Barbara Städtler-Mach, Markus Bünemann: Osteuropäische Betreuungskräfte in der häuslichen Pflege
Rezensiert von Helene Ignatzi, 17.12.2024
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Barbara Städtler-Mach, Markus Bünemann: Osteuropäische Betreuungskräfte in der häuslichen Pflege. Versorgung verantwortlich und fair gestalten. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2023. 144 Seiten. ISBN 978-3-525-60014-6. D: 25,00 EUR, A: 26,00 EUR.
Thema
Osteuropäische Betreuungskräfte in der häuslichen Pflege. Versorgung verantwortlich und fair gestalten
Autorin
Dr. Barbara Städtler-Mach, evangelische Pfarrerin, war von 1980 bis 1982 Vikarin in München und nach dem Zweiten Kirchlichen Examen (1982) Pfarrerin in Schwabach, wo sie 1982 ordiniert wurde. Von 1984 bis 1986 war Städtler-Mach wissenschaftliche Mitarbeiterin am Diakoniewissenschaftlichen Institut der Universität Heidelberg. Von 1986 bis 1996 arbeitete sie als Klinikpfarrerin in der Klinik Hallerwiese Nürnberg. 1992 promovierte sie zum Thema „Das Evangelische Krankenhaus“ an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau. 1996 wurde Städtler-Mach an die Evangelische Fachhochschule Nürnberg berufen, wo sie über mehrere Jahre Dekanin der Fakultät Gesundheit und Pflege und von 2014 bis 2022 Präsidentin war. Ihr Lehrgebiet umfasste Anthropologie und Ethik für Gesundheitsberufe. 2002 habilitierte Städtler-Mach zum Thema „Seelsorge mit Kindern“. Sie war Mitbegründerin des Instituts für Gerontologie und Ethik (2002) sowie des Forschungsnetzwerks Osteuropäische Betreuungskräfte (2017). Ihre Forschungsschwerpunkte sind Pflegeethik, Praktische Theologie mit dem Schwerpunkt Seelsorge und die Versorgung von Pflegebedürftigen zu Hause durch sogenannte „24-Stunden-Betreuungskräfte aus Osteuropa“. Städtler-Mach wurde als Anerkennung für ihr bundesweites Engagement im Bereich der Alten- und Krankenpflege der Bayerische Verfassungsorden 2021 verliehen.
Autor
Markus Bünemann, Krankenpfleger, Diplom-Pflegewirt, M. Sc. Public Health, war Referent des Präsidenten an der Evangelischen Hochschule Nürnberg und ist derzeit Referent für Krankenhäuser, Teilstationäre Pflege sowie Referent und Projektleitung für „Telematik und Digitalisierung in der Pflege“ beim Diakonischen Werk Bayern e.V.
Entstehungshintergrund
„Osteuropäische Betreuungskräfte in der häuslichen Pflege. Versorgung verantwortlich und fair gestalten“ – ist ein praxisorientiertes Buch, das sich mit den Grundlinien der Versorgungsstruktur der 24-Stunden-Betreuung durch ost- und südeuropäische und ihren Problemstellungen auseinandersetzt. Es richtet sich an Seniorinnen und Senioren, pflegende Angehörige und an Akteurinnen und Akteure (z.B. niedergelassene Ärzte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ambulanten Pflegedienste), die im Kontext ihrer beruflichen Tätigkeit mit dieser Versorgungsform in Kontakt kommen. Schließlich soll dieses Buch Studierenden der Gesundheits- und Pflegestudiengänge, der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft, einerseits Grundkenntnisse über die Versorgungsform vermitteln und andererseits sie für deren Problemstellung sensibilisieren. Das Buch ist eine praktische Publikation, welche die Thematik anhand ausgewählter thematischer Eckpunkte präsentiert. Es knüpft an, an die Publikation „Grauer Markt Pflege. 24-Stunden-Unterstützung durch osteuropäische Betreuungskräfte“ (Städtler-Mach/Ignatzi, 2020) – eine Veröffentlichung im Rahmen des Forschungsnetzwerks „Osteuropäische Betreuungskräfte“ an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Darüber hinaus orientiert sich das Buch an allgemein zugänglicher Literatur der letzten Jahre. Die Zielsetzung der Veröffentlichung ist, die bisher entwickelten Lösungsansätze und gemeinsamen Anstrengungen im Hinblick auf die Entwicklung von Perspektiven für die Zukunft dieses Pflegearrangements aufzuzeigen und wirksam werden zu lassen. Das Buch ist ein Beitrag zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die Komplexität der Versorgungsform durch ost- und südeuropäische Betreuungskräfte und ihre Bedeutung für das deutsche Pflegesystem.
Aufbau
Das Buch beginnt mit einem Grußwort der Diakonie Deutschland, verfasst von Maria Loheide (Vorständin Sozialpolitik). Anschließend folgt im Kapitel 1 ein Beitrag der Autorin und des Autors zur Frage „Warum dieses Buch?“. Die nachfolgenden acht Kapitel, mit jeweils einer inneren Logik, können unabhängig voneinander bearbeitet werden, sodass sich die Leserinnen und Leser einem Fragekomplex widmen können ohne die Inhalte der weiteren Kapitel lesen zu müssen. Jedes Kapitel endet mit einem eigenen Literaturverzeichnis. Am Ende des Buches wird die weiterführende Literatur aufgeführt.
Inhalt
In Kapitel zwei bis acht setzen sich Städtler-Mach und Bünemann mit der Rechtssicherheit des Pflegarrangements 24-Stunden-Betreuung durch osteuropäische Betreuungskräfte auseinander und mit den Möglichkeiten seiner Einbindung in das deutsche Pflegesystem. Damit wollen sie die Zuversicht auf eine gute Lösung für diese Form der pflegerischen Versorgung stärken. Das abschließende Kapitel 9 ist den Vorstellungen von Altsein und Pflege gewidmet. Bei aller Komplexität der Themen rund um das Altern und die Versorgung in dieser Lebensphase ist das Anliegen von Städtler-Mach und Bünemann, Mut zu machen, diese Lebensphase positiv und zuversichtlich anzugehen.
Im Kapitel zwei führen Städtler-Mach und Bünemann in die Problemstellung der Versorgung durch osteuropäische Betreuungskräfte ein. Im Fokus ihrer Betrachtung stehen zum einen die Problematik rund um die Bezeichnung der Arbeitskräfte, die in dieser Versorgungsform beschäftigt sind und für die es immer noch keine zutreffende offizielle Bezeichnung gibt. Zum anderen werden rechtliche Fragestellungen erörtert, wie z.B. die unklare Arbeitsrechtslage und die Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Betreuungskräften aus dem Ausland in deutschen Privathaushalten. Ebenso werden die Pflegequalität und die Finanzierung in den Blick genommen. Das Kapitel schließt ab, mit den politischen Perspektiven im Kontext der Versorgungsform.
Kapitel drei stellt die bisherigen Konzepte zu Ansätzen fairer Lösungen vor (z.B. Österreichisches Modell, FairCare und CariFair). Zudem wird DIN SPEC 33454, ein weiterer Beitrag zur Klärung der Arbeitsbedingungen der 24-Stunden-Betreuung, vorgestellt.
Ein Überblick über die aktuelle Forschungslage und eine Kurzdarstellung des Forschungsprojektes TRABAM (Transnationale Betreuungskräfte in der häuslichen Versorgung alter Menschen) sind Inhalte des vierten Kapitels.
Die Qualität der Versorgung durch Live-In-Betreuungskräfte, insbesondere auch die Problematik der Qualitätsprüfung sowie die Betrachtung der Tätigkeit zwischen Haushaltsführung und Pflege und die Pflegeverhältnisse stehen im Mittelpunkt der Ausführungen im Kapitel fünf.
Kapitel sechs beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen der Versorgung durch eine Live-In-Betreuungskraft. Hier wird insbesondere die Finanzierung der Versorgungsform, speziell auch die Kosten einer Agentur kritisch betrachtet ebenso wie die Vermittlungsformen und -verfahren und die räumlichen und sächlichen Voraussetzungen. Ein weiterer thematischer Schwerpunkt liegt auf der Skizzierung des Zusammenlebens mit einer Betreuungskraft, zum dessen Gelingen diverse Faktoren (z.B. sprachliche Verständigung, Tätigkeitsspektrum, Gestaltung des Tagesablaufes) beitragen können. Die mögliche Veränderung der Familienstruktur durch eine Betreuungskraft, ihre Belastungen und das durch die Vermittlungsagentur vermittelte Bild der 24-Stunden-Betreuung sind weitere Aspekte dieses Kapitels.
Kapitel sieben widmet sich der bisher ausbleibenden Regelung hinsichtlich der Gestaltung der arbeitsrechtlichen Bedingungen des Pflegearrangements 24-Stunden-Betreuung. Städtler-Mach und Bünemann thematisieren hier die verschiedenen Beschäftigungsmodelle und ihre Problematiken (z.B. Arbeitszeit, Mindestlohn) und zeigen mögliche Wege zu einer rechtssicheren Gestaltung dieser Versorgung auf.
Mit den zukünftigen Wegen für die Versorgung mit Betreuungskräften in privater Häuslichkeit setzt sich das achte Kapitel auseinander. Städtler-Mach und Bünemann gehen zunächst der Frage nach, wer die Verantwortung für die häusliche pflegerische Versorgung in Deutschland zu tragen hat und präsentieren anschließend Ansätze, die zu neuen Wegen in der Versorgung durch osteuropäische Betreuungskräfte führen könnten.
Schlussbetrachtung findet im Kapitel neun statt. Hier werden die Vorschläge der Diakonie Deutschland, der Forschungsgruppe der Universität Münster und der Hochschule Sankt Georgen, einen Leistungsmix für die häusliche Versorgung von Pflegebedürftigen zu denken, hervorgehoben und reflektiert.
Diskussion
Mit ihrer differenzierten Herangehensweise an die inzwischen bekannte und bei Familien mit pflegebedürftigen Personen beliebte häusliche Versorgungsform gelingt es Städtler-Mach und Bünemann die Defizite betreffend „der Pflegequalität, der arbeitsrechtlichen Gestaltung und der ethischen Verantwortung“ für die Beteiligten sichtbar zu machen und zugleich denkbare Lösungsstrategien, z.B. Leistungsmix und einen Mix aus diversen Akteurinnen und Akteuren, sichtbar zu machen.
Fazit
Das Buch verbindet wissenschaftliche Grundlagen mit praxisorientierten Handlungsansätzen. Es zeichnet sich durch klare Struktur und gute Lesbarkeit aus. Die einzelnen Kapitel, die logisch aufgebaut sind, aber dennoch unabhängig voneinander von Interessierten gelesen und bearbeitet werden können, machen auf dieses Buch neugierig und laden ein, sich mit dem Thema auseinander zu setzen.
Rezension von
Helene Ignatzi
Dipl. Sozialgerontologin, Dipl. Sozialarbeiterin, Vizepräsidentin für Internationales, Diversity und Familienorientierung an der Evangelischen Hochschule Nürnberg
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Zitiervorschlag
Helene Ignatzi. Rezension vom 17.12.2024 zu:
Barbara Städtler-Mach, Markus Bünemann: Osteuropäische Betreuungskräfte in der häuslichen Pflege. Versorgung verantwortlich und fair gestalten. Vandenhoeck & Ruprecht
(Göttingen) 2023.
ISBN 978-3-525-60014-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30487.php, Datum des Zugriffs 19.01.2025.
Urheberrecht
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