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Ann-Kathrin Miriam Kobelt: Sprachen – Sprachmittlung – Integration

Rezensiert von Mag. Brigitta Klosa, 23.12.2024

Cover Ann-Kathrin Miriam Kobelt: Sprachen – Sprachmittlung – Integration ISBN 978-3-7329-0935-3

Ann-Kathrin Miriam Kobelt: Sprachen – Sprachmittlung – Integration. Vom Sprechen über Sprachen und Fragen nach (Nicht-) Zugehörigkeiten. Frank & Timme (Berlin) 2023. 954 Seiten. ISBN 978-3-7329-0935-3. D: 98,00 EUR, A: 98,00 EUR, CH: 147,00 sFr.
Reihe: Studien zu Fach, Sprache und Kultur - 9.

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Thema

Die Autorin stellt die Forschungsergebnisse aus Interviews mit Sprach- und Integrationsmittlern (SprInt) zum Thema Zugehörigkeit durch Sprache, Anderssein durch Anders-Sprechen, im Kontakt-Sein und Einstellung zu Sprache/n vor. Ihre Erkenntnisse regen zu Reflexionen über Sprachen, Nicht-mehr-Zugehörigkeiten und das (selbstgewählte) Anderssein an.

Autor:in oder Herausgeber:in

Frank & Timme GmbH, Verlag für wissenschaftliche Literatur, hat in der Reihe ‚Studien zu Fach, Sprache und Kultur‘ in den Fachgebieten der Sprachwissenschaft, Kulturwissenschaften, Translationswissenschaft insgesamt bis heute 11 Bände veröffentlicht.

Der Verlag stellt Ann-Kathrin Miriam Kobelt vor: Sie hat nach ihrem Studium der Germanistik (Sprach- und Kulturwissenschaften), Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Anglistik/​Amerikanistik Erfahrungen als Lehrerin in Integrationskursen, als Deutschprüferin für Zuwanderer und als Dozentin im Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache gesammelt. Ihre Forschungs-, Interessens- und Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem Einstellungen gegenüber Sprache(n) und Mehrsprachigkeit, Forschendes Lernen und Lehre sowie das Sprechen über Sprachen und Sprachmittlung im Kontext DaF (Deutsch als Fremdsprache) und DaZ (Deutsch als Zweitsprache.

Entstehungshintergrund

Wer eine Sprache beherrscht, der gehört dazu. Doch wozu? Fachsprachen und ihre Vermittlung, Kulturkontakt und interkulturelle Kommunikation – das sind die Themen der Reihe ‚Studien zu Fach, Sprache und Kultur‘. Die Autorinnen und Autoren eint ihre Expertise für das Lehren und Lernen von Fremd- und Fachsprachen.

Dass sie nah am Geschehen sind, zeigt sich am hohen Praxisbezug ihrer Bücher. Das vorliegende Werk ist ein tiefgründiges und hochrelevantes Werk, das sich mit den Schnittstellen von Sprache, kultureller Identität und gesellschaftlicher Integration auseinandersetzt. Es bietet einen Einblick in die Arbeit und die Erfahrungen der Sprach- und Integrationsmittler.

Aufbau und Inhalt

Das Buch widmet sich auf 954 Seiten der Rolle von Sprach- und Integrationsmittlern (SprInt) in einer globalisierten und zunehmend multikulturellen Gesellschaft. Es beleuchtet, wie diese Mittler Menschen mit Migrationserfahrungen unterstützen, sich in neuen sozialen, kulturellen und administrativen Kontexten zurechtzufinden.

Das Inhaltsverzeichnis wird wie folgt übersichtlich dargestellt:

Hinführung. Feld, Rahmung und Forschungsinteresse. Forschungsdesign – Datenerhebung, Datenauswertung. Acht Einzelfallbeschreibungen. Im Überblick werden die Interview-orte und – zeiten, das Alter und Geschlecht, familiäre Umfelder, Religionen, Auslandserfahrungen, Nationalitäten, Sprachen, Schul- und Berufsbildung, Fort- und Weiterbildung, Berufe vor SprInt, Wege zur SprInt-Qualifizierung, die SprInt- Qualifizierung und die Tätigkeiten und Rollenverständnisse dargestellt. Fallvergleiche und Systematisierung. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse. Desiderate und Ausblick.

Der Inhalt gliedert sich in mehrere Themenbereiche:

Die Rolle der Sprache in der Integration: Sprache wird als Schlüssel zur Integration und als Träger von Kultur analysiert. Es wird dargelegt, wie Sprachbarrieren überwunden werden können und welche Herausforderungen dabei auftreten.

Sprachmittlung in der Praxis: Die Arbeit von Sprachmittlern wird praxisnah beleuchtet. Kobelt geht auf die vielfältigen Anforderungen und Erwartungen ein, denen die Berufsgruppen gegenüberstehen.

Zugehörigkeit und Identität: Die Autorin diskutiert, wie Sprachmittler sich selbst positionieren – zwischen den Kulturen, Sprachen und Erwartungen ihrer Klient:innen sowie der Gesellschaft. Es wird untersucht, wie sie ihre eigene Identität wahrnehmen und welche Rolle sie im Integrationsprozess spielen.

Ambivalenzen und Chancen: Das Buch analysiert sie Spannungsfelder, in denen Sprachmittler arbeiten: zwischen kultureller Anpassung und dem Bewahren von Eigenheiten, zwischen Nähe und Distanz, zwischen Neutralität und Engagement.

Theorie und Praxis vereint: Kobelt kombiniert sprach- und kulturwissenschaftliche Theorien mit praktischen Einblicken. Sie ordnet Erfahrungen und Sprachmittler in größere gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskurse ein.

Schlussfolgerungen und Perspektiven: Abschließend fasst die Autorin die Ergebnisse zusammen und regt zur Reflexion über die Rolle der Sprache und Kultur im Kontext von Migration und Integration an. Sie gibt Empfehlungen, wie Sprachmittlung und Integration noch effektiver gestaltet werden können.

Das Buch richtet sich inhaltlich sowohl an Fachleute aus den Bereichen Sprach- und Kulturwissenschaft, Translationswissenschaft und Soziologie als auch an Praktiker wie Sprachmittler, Lehrer und Integrationsbeauftragte. Darüber hinaus ist es für alle interessant, die sich mit Themen wie Mehrsprachigkeit, Migration und interkultureller Kommunikation beschäftigen.

Die Autorin untersucht die Arbeit von Sprachmittlern in verschiedenen Bereichen wie Behörden, Bildungseinrichtungen und dem Gesundheitswesen. Dabei wird die Perspektive der Sprachmittler selbst in den Mittelpunkt gestellt.

Besonders beeindruckend ist die Herangehensweise der Autorin, die auf qualitativen Interviews basiert. Sie lässt die Sprachmittler selbst zu Wort kommen, was das Buch lebendig und authentisch macht. Ihre Perspektiven auf Sprache(n), Zugehörigkeit und Identität werfen spannende Fragen auf: Wie beeinflusst Mehrsprachigkeit die persönliche Identität? Welche Rolle spielen Sprachmittler bei der Erstellung eines Zugehörigkeitsgefühls?

Die Autorin zeigt, wie diese Personen Sprache nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern auch als Werkzeug für Zugehörigkeit und Identitätsbildung einsetzen.

Kobelt untersucht nicht nur die technischen und methodischen Aspekte der Sprachmittlung, sondern stellt auch die komplexen persönlichen und sozialen Herausforderungen in den Fokus. Sie beleuchtet, wie Sprachmittler durch ihre Tätigkeit Sprachbarrieren abbauen, kulturelle Missverständnisse klären und somit Menschen bei der Integration in eine neue Gesellschaft unterstützen können.

Hier ein kleiner Einblick in die Einzelfallbeschreibungen, welche von der Autorin aus den Interviews als ‚Titel‘ in der Inhaltsangabe gewählt wurden:

Stella, Rumänien: „Ich hatte plötzlich ganz viele Hüte auf, aber im Grunde genommen waren das nicht Identitäten, sondern halt Positionen viel mehr“.

Maria, Kolumbien: „(In der deutschen Sprache) bin (ich) offen geworden und fühle mich frei.“

Maihan, Iran: ‚Ich habe ein Liebesgefühl für den Iran.‘

Nesrin, Türkei: „Ich habe gekämpft, weil ich nicht so leben wollte.“

Kea, Deutschland, professionalisierte Sprachmittlerin für die Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch: „Ich sage gerne ich sei Weltbürger, aber ich glaub das ist ein bisschen arrogant.“

Salim, Syrien: „Ich bin der Vermittler.“

Walid, Afghanistan: „Ich war nicht sicher in meiner Sprache und ich bin es bis jetzt immer noch nicht.“

Kenan, als Kind von Kurden (Jesiden) in Deutschland geboren: „Ich bin felsenfest von überzeugt, dass das damit zusammenhängt, dass ich ein Gastarbeiterkind war.“

Diskussion

Auf innovative Weise analysiert Kobelt die Ambivalenzen, die Sprachmittler in ihrer Arbeit erleben – zwischen Nähe und Distanz, zwischen kultureller Anpassung und dem Bewahren der Identität. Besonders hervorzuheben ist ihre Kategorisierung der „fließenden Formen der Positionierung“, die den Leser dazu anregen, über die Dynamik von Identität und Anderssein nachzudenken.

Aus dieser vorliegenden Studie geht hervor, dass weitestgehend Uneinigkeit darüber herrscht, was unter Spracheinstellungen beziehungsweise Spracheinstellungsäußerungen zu verstehen sei.

Die Autorin schlägt für die weitere Erforschung der Komponenten Spracheinstellungsäußerungen, Relationen zwischen Spracheinstellungen, Emotionen von Sprechenden sowie deren Sprachverhalten ein interdisziplinäres Vorgehen der Studien vor. ‚Mithin ist die in dieser Studie geschaffene Schnittstelle zwischen der Erforschung des Lehrens und Lernens der deutschen Sprache (DaF/DaZ), der (Sprach-) Psychologie und der (Sozio-)Linguistik auszubauen.‘

Durch diese Studie wurden Gründe für ein Umdenken im Hinblick auf die Bezeichnung der deutschen Sprache als Fremd- und Zweitsprache offensichtlich gemacht.

Fazit

„Sprachen-Sprachmittlung-Integration“ ist ein äußerst aktuelles und wichtiges Buch, das die Rolle der Sprache als Brücke zwischen Kulturen eindrucksvoll darstellt. Es sensibilisiert für die Herausforderungen, aber auch die Chancen, die Sprachmittlung und Mehrsprachigkeit in einer globalisierten Welt bieten. Kobelts Werk ist eine Bereicherung für alle Menschen, die sich mit Migration, Integration und Interkultureller Kommunikation befassen.

Rezension von
Mag. Brigitta Klosa
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Es gibt 2 Rezensionen von Brigitta Klosa.

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Zitiervorschlag
Brigitta Klosa. Rezension vom 23.12.2024 zu: Ann-Kathrin Miriam Kobelt: Sprachen – Sprachmittlung – Integration. Vom Sprechen über Sprachen und Fragen nach (Nicht-) Zugehörigkeiten. Frank & Timme (Berlin) 2023. ISBN 978-3-7329-0935-3. Reihe: Studien zu Fach, Sprache und Kultur - 9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30680.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.


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