Inge Maria Mandac: Lehrer-Eltern-Konflikte systemisch lösen
Rezensiert von Dipl.Päd. Werner Glanzer, 20.03.2024
Inge Maria Mandac: Lehrer-Eltern-Konflikte systemisch lösen.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
2. Auflage.
94 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0432-2.
D: 16,95 EUR,
A: 17,50 EUR.
Reihe: Spickzettel für Lehrer - 3.
Thema
In der Schülersprache ist ein Spickzettel nicht weiter erläuterungsbedürftig, ein gut versteckbarer Hinweisgeber mit wichtigen Informationen. Synonyme zu spicken sind ausrüsten, ausschmücken, ausstaffieren, ausstatten. Die Reihe „Spickzettel für Lehrer“ aus dem Carl-Auer Verlag mit mittlerweile über zwanzig Bänden widmet sich aus systemischer Perspektive unterschiedlichen Thematiken wie z.B. Mobbing, Gesundheit, Klassenrat oder Körpersprache in der schulischen Kommunikation, um einige zu nennen. Der Spickzettel Band 3 für Lehrer zur systemischen Lösung von Lehrer-Eltern-Konflikten liegt in der zweiten Auflage vor. Er will aufzeigen, wie Lehrer-Eltern-Konflikte in der Schule systemisch gelöst werden können. Diese situativ direkte und herausfordernde Begegnung und Konfrontation systemisch produktiv umzulenken und fruchtbar zu machen, dafür gibt es sowohl im Buch als auch online Kopiervorlagen mit theoretischen Bezügen und praktischen Hinweisen.
Autor:in
Inge Maria Mandac ist von Hause aus Lehrerin mit Gesamtschulerfahrung, sie arbeitet u.a. an Schulprogrammentwicklung, ist systemisch-orientierte Beraterin, Elterntrainerin, freiberuflich tätig im Bereich Weiter- und Fortbildung, Schulentwicklung, Fallberatung und Mediation.
Aufbau
Das kleine Buch (94 Seiten) gliedert sich in zwei große Abschnitte, Teil I „Klar und gelassen mit Konflikten umgehen“ und Teil II „Präventiv handeln“. Der erste Abschnitt zeigt mit Konzepten und Beispielen exemplarisch Situationen und Lösungen auf, Teil II zeigt in 16 Punkten Einordnungen und Anregungen zu Kooperation, Kommunikation und Problemlösungsprozessen.
Inhalt
Teil I unterteilt sich in zwei Komplexe:
Konflikte verstehen-Wissenswertes zur Konfliktklärung (Bezug zu Rosenberg und von Thun),
Konflikte klären-Strategien im Umgang mit Konflikten
Der Abschnitt Konflikte verstehen – Wissenswertes zur Konfliktklärung beginnt mit kurzen grundlegenden Erläuterungen zu gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg, die ergänzt werden durch Bezugnahme auf Kommunikation nach Schulz von Thun und dessen Aspekte einer Nachricht. Mit dieser kurzen Einleitung über 11 Seiten (inkl. zweier kleiner Illustrationen) ist dieser grundlegende Input abgeschlossen. Zum Umgang mit Konflikten wird an zwei Beispielen idealtypisches Lehrerhandeln präsentiert, wobei das erste Beispiel vorwiegend an Selbstreflexion und der Bewusstmachung von Gefühlen orientiert ist. Die Steigerung im zweiten Beispiel zeigt den Umgang mit heftigen Angriffen. Im Beispiel des Schülers Max ist dies die Aufforderung einer Mutter an die Lehrerin, ihre Korrekturkriterien offen zu legen. Daraus wird im Kontext Zusammenarbeit mit Eltern das Thema Verletzung der Lehrerkompetenz und Umgang mit diesem Gefühl abgeleitet. Dann wird exemplarisch die mögliche Gesprächsgestaltung abgeleitet. Zur Aufarbeitung werden Leitfäden angeboten, z.B. „Mit sich selbst empathisch umgehen“ oder „sich in den Anderen einfühlen“. Dieser Ansatz wird weiterentwickelt zu Struktur und Methoden der Gesprächsführung im Konfliktklärungsprozess. Die damit verbundenen Schritte sind im Dreischritt
- das Anliegen aufnehmen
- das Anliegen erhellen
- Lösungswege finden und vereinbaren
beschreibend dargestellt und enden mit zehn Merkpunkten für das persönliche Konfliktmanagement (S. 55). Mit dieser idealtypischen Darstellung endet Teil I dem sich
Teil II mit dem Schwerpunkt Prävention anschließt. Hier steht die positive Kommunikation zwischen Eltern und Schule im Mittelpunkt, wofür unterschiedliche Praxisbausteine angeboten werden. Diese orientieren sich an den Themen Kooperation, gemeinsame Visionsfindung, wertschätzende Kommunikation, gemeinsame Konfliktlösung, Probleme anders denken, Ressourcenvielfalt nutzen und Konflikte mediieren, vertieft mit drei Schwerpunkten:
- Kooperation – Miteinander einen sicheren Rahmen finden
- Kommunikation – Miteinander reden und einander verstehen
- Konflikte gemeinsam klären und lösen
Die Umsetzung und Anwendung der Beispiele sind sowohl in ihrem Umfang zeitlich als auch mit dem benötigten Material als Vorgabe beschrieben. Dies geschieht im Buch in Form von Tabellen, die sowohl die benötigte Zeit als auch das benötigte Material detailliert beschreiben. Eine genauere Ergänzung findet sich im online-Material, was eine deutliche Erweiterung und Präzisierung der dargestellten Punkte ermöglicht. Dies alles geschieht auch kleinschrittig, wie eine didaktische Einheit.
Diskussion
Wie das mit Spickzetteln so ist, ist auch hier das komprimiert Dargestellte nur ein Anhaltspunkt für das dahinterliegende große Thema. Das große Thema ist systemisches Verstehen, dazu bedarf es systemischen Wissens. Wer also auf den Spickzettel schaut, kriegt noch lange nicht alle Informationen, er findet nur (wieder) rein ins Thema. Die wirklich differenzierten Darstellungen zu den Aspekten gelingender Zusammenarbeit mit Eltern wenn es um Konflikte geht, brauchen zur Entfaltung ein tieferes Eintauchen in die systemische Welt und dies nicht nur als Futter für den Kopf, sondern auch als erlebnis- und erfahrungsgestützte persönliche Verarbeitung. Das kann ein Buch nicht leisten. Was es aber kann ist für diejenigen, denen „systemisch“ vertrauter ist, eine Impulsquelle sein und für diejenigen, denen „systemisch“ eher neu ist, eine Einstiegshilfe bieten. Bekannte systemische Eckpunkte, wenn auch nicht alle, finden sich im Buch wieder, auch die SMART Ziele haben ihren Platz gefunden. Die Erkundung der „Lehrerbefindlichkeit“ wird im Buch impulshaft gefördert als Voraussetzung zum Verstehen der „Elternbefindlichkeit“ und den dahinterliegenden Bedürfnissen. Teil II ist als „Spickzettel“ an der Kapazitätsgrenze, da ist es fast zu viel an Vorgaben und als „Spickzettel“ eine Überfrachtung. Auch die Anwendbarkeit nur aus der Buchvorlage dürfte schwer umsetzbar sein. Die Lehrerperspektive ist durchgehend gut repräsentiert, z.B. in der Skizze auf S. 37, in der die Struktur für eine Gesprächsführung im Konfliktklärungsprozess dargestellt ist. Sie ist insofern spannend, als der Lehrer immer an der Fluchttür (!) sitzt. Vor allem Teil II als auch das online-Material haben eher den Charakter eines Seminar- oder Fortbildungsplans. Für die Arbeit mit Eltern im Rahmen der Schule in dieser Form schwer vorstellbar, vor allem unter dem Machtaspekt Lehrer als Moderator, Eltern als Teil einer Tischgruppe. Der Spickzettel könnte aber durchaus im Lehrerzimmer liegen.
Fazit
Systemische Lösungswege für Lehrer-Eltern-Konflikte im ersten Teil des Buches sicher hilfreich und anregend komprimiert, im zweiten Teil für einen „Spickzettel“ leicht überfrachtet und zu viel des Guten, auch wenn das online Material hilft.
Rezension von
Dipl.Päd. Werner Glanzer
Dipl.Soz.päd./Sozialarbeiter, Supervisor, Lehrbeauftragter an der ASH Berlin, Arbeitsfeld Schulsozialarbeit
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Zitiervorschlag
Werner Glanzer. Rezension vom 20.03.2024 zu:
Inge Maria Mandac: Lehrer-Eltern-Konflikte systemisch lösen. Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022. 2. Auflage.
ISBN 978-3-8497-0432-2.
Reihe: Spickzettel für Lehrer - 3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30653.php, Datum des Zugriffs 11.11.2024.
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