S. 14) Unterricht durch systematische und strukturelle Reformen erreichen will.

Fazit

Michael Koop und Gerhard Roth zeigen in diesem Buch auf, wie aus praktischer sowie neuro- und kognitionswissenschaftlicher Sicht Lehrpersonen und Schulen den Unterricht so gestalten können, dass nachhaltige(re)s Lernen und Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht werden. Im Brennpunkt stehen hirngerechte Lehr-/​Lernprozesse ebenso wie Rollen und Beziehungen zwischen den Persönlichkeiten von Lehrenden und Lernenden. In der Schulpraxis Tätige finden hier Wissen, das der Reflexion und Weiterentwicklung ihrer professionellen Tätigkeit dient.

Rezension von
Prof. Dr. Elisabeth Müller Fritschi
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Es gibt 13 Rezensionen von Elisabeth Müller Fritschi.

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Zitiervorschlag
Elisabeth Müller Fritschi. Rezension vom 10.07.2023 zu: Gerhard Roth, Michael Koop: Schule mit Köpfchen. Erkenntnisse aus der Hirnforschung für den Unterricht nutzen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2022. ISBN 978-3-608-98651-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30467.php, Datum des Zugriffs 03.12.2023.


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