Claudia A. Reinicke: Mit ADHS und Freude durch den Schulalltag
Rezensiert von Dr. phil. Christine Freytag, 14.06.2024

Claudia A. Reinicke: Mit ADHS und Freude durch den Schulalltag.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2023.
124 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0458-2.
D: 17,95 EUR,
A: 18,50 EUR.
Reihe: Spickzettel für Lehrer - 8.
Thema
Aus Perspektive der Lehrperson setzt sich Claudia A. Reinicke mit AD(H)S-betroffenen Schüler:innen auseinander und möchte alle Lesenden einladen, diesbezüglich eine neue Perspektive einzunehmen. Sie will mithilfe des Buchs „Lehrern, Erziehern und Schulleitern Methoden und Strategien zum alltäglichen Handeln anbieten, die ihnen die Arbeit – und im besten Fall: das Leben“ – leichter machen (Reinicke 2023, S. 6). So sind Übungen zur Selbstreflexion und Selbstfürsorge für die Lehrperson, aber auch mögliche Reaktionen und Methoden zu einer lösungsorientierten Kommunikation, zu freudvollen Unterrichtsbegegnungen und Beziehungsgestaltungen im schulischen Alltag enthalten.
Zur Autorin
Claudia A. Reinicke ist Dipl. Psych., verhaltenstherapeutische Psychotherapeutin und seit 1993 in eigener Praxis mit dem Schwerpunkt AD(H)S tätig. Sie besitzt die Zusatzqualifikationen Hypnotherapie, Entspannungsverfahren, Prozess- und Embodimentfokussierter Psychologie (PEP®), Cooperation-Trainer und Coaching. Claudia A. Reinicke gibt Weiterbildungen für Lehrpersonen und medizinisches Personal zu den Themen AD(H)S, Stressbewältigung oder Selbstfürsorge. Seit dem Jahr 2000 ist sie als Fortbildnerin für Psychotherapeuten aktiv und hat zudem den KIKOS® Ansatz (Kompass zur Integration komplexer Systeme) entwickelt.
Entstehungshintergrund
Die erste Auflage erschien 2015. Diese Ausgabe stellt die zweite, erweiterte Auflage dar und entstammt der Reihe „Spickzettel für Lehrer“ (Bd. 8), welche von Christa Hubrig und Peter Herrmann des Instituts für systemische Lösungen in der Schule (ISIS) herausgegeben werden.
Aufbau
Nach einer Vorbemerkung von Christa Hubrig und Peter Herrmann (S. 5–6) zur Buchreihe „Spickzettel für Lehrer – systemisch Schule machen“ schließen sich das Vorwort von Claudia A. Reinicke sowie drei Kapitel an. Diese sind jeweils als Fragen formuliert:
- 1. Kapitel: Woran erkenne ich, dass ein Kind AD(H)S haben könnte?
- 2. Kapitel: Woher kommt das?
- 3. Kapitel: Wie wird der Alltag mit diesen Kindern wieder freudvoll und effektiv?
Das dritte Kapitel unterteilt sich dabei noch einmal in vier Unterkapitel:
- 3.1 Kapitel: Freudvolle Begegnungen im Unterricht
- 3.2 Kapitel: Angenehme Beziehungen
- 3.3 Kapitel: Eine Klasse, die Freude macht
- 3.4 Kapitel: Ein Blick auf sich selbst
Das Unterkapitel (3.1) bezieht sich noch einmal auf das Verhalten der Kinder und wie dieses gelenkt, gesteuert, geleitet und reguliert werden kann (S. 31–59). Im zweiten Unterkapitel (3.2) stehen Emotionen, Beziehungen, eine lösungsorientierte Kommunikation sowie Überzeugungen, Selbstwert und auch Kooperationen im Fokus (S. 59–97). Im vorletzten Unterkapitel (3.3) werden die „Klasse“ und „Freude“ zusammengebracht (S. 97–108) und schließlich (3.4) der Blick auf die Lehrperson selbst gerichtet (S. 108–114).
Die ersten beiden Kapitel umfassen jeweils knapp 13 bzw. zwei Seiten; das dritte Kapitel ist das längste mit insgesamt 89 Seiten. Im Verlauf des Buches wendet sich Claudia A. Reinicke mit drei kleineren Aufgaben (Reaktionen auf Situationen notieren, sich mögliche Strafen für Schüler:innen überlegen, eigene Glaubenssätze prüfen) an die Lesenden, welche in graufarbig hinterlegten Kästchen innerhalb der einzelnen Kapitel vorzufinden sind (vgl. a.a.O., S. 19, 41, 111). Es folgen zum Abschluss ein Anhang, das Literaturverzeichnis und Informationen über die Autorin.
Inhalt
Im Vorwort wirft Claudia A. Reinicke einleitend auf, mit welchen erzieherischen, rhetorisch-kommunikativen sowie leitenden Aufgaben der Beruf einer Lehrperson verbunden ist. Sie konstatiert, dass dies „ein äußerst anspruchsvoller Beruf“ ist und die dafür benötigten „Führungsqualitäten“ im Studium „nicht oder nicht ausreichend beigebracht“ und gelehrt werden (Reinicke 2023, S. 8). Neben all den anderen Aufgaben des Lehrberufs kommen dann noch „schwierige Kinder“ dazu – „von den Eltern mal ganz zu schweigen“ (ebd.). Und darüber hinaus sind „dann diese AD(H)S-Kinder, die einen wirklich manchmal zur Weißglut treiben“ und als Lehrkraft „ziemlich hilflos machen“ im Klassenzimmer vorzufinden (ebd.). Claudia A. Reinicke will nun mit diesem ‚Spickzettel‘ Methoden und Lösungswege aufzeigen, also „richtige Reaktionen“ sowie „Rezepte“ anbieten, welche ‚ausprobiert‘ und nach Geschmack ‚verfeinert‘ werden können (a.a.O., S. 5–6). Denn diese sind im schulischen Alltag, aber insbesondere mit AD(H)S-Kindern „‚überlebenswichtig‘!“ (ebd.). Da die Autorin seit mittlerweile 20 Jahren als Verhaltenstherapeutin mit AD(H)S betroffenen Kindern und somit auch mit den jeweiligen Familien arbeitet, weiß sie um die Herausforderungen. Nun sollen mit diesem Buch in erster Linie Lehrpersonen angesprochen und mit einbezogen werden, um die Beziehung zwischen den Sorgeberechtigten und den Lehrpersonen „besonders konstruktiv“ zu gestalten (a.a.O., S. 9). Claudia A. Reinicke ist des Weiteren noch als Coach für Lehrkräfte mit Teamentwicklungsseminaren tätig und kennt hier genau deren Erfordernisse. Darüber hinaus kann sie als Mutter von fünf Kindern zudem noch aus der Elternperspektive heraus die Schule in den Blick nehmen (vgl. ebd.). Das Motto für ihre Arbeit entnimmt sie einem Zitat von Charles Dickens: „Auch eine schwere Tür braucht nur einen kleinen Schlüssel!“, den sie symbolisch für den Umgang mit Heranwachsenden heranzieht (ebd.). Ziel dieses ‚Spickzettels‘ ist es also, „in kompakter Weise“ mittels Fragen und „kleinen Übungen“ den jeweils am besten passenden Schlüssel zu den verschiedenen Türen zu finden (a.a.O., S. 10).
In den nun folgenden ersten beiden Kapiteln sollen die Symptome und Ursachen von AD(H)S „alltagstauglich“ sowie „ohne Grundsatzdiskussion“ betrachtet werden (a.a.O., S. 10, Rückseite). Das dritte und umfangreichste Kapitel beinhaltet Methoden, deren Anwendung den Lehrpersonen „wieder mehr Freude in den Alltag bringen“ sollen (a.a.O., S. 10). Alle Kapitel werden dabei als Fragen formuliert, welche die Autorin dann beantwortet:
1. Kapitel: Woran erkenne ich, dass ein Kind AD(H)S haben könnte?
Das erste Kapitel will der Frage nachgehen, woran AD(H)S erkannt werden kann und setzt sich knapp mit den drei Kernsymptomen Aufmerksamkeitsdefizit, Impulsivität und Hyperaktivität auseinander (vgl. a.a.O., S. 11–23). Claudia A. Reinicke nimmt hier Bezug auf den DSM IV, ein amerikanisches Klassifikationssystem zur Definition und Diagnostik von psychischen Erkrankungen und verweist kurz auf die Subtypen ADS (Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung) und ADHS (Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung und Hyperaktivität), welche zu unterscheiden sind. Sie verwendet im Buch das Kürzel ADHS, worin beide Subtypen eingeschlossen sind (vgl. a.a.O., S. 11). Dies wird aber nicht konsequent eingehalten, sodass durchaus auch die Bezeichnung AD(H)S im Buch vorkommt (z.B. a.a.O., S. 7–8, 11, 24). Die ausführliche Symptomliste des DSM IV ist am Ende im Anhang beigefügt (vgl. a.a.O., S. 115–122).
Im Anschluss daran führt die Autorin aus, woran AD(H)S-Kinder erkannt werden, damit die lesende Person herausfinden kann, welches der „‚nervtötenden‘“ Kinder aus der Klasse nun „vielleicht ADHS-Kinder“ sind (a.a.O., S. 23): Die betroffenen Kinder fallen durch „Zappeln“, Stuhlkippeln, plötzliches Aufstehen und Herumlaufen, „sehr auffälliges“ Melden oder schnelles Losgehen bei der Aufforderung „‚Wir gehen jetzt los!‘“ auf (a.a.O., S. 11–12). Impulsive Kinder reden dazwischen, stellen viele, „scheinbar überflüssige Fragen“, können Nähe- und Distanz-Verhältnisse nicht angemessen einschätzen, reagieren zu schnell und bringen sich oft selbst – meist in der guten Absicht, anderen zu helfen – in Gefahr (vgl. S. 12–13). Ebenso fallen „Kinder mit deutlich eingeschränkter Aufmerksamkeit“ auf, weil sie viel vergessen, nicht zuhören, andere Dinge erledigen oder sich ablenken – so z.B. „mit dem Radiergummi in der Hand spielen“ oder „den Kugelschreiber an- und ausknipsen“ etc. (a.a.O., S. 13). Einige träumen und „[o]ft hält man sie für dümmer, als sie sind“ (a.a.O., S. 14). Sie „machen ebenso viele Schusselfehler, wie hyperaktive Kinder, aber bei ihnen zweifelt man eher am Intellekt“ (a.a.O., S. 14). Erinnern können Sie sich auch nicht: Sie vergessen Hausaufgaben zu notieren oder diese gar in die Schule mitzubringen. Gegenstände und Taschen werden zurückgelassen oder gesucht sowie ausgeliehene Schulbücher nicht fristgerecht abgegeben (vgl. a.a.O., S. 14–15). Die Autorin fasst weiter zusammen, dass „[d]iesen Menschen […] in vielen Handlungssituationen verschiedene sog. metakognitive Fähigkeiten [fehlen], u.a. das Vorhersehen, Überprüfen, das Planungsverhalten, die Handlungsorganisation und das Wissen, wie sich ihr Verhalten auf die Umgebung oder die Zukunft auswirken wird“ (a.a.O., S. 16).
Es folgen Beispiele von Verhalten in Situationen, die ein aggressives, schreiendes und über das eigene Verhalten verzweifelnde Kind zeichnen, vor dem sich sogar die eigene Mutter ängstigt (vgl. a.a.O., S. 17–19). Die Aufgabe für die lesende (Lehr-)Person dieses Ratgebers ist am Ende dieser Beispielaufführungen aufgeführt: Sie soll für sich selbst überlegen, wie sie in diesen aufgeführten Szenen auf das Verhalten der Kinder reagieren würde – allen voran dann, wenn sie selbst „nicht ‚gut drauf‘“ ist (a.a.O., S. 19). Gegen Ende des Kapitels werden positive Eigenschaften von AD(H)S-Kindern aufgeführt, wie Hilfsbereitschaft, Empathie, ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn oder charmantes Verhalten. Daraus zieht die Autorin dann das Fazit, dass sich die betroffenen Kinder mit ihren negativen Eigenschaften grundsätzlich selbst im Weg stehen (vgl. a.a.O., S. 20–23).
Wenn eine Lehrperson nun bei den hier aufgeführten Symptomen bei dem Kind an die Diagnose AD(H)S denkt, dann kann diese mit ihrer Vermutung „lösungsorientiert auf die Eltern zugehen“, damit ein gemeinsamer Weg gefunden werden kann (a.a.O., S. 23). Dennoch, so die Schlussfolgerung des ersten Kapitels, benötigen AD(H)S-Kinder eine „klare Führung“, um den Alltag bewältigen zu können (a.a.O., S. 23).
2. Kapitel: Woher kommt das?
Im zweiten Kapitel werden auf knapp zwei Seiten die Ursachen von AD(H)S angesprochen. Eine unangemessene Erziehung würde zwar „schwierige Kinder […] produzieren“, aber nicht für AD(H)S verantwortlich sein (vgl. a.a.O., S. 24). Claudia A. Reinicke nennt knapp die Studien von Polanczyk et al. 2007 und Simon et al. 2009 zum weltweiten Auftreten von AD(H)S bzw. zum Auftreten von AD(H)S im Erwachsenenalter und vertritt die Annahmen, dass AD(H)S vererbt sei, Umwelteinflüsse eine Rolle spielen sowie eine neurobiologische Disposition zur Entstehung von AD(H)S beitrage. Insbesondere letztere erachtet die Autorin als wichtig für Lehrpersonen zu wissen, da hier „eine unzureichende Transmitterkonzentration“ im Gehirn besteht, welche das Weiterleiten von Informationen und motorische Abläufe beeinträchtigen (a.a.O., S. 25). Von daher müssen dem betroffenen Kind entsprechende Aufträge erteilt und sich nicht über ihr Verhalten ‚geärgert‘ werden (vgl. a.a.O., S. 24–25).
3. Kapitel: Wie wird der Alltag mit diesen Kindern wieder freudvoll und effektiv?
Die Autorin will im dritten und letzten Kapitel verschiedene Methoden vorstellen, „die Ihnen [d.i. die Lehrperson, C.F.] helfen können, den Alltag mit ‚ADHSlern‘ zu genießen“ (a.a.O., S. 26). Allen voran möchte sie den von ihr entwickelten Ansatz „KIKOS® – Kompass zur Integration komplexer Systeme“ vorstellen, welcher „die Leichtigkeit in den Alltag zurückbringt“ (ebd.). Wichtig ist dabei, dass das Umfeld des Kindes, wie Eltern, Großeltern, Geschwister, Nachbarn oder auch die pädagogischen Mitarbeitenden aus Schule und KiTa, die Verhaltensänderungen und die Entwicklung des Kindes mittragen (vgl. a.a.O., S. 26–27). Folgende „praxiserprobte Techniken“ haben sich dabei für die Autorin als „hilfreich“ für die Arbeit „mit Menschen mit ADHS“ gezeigt (a.a.O., S. 28): Diese sind unter der Abkürzung „TRIPLE …“ zusammengefasst, wobei „T“ für Trance und hypnotherapeutische Elemente, „R“ für Ressourcenorientierung, „I“ für Impacttechniken, „P“ für PEP, „L“ für Lösungsfokussiert, „E“ für Embodiment sowie „…“ für „alle anderen Techniken, die der Therapeut, der Lehrer oder wer auch immer mitbringt“ stehen (a.a.O., S. 28).
Des Weiteren hat Claudia A. Reinicke einen „Kompass“ entwickelt, „der anleitet, wie man entsprechend der eigenen Konstitution, Erfahrung und Herangehensweise für unterschiedliche Situationen, für sich selbst und individuell für die Klientin oder den Klienten bzw. das Setting die passende Technik auswählt und anwendet“ (ebd.) Die Kompassscheibe selbst ist dabei die therapierende bzw. die anwendende Person, die jeweils über unterschiedliche individuelle Ausbildungen, eine eigene Persönlichkeit sowie Erfahrungen verfügt. Die drei Grundsätze von KIKOS® sind, erstens, die Akzeptanz der Situation und der Person, zweitens, die Ressourcenfindung bei der betroffenen Person und im Umfeld, und, drittens, die Annahme, dass alle Menschen eine individuelle Persönlichkeit besitzen und nun die kompassanwendende Person „einen [!] Cuvée aus verschiedenen Techniken unter Berücksichtigung eigener Befindlichkeiten und Erfahrungen“ für die Betroffenen kreiert (a.a.O., S. 29). Die einzelnen Systeme sind dabei der „Klient (K)“, das „Unmittelbare Umfeld (UU)“ und das „Erweiterte Umfeld (EU)“ (a.a.O., S. 30). Für die Anwendung des „KIKOS® – Kompasses“ kann dabei „unabhängig von spezifischen therapeutischen, beruflichen Ausrichtungen“ für jede Situation und grundsätzlich für alle Menschen angewendet werden (a.a.O., S. 31). Dafür stellt Claudia A. Reinicke nun Techniken aus dem verhaltenstherapeutischen Ansatz, wie die Klopftechnik nach Michael Bohne (PEP) sowie lösungsorientierte Maßnahmen, vor (vgl. a.a.O., S. 31). Die ersten Maßnahmen und Methoden sollen zu „Freudvolle[n] Begegnungen im Unterricht“ (Kapitel 3.1), die zweiten zu „Angenehme[n] Beziehungen“ (Kapitel 3.2) und die dritten zu „Eine[r] Klasse, die Freude macht“ führen (Kapitel 3.3) und werden auf den Seiten 31–108 genauer ausgeführt:
Kapitel 3.1: Freudvolle Begegnungen im Unterricht
Nach Ansicht der Autorin sollen Lehrpersonen bestimmte Einstellungen und das Verhalten der Kinder beeinflussen; sie sollen erziehen, lehren und damit eine Führungsaufgabe übernehmen. Doch wo und von wem erhalten sie diese Führungseigenschaften, wie sollen sie planen, koordinieren und kontrollieren lernen? Zur Verdeutlichung entwirft Claudia A. Reinicke das Bild eines Kapitäns, der ein Schiff sicher zum Zielhafen steuert (vgl. a.a.O., S. 31–34). Um den Führungsaufgaben als Lehrperson gerecht zu werden und um überhaupt – um im Bild des Kapitäns zu bleiben – eine Mannschaft steuern zu können, soll zunächst der Selbstwert der Lehrperson gesteigert werden. Dafür schlägt sie eine erste Übung vor, indem „die Vertiefung unterhalb Ihres Schlüsselbeins“ gerieben und zu sich selbst gesagt werden soll: „Auch wenn ich gerade das Gefühl habe, mir fehle etwas davon, liebe und akzeptiere ich mich so, wie ich bin!“ (a.a.O., S. 34). Darüber hinaus soll die „Mannschaft immer öfter mit Freude“ gelenkt und damit das „Verhalten effektiv“ gesteuert werden (a.a.O., S. 35). Das heißt, das gewünschte Verhalten der Kinder soll belohnt und darüber hinaus gelobt werden. Unerwünschtes Verhalten soll (am besten umgehend) bestraft und ignoriert oder Verstärker, wie Punkte oder Token aus vorherigen Belohnungen, wieder entzogen werden (vgl. a.a.O., S. 35–59).
Kapitel 3.2: Angenehme Beziehungen
‚Angenehme Beziehungen‘ werden durch das Verhalten beeinflusst und sind damit durch Mechanismen regulierbar (vgl. a.a.O., S. 59). Dazu gehört u.a. die PEP-Methode, also die Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie nach Michael Bohne 2014, nachdem bestimmte Punkte am Körper beklopft werden, um so „die Erregung im emotionalen Hirn zu reduzieren“ (a.a.O., S. 62). So können Situationen schnell ‚entschärft‘, Stress minimiert sowie emotionale Blockaden, wie Vorwürfe, Schuldzuweisungen, Selbstvorwürfe etc. verhindert werden (vgl. a.a.O., S. 65). Dabei sollen eigens formulierte Selbstakzeptanzsätze, wie z.B. „Auch wenn mich xy1 wieder auf die Palme gebracht hat, liebe und akzeptiere ich mich so, wie ich bin“ gesprochen werden, um die eigenen Emotionen zu regulieren und auch diese zu steuern (a.a.O., S. 66). Weiter kann eine „lösungs- und ressourcenorientierte Kommunikation“ dazu beitragen, dass Missverständnisse vermieden werden (a.a.O., S. 67). Die Autorin bezieht sich dabei auf den „Positivkreislauf“ von Furman/​Aloha 2014 und das Einhalten eines 6-schrittigen Gesprächsablaufs (vgl. S. 73–74). Ebenso können die Entwicklung einer „Geheimsprache“, „Stoppzeichen“, das Schaffen von Erfolgserlebnissen, „klare, kurze Anweisungen“ als auch „überschaubare Anforderungen“ und umgehenden Rückmeldungen zu Ereignissen zu einer besseren Kommunikation beitragen (a.a.O., S. 74–75). Des Weiteren soll der Selbstwert des Kindes gesteigert werden indem das Kind das Gefühl erhält, gemocht zu werden und es so annehmen, wie es ist (vgl. a.a.O., S. 77–78). Die Lehrperson selbst soll dabei als „soziale[s] Modell“ fungieren (a.a.O., S. 80). Ferner soll die „Kooperationsbereitschaft“ nach dem „Twin-Star-Modell – Lösungen vom anderen Stern“ nach Furman/​Ahola 2014 gestärkt werden, bei dem der anderen Person mit Wertschätzung, Anteilnahme, gemeinsamer Freude sowie Erfolg begegnet wird, umso Kritik, Missverständnisse oder auch Kränkungen zu reduzieren (vgl. a.a.O., S. 83–97).
Kapitel 3.3: Eine Klasse, die Freude macht
Eine Schulklasse mit einem oder mehreren AD(H)S-Betroffenen ist laut der Autorin „eine Herausforderung“ (a.a.O., S. 97). Zudem sind noch andere Kinder in der Klasse, die ebenfalls Aufmerksamkeit brauchen. Insofern stellt die Klasse nun für Lehrpersonen „das persönliche und pädagogische Trainingslager“ dar, indem eigene und individuelle Fähigkeiten verbessert werden sollen (a.a.O., S. 98). Folgendes lösungsorientierte Vorgehen für AD(H)S-Kinder wird dabei von Claudia A. Reinicke auf den nachfolgenden Seiten empfohlen: das Kind nach vorne setzen, um es mit einem „unmittelbaren Zugriff“ sowie „auf kurzem Wege nonverbal steuern [zu] können“ (a.a.O., S. 99), klare Regeln festlegen, die eine Struktur vorgeben, Aufforderungen mit nonverbalen Fingerzeigen unterstützen, Verständnis für das Verhalten des Kindes entwickeln und mit den Klopfpunkten nach Bohne eigenen und persönlich erlebten Stress reduzieren (vgl. a.a.O., S. 99–102).
Kapitel 3.4: Ein Blick auf sich selbst
Im Anschluss daran folgt „[e]in Blick auf sich selbst“ als Lehrperson, womit das Buch endet (vgl. a.a.O., S. 108–114). Thematisiert wird noch einmal, dass Emotionen natürlich auch die Lehrpersonen in ihrem Handeln beeinflussen. Insofern ist es unerlässlich, dass auch diese ihre Erwartungshaltungen kennen und sie hinsichtlich des schulischen Alltags überprüfen: So werden die Befragung nach dem „inneren Team“ nach Schulz von Thun vorgeschlagen (aber nicht näher ausgeführt), ebenso die Klopfmethode und das Reiben am Selbstakzeptanzpunkt (unter dem Schlüsselbein) sowie die Überprüfung persönlicher Glaubenssätze, die die Lehrperson blockiert. Denn: „Ein verändertes emotionales Selbstmanagement“ sorgt für ein zufriedeneres Arbeiten und zur Beachtung der eigenen Bedürfnisse (a.a.O., S. 113), was wiederum dazu führt, sich auf andere Menschen einlassen zu können. Daneben ist eine lösungsorientierte, wertschätzende, anteilnehmende Kommunikation grundlegend für die Freude an der Arbeit, genauso wie das gemeinsame Feiern von Erfolgen, was mit Freude in die Zukunft blicken lässt (vgl. a.a.O., S. 113–114).
Anhang
Im Anhang befinden sich die Diagnostischen Kriterien für Aufmerksamkeitsdefizit-/​Hyperaktivitätsstörung nach DSM-V (vgl. a.a.O., S. 115–122).
Diskussion
AD(H)S ist die derzeit am häufigsten diagnostizierte psychische Auffälligkeit im Kindes- und Jugendalter (vgl. Steinhausen et. al. 2020, S. 13). Eine Erhebung des Robert-Koch-Instituts über die Gesundheit von Kindern (KIGGS 2007) ergab eine Häufigkeit von 4,7 % bei Kindern, Jugendlichen sowie Erwachsenen in Deutschland (vgl. de Zwaan et al. 2012). Die weltweite Prävalenzrate von AD(H)S liegt bei den 3-17Jährigen bei ca. 5 %, wobei die Angaben jedoch in den internationalen Studien zwischen 2–7 % divergieren, die Häufigkeitsrate aber seit den vergangenen Jahrzehnten stabil bleibt (Göbel et al. 2018, S. 46; vgl. Polanczyk et al. 2014; vgl. Steinhausen et al. 2020, S. 46). AD(H)S ist damit eine weltweit verbreitete Verhaltensauffälligkeit ab dem Kindesalter und wird in die drei Kernsymptome Aufmerksamkeitsdefizit, Impulsivität und Hyperaktivität unterteilt und diagnostiziert (vgl. Dietrich 2011). AD(H)S kann dabei mit (ADHS) und ohne Hyperaktivität (ADS) auftreten. Die genaue Ursache ist bisher nicht geklärt, wobei kontroverse Annahmen diskutiert werden, z.B. (vgl. Freytag 2014; Freytag/​Sauerbrey 2009; Sauerbrey/​Freytag 2009):
- AD(H)S sei vererbt(vgl. Faraone/​Biedermann 1998; vgl. Martin et al. 2006),
- AD(H)S basiere auf einem biochemischen Ungleichgewicht zwischen den Neurotransmittern Dopamin, Noradrenalin und Serotonin, welche strukturelle und funktionelle Veränderungen des Gehirns bewirken (vgl. Konrad/​Gilsbach 2007, S. 13; vgl. Biederman/​Spencer 2000),
- AD(H)S sei eine Folge der schnelllebigen Zeit, wobei insbesondere die virtuellen sozialen Netzwerke eine große Herausforderung für Kinder und Eltern darstellen (vgl. DeGrandpre 2002),
- ältere Befunde diskutieren, dass AD(H)S das Ergebnis psychosozialer Faktoren sei (vgl. dazu Gawrilow 2023, S. 68),
- es wird in der psychoanalytischen Forschung von einer frühkindlichen Anpassungs- und Regulationsstörung ausgegangen (vgl. Heinemann/Hopf 2006; vgl. Schore 2001),
- AD(H)S sei durch Umweltgifte, wie Blei oder chemische Weichmacher, die bereits vorgeburtlich auf das Kind einwirken, verursacht (vgl. Barkley 1998; vgl. Rückinger et al. 2009; vgl. Sauerbrey 2010) oder auch
- das Rauchen oder Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft können Risikofaktoren für AD(H)S darstellen (vgl. Laucht/​Schmidt 2004).
Der Blick in der Ursachenforschung ist allerdings vor allem auf Gene und neurobiologische Prozesse gerichtet (vgl. Brandau 2008, S. 34). Aber auch psychosoziale Faktoren, wie sozioökonomische und familiäre Bedingungen, Fernsehkonsum, Deprivation oder Traumatisierung werden als ergänzende Ursachen ebenfalls mitdiskutiert (vgl. Steinhausen 2020, S. 154–163). Da allerdings noch nicht endgültig belegt ist, was die Ursache für AD(H)S ist, wird es in der Wissenschaft als ein multifaktorielles Geschehen betrachtet. Demzufolge haben sich eine Vielzahl an möglichen therapeutischen oder (sozial-)pädagogischen Maßnahmen, erzieherischen Richtlinien und Handlungsanweisungen, medikamentösen Behandlungsmethoden oder speziellen Diäten und Ernährungsprogrammen herauskristallisiert (vgl. Hüther/Bonney 2007). In dieses therapeutische Setting mit explizit pädagogischen Maßnahmen lässt sich der Ratgeber von Claudia A. Reinecke einordnen. Mit verschiedenen und eben auch eigens dafür entwickelten Methoden will die Autorin den (Schul-)Alltag trotz AD(H)S-Kindern mit ihren Verhaltensauffälligkeiten in der Klasse wieder ‚freudvoller‘ gestalten (vgl. Reinicke 2023, S. 10). Sie geht in ihrem Buch den Fragen nach, „[w]as die richtige Reaktion“ im Umgang mit AD(H)S-betroffen Kindern sei und wie diese „zur Kooperation“ mit den Lehrpersonen gebracht werden können (a.a.O., Rückseite)? Dabei werden „die Symptomatik und die Ursachen von ADHS alltagstauglich“ sehr knapp vorgestellt und wenig differenziert betrachtet, denn eine „Grundsatzdiskussion“ soll hier nicht stattfinden (ebd.). Ziel des Bandes soll nämlich sein, mögliche Reaktionen von Lehrpersonen zu überprüfen und aufzuzeigen, welche sich von diesen als „richtig“ und „sinnvoll“ erweisen (ebd.; a.a.O., Rückseite). Als Verfahren dienen dabei die lösungsorientierte Kommunikation, welche „ein effektives und freudvolles Lernen erleichtert“ (ebd.), ferner kurze Übungen für die „Selbstreflexion“ als auch „Selbstfürsorge“ der Lehrperson und schließlich der von der Autorin entwickelte Ansatz „KIKOS® – Kompass zur Integration komplexer Systeme“. Damit soll „die Leichtigkeit“ des Alltags wieder hergestellt werden (a.a.O., S. 26). Bereits im Vorwort weist Claudia A. Reinicke darauf hin, mit welchen erzieherischen, rhetorisch-kommunikativen sowie leitenden Aufgaben der Beruf einer Lehrperson verbunden ist. Sie kritisiert, dass die dafür benötigten „Führungsqualitäten“ im Studium keine Berücksichtigung finden würden (a.a.O., S. 8). Da die Autorin als systemische Verhaltenstherapeutin praktiziert, als Coach für Lehrkräfte tätig und zudem Mutter von fünf Kindern ist, sei sie also nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Bereich als Expertin legitimiert (vgl. ebd.), um nun „Rezepte“ (a.a.O., S. 6) und ein individuelles pädagogisches „Trainingslager“ zu offenbaren (a.a.O., S. 98). Das Beste dabei ist auch noch, dass diese Maßnahmen grundsätzlich im Umgang mit allen Menschen hilfreich sind, wobei sich hier die Frage stellt, warum der Fokus dann auf AD(H)S-betroffenen Kindern liegt und nicht auf allen Personen im schulischen Alltag? Aber diese Frage wird umgehend beantwortet: Im Umgang mit AD(H)S-Kindern ist das Einhalten der hier nun vorgestellten ‚Rezepte‘ „‚überlebenswichtig‘!“ (a.a.O., S. 10)
Claudia A. Reinicke nutzt insbesondere das erste Kapitel, um ihr Bild von den betroffenen Kindern offenzulegen. Als selbst legitimierte Expertin führt sie ihre eigenen Beobachtungen und Erfahrungen aus (vgl. a.a.O., S. 11–25). Sie schildert dramatische Beispielszenarien von Kindern, die sich auf den Boden werfen und schreien, völlig ablehnend auf andere Menschen reagieren oder selbst über ihr Verhalten verzweifeln (vgl. ebd.). Wichtige Termine und Fristen werden „‚verpeilt‘“ (a.a.O., S. 15). „Diese Kinder“ können nicht ruhig sitzen, sondern reden dazwischen und überhören alles Wichtige (a.a.O., S. 15–16). Zudem werden sie selbst ständig von alltäglichen Abläufen und Situationen „überrascht“ (a.a.O., S. 16). Zeit einschätzen und einteilen ist für AD(H)S-Betroffene „ein Buch mit sieben Siegeln“ und wird auch im weiteren Lebensverlauf „eine Unfähigkeit“ bleiben (a.a.O., S. 16). Ebenso besitzen sie die „Unfähigkeit, sich in manchen Situationen emotional regulieren zu können“, sie „flippen […] aus“ und agieren ohne „Zugriff auf ihre Großhirnrinde“ (a.a.O., S. 17). „Glimpflich“ verlaufen Situationen, wenn die Kinder ‚nur‘ Gegenstände werfen, Fensterscheiben kaputtgehen, sie andere Personen oder Tiere treten bzw. schlagen, sie schluchzen oder hyperventilieren (a.a.O., S. 18). Zudem passieren durchaus „tätliche Angriffe“, wie das „Ohrfeigen“ oder Treten von Tieren (ebd.). Allerdings sind die Kinder selbst „oft verzweifelt über ihr ‚unsinniges‘ Verhalten“, reagieren „‚ferngesteuert‘“ und erzeugen beim Gegenüber eine „große Hilflosigkeit“ (a.a.O., S. 17). Ihnen „fehlen in vielen Handlungssituationen verschiedene sog. metakognitive Fähigkeiten“, um das eigene Handeln und Verhalten in Bezug auf ihre Mitmenschen zu reflektieren (ebd.). Auch die fehlende Emotionsregulation ist „[b]esonders unangenehm für die Umwelt“, ganz zu schweigen von den „verbale[n] Ausbrüche[n], von denen sich Eltern und Lehrer immer wieder aufs Unflätigste belegt fühlen“ (a.a.O., S. 17–18). Mütter (!) sind in der Folge nach solchen Ausbrüchen ängstlich, da sie immer wieder erneut und unerwartet auftreten können (vgl. a.a.O., S. 19). Die Betroffenen „platzen“ nämlich „oft und können sich dann definitiv nicht mehr gewählt ausdrücken“ (a.a.O., S. 90). Grundsätzlich „scheinen [die Betroffenen, C.F.] oft genau das Gegenteil von dem zu tun, was der Lehrer ansagt“ (a.a.O., S. 16). Auf Kritik oder Hinweise reagieren sie „wutentbrannt“, springen und rennen durch Bankreihen (a.a.O. S. 17–18). So fällt das hyperaktive Kind im Grundschulalter dann auch noch weiter durch z.B. „sehr auffälliges, geräuschintensives, wild wedelndes Sichmelden“ auf, oder dass es bei der Aufforderung der Lehrperson, jetzt loszugehen, ‚losrast‘ (a.a.O., S. 11–12). Melden, Reagieren auf Aufforderungen der Lehrperson, Bewegungsdrang von Kindern – ist das nicht alles ‚natürlich‘ und folgt der kindlichen Entwicklung? Was ist denn unter „nicht auffälligem Melden“ zu verstehen? Melden ist immer auffällig und soll ja auch etwas und vor allem das Kind ‚zeigen‘? Wie kann dies generell unauffällig passieren? Hier stellt sich die Frage, ob Melden und dem Folgen der Lehrperson nicht zu schulischen Praktiken gehören (vgl. a.a.O., Kapitel 1)? Aber das „Abweichende“, das nicht Normative ist eben im schulischen Kontext offenbar unpassend. Da geht es darum, dass zwischen 20 und 30 Kindern Ruhe herrscht, damit der Lehrperson gefolgt werden kann, dass nicht so viele Fragen gestellt werden, weil das eben nur die Lehrperson macht. Überdies sind, so fasst es Claudia A. Reinicke dann zusammen, „die Kinder am spannendsten, die die gesamte Bandbreite der Auffälligkeiten mit sich führen: hyperaktiv, impulsiv und mit beeinträchtigter Aufmerksamkeit – da können Sie alle Besonderheiten auf einmal genießen“ (a.a.O., S. 15). Kurzum: „[D]as Leben mit ihnen [wird] nie langweilig“ (ebd.).
Aber allen betroffenen Kindern ist grundsätzlich eines gemein: „Sie haben meist bessere Fähigkeiten, als sich durch übliche Leistungsprüfungen feststellen lässt“, welche aber durch ihre mentalen Probleme und durch das fehlende Zeitmanagement überlagert werden (a.a.O., S. 20). Diese Differenz zwischen dem eigenen Können und den Ergebnissen der Leistungsüberprüfung gibt den Kindern oft das Gefühl, nichts zu können und hat eine Selbstabwertung zur Folge. Das führt laut Claudia A. Reinicke zu der Schlussfolgerung, dass die Betroffenen oft die Schuld bei anderen Personen suchen, um sich so selbst zu schützen (vgl. a.a.O., S. 20–21). Ferner haben die Kinder jedoch ein großes Gerechtigkeitsempfinden, sind einfühlsam, „charmant“ und helfen gerne (a.a.O., S. 22). Bei allen Kindern ist aber identisch, dass ihre Fähigkeiten „meist“ besser sind, als es die Leistungsfeststellung erkennen lässt, da diese durch die eben beschriebenen Symptome „verzerrt“ werden (a.a.O., S. 20). Das hat zur Folge, dass sich die Kinder selbst „doof“ fühlen, sich selbst entwerten, da sie eben von anderen abgewertet werden (a.a.O., S. 20). Sie entwickeln dadurch „häufig die Fähigkeit, die Schuld bei den anderen zu suchen“, was „völlig realitätsfern“ ist (a.a.O., S. 20). Denn „diese Menschen“ zweifeln nicht an sich, denn das müsste „die Suizidrate exorbitant erhöhen“, sondern sie verfallen „oft in einer permanenten Verteidigungshaltung, die sich selten in einem besonders freundlichen Ton ausdrückt“ (a.a.O., S. 21). Der Hinweis mit der Suizidrate erstaunt an der Stelle besonders, denn Menschen mit AD(H)S besitzen tatsächlich ein höheres Risiko, auf nicht natürliche Art, u.a. durch einen Suizid, zu versterben. Etwa jede und jeder zweite AD(H)S-Betroffene erhält im Verlauf seines Lebens weitere psychische Diagnosen, wie Angststörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen etc., was die Selbstmordrate erhöht (vgl. Sun/Kuja-Halkola/​Faraone 2019). Ihnen zu unterstellen, dass sie nicht an sich zweifeln und nur die Schuld bei anderen Menschen suchen, ist damit ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen. Aber, so die weitere Argumentation der Autorin, „[s]elbst wenn es dann in der Umgebung zwischendrin mal einer gut meint und sich diesem Kind in einem anderen Modus nähert“, wird es wahrscheinlich genauso reagieren (a.a.O., S. 21). Dabei haben sie ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und helfen oft Schwächeren, bringen sich aber dadurch selbst in Gefahr und erleiden Nachteile. Das ist wie mit dem endlich gepackten Ranzen – der dann doch zum Zooausflug nicht richtig ist und nicht benötigt wird (vgl. ebd.). Dabei sind sie doch einfühlsam und besitzen so „eine herrliche Unbekümmertheit“, haben Ideen, gute Laune und können charmant sein (a.a.O., S. 22). Doch eines ist klar: „Die alltägliche Routine zu bewerkstelligen gelingt ohne klare Führung nicht!“ (a.a.O., S. 23) Jede der hier positiv aufgestellten Eigenschaften wird zugleich von der Autorin mit einem ‚Aber‘ markiert: Sie können bessere Leistungen bringen, können sie aber nicht zeigen, sie besitzen ein großes Gerechtigkeitsempfinden und setzten sich für andere ein, aber eben auch dann, wenn es gar nicht nötig ist. Sie sind emphatisch, aber eben nicht für sich selbst und sie sind charmant, aber nur, weil sie lediglich ihre eigenen Ziele verfolgen wollen. Den betroffenen Kindern werden also positive Eigenschaften zugesprochen, welche ihnen allerdings umgehend wieder entzogen und mit negativen Konnotationen aufgehoben werden. Im Grunde sind nämlich die positiven Eigenschaften schlichtweg negative (vgl. a.a.O., 20–23). Sie wertet damit wiederum die betroffenen Kinder ab – was sie im Übrigen auf Seite 20 noch kritisch anmerkt – und entwirft für die Lesenden dramatische Situationen im und außerhalb des Klassenzimmers. Claudia A. Reinicke möchte mit den Schilderungen ihrer gemachten Erfahrungen erreichen, dass „Sie einen Eindruck bekommen, welche der Kinder, die zu den ‚nervtötenden‘ gehören, vielleicht ADHS-Kinder sein könnten, damit Sie mit Ihrer Vermutung lösungsorientiert auf die Eltern zugehen können, um dann gemeinsame Wege zu suchen und zu finden“ (a.a.O., S. 23). Das heißt, die AD(H)S-betroffenen Kinder werden von den Lehrpersonen (!) erkannt – nicht von ärztlichem oder psychologischem Personal, was ihren Beobachtungen noch einmal mehr Tragweite verleiht (vgl. a.a.O., S. 11).
Im zweiten Kapitel werden, wie bereits angemerkt, auf lediglich knapp zwei Seiten die Ursachen von AD(H)S vorgestellt. Die Autorin spricht hier den gegenwärtigen Forschungsstand an, der ausschließt, dass AD(H)S „von schlechter Erziehung kommt.“ (a.a.O., S. 24). Wie genau der aktuelle Forschungsstand aussieht oder wie „Erziehung“ dabei in der einschlägigen fachlichen Literatur diskutiert wird, benennt sie nicht. Allerdings würden eine „inkonsequente Erziehung, unablässiger Medienkonsum, das Fehlen von Grenzen und unabsichtliches Verstärken unerwünschten Verhaltens“ dazu beitragen, „schwierige Kinder zu produzieren“ – aber eben nicht AD(H)S (a.a.O., S. 24). Sie vertritt weiter die Vererbungsannahme, den Einfluss von Umwelteinflüssen sowie die neurobiologische Ursachendiskussion zur Entstehung von AD(H)S. Insbesondere letztere erachtet Claudia A. Reinicke als wichtig für Lehrpersonen zu verstehen, da hier „eine unzureichende Transmitterkonzentration“ im Gehirn besteht, welche das Weiterleiten von Informationen, und die Motorik beeinträchtigen. Von daher müssen dem betroffenen Kind klare Aufträge erteilt und sich nicht über das Verhalten ‚geärgert‘ werden (vgl. a.a.O., S. 24–25).
Im dritten Kapitel unterstellt die Autorin schon mit der Überschrift, dass der Alltag mit den Betroffenen nicht „freudvoll“ und „effektiv“ ist. Anhand diverser Methoden und der von ihr entwickelten Methode KIKOS® kann dies jetzt aber wieder gelingen! Sie will „Ihnen“ und damit den Lehrpersonen helfen, „den Alltag mit ‚ADHSlern‘ zu genießen“ – nicht den Kindern (a.a.O., S. 26). Im Grunde möchte sie mit ihrem entwickelten Ansatz „KIKOS® – Kompass zur Integration komplexer Systeme“ verdeutlichen, dass es eine individuelle Strategie für alle Beteiligten geben sollte, die allen gerecht wird, berücksichtigt und mit einbezieht – mehr eigentlich nicht. Das ‚Neue‘ ist hier nicht erkennbar, sondern wird schon lange mit dem multimodalen Therapieansatz verfolgt. Claudia A. Reinicke macht lediglich noch einmal den systemischen Ansatz stark, d.h., den Einbezug aller ‚Räder im Getriebe‘, die ineinandergreifen und sich gegenseitig beeinflussen (vgl. Abbildung a.a.O., S. 27). Sie bietet diesbezüglich einen Einblick in die verschiedenen Methoden im Umgang mit AD(H)S betroffenen Kindern. Zunächst stellt sie die Abkürzung „TRIPLE …“, vor, wobei der Lesende nur ansatzweise oder nichts Genaueres erfährt, also für was genau „Trance und hypnotherapeutische Elemente“, „Ressourcenorientierung“, „Impacttechniken“, „PEP“, „L Lösungsfokussiert“ oder „Embodiment“ stehen und bedeuten. Unter „…“ sind dann einfach „alle anderen Techniken, die der Therapeut, der Lehrer oder wer auch immer mitbringt“ gefasst (a.a.O., S. 28). Die Autorin fasst dann ihre ‚Erfindung‘ wie folgt zusammen: „Bei der Arbeit mit KIKOS® akzeptiert man die Menschen so, wie sie sind, spiegelt ihnen das, geht davon aus, dass die notwendigen Ressourcen in der Person bzw. ihrem Umfeld vorhanden sind, und unterstützt gewünschte Veränderungen mit einem bunten Strauß an Techniken, passend zum Klienten und passend zum Therapeuten“ (a.a.O., S. 30). Dieses Vorgehen verfolgt schlichtweg den systemischen Ansatz in Beratung und Therapie, nicht mehr und nicht weniger. Der einzige Unterschied ist, dass es keiner therapeutischen oder spezifischen beruflichen Ausbildung bedarf, sondern dass der „Kompass“ für alle und alles, für jede und jeden passt und beliebig angewendet und kombiniert werden kann. Im Grund passen alle vorgestellten (oder auch nicht vorgestellten) Methoden für alle Menschen und für jede Situation. Der Fokus auf die AD(H)S betroffenen Kindern verliert sich damit im weiteren Verlauf des Buchs eher in alltäglichen Herausforderungssituationen im Schulalltag.
Schließlich beendet die Autorin das Buch, indem sie Lehrpersonen Hinweise gibt, wie sie auf sich selbst zu achten haben, um (wieder) mehr Freude im täglichen Miteinander und bei ihrer Arbeit zu erhalten. An dieser Stelle geht es nicht mehr nur um AD(H)S, sondern um die Lehrpersonen und ihre täglichen Herausforderungen – unabhängig davon, ob AD(H)S-Kinder in der Klasse sind oder andere Kinder durch ihr Verhalten von den normativen Vorstellungen ‚abweichen‘.
Bereits zu Beginn des ‚Spickzettels‘ wirft Claudia A. Reinicke dem Ausbildungscurriculum für Lehrpersonen vor, nicht entsprechend auf die Herausforderungen und Führungsqualitäten in der beruflichen Praxis vorzubereiten (vgl. a.a.O., S. 8). Diese Aussage ist typisch für Lehrer:innenratgeber: Die Wirkungslosigkeit und die Unwissenheit von pädagogischen Handlungen wird der akademischen Ausbildung zugeschrieben (vgl. Krüger/Konrad 2019, S. 94–95). Universitäten tragen durch ihre theoretische Ausbildung dazu bei, wenig Wissen oder Handlungsanleitungen für die Praxis zu generieren. Dieses Wissen taugt dann wiederum wenig für die alltäglichen beruflichen Herausforderungen im Klassenzimmer, sodass diese Unwissenheit nun ‚kompensiert‘ werden muss. Im Sinne dieser „Kompensationslogik“ (a.a.O., S. 93) können die nun aufgeführten und eigens entwickelten Ratschläge und Methoden die Unwirksamkeit in Wirksamkeit transformieren (vgl. a.a.O., S. 93–94). Insofern folgt auch der Aufbau des Buches dieser Logik: Zunächst werden die Defizite erkannt und wahrgenommen, welche dann im weiteren Verlauf mit Fallbeispielen dramatisch aufgezeigt werden (Kapitel 1). Dann folgt eine sehr lange Abhandlung über das Aufzeigen des ‚richtigen‘ Weges und wie es ‚besser, einfacher und damit wirksamer‘ für alle Beteiligten werden kann. Und schließlich folgt eine zweifelsfreie „Antwort und implizites Heilsversprechen an eine zweifelnde und verzweifelnde Lehrer*innenschaft, bei der die Erwartung von sicher und verlässlich wirkenden Maßnahmen geweckt wird“ (a.a.O., S. 94). Ohne große Anstrengung, sondern allein durch Erkennen und Überprüfen der „eigenen Erwartungshaltungen“ (Reinicke 2023, S. 108), sich dem „schwierigen Kind lösungsorientiert zuwenden“ (a.a.O., S. 109), die Befragung des ‚inneren Teams‘ (a.a.O., S. 108), „das Klopfen im Unterricht“ (a.a.O., S. 110) das Reiben am „Selbstakzeptanzpunkte unter dem Schlüsselbein“ (a.a.O., S. 113), ein „verändertes emotionales Selbstmanagement“ (ebd.) sowie „[e]in lösungsorientiertes Vorgehen mit Wertschätzung und Anteilnahme in der täglichen Kommunikation, in der auch Freude an der Arbeit vermittelt wird und Raum ist, um Erfolge gemeinsam zu feiern“ (a.a.O., S. 114). Das alles „macht den Schulalltag zu einem Lebensbereich, in dem man Energie tanken“ und „sich auf die erleichternden Veränderungen in der Zukunft“ freuen kann (ebd.). Es wird zum Schluss dieses Ratgebers also letztlich suggeriert, das alles ganz einfach möglich ist – und so die Unwirksamkeit mit Leichtigkeit kompensiert werden könne (vgl. Krüger/Konrad 2019, S. 94; vgl. dazu Krüger/Müller 2019).
Die Autorin reproduziert aus diesen normativen Vorstellungen und ihren persönlichen Erfahrungen heraus ein Bild von Schule und von Unterricht mit den darin befindlichen Kindern und Jugendlichen. Unter den ‚Deckmänteln‘ AD(H)S und „Herausforderungen einer Lehrperson“ versucht Claudia A. Reinicke dann, ihre Methoden und die „richtige Reaktionen“ (a.a.O., Rückseite) anzupreisen, die ja eben nicht nur für Menschen mit AD(H)S, sondern auch grundsätzlich für alle Menschen gelten und eben immer angewendet werden können. Was Claudia A. Reinicke erzielen will, ist aus wissenschaftlicher Perspektive heraus betrachtet hochproblematisch und anders gelagert: Es zeigt genau das Dilemma und Spannungsfeld von der ‚Wirksamkeit‘ pädagogischer Handlungen auf: Solche Handreichungen im Sinne eines ‚Spickzettels‘, auf den schnell geschaut werden kann, stehen im Kontrast zur pädagogischen Praxis und zur Komplexität des Schulalltags und individuellen Situation der Kinder und AD(H)S-Betroffenen. Die Umsetzbarkeit in einer komplexen Situation mit vielen anderen Schüler:innen in der Klasse lässt sich aufgrund des „Technologiedefizits der Erziehung“ (vgl. Luhmann/​Schorr 1982) nicht in einem „pädagogischen Trainingslager“ (Reinicke 2023, S. 98) einüben. Auch „Rezepte“ (a.a.O., S. 6) aus der ‚pädagogischen Hausapotheke‘ können nämlich ihre Wirkung verfehlen – sie können zu stark dosiert werden, nicht anschlagen oder gar unkalkulierbare Nebenwirkungen hervorrufen (vgl. dazu Krüger/Konrad 2019). Doch Claudia A. Reinicke ist anderer Ansicht: Mit gut ausgewählten, genau dosierten und verfeinerten pädagogischen Rezepten (vgl. Reinicke 2023, S. 6) und dem Einüben und damit Trainieren von Reaktionen lassen sich die „nervtötenden“ Kinder endlich wieder in ihrem Verhalten und in ihren Emotionen effektiv beeinflussen. Abweichendes und unangemessen empfundenes Verhalten von Kindern und auch AD(H)S-Betroffenen im Klassenzimmer kann mit den ‚richtigen‘ Reaktionen gelindert und klopfend, ignorierend, lobend, strafend oder auch ausschließend gesteuert, geleitet und gelenkt werden (vgl. a.a.O., S. 31–59). Und so kann dann endlich von der Lehrperson wieder mehr Freude im Schulalltag empfunden werden (a.a.O., S. 23). Hier bedient die Autorin deutlich den Wunsch, um die Angemessenheit von Lehrer:innenhandeln zu wissen, was auch oft die Kernfrage vieler Studierenden im Lehramtsstudium ist. Doch es gibt keine zu verallgemeinernde Antwort, wie Lehrpersonen ‚richtig‘ im Unterricht und Schulalltag handeln. Jeder Fall ist einzigartig und komplex und muss für sich allein betrachtet und reflektiert werden. Das Handeln einer Lehrperson ist damit nicht standardisierbar und professionelles Handeln ist kein technisches Handeln, was klaren Regeln oder eindeutigen ‚Wenn-Dann-Konstellationen‘ folgt. Es ist ein sinnhaftes Handeln; ein Handeln in der Logik der Struktur von Schule (schulischer Regelungen etc.) – dessen erfolgreicher Ausgang nicht vorhersehbar ist – ebenso wie beim Verabreichen von ‚pädagogischen Medikamenten‘ (vgl. Breidenstein/​Leuthold-Wergin/​Siebholz 2020, S. 138, 146–147).
Claudia A. Reinicke – selbst verhaltenstherapeutische Psychotherapeutin – schreibt und argumentiert aus der Sicht von Lehrpersonen heraus und schlägt alltagstaugliche und ihrer Ansicht nach ‚richtige‘ pädagogische „Rezepte“ und „Lösungen“ vor. Werden diese eingehalten, können alle Beteiligten – endlich! – wieder voller Freude und positiv durch den Schulalltag gleiten. Kurze Impulse und schnelle Lösungen sollen Entlastung in herausfordernden Situationen bringen und den eh schon herausfordernden Alltag erleichtern. Die Autorin entwirft dafür ein Bild von AD(H)S-Betroffenen und „nervtötenden“ Schüler:innen und signalisiert, dass Erziehung und Verhalten ‚trainiert‘ und eingeübt werden können. Dazu braucht es nur den kurzen Gang in die ‚pädagogische Apotheke‘ in Form dieses ‚Spickzettels‘, um die Schüler:innen zu steuern, zu lenken und zu leiten. Damit kann der Schulalltag wieder freudvoller gestaltet und die Lehrperson selbst mit Blick auf die eigenen Bedürfnisse achtsamer und zufriedener werden. Hierfür wird das theoretische Wissen zugunsten der praktischen Anwendung zurückgestellt. Die lesende (Lehr-)Person erfährt wenig über die Ursachen, Symptome und Erscheinungsformen von AD(H)S, sondern mehr über schnelle und lösungsorientierte „Rezepte“, die auf sofortige Anwendung und Umsetzung ausgelegt sind. Positiv hervorzuheben ist, dass Frau Reinicke den Stress für alle Beteiligten reduzieren möchte. Problematisch ist allerdings, dass sie die Ursachen von AD(H)S knapp auf zwei Seiten umreißt und lediglich damit begründet, dass es neurobiologische Ursachen gibt und sich niemand über das Verhalten der Kinder ärgern sollte. Die Vorschläge und Methoden von Claudia A. Reinicke stammen dabei aus Seminaren sowie eigens entwickelten Programmen und Workshops der Autorin und haben letztlich wenig mit AD(H)S, sondern mit alltäglichen Herausforderungen im schulischen Alltag zu tun. Die große Klassengröße, die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler, die Leistungsanforderungen oder insgesamt die Komplexität des Unterrichtsgeschehens werden dabei gar nicht von ihr mitgedacht.
Fazit
Ob generell das Klopfen, das Reiben am Schlüsselbein, das Ignorieren, das Isolieren, das Bestrafen, das Loben oder das Sprechen von Glaubenssätzen ausreicht, den Schulalltag mit AD(H)S und mehr Freude zu begegnen, muss dann jede lesende Lehrperson für sich entscheiden. In jedem Fall wird hier ein sehr überzeichnetes, überspitzes Bild von Betroffenen entworfen und überaus dramatische Alltagssituationen beschrieben. Damit reproduziert die Autorin alle Vorurteile und Stigmatisierungen von AD(H)S-Betroffenen und hält diese weiter aufrecht.
Literatur
Biedermann, J./Spencer, T.J. (2000): Genetics of childhood disorders: XIX. ADHD, Part 3: Is ADHD a noradrenergic disorder?, In: Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry 39. Kidlington u.a.: Elsevier. p. 1330–1333.
Brandau, H./Kaschnitz, W. (2008): ADHS im Jugendalter. Grundlagen, Interventionen und Perspektiven für Pädagogik, Therapie und soziale Arbeit. Weinheim: Juventa.
Breidenstein, G./Leuthold-Wergin, A./Siebholz, S. (2020): „Unterrichtsstörungen“. Fallstricke kasuistischer Lehrer*innenbildung, In: Fabel-Lamla, M./Kunze, K./Moldenhauer, A./Rabenstein, K. (Hrsg.): Kasuistik – Lehrer*innenbildung – Inklusion. Empirische und theoretische Verhältnisbestimmungen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
de Zwaan, M./Gruss, B./Müller, A./Graap, H./Martin, A./Glaesmer, H./Hilbert, A./Philipsen, A. (2012): The estimated prevalence and correlates of adult ADHD in a German community sample, In: Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 262(1). DOI: 10.1007/s00406-011-0211-9. p. 79–86.
DeGrandpre, R. (2002): Die Ritalin-Gesellschaft. ADS: Eine Generation wird krankgeschrieben, 2. Auflage, Weinheim u.a.: Beltz.
Dietrich, K. (2011): Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. ADHS – die Einsamkeit in unserer Mitte. Stuttgart: Schattauer.
Faraone, S.V./Biedermann, J. (1998): Neurobiology of attention-deficit hyperactivity disorder. Biological Psychiatry. Volume 44, Issue 10. http://www.sciencedirect.com/science/​article/pii/S0006322398002406. p. 951–958.
Freytag, C. (2014): AD(H)S, In: Rißmann, M. (Hrsg.): Lexikon der Kindheitspädagogik. Köln/Kronach: Carl Link Verlag. S. 1–4.
Freytag, C./Sauerbrey, U. (2009): Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter: AD(H)S im Spannungsfeld von Erziehungswissenschaft und Naturwissenschaften, In: Behnisch, M./Winkler, M. (Hrsg.): Körperbilder, Kenndaten und Kausaleffekte – Wie naturwissenschaftliches Denken die Soziale Arbeit verändert. München: Reinhardt Verlag. S. 58–72.
Furman, B./Ahola, T. (2014): Twin Star – Lösungen vom anderen Stern. Teamentwicklung für mehr Erfolg und Zufriedenheit am Arbeitsplatz, 4. Auflage, Heidelberg: Carl-Auer.
Gawrilow, C. (2023): Lehrbuch ADHS. Modelle, Ursachen, Diagnose, Therapie, 3. aktual. Auflage, München: Ernst Reinhardt Verlag.
Göbel, K./Baumgarten, F./Kuntz, B./Hölling, H./Schlack, R. (2018): ADHS bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends, In: Journal of Health Monitoring. 3(3). Robert Koch-Institut. Berlin. DOI: 10.17886/​RKI-GBE-2018-078. S. 46–52.
Heinemann, E./Hopf, H. (2006): AD(H)S. Symptome-Psychodynamik-Fallbeispiele – psychoanalytische Theorie und Therapie. Stuttgart: Kohlhammer.
Hüther, G./Bonney, H. (2007): Neues vom Zappelphilipp. ADS/ADHS verstehen, vorbeugen und behandeln, 8. Auflage, Düsseldorf: Patmos.
Konrad, K./Gilsbach, S. (2007): Aufmerksamkeitsstörungen im Kindesalter, In: Kindheit und Entwicklung, Jg. 16, Nr. 1. Göttingen: Hogrefe. S. 7–15.
Krüger, J. O./Konrad, S. (2019): Neues aus der pädagogischen Apotheke? Zur Thematisierung von Wirksamkeitsversprechen in Ratgebern für Lehrer*innen, In: Krüger, J. O./Müller, T. (Hrsg.): Wirksamkeit als Argument (Wittenberger Gespräche; 6). Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. DOI: 10.25656/01:18306. S. 89–101.
Krüger, J. O./Müller, T. (2019): Wirksamkeit als Argument. Eine Einleitung, In: Krüger, J. O./Müller, T. (Hrsg.): Wirksamkeit als Argument (Wittenberger Gespräche; 6). Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. DOI: 10.25656/01:18306. S. 7–19.
Laucht, M./Schmidt, M. H. (2004): Mütterliches Rauchen in der Schwangerschaft: Risikofaktor für eine ADHS des Kindes, In: Zeitschrift für Kinder- und Jungendpsychiatrie und Psychotherapie, Jg. 32, Heft 3. Bern: Huber. S. 177–185.
Luhmann, N./Schorr, K. E. (1982): Das Technologiedefizit der Erziehung und die Pädagogik, In: Dies. (Hrsg.): Zwischen Technologie und Selbstreferenz. Fragen an die Pädagogik. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. S. 11–40.
Martin, N. C./Levy, F./Pieka, J./Hay, D. A. (2006): A Genetic Study of Attention Deficit Hyperactivity Disorder, Conduct Disorder, Oppositional Defiant Disorder and Reading Disability. Aetiological overlaps and implications, In: International Journal of Disability, Development and Education, Volume 53, Issue 1. http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/10349120500509992#.Uqh7_-J5WO0. p. 21–34.
Polanczyk, G. V./Willcutt, E. G./A Salum, G./Kieling, C./Rohde, L. A. (2014): ADHD prevalence estimates across three decades: an updated systematic review and meta-regression analysis, In: Int J Epidemiol 43(2). DOI:10.1093/ije/dyt261. Epub 2014 Jan 24. p. 434–42.
Polanczyk, G./de Lima, M. S./Horta, B. L./Biederman, J./Rohde, L. A. (2007): The worldwide prevalence of ADHD: a systematic review and metaregression analysis, In: The American Journal of Psychiatry, 164(6). DOI: 10.1176/ajp.2007.164.6.942. S. 942–948.
Rückinger, S./Rzehak, P./Chen, C.- M./Sausenthaler, S./Koletzko, S./Bauer, C.-P./Hoffmann, U./Kramer, U./Berdel, D./von Berg, A./Bayer, O./Wichmann, H.- E./von Kries, R./Heinrich, J. (2009): Prenatal and Postnatal Tobacco Exposure and Behavioral Problems in 10-Year-Old Children. Results from the GINI-plus Prospective Birth Cohort Study, In: Environ Health Perspect. 118 (1). http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/​PMC2831960/. p. 150–154.
Sauerbrey, U. (2010): ADHS durch Umweltgifte? Schadstoffe in der Kinderumwelt. Jena: IKS Garamond.
Sauerbrey, U./Freytag, C. (2009): Diagnose ADHS – Hinweise zum vorsichtigen Umgang mit einer Trenddiagnose, In: Forum Erziehungshilfen (Hrsg.): Von der Internationalen Gesellschaft für Erzieherische Hilfen. 15. Jg., Heft 4, Weinheim: Beltz Juventa. S. 206–208.
Schore, A. N. (2001): Effects of a secure attachment relationship on right brain development, affect regulation, and infant mental health. Infant Mental Health Journal 22. Chichester u.a.: Wiley. p. 7–66.
Simon, V./Czobor, P./Bálint, S./Mészáros, A./Bitter, I. (2009): Prevalence and correlates of adult attention-deficit hyperactivity disorder: meta-analysis, In: British Journal of Psychiatry, 194, 3., DOI: 10.1192/bjp.bp.107.048827. p. 204–211.
Steinhausen, H.- C./Döpfner, M./Holtmann, M./Philipsen, A./Rothenberger, A. (Hrsg.) (2020): Handbuch ADHS. Grundlagen, Klinik, Therapie und Verlauf der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, 2., erw. und überarb. Auflage, Stuttgart: Kohlhammer Verlag.
Sun, S./Kuja-Halkola, R./Faraone, S. V. (2019): Zusammenhang zwischen psychiatrischer Komorbidität und dem Risiko eines vorzeitigen Todes bei Kindern und Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/​Hyperaktivitätsstörung, In: Jama Psychiatrie, 76, 11., DOI:10.1001/jamapsychiatry.2019.1944. S. 1141–1149. (Abruf am 23.05.2024).
Rezension von
Dr. phil. Christine Freytag
wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Grundschulpädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Website
Mailformular
Es gibt 2 Rezensionen von Christine Freytag.