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David Braun, Almut Helmes et al.: Therapie-Tools Angst bei Menschen mit geistiger Behinderung

Rezensiert von Tamara Glasl, 05.02.2024

Cover David Braun, Almut Helmes et al.: Therapie-Tools Angst bei Menschen mit geistiger Behinderung ISBN 978-3-621-28877-4

David Braun, Almut Helmes, Jürgen Bengel: Therapie-Tools Angst bei Menschen mit geistiger Behinderung. Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial in Leichter Sprache. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2023. 176 Seiten. ISBN 978-3-621-28877-4. D: 44,95 EUR, A: 46,50 EUR.

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Thema

Das Buch „Angst bei Menschen mit geistiger Behinderung“ widmet sich der „Versorgung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und einer Angststörung“ (S. 9). Obwohl Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen überdurchschnittlich häufig von psychischen Erkrankungen betroffen sind, fehlt es häufig an Möglichkeiten einer adäquaten Behandlung (vgl. S. 10). Das Buch soll somit einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke beitragen und entsprechendem Fachpersonal fachliche Hinweise und konkrete Arbeitsmaterialien zur Hand geben (vgl. S. 9–10).

Entstehungshintergrund

Das Buch ist Teil der Reihe „Therapie-Tools“ des Beltz Verlags. Die Reihe bietet Arbeitsmaterialen zu unterschiedlichen psychologisch-sozialen Problemstellungen und richtet sich insbesondere an Psychotherapeut*innen. Die Besonderheit des vorliegenden Werkes ist der Fokus auf Menschen mit geistiger Behinderung. Es ist damit das zweite Buch, dieser Reihe, dass sich auf die Versorgung von Menschen mit intellektuellen Einschränkungen spezialisiert hat (vgl. S. 9).

Autor*innen und Mitwirkende

Als Autor*innen werden M.Sc. David Braun (Psychologe und angehender Psychotherapeut), Dr. phil. Almut Helmes (Psychologin und Psychotherapeutin) und Prof. Dr. phil. Dr. med. Jürgen Bengel (Psychologe, Arzt und Psychotherapeut) angeführt. Die drei Autor*innen arbeiten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in der Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie am Institut für Psychologie der Universität Freiburg. Überdies wurde Expertise von weiteren Personen im In- und Ausland eingeholt (siehe Vorwort) (vgl. S. 9).

An dieser Stelle erwähnenswert ist die Mitwirkung der Lebenshilfe Bremen, die die Materialien durch Bilder ergänzten (vgl. S. 210).

Aufbau

Vor dem inhaltlichen Teil erhalten die Leser*innen eine Übersicht über die Arbeits- und Informationsblätter. Im Rahmen eines Vorworts erfolgt eine erste thematische Annäherung. Es folgenden Hinweise zur Arbeit mit dem Buch und eine Einführung in die Arbeit mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Anschließend beginnt der eigentliche Aufbau des Buches, wie folgt:

  1. Psychologische Diagnostik
  2. Beginn der Therapie
  3. Psychoedukation
  4. Expositionsübungen
  5. Achtsamkeits-, Sinnes- und Körperwahrnehmungsübungen
  6. Training sozialer Kompetenzen
  7. Abschluss der Therapie

Inhalt

Die Leser*innen erhalten zu Beginn eine Einführung in die Besonderheiten der Psychotherapie von Angststörungen bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Dabei liegt der Fokus auf Informationen zum Thema geistige Behinderung und die Besonderheiten im Zusammenspiel mit psychischen Störungen. Im Verlauf wird über die Wirksamkeit von Psychotherapie bei Menschen mit geistiger Behinderung aufgeklärt und anschließend einige Grundlagen in der Arbeit mit betroffenen Menschen besprochen (vgl. S. 10–19).

Psychologische Diagnostik

Das erste Kapitel beginnt mit einer Information über Diagnosekriterien und Besonderheiten von Angststörungen bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Dabei erhalten die Leser*innen Hinweise zur Anpassung geläufiger Prozesse, Abläufe und Materialien, auf die Bedürfnisse von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen (vgl. S. 24–37. Es folgt eine visualisierte und vereinfachte Darstellung des SORKC-Schemas (vgl. S. 38–39) und eine Anleitung zur Erarbeitung einer Lebenslinie (vgl. S. 40).

Beginn der Therapie

Im zweiten Kapitel werden den Leser*innen zunächst im Rahmen einer Einführung Inhalte zu Beziehungsaufbau, Behandlungsauftrag, Motivationsaufbau und organisatorische Aspekte vermittelt (vgl. S. 41–42). Es folgen 9 Arbeitsblätter in Leichter Sprache, die die ersten Schritte der gemeinsamen Arbeit begleiten können. So können z.B. gemeinsame Ziele entwickelt werden (vgl. S. 45–46) und eine positive Zukunftsversion aufgebaut werden (vgl. S. 50).

Psychoedukation

Das folgende Kapitel widmet sich, im Rahmen der Psychoedukation, vor allem der Vermittlung von „Wissen über das Störungsbild, die damit einhergehenden Symptomatik und Behandlungsmöglichkeiten“ (S. 61). Auch hierfür gibt es Beschreibungen in Leichter Sprache, visualisiert durch Bilder. Mithilfe von Übungen können eigene Ängste erkundet werden (vgl. z.B. S. 79). Im Kapitel gibt es auch Informationen für Angehörige von Menschen mit geistiger Behinderung und Angststörungen (vgl. S. 74–75). Am Ende des Kapitels gibt es ein Angst-Quiz mit dem das gelernte Wissen überprüft werden kann, auch dieses in Leichter Sprache (vgl. S. 101–102). 

Expositionsübungen

Kapitel vier widmet sich in zehn Arbeitsblättern verschiedenen Möglichkeiten von Expositionsübungen (vgl. S. 103). Die Arbeitsblätter begleiten den Prozess vor, während und nach der Durchführung der Übungen. Um Veränderungen zu dokumentieren und sichtbar zu machen, werden in vielen Übungen Skalierungsfragen eingesetzt. Auf der letzten Seite gibt es eine Vorlage für ein Tagebuch zu Angst-Übungen. So können Übungen auch außerhalb der Therapie, im Alltag der betroffenen Person, vertieft werden (vgl. S. 126).

Achtsamkeits-, Sinnes- und Körperwahrnehmungsübungen

Im fünften Kapitel liegt der Fokus auf Übungen zu Achtsamkeit, Sinnes- und Körperwahrnehmung. Ziel ist es „die Rolle eines Betrachters einzunehmen und sich wertungsfrei mit dem eigenen, unmittelbaren Erleben zu beschäftigen“ (S. 127). Das Kapitel beschreibt verschiedene Übungen, die Fachkräfte in der Therapie einsetzen können – zum Beispiel eine Atemübung (vgl. S. 136). Des Weiteren gibt es Arbeitsblätter in Leichter Sprache, die Klient*innen (bzw. Patient*innen) auch alleine im Alltag bearbeiten können – zum Beispiel Achtsamkeit im Alltag (vgl. S. 141).

Training sozialer Kompetenzen

In Kapitel sechs rücken die sozialen Kompetenzen und Möglichkeiten, diese auf und aus zu bauen in den Fokus (vgl. S. 146). Das Kapitel enthält neben Arbeitsblättern in Leichter Sprache, z.B. für die Auseinandersetzung mit den Grenzen anderer Menschen (vgl. S. 153–154) und den eigenen Grenzen (vgl. S. 175) auch eine Anleitung zur Durchführung von Rollenspielen (vgl. S. 157).

Abschluss der Therapie

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit dem Ende einer Therapie und der Frage, wie dieses zielgruppenspezifisch gestaltet werden kann (vgl. S. 179). Das Kapitel enthält vor allem Übungen und Arbeitsblätter, die Erfolge und Verbesserungen auch nach der Therapie aufrechterhalten sollen – zum Beispiel einem Positiv-Tagebuch (vgl. S. 190–191) und einem Wohlfühl-Koffer (vgl. S. 196–1997). Das Buch schließt mit einigen Selbstreflexionsfragen für Therapeut*innen (vgl. S. 205–206).

Diskussion

Als Sozialarbeiterin begrenze ich mich in der Diskussion auf Inhalte, die für die sozialarbeiterische Praxis mit Menschen mit geistiger Behinderung und Ängsten relevant sind. Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass auch für Psychotherapeut*innen, gerade jene ohne Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Behinderung, die Arbeitsmaterialien und die kurzen und knappen Erläuterungen ein großer Gewinn sein dürften. Hilfreich ist es sicherlich auch, dass die Autor*innen auch auf Materialien in Leichter Sprache aus anderen Werken (vgl. S. 43 und 148) verweisen. Somit steht Leser*innen insgesamt ein sehr umfangreiches Repertoire an verschiedensten Arbeitsmaterialien für unterschiedliche Problembereiche zur Verfügung.

Um den Rahmen dieser Rezension nicht zu sprengen, beschränke ich mich an wenigen Beispielen auf die beiden Arten der vorhandenen Materialien – Informationsblätter und Arbeitsblätter.

Gute Informationsmaterialien in Leichter Sprache sind die Basis für Aufklärung und Bildung bei Menschen mit geistigen Behinderungen. Dieser Bedarf setzt weit vor dem Therapiebeginn an. Die Entscheidung eine Therapie zu starten oder sie zu verweigern, wird in Familien oder in Einrichtungen getroffen, doch hier fehlt zuverlässige und verständliche Information. Mit diesem Problem, im Hinterkopf, sind die Informationsblätter dieses Buches ein Gewinn, die, so hoffe ich, auch Zugangsbarrieren abbauen könnten. Schwere Begriffe wie Angora-Phobie (vgl. S. 68) oder Panikstörung (vgl. S. 71) werden damit erklärbar und verlieren möglicherweise an Schrecken.

Ebenso schließen auch die Arbeitsblätter einen Teil der Versorgungslücke. Gerade die Übungen, die betroffene Personen in ihren Alltag integrieren können, bieten über die Psychotherapie hinaus auch Chancen für Lebensbereiche wie Wohnen, Arbeiten und Freizeit. Gerade dann, wenn ein guter und enger Austausch zwischen allen beteiligten Personen besteht, können Übungen wie Tagebuch für Angst-Übungen (vgl. S. 126) in alltäglichen Situationen durchgeführt werden.

Insgesamt muss man sagen, dass die Arbeitsblätter, Übungen und Informationsmaterialien über die Psychotherapie hinaus schier grenzenlose Möglichkeiten aufweisen. Ich hoffe, das Buch wird zahlreich gelesen und angewendet. Abschließend hoffe ich, dass diese Rezension den Beltz-Verlag und mögliche Autor*innen in ihrem Vorhaben in Leichter Sprache zu veröffentlichen, bestärken. Es reiht sich hoffentlich bald ein weiterer Band in diese Reihe ein. 

Fazit

Das Buch „Angst bei Menschen mit geistiger Behinderung“ widmet sich der psychischen Gesundheit von Menschen mit geistiger Behinderung und setzt dabei einen Fokus auf Ängste und insbesondere auf Angststörungen. Die Materialien sind, entsprechend der Zielgruppe, in Leichter Sprache aufgearbeitet und visualisiert. Ein sehr lesenswertes Buch, dass für viele Fachkräfte rund um die Zielgruppe herum einen Mehrwert darstellen kann.

Rezension von
Tamara Glasl
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Es gibt 9 Rezensionen von Tamara Glasl.

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ISSN 2190-9245