Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Luise Reddemann: Imagination als heilsame Kraft

Rezensiert von Dr. Lorenz Grolig, 28.09.2023

Cover Luise Reddemann: Imagination als heilsame Kraft ISBN 978-3-608-89178-2

Luise Reddemann: Imagination als heilsame Kraft. Ressourcen und Mitgefühl in der Behandlung von Traumafolgen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2022. 23., vollständig überarbeitete Neu Auflage. 245 Seiten. ISBN 978-3-608-89178-2. D: 27,95 EUR, A: 28,80 EUR.
Reihe: Leben lernen - 141.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Zählpixel

Thema

Menschengemachte Gewalt jeglicher Art, aber auch schwerwiegende körperliche Erkrankungen, Unfälle und Naturkatastrophen können bei direkt Betroffenen und Augenzeug*innen zur Entwicklung von psychischen Störungen führen. Die Behandlung von Traumafolgestörungen, insbesondere von posttraumatischen Belastungsstörungen, stellt Psychotherapeut*innen vor besondere Herausforderungen.

Mittlerweile gilt als erwiesen, dass eine Konfrontation mit den traumatisierenden Ereignissen in fast allen Fällen ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie ist, um eine deutliche Reduktion der Sympotmatik und eine Verbesserung der Lebensqualität erreichen zu können. Gleichzeitig wird kontrovers diskutiert, welche Arten von Konfrontation wirksam sind, und wie die hierdurch entstehende Belastung für die Patient*innen reduziert werden kann, die mitunter zu Therapieabbrüchen führen kann.

Imaginationsübungen sind mittlerweile ein wichtiger Bestandteil verschiedener traumatherapeutischer Ansätze (z.B. Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie von Reddemann; Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy von Mervyn Schmucker), auch infolge der einflussreichen Arbeiten von Luise Reddemann.

Das Buch von Luise Reddemann erschien erstmals 2001 und kann schon fast als Klassiker der Traumatherapie bezeichnet werden. Es stellt zahlreiche Möglichkeiten vor, wie Therapeut*innen durch spezifische Imaginations-Übungen in der Behandlung Ressourcen aktivieren und das Selbstmitgefühl der Patient*innen verbessern können, um mehr innere Stabilität und einen neuen Selbstumgang zu erreichen und die großen Herausforderungen während der Traumatherapie bewältigen zu können. Ergänzend zu einer Rezension der 14. Auflage werden hier ausgewählte Inhalte der 23. Auflage vorgestellt (vollständige Überarbeitung von 2016).

Autorin

Prof. Dr.med. Luise Reddemann ist Nervenärztin, Psychoanalytikerin und Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin. Seit gut 50 Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Trauma und Traumafolgestörungen. Von 1985 bis 2003 war sie Leiterin der Klinik für Psychotherapie und psychosomatische Medizin des Ev. Johannes-Krankenhauses in Bielefeld und entwickelte dort ein Konzept zur Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen, die »Psychodynamisch imaginative Traumatherapie« (PITT).

Luise Reddemann führt zahlreiche Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen durch. Im Rahmen ihrer Honorarprofessur an der Universität Klagenfurt für medizinische Psychologie und Psychotraumatologie widmet sie sich den Arbeitsschwerpunkten Resilienz sowie Folgen von kollektiven Traumatisierungen.

 

Aufbau und Inhalt

Das Buch umfasst folgende Teile:

  • Einleitung: Grundlegende Gedanken zu Trauma und Traumabehandlung
  • 1. Teil: Innere Stabilität finden
  • 2. Teil: Heilsamen Umgang mit dem Körper lernen
  • 3. Teil: Dem Schrecken begegnen
  • 4. Teil: Kunstpsychotherapie im Prozess der Traumaheilung von Susanne Lücke
  • 5. Teil: Die eigene Geschichte annehmen und integrieren
  • 6. Teil: Zur psychodynamisch-imaginativen Traumatherapie mit Kindern und Jugendlichen von Cornelia Appel-Ramb
  • Anhang: Die wichtigsten Therapieschritte
  • Verzeichnis der Übungen

Der große „Bogen“ im Therapieprozess besteht aus Reddemanns Sicht darin, erstens eine ausreichende innere Stabilisierung zu erreichen, zweitens eine Traumakonfrontation anzuleiten, und drittens das Trauma in die Lebensgeschichte der Patient*innen zu integrieren und einen Neubeginn zu ermöglichen.

Übungen zur Erhöhung der inneren Stabilität sind beispielsweise Übungen zur Arbeit mit inneren Anteilen aus verschiedenen Lebensphasen (z.B. das innere Team), entlastende Übungen (z.B. Tresorübung; Gepäck ablegen) und Übungen zur Stärkung des Sicherheitsgefühls (z.B. der innere Garten, der sichere Ort).

Für die Traumakonfrontation können distanzierende Techniken verwendet werden, indem beispielsweise in der innere Vorstellung der Patient*innen nicht die (damalige) Person die traumatisierende Situation aufsucht, sondern ein beobachtender Teil aus einer sicheren Position heraus die Szene wahrnimmt.

Neben und nach der Traumakonfrontation setzen häufig Trauerprozesse ein, in denen es um die Verluste im Zusammenhang mit dem Trauma geht. Um Trauer zulassen und diese neue Trauererfahrung zum Ausdruck bringen zu können, sind oft (kreative) Übungen hilfreich, wie beispielsweise Briefe zu schreiben an wichtige Menschen (ohne diese abzuschicken) oder sich selbst in der Vorstellung als altem, weisen Menschen zu begegnen.

Diskussion

In diesem Buch teilt die Autorin ihre jahrezehntelange Erfahrung in der Arbeit mit traumatisierten Menschen, während der sie eine Vielzahl von Ansätzen gefunden hat, die in der Therapie nutzbringend eingesetzt werden können. Angenehm fällt hierbei auf, dass die Autorin zwar grundlegende Überzeugungen in der Traumatherapie vertritt – zum Beispiel, dass die Entwicklung von Mitgefühl auf therapeutischer Seite durch Einfühlung und Anerkennung des Leids unverzichtbar ist –, aber gleichzeitig eine große Offenheit und Flexibilität in der therapeutischen Arbeit beschreibt.

Fazit

Dieses Buch ist sehr nützlich für alle, die traumatherapeutisch arbeiten und Orientierung und Inspiration für die Gestaltung von Stabilisierungprozessen und das Anregen hilfreicher innerer Bilder suchen.

Rezension von
Dr. Lorenz Grolig
Mailformular

Es gibt 14 Rezensionen von Lorenz Grolig.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245