Daniel Wilk: Geliebter Schnarcher
Rezensiert von Tatjana van de Kamp, 04.06.2024
Daniel Wilk: Geliebter Schnarcher. Paradoxe Interventionen mit Humor und Leichtigkeit.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
151 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0404-9.
D: 24,95 EUR,
A: 25,70 EUR.
Reihe: Hypnose, Hypnotherapie.
Thema
Schnarchen stellt in vielen Schlafzimmern ein Problem dar. Daniel Wilk hat auch in seinen Entspannungsgruppen beobachtet, wie Schnarchen ein Hindernis für die Entspannung in der Gruppe sein kann und zu Spannungen, Ärger oder gar Aggressivität führen kann. In diesem Buch teilt er kreative Techniken und paradoxe Interventionen, durch die die Gruppenmitglieder schädliche Muster durchbrechen und mit Schnarchen und Schnarchenden während der Entspannungsübung oder im Schlafzimmer konstruktiv umgehen können. Eine zweite Zielsetzung besteht darin, diese Überlegungen und Techniken dann auch auf andere Situationen anwenden zu können.
Autor
Dipl.-Psych. Daniel Wilk ist Psychologischer Psychotherapeut, Hypnotherapeut und Gesprächspsychotherapeut mit Weiterbildungen in u.a. Verhaltenstherapie und NLP. Er arbeitet als Psychotherapeut in der Rehabilitation mit Schwerpunkt auf der Schmerz- und Traumatherapie und vermittelt Autogenes Training sowie tiefere Entspannungsmethoden. Zusätzlich leitet er Fortbildungen in Autogenem Training und Hypnose.
Aufbau
Nach einer kurzen Einleitung gliedert sich das Buch in vier Teile:
- Kapitel 1 behandelt Ärger als häufige Reaktion auf das Schnarchen
- Kapitel 2 zeichnet Wege zur Problemlösung auf
- Kapitel 3 erklärt den paradoxen Ansatz mit vielen Beispielen
- Kapitel 4 erzählt Trancegeschichten und erklärt, wie sie wirken
Inhalt
Nach Daniel Wilk ist Schnarchen eine natürliche und unvermeidbare Begleiterscheinung der Entspannung und kann im Entspannungstraining in der Gruppe zunächst Heiterkeit auslösen. Weit häufiger jedoch löst es bei den anderen Teilnehmenden Ärger darüber aus, dass sie sich in ihrer Entspannung gestört fühlen. Ähnliches wird aus den privaten Schlafzimmern berichtet. Ärger ist jedoch keine unmittelbare Folge des Schnarchens, sondern entsteht aus einer verallgemeinernden negativen Einstellung, wie etwa „er schnarcht immer, ist rücksichtslos und stört meine Entspannung, sodass ich schon wieder nicht genug schlafen kann …“. Hinter dieser negativen Einstellung stecken oft noch andere Probleme, wie beispielsweise eigener Stress oder Schlafstörungen, die den Ärger zusätzlich verstärken können. Häufiger und anhaltender Ärger kann in vielerlei Hinsicht schädlich sein:
Der Körper reagiert mit erhöhter Anspannung, erhöhter Herzfrequenz und Blutdruck, was bei häufigem oder chronischem Ärger zu Erschöpfung und Erkrankungen führen kann. Lebensfreude und die Beziehung sind eingeschränkt, die Gedanken verengen sich zu einem Tunnelblick. Dadurch sehen wir den Ärger häufig als die einzig mögliche Reaktion und fühlen uns ihm hilflos ausgeliefert. Wir „müssen“ uns ärgern und reagieren mit Schuldzuweisungen, Ohnmacht, aggressiven Gedanken oder gar Verhalten. Die körperliche Veränderung, die der Ärger hervorruft, erschwert das Schlafen, was wiederum den Ärger verstärkt. Es entsteht ein Teufelskreis.
Dieses negative Muster können wir unterbrechen, indem wir das „Müssen“ des Ärgerns als einzige und unvermeidbare Reaktion auf das Schnarchen in Frage stellen. Wir können zum Beispiel Freude darüber empfinden, dass der Partner oder die Partnerin neben uns liegt, die Aufmerksamkeit auf andere Geräusche lenken oder interessiert den Ärger in unseren Körperabläufen suchen und finden. Eine typische paradoxe Intervention wäre zu versuchen, unseren Ärger bewusst noch mehr zu verstärken. Nach einer kurzen Zunahme, schwächt sich dann die körperliche Reaktion ab, und wir können die Kontrolle über unsere Gedanken und Kreativität zurückgewinnen.
Manchmal tritt der Ärger in Erwartung des Schnarchens sogar vor dem tatsächlichen Schnarchen auf, und wir ärgern uns weiter, obwohl das Schnarchen heute vielleicht gar nicht auftritt. Das heißt, wir ärgern uns ohne Grund. Das allein steht der Entspannung und dem Schlaf schon im Wege. Dabei können wir uns Ärger ähnlich wie andere Emotionen auch abgewöhnen. Dazu bedarf es einer bewussten Entscheidung, das eigene Verhalten und eigene Gewohnheiten ändern zu wollen.
Paradoxe Interventionen beruhen auf der Annahme, dass es mehrere Lösungsansätze für ein Problem gibt. Mögliche Lösungen bei Entspannungs- oder Schlafstörung durch Schnarchen sind zum Beispiel
- Schlafen in einem anderen Zimmer oder Schnarchende bitten, das Zimmer zu wechseln
- Alkohol, Schmerzmittel oder andere Medikamente beeinträchtigen den Schlaf, er wird leichter und wir werden leichter durch Umgebungsgeräusche geweckt. Durch den Verzicht auf Alkohol und bestimmte Medikamente kann der Schlaf und die Entspannung tiefer werden.
- Entspannungsverfahren werden laut Herrn Wilk in ihrer Wirkung oft unterschätzt: Entspannung kann nicht nur beim Einschlafen helfen, sondern auch gegen viele Schmerzen, beunruhigende Gedanken und Stress.
- Schnarchen kann auch eine anatomische Ursache haben. Dies ist ärztlich abzuklären und nicht Gegenstand dieses Buches, in dem es um den Umgang mit dem Schnarchen geht.
Wenn kein gangbarer Lösungsweg in Sicht ist, kann es helfen, das problematische Verhalten alternativ als sinnvoll anzusehen. Dazu kommen die paradoxen Interventionen ins Spiel, die nach Wilk zu einer Win-Win-Win-Situation führen, in der
- Weniger geschnarcht werden soll: Dies erreicht Wilk durch die paradoxe Aufforderung an die Schnarchenden unbedingt weiter oder lauter zu schnarchen. Dies kann zu einer Reduktion des Schnarchens führen.
- Sich die anderen trotz des Schnarchens entspannen können: Dies kann durch Veränderung der Aufmerksamkeit und Bewertung des Schnarchens geschehen.
- Schnarchende nicht ausgegrenzt werden und die Gruppe in positiver Atmosphäre zusammenhält: Dadurch wird das Schnarchen oft seltener und/oder weniger störend.
Die paradoxen Interventionen setzen sowohl bei den Scharchenden als auch bei denen, die es hören müssen, an. Dabei verspricht Wilk keine Wunder. Vielmehr geht es darum, einen besseren Umgang mit der Störung zu lernen. Wir lernen, Reize nicht zu verdrängen, sondern sie stattdessen bewusst zu untersuchen: Wir können zum Beispiel vorbeifahrende Autos zählen, etwa nach verschiedenen Motoren oder nach Geschwindigkeit. Oft wird das dann so anstrengend, dass wir darüber einnicken. Ähnlich lässt sich mit dem Schnarchen verfahren, indem wir auf den Ablauf, die Melodie oder auf Unterschiede zwischen Schnarchmustern hören. Dazu leitet Daniel Wilk im dritten Kapitel 13 Übungen für Entspannungstrainerinnen und -trainer sowie Betroffene an, jeweils in einer Version für die Schnarchenden und einer für die unfreiwillig Zuhörerenden. Mit den dazu passenden Trancegeschichten im vierten Kapitel lässt sich die entspannende Wirkung dieser Übungen begleiten und verstärken.
Diskussion
„Geliebter Schnarcher“ hat zum Ziel, dem Problem Schnarchen mit Humor und Leichtigkeit statt mit Ärger zu begegnen. Es ist ausdrücklich nicht das Ziel, Schnarchen zu unterdrücken oder zu heilen. Wilk beschreibt den Teufelskreislauf des Ärgers und bietet alternative Anregungen und Übungen, mittels derer die Zuhörenden einen anderen Umgang mit dem Problem erlernen und sich angewöhnen können.
Das Buch ist durchgehend flüssig und humorvoll geschrieben. Die Hauptgedanken werden wiederholt, sodass auch betroffene Laien gut folgen können.
Der primäre Aufhänger für das Buch sind die Entspannungsseminare des Autors, in denen einige Gruppenmitglieder darüber klagen, sich wegen schnarchender Mitgenossen nicht entspannen zu können. Die grundlegenden Mechanismen und die meisten Übungen gelten aber auch für das häusliche Schlafzimmer und können von Betroffenen gelesen und ausprobiert werden. Darüber hinaus lassen sich die Prinzipien des Ärger-Kreislaufs sicherlich auch auf andere ärgerliche Situationen übertragen. Hierzu gibt es jedoch im Buch keine weiteren konkreten Hinweise, lediglich die letzten Trancegeschichten beschäftigen sich mit Unruhe, Schmerzen und einem allgemeinen Perspektivwechsel.
Fazit
Daniel Wilk erklärt auf einfache und humorvolle Weise, warum wir uns über schnarchende Mitmenschen ärgern und weshalb dieser Ärger unproduktiv ist. In seinem Buch schlägt er mit ungewöhnlichen Übungen und Tipps für betroffene Individuen und Entspannungstrainerinnen und -trainer vor, wie ein konstruktiver Umgang mit dem Schnarchen zum Vorteil und zur Entspannung für alle Beteiligten gelingen kann.
Rezension von
Tatjana van de Kamp
Dipl. Kauffr., MA (Arbeits- und Organisationspsychologie)
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Es gibt 72 Rezensionen von Tatjana van de Kamp.
Zitiervorschlag
Tatjana van de Kamp. Rezension vom 04.06.2024 zu:
Daniel Wilk: Geliebter Schnarcher. Paradoxe Interventionen mit Humor und Leichtigkeit. Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2022.
ISBN 978-3-8497-0404-9.
Reihe: Hypnose, Hypnotherapie.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30660.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.
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