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Corinna Oswald, Janina Meeß: Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 03.07.2023

Cover Corinna Oswald, Janina Meeß: Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien ISBN 978-3-7841-3409-3

Corinna Oswald, Janina Meeß: Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien. Methodenhandbuch. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2022. 2., aktualisierte Auflage. 294 Seiten. ISBN 978-3-7841-3409-3. D: 25,00 EUR, A: 25,70 EUR.
Reihe: Jugendhilfe.

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Thema

Das Risiko, als Kind aus einer suchtbelasteten Familie, im Erwachsenenleben selbst eine Abhängigkeitserkrankung und/oder eine andere psychische Erkrankung zu entwickeln, ist bekanntermaßen hoch. Um den jungen Menschen aus solch belasteten Familiensystemen bestmöglich zur Seite zu stehen und eben dem Kreislauf aus Sucht und Erkrankung entgegenzuwirken, stellen die Autorinnen zahlreiche Arbeitsmaterialien für Einzel-, Gruppen- und Familiensettings zur Verfügung. Darüber hinaus werden Vorschläge für Freizeitaktivitäten in der Gruppe aufgezeigt sowie die Frage beantwortet, wann und wie Elternberatung durchgeführt werden kann. Die vorliegende zweite Auflage ist um mehrere Arbeitsmaterialen und zusätzliche Verweise auf Broschüren, Bücher und Spiele erweitert worden. Außerdem widmen sich die Autorinnen intensiv dem Thema FASD. So stellen sie Methoden zur Prävention von FASD vor sowie Vorgehensweisen für die Psychoedukation bei FASD-Betroffenen.

AutorInnen

Corinna Oswald ist Diplom-Psychologin und Gesprächstherapeutin, Janina Meeß Diplom-Sozialarbeiterin/-pädagogin sowie systemische Beraterin und Therapeutin. Beide sind hauptberuflich im Beratungs- und Behandlungszentrum des Caritasverbandes Schaumberg-Blies tätig sowie als Lehrbeauftragte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes im Studiengang Pädagogik der Kindheit

Aufbau und Inhalt

Nach einem ausführlichen Einstieg, zu dem neben einem Vorwort der zweiten Auflage auch das der ersten Auflage sowie ergänzende Anmerkungen der Autorinnen zur Neuauflage, eine thematische Einleitung sowie eine detaillierte Beschreibung des Aufbaus gehören, gliedert sich das Buch in drei große inhaltliche Blöcke: Methoden und Materialien in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, Freizeitaktivitäten und Elternberatung. Den Abschluss des Buches bilden Literaturhinweise für Betroffene, eine ausführliche Liste von Fachbüchern sowie Onlineberatungs- und Fortbildungsangebote zum Thema Kinder aus suchtbelasteten Familien.

Um keine Inhalte der Rezension der Erstauflage zu reproduzieren, soll an dieser Stelle vor allem das Bereich FASD besprochen werden, der in der zweiten Auflage als komplett neuer Inhalt hinzugekommen ist. Zunächst wird kurz und prägnant dargestellt, was FASD ist. Dass das Thema in diesem Buch behandelt wird, hat zwei Gründe. Zum einen geht es um Prävention: Wer um die Gefahren und die Unvorhersehbarkeit von Folgen des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft weiß, kann entsprechend abstinent leben als werdende Mutter. Hierbei gerade Jugendliche oder Heranwachsende aus suchtbelasteten Familien im Blick zu haben, erscheint besonders sinnvoll, wie die Autorinnen deutlich herausstellen (S. 216): „Geht man davon aus, dass die (…) Kinder und Jugendlichen, die in suchtbelasteten Familien aufwachsen, ein signifikant höheres Risiko [haben, selbst Suchtverhalten zu entwickeln im späteren Leben; Anm. des Rezensenten] so stellen gerade sie unbedingte Adressat*innen einer Aufklärung (…) dar“. Deutlich wird an dem gegenderten Begriff, dass hier nicht nur die Frauen als potenziell aktive Schädigerinnen des Ungeborenen in den Blick genommen werden, sondern auch die Männer in die Pflicht genommen werden, als werdende Väter die Gefahren des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft zu kennen und entsprechend auf Abstinenz der werdenden Mutter hinzuwirken.

Ein weiterer Aspekt, weswegen die Beschäftigung mit FASD im thematischen Kontext des Buches wichtig ist, ist die Psychoedukation – sowohl für betroffene Kindern als auch Erwachsene, die mit FASD-Betroffenen in Kontakt sind. Die Autorinnen scheuen sich in diesem Themenfeld auch nicht, eine ethisch anspruchsvolle Frage zu diskutieren: Darf man einem Kind sagen, dass seine besonderen Verhaltensweisen, seine Behinderung ursächlich durch die Mutter verursacht wurde? Oder muss man es vielleicht sogar?

Da es sich um ein Arbeitsbuch handelt, folgen auf diesen einführenden Teil Methoden, um mit jungen Menschen am Thema Alkoholkonsum (aber auch Nikotinkonsum) und Schwangerschaft zu arbeiten. Dabei kommen praktische Übungen wie der Geruchsvergleich oder die Wirkung von hochprozentigem Alkohol auf ein Ei als auch beeindruckende Bilder (Strampler gesundes Kind vs. Strampler FASD-bedingter Minderwuchs) zum Einsatz. Wie in den anderen Kapiteln auch folgt auch hier eine große Liste mit Filmen, (Bilder)-Büchern und weitergehenden Materialien, die sowohl für Klient*innen als auch Fachkräfte geeignet ist.

Diskussion

Zunächst einmal gilt es, den Autorinnen ein Kompliment zu machen. In der socialnet-Rezension zur ersten Auflage war noch kritisiert worden, dass sich das Thema FASD nur im Literaturverzeichnis wiederfindet. Dass es nun einigen Raum einnimmt, ist ein positives Beispiel dafür, wie sachlich begründete Kritik umgesetzt werden sollte. In diesem Zusammenhang weiß der Titel damit zu überzeugen, dass deutlich dargestellt wird, welche Änderungen es im Vergleich zur Erstauflage bei dieser Neuauflage gibt. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich. Ebenfalls ein großer Pluspunkt ist die umfangreiche online verfügbare Materialsammlung, für die sich die Zugangsdaten im Buch finden.

Aber auch inhaltlich weiß das Buch zu überzeugen und beweist durchgehend seine Praktikabilität. Hier haben Fachfrauen aus der Praxis für Fachkräfte in der Praxis geschrieben.

Inhaltlich weiß das Buch durch eine unglaubliche Vielfalt von praktischen Tipps für die alltägliche Arbeit zu überzeugen. Die oben exemplarisch für das FASD-Kapitel beschriebenen Experimente und Methoden beeindrucken schon beim Lesen und wecken Lust, sie in die Praxis umzusetzen. Dieser enorm hohe Praxisanteil ist die Stärke des Buches, das offensichtlich gar nicht den Anspruch hat, tiefergehendes Wissen zu vermitteln. Insofern ist es völlig in Ordnung, dass theoretisches Wissen zu den einzelnen Themenblöcken nur äußerst rudimentär vermittelt wird. Wo Methodenhandbuch drauf steht, ist eben auch Methodenhandbuch drin – und das ist auch sehr gut so.

Fazit

Für Fachkräfte, die in suchtbelasteten Familiensystemen dürfte dieses Buch einen deutlichen Mehrwert haben. Praktische Tipps für die alltägliche Arbeit und kleine Häppchen an wissenswerten Informationen unterstützen nicht nur Berufseinsteiger*innen, sondern auch erfahrene Fachkräfte. Dieses Buch zielt auf konkrete Werkzeuge im methodischen Handwerkskoffer ab – eine tolle Bereicherung.

Rezension von
Wolfgang Schneider
Sozialarbeiter
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Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 03.07.2023 zu: Corinna Oswald, Janina Meeß: Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien. Methodenhandbuch. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2022. 2., aktualisierte Auflage. ISBN 978-3-7841-3409-3. Reihe: Jugendhilfe. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30590.php, Datum des Zugriffs 12.09.2024.


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