Brigitte Hettenkofer: Team-Resilienz
Rezensiert von Prof. (i.R.) Dr. Hans-Jürgen Balz, 31.05.2024

Brigitte Hettenkofer: Team-Resilienz. Das Geheimnis robuster, optimistischer und lösungsorientierter Teams. BusinessVillage (Göttingen) 2023. 258 Seiten. ISBN 978-3-86980-678-5. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 31,95 sFr.
Thema
Die Fähigkeit sich in Teamstrukturen einzufügen und Teamarbeit mitzugestalten bilden grundlegende Anforderungen in modernen Arbeitswelten. Mit Teamarbeit werden allerdings häufig auch überhöhte Erwartungen verbunden, so sei sie eine Quelle des Lernens, des professionellen Austauschs und der Leistungssteigerung, der psychoemotionalen Entlastung der Mitarbeitenden, des sozialen Zusammenhalts und der Bindung an das Unternehmen. Diese Effekte stellen sich jedoch keinesfalls selbstverständlich ein. Insbesondere die psychischen Belastungen, Krisen und Konflikte stellen Teams und die verantwortlichen Leitungskräfte vor besondere Aufgaben.
Mit ihrem Buch zur Teamresilienz sucht Brigitte Hettenkofer Antworten auf diese Herausforderungen und fragt nach den Einflussfaktoren zur Förderung von psychologischer Sicherheit, Gesundheit und Resilienz in Arbeitsteams. Neben Basiswissen werden von der Autorin Methoden und Tools zur Förderung der psychologischen Sicherheit und der Resilienz vorgestellt. Auch lässt die Autorin die Leser*innen Teil haben an ihren eigenen beruflichen Erfahrungen in der Supervision, dem Training, Führungskräftecoaching und der Teamentwicklung. Ihr Buch schlägt darüber hinaus einen Bogen zum innovativen Ansatz des New Work in seiner Bedeutung für die Neugestaltung von Arbeitsbeziehungen und -organisation.
Entstehungshintergrund
Die Publikation wird im Klappentext als „Reise durch die Kompetenzfelder der Team-Resilienz“ beschrieben. Das Buch ist in der Tat eine Erkundung der für die Teamresilienz wichtigen Einflussfaktoren. Brigitte Hettenkofer bringt in das Buch ihre zwanzigjährige Erfahrung und Leidenschaft für die Stärkung der inneren Kraft, der Gesundheit, der Resilienz und der Unterstützung von Teams in herausfordernden Entwicklungsphasen ein. Insbesondere stellt die Autorin – von Haus aus Diplom Theologin – das von ihr entwickelte Team-Resilienz-Rad vor, weiß aber auch auf Grundlagenfragen u.a. der Förderung von psychischer Sicherheit durch Führungskräfte und die Bedeutung von New Work für die Weiterentwicklung von Teamarbeit einzugehen.
Aufbau und Inhalt
Das Buch mit insgesamt 10 Kapiteln lässt sich in einen Grundlagenteil (Kap. 1–4) und einen eher methodisch geprägten Teil (Kap. 5–10) untergliedern. Die Autorin wählt in ihren Ausführungen einen dialogischen Schreibstil, d.h. sie spricht die Leser*innen an, läd durch Fragen zur Selbstreflexion ein, ermutigt zum Ausprobieren von Übungen und fügt in den Text Zitate und Alltagsanalogien/​-weisheiten zur Unterstreichung ihrer Aussagen ein.
Brigitte Hettenkofer führt die Leser*innen im Grundlagenteil in den Unterschied von individueller und Teamresilienz ein und definiert wichtige Fachbegriffe. Sie geht auf die Frage ein wie sich beide gegenseitig beeinflussen, aber auch voneinander abgrenzen lassen. Inhaltlich wird auf die von Ella Amann zusammengestellten acht Resilienzkompetenzen Bezug genommen, um die Fragen der Gestaltbarkeit von Resilienz zu illustrieren. Interessant sind die Ausführungen zur psychologischen Sicherheit, Grundlage für eine konstruktive, dialogoffene, angstfreie und wertschätzende Teamkultur. Für diese Teamkultur spielt der offene Dialog über Fehler, Versagen und Misserfolge eine entscheidende Rolle, wesentlich zu initiieren bzw. zu fördern durch die Führungskräfte. In der Gestaltung eines Rahmens für die konstruktive gemeinschaftliche Reflexion dieser Erfahrungen und Bewältigung der Herausforderungen sieht die Autorin eine wichtige Quelle für die Teamresilienz.
Im methodisch geprägten zweiten Teil des Buchs (Kap. 5–10) bildet das Resilienzrad einen Schwerpunkt. Kapitel fünf beschreibt das Resilienzrad mit seinen acht Elementen, den dazu hilfreichen Übungen und Tools. Den Anwender*innen stellt Brigitte Hettenkofer dabei frei mit welchem der Themen sie beginnen wollen. Elemente des Resilienzrades sind: Das Schaffen eines aktiven Zukunftsbildes, die Macht des Vertrauens, die Kraftquelle Sinn, die radikale Akzeptanz, die Selbstwirksamkeit und Handhabbarkeit, die Kompetenzen im Team, das Lernen und die Entwicklung, die transparente und achtsame Kommunikation.
In den folgenden Abschnitten des Kapitels fünf werden die inhaltliche Bedeutung der Elemente, die methodische Handhabung von Übungen, Diskussionsimpulsen und Reflexionsaufgaben dargestellt. Die Zusammenstellung der Übungen illustriert die Autorin anhand kurze Praxisschilderungen, die ihre gelingende, gleichzeitig herausfordernde und gelegentlich von Rückschlägen begleitete Arbeit beschreiben. Als logischer Ausgangspunkt erscheint mir die gemeinschaftliche Konstruktion eines Zukunftsbildes und die Verständigung auf Werte für die Zusammenarbeit, beide stellt auch Brigitte Hettenkofer an den Anfang. Hilfreich wäre für das Verständnis des Modells eine Einführung in die Entwicklungsgeschichte des Resilienzrades, seiner Elemente und der dafür vorgestellten Übungen.
Das folgende Kapitel sechs geht ausführlicher auf die Rolle der Teamführung ein und die Führungselemente, die eine gesunde und resiliente Teamarbeit fördern. Schon in ihrer Einleitung hatte die Autorin die Verantwortung der Führungskräfte zur Gestaltung des Teamklimas und der Resilienzförderung hervorgehoben. Das Kapitel 7 greift mit der hybriden Zusammenarbeit (kombiniert in Präsenz und virtuell) einen Trend der modernen Arbeitswelt auf. Insbesondere die Kommunikation und die Vertrauensbildung als Bestandteile der Resilienzförderung sind hier neu zu denken. Ihr Kapitel acht überschreibt Brigitte Hettenkofer mit „Team-Resilienz reist nach New Work“. Sie will damit die nutzbringende Verbindung von Resilienz und innovativer Arbeitsgestaltung im Sinne von New Work aufzeigen. Ausgangspunkt ihrer Betrachtung sind die vier von Schermuly und Geissler (2021) formulierten Aspekte von New Work: Kompetenzwahrnehmung, Erleben von Bedeutsamkeit in der Berufsarbeit, Selbstbestimmung und Einfluss auf die Arbeitsgestaltung und die organisationalen Zusammenhänge.
Kapitel neun – hier zeichnen sich abschließende Umsetzungsfragen zur Resilienzförderung ab – beschreibt das Modell der Co-Kreation. Dies besteht aus vier Arbeitsschritten, die das vertiefende Selbst- und Fremdverstehen und den Weg zur gemeinsamen Entwicklung von Teamkompetenzen thematisieren. Insbesondere soll die Methode dem vorschnellen Aktionismus durch ein vertiefendes Reflektieren und gegenseitiges Zuhören und Kennenlernen anderer Standpunkte und Sichtweisen im Team vorbeugen. Das letzte Kapitel beginnt Brigitte Hettenkofer damit auf positive Effekte der Schaffung eines psychologisch sicheren Umfeldes (Zufriedenheit, geringerer Krankenstand, geringere Personalfluktuation u.a.) zu verweisen. Dennoch ist es ihr ein Anliegen abschließend auch Hindernisse auf diesem Weg (negatives Menschenbild, Kontrollwahn, Leugnung von Paradoxien) zu benennen. Insbesondere in einer gezielten Betrachtung und Akzeptanz von Paradoxien – unausweichliche Spannungsfelder in der betrieblichen Praxis – sieht die Autorin eine Wachstumschance des wechselseitigen Verstehens, indem von Ja-Nein/​Richtig-Falsch Denkmustern hin zu einem Sowohl-als-auch-Denken gekommen wird.
Im kurzen Schlusswort ermutigt Brigitte Hettenkofer Teams zum Nachdenken über Resilienz und zum praktischen Ausprobieren („Done is better than perfect“, S. 246).
Das Buch bietet ein Downloadangebot mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu zehn wichtigen Übungen des Buchs.
Zielgruppen
Angesprochen werden Teammitglieder, die sich für die Entwicklung der Resilienz in ihrem Team einsetzen wollen. Primär können von dem Buch Führungskräfte in der Praxis profitieren, um aus dem Buch Anregungen für die Stärkung der Widerstandskraft ihres Teams abzuleiten. Als Rezeptbuch will die Autorin ihre Publikation jedoch nicht verstanden wissen. Auch bietet das Buch Anregungen für Supervisor*innen und Trainer*innen, um mit Teams an deren Resilienz zu arbeiten, ohne dass diese explizit als Adressat*innen genannt werden.
Diskussion
Das Buch ist mit seiner Verbindung aus unverzichtbaren Grundlagen zur individuellen und Teamresilienz, der Herstellung von konzeptionellen Querverbildungen zum New Work und dem methodisch ausgerichteten Modell des Resilienzrades ein Praxisbuch, das zu einer Systematisierung des Themas beiträgt und interessante Anregungen gibt. Das aus der beruflichen Erfahrung von Brigitte Hettenkofer abgeleitete Resilienzrad bietet einen guten Überblick über relevante Ansatzpunkte zur Stärkung der Resilienz.
Ich würde mir Ausführungen zur Entstehung zu empirischen Belegen der Elemente des Resilienzrades wünschen. Auch müsste den Leser*innen noch klarer die Vorteile dieses Ansatzes im Vergleich zu anderen Trainingsansätzen und Teamentwicklungskonzepten beschrieben werden.
Die Autorin belegt im Buch ihr breites Wissen um grundlegende gruppendynamische Effekte in Teams, theoretische Ansätze im Kontext New Work und des Teamlernens. Das Grundlagenkapitel zur Resilienz gerät m.E. jedoch etwas kurz, sodass beispielsweise interessierte Studierende weitere Literatur hinzunehmen müssten.
Das Buch von Brigitte Hettenkofer ermutigt zu einer Entdeckungsreise hin zu mehr Teamresilienz. Die Autorin richtet sich mit ihrem dialogischen Schreibstil direkt an Teammitglieder und erklärt Grundlagen zur psychologischen Sicherheit und zum Konzept New Work in deren Wechselwirkung zur Teamresilienz. Für die Resilienzförderung stellt Brigitte Hettenkofer im Modell des Resilienzrades relevante Teilprozesse zusammen, läd zum Ausprobieren ein und gibt Reflexionsanregungen und Übungen für die Vertiefung der gemeinsamen Entwicklungsarbeit zu mehr Teamresilienz. Ich wünschte mir darüber hinaus Ausführungen zu den spezifischen Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen des Resilienzrades in Abgrenzung zu anderen Resilienzförderkonzepten.
Fazit
Brigitte Hettenkofer ermutigt Teams zum Nachdenken über Resilienz und zur praktischen Resilienzförderung. Dafür gibt die Autorin den Leser*innen mit dem von ihr entwickelten Resilienzrad eine Landkarte/ thematische Übersicht an die Hand, insgesamt ein inspiriertes Buch einer praxiserfahrenen Trainerin für die eigenverantwortliche Weiterentwicklung der Teamarbeit.
Literatur
Schermuly, C. & Geissler, Ch. (2021). Ergebnisbericht zum New Work-Barometer. https://www.srh-berlin.de/fileadmin/​Hochschule_Berlin/B.A_allgemein/​Ergebnisbericht_NWB_2021.pdf. Abruf: 19.05.2024
Rezension von
Prof. (i.R.) Dr. Hans-Jürgen Balz
von 2002 bis 2023 Dozent für Psychologie (Schwerpunkte Diagnostik und Beratung) an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum. Supervisor, Coach und Weiterbildner im Institut für Lösungsfokussierte Kommunikation (ILK-Bielefeld).
Mailformular
Es gibt 47 Rezensionen von Hans-Jürgen Balz.