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Michael Krennerich: Menschenrechtspolitik

Rezensiert von Prof. Dr. Andrea Warnke, 20.11.2023

Cover Michael Krennerich: Menschenrechtspolitik ISBN 978-3-8252-5948-8

Michael Krennerich: Menschenrechtspolitik. Eine Einführung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2023. 280 Seiten. ISBN 978-3-8252-5948-8. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 37,50 sFr.

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Thema

Das Buch bietet eine Einführung in die vielfältigen Themen, Akteure und Institutionen der Menschenrechtspolitik. Dabei stellt es mithilfe der Politik- sowie der Sozialwissenschaften Ansätze bzw. Konzepte vor, mit denen die komplexe Realität der Menschenrechtspolitik beschrieben respektive untersucht werden kann. Zivilgesellschaftliches Menschenrechtsengagement wird ebenso thematisiert wie die staatliche und die internationale Menschenrechtspolitik. Ein Schwerpunkt des Studienbuches liegt dabei auf der Menschenrechtspolitik in und durch Deutschland.

Autoren

Prof. Dr. Michael Krennerich hat am Lehrstuhl für Menschrechte und Menschrechtspolitik (Institut für Politische Wissenschaft) der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg die Professur für Politikwissenschaften inne. Er ist Gründungsmitglied und wissenschaftlicher Leiter des FAU Forschungszentrums Center for Human Rights Erlangen Nürnberg (FAU CHREN). Zugleich ist er leitender Herausgeber der „Zeitschrift für Menschrechte. Journal for Human Rights“ (zfmr) und Vorsitzender des Nürnberger Menschrechtszentrums e.V. (NMRZ), hat in Heidelberg Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Philosophie studiert und wurde dort promoviert. Die Habilitation folgte an der Philosophischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg.

Aufbau

Das 240-seitige Buch gliedert sich in vier Teile mit insgesamt 17 Kapiteln.

Das Buch beginnt mit Teil I: Menschrechte und Menschrechtspolitik, in dem eine erste Einführung und begriffliche Annährung erfolgt.

Teil II trägt die Überschrift Zivilgesellschaftliches Engagement und beschäftigt sich mit den Themen Menschenrechtliches Empowerment und Nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen (Kapitel 3). Kapitel 4 Anknüpfungspunkte an die Bewegungsforschung umfasst Punkte wie Framing-Prozesse, Repression, kulturelle und ökonomische Kontexte.

Teil III fokussiert Staatliche Menschenrechtspolitik und umfasst 5 Kapitel. Menschenrechtsberichte und Anknüpfungspunkte an die Policy-Forschung werden ebenso thematisiert wie die staatliche Menschenrechtsinnenpolitik und -außenpolitik Deutschlands.

Teil IV widmet sich mit insgesamt 8 Kapiteln dem Bereich Regionale und globale Menschenrechtspolitik. Dieser Teil beinhaltet Themen wie bspw. Grundrechtsschutz und Menschrechtspolitik in der EU, gerichtlicher und außergerichtlicher Menschrechtsschutz im Europarat, Menschrechtsrechtsschutz im Rahmen der Vereinten Nationen sowie Internationale Strafgerichtsbarkeit. Abschließend widmet sich das letzte Kapitel den Anknüpfungspunkten an Theorien internationaler Beziehungen.

Inhalt

Kapitel 1 führt in das Thema Menschenrechte ein. Menschenrechte gelten als universell – also ausnahmslos für jeden Menschen, und sind unteilbar und interdependent. Ein Schaubild listet die Rechte des UN-Zivilpakts (bürgerliche und politische Rechte wie z. B Selbstbestimmungsrecht der Völker, Diskriminierungsverbot, Recht auf Leben) sowie des UN-Sozialpakts (wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, wie z.B. Selbstbestimmung der Völker, Recht auf Arbeit, Recht auf soziale Sicherheit) auf. Staatliche Menschenrechtsverpflichtungen werden dargestellt (Achtung der Menschenrechte durch den Staat, Schutz vor Eingriffen Dritter in die Menschenrechte, Gewährleistung der Menschrechte durch staatliche Verpflichtung). Kapitel 2 fokussiert Menschrechtspolitik als die „Gesamtheit der – diskursiv und argumentativ geschützten – rechtlich-institutionellen (polity), prozessualen (politics) und inhaltlichen (policy) Aspekte des politischen Handelns internationaler Organisationen sowie staatlicher und nichtstaatlicher Akteure …“ (S. 30).

Der 2. Teil beginnt mit dem Themenkomplex Empowerment, NGOs und soziale Bewegungen (Kapitel 3). Menschenrechtspolitik ist eine Querschnittspolitik und umfasst somit eine Vielzahl von Politikfeldern. Menschrechtliches Empowerment fokussiert Individuuen als Inhaber:innen der Menschenrechte. Konstatiert wird ihre strukturell schwache Position „gegenüber jenen mächtigen Akteuren, die ihre Menschenrechte verletzen oder umzusetzen haben“ (S. 37). Ziel ist Individuen „trotz ihrer strukturell schwachen Machtposition“ zu ermächtigen, „die eigenen Menschenrechte und die Menschenrechte anderer wirksam einzufordern und durchzusetzen“ (S. 38). Nichtstaatliche Menschrechtsorganisationen (NGOs) werden dem „dritten Sektor“ zwischen Wirtschaft und Staat zugeordnet, sind Teil der Zivilgesellschaft und daher relevante lokale, regionale sowie globale Akteure. NGOs und NGO-Allianzen unterscheiden sich je nachdem welche menschenrechtlichen Probleme diese bearbeiten. „Einige setzen sich für eine große Vielfalt menschrechtlicher Themen ein, andere fokussieren einzelne Rechte und Probleme“ (S. 41). Handlungsfelder sind u.a. Menschenrechtsbeobachtung, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, öffentliche Proteste und Kampagnen, Beratung, Lobby-Arbeit, Empowerment sowie Hilfe für Betroffene und Hinterbliebene. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Anknüpfungspunkten an die Bewegungsforschung. Dieser Abschnitt umfasst Gedanken zu Themen wie bspw. „Unzufriedenheit als Movens“ („Die Idee, dass individuell wahrgenommene und kollektiv verstärkte Unzufriedenheit eine wesentliche Antriebskraft für soziale Bewegungen darstellt …“ (S. 56)); „Mobilisierung von Ressourcen“ (Grundannahme, dass kollektives Handeln von erforderlichen Ressourcen abhängt und nicht (nur) von Unzufriedenheit und Unmut); „Framing-Prozesse“ (Entstehung und Wandel kollektiver Deutungsmuster innerhalb sozialer Bewegungen werden fokussiert); „Repression und Repressionsrepertoire“ (Unterdrückungsgewalt – z.B. in Form von Diffamierung und Kriminalisierung, wirtschaftliche bzw. soziale Sanktionen, Strafverfolgung – und ihre Auswirkungen).

Der 3. Teil widmet sich der staatlichen Menschenrechtspolitik und beginnt mit Kapitel 5 Menschenrechtsansatz und Menschenrechtsberichte. Zunächst werden Merkmale eines Menschenrechtsansatzes in der staatlichen Politik dargestellt (u.a. Menschenrechte als zentraler Bezugsrahmen staatlicher Politik, Anerkennung der Menschen Rechtsinhaber und der Staaten als primäre Pflichtenträger). Sodann wird sich dem Thema Menschrechtsberichte der Bundesregierung gewidmet. Kapitel 6 beschäftigt sich mit der staatlichen Menschenrechtsinnenpolitik Deutschlands. Deutschland gehört zu 53 Staaten, die mindestens 15 der 18 UN-Kernabkommen ratifiziert haben (S. 89), d.h. als gesetzgebende Körperschaft diesen völkerrechtlichen Vertrag in Kraft gesetzt haben. Die Themenbreite „einer nach innen gerichteten Menschenrechtspolitik lässt sich in mehreren Berichten ablesen“, so Krennerich (S. 93). Benannt werden u.a. bürgerlich-politisch, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie Rechte von Frauen und von Kindern. Weitere Aspekte umfassen Menschen mit Behinderung, ältere Menschen sowie Trans*/Inter*. Kapitel 7 benennt Anknüpfungspunkte an die Policy-Forschung. Politikfeldanalyse (Policy-Forschung) unterstützt die Untersuchung von Menschenrechtspolitik innerhalb von Nationalstaaten. Erschwert wird diese Analyse jedoch dadurch, dass es sich um eine Querschnittspolitik handelt (S. 105). Dargestellt wird sodann ein Policy-Zyklus, der Politik als Prozess der Problemverarbeitung versteht und aus folgenden Phasen besteht: Problemdefinition, Agenda-Setting, Politikformulierung, Implementierung (Umsetzung der Politik) und Evaluation. Das Kapitel schließt mit Ausführungen zum Parteiendifferenzansatz, zu Advocacy-Koalitionen und zum Thema Politisches Lernen. Kapitel 8 nimmt die staatliche Menschenrechtsaußenpolitik Deutschlands in den Blick, die auf die internationale Förderung der Menschenrechte weltweit abzielt und „… sich gerade auch gegenüber jenen Staaten beweisen [muss], welche die Menschrechte verletzen“. (S. 128) Der Auftrag wird aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleitet und gründet sich weiterhin auf der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen und dem Europarat. Weitere Abschnitte des Kapitels widmen sich den Akteuren, der Vielfalt der Themen sowie den Instrumenten dieser Außenpolitik. Das Kapitel schließt mit der Darstellung der Debatte um „Werte versus Interessen“. Kapitel 9 benennt Anknüpfungspunkte an die Außenpolitikanalyse. Beschrieben werden kognitive und psychologische Ansätze sowie innenpolitische, regierungszentrierte Ansätze.

Der 4. Teil Regionale und globale Menschrechtspolitik startet mit dem Thema Grundrechtsschutz und Menschenrechtspolitik der EU (Kapitel 10). „Werden menschenrechtliche Probleme im Inneren der EU angesprochen, dann geht es im EU-Sprachgebrauch meist um Grundrechte (fundamental rights), die im Primär- und Sekundärrecht der EU verankert sind.“ (S. 153) Die Charta der Grundrechte ist dabei Teil des Primärrechts der Union. „Die Charta findet auf alle Maßnahmen von EU-Organen Anwendung und ist für die Mitgliedsstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht maßgeblich“. (S. 153) Über die Einhaltung gibt ein jährlicher Bericht Rechenschaft ab. Ein weiterer Abschnitt fokussiert Menschenrechte im auswärtigen Handeln der EU und benennt u.a. entsprechende Instrumente (z.B. Menschenrechtsleitlinien, Länderstrategien, Projektförderung, Sanktionen). Kapitel 11 trägt den Titel Der Europarat – Hüter der Menschenrechte in Europa? Dem Europarat gehören aktuell 46 Mitgliedsstaaten an und hat seinen Sitz in Straßburg. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) „ist das Herzstück des europäischen Menschrechtsschutzes, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das zentrale Organ zum Schutz der darin verbrieften Rechte. […] Die Urteile des EGMR sind verbindlich und müssen von den betreffenden Staaten umgesetzt werden“. (S. 167) Kapitel 12 fokussiert die „Menschliche Dimension“ der OSZE. Die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) umfasst 57 Mitgliedsstaaten, darunter alle Staaten Europas und der ehemaligen Sowjetunion sowie die USA und Kanada (S. 173) Kapitel 13 beschäftigt sich mit dem regionalen Menschenrechtsschutz in anderen Weltreligionen und fokussiert sich „auf den für Deutschland besonders wichtigen europäischen und globalen Menschrechtsschutz“. (S. 176) Kapitel 14 widmet sich der Menschrechtspolitik im Rahmen der Vereinten Nationen. Dieser setzt an der UN-Charta von 1945 an. Kernabkommen des UN-Menschenrechtsschutzes werden aufgelistet, die verschiedenen Institutionen benannt. Weitere Inhalte des Kapitels sind der Menschenrechtsrat, die UN-Sonderberichtserstattung sowie die UN-Menschenrechtsvertragsorgane. Kapitel 15 umfasst internationale Sanktionen, Kapitel 16 die internationale Strafgerichtsbarkeit. Teil 4 des Buches schließt mit Anknüpfungspunkten an Theorien internationaler Beziehungen (Kapitel 17). Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit (neo)realistischen Ansätzen, dem Liberalismus sowie dem Konstruktivismus. Es folgt eine Funktionsanalyse von internationalen Menschrechtsinstitutionen anhand ihrer Instrumente, Arenen und Akteure. Weitere Abschnitte wenden sich der transnationalen Menschenrechtspolitik und dem Spiralmodell des Menschenrechtswandels zu.

Das Buch endet mit Schlussbetrachtungen des Autors und dem Fazit, dass „die Umsetzung der Menschenrechte ein höchst anspruchsvolles, kritisch-emanzipatorisches politisches Projekt [ist]“. (S. 247)

Diskussion

Das Buch hat zwei Zielsetzungen: Einerseits eine Einführung in die vielfältigen Themen, Akteure und Institutionen der Menschenrechtspolitik zu geben. Andererseits Unterstützung zu geben, wie sich Menschenrechtspolitik konzeptionell fassen und untersuchen lässt.

Diesen Zielsetzungen wird das Buch gerecht. Primär für die Politikwissenschaft geschrieben und sicherlich nicht leichtgängig für angehende Sozialarbeiter:innen (über 400 Fußnoten) bietet es jedoch eine wichtige Reflexionsgrundlage für die eigene Arbeit respektive Haltung. Die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession ist Thema des Studiums und Haltung zugleich. Eine eingehende Beschäftigung mit den politischen Dimensionen bzw. dem politischen Kontext von Menschenrechten ist m.E. lohnenswert.

Das Studienbuch ist aus meiner Sicht nicht nur für Studierende der Politikwissenschaft geeignet, sondern ebenso für Studierende der Sozialen Arbeit und der Sozialpädagogik.

Fazit

Das Studienbuch ist eine gute und gleichzeitig herausfordernde Grundlage und Unterstützung für das Studium der Sozialen Arbeit. Primär für die Politikwissenschaften geschrieben, ist es auch für Studierende der Soziale Arbeit geeignet, sich eingehend mit der politischen Dimension und Vielfalt des Themas Menschenrechte zu beschäftigen.

Rezension von
Prof. Dr. Andrea Warnke
Professorin für Soziale Arbeit, IU Duales Studium, Campus Bremen
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Es gibt 29 Rezensionen von Andrea Warnke.

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Zitiervorschlag
Andrea Warnke. Rezension vom 20.11.2023 zu: Michael Krennerich: Menschenrechtspolitik. Eine Einführung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2023. ISBN 978-3-8252-5948-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30548.php, Datum des Zugriffs 11.09.2024.


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