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Werner Dübeck: Handbuch Begleiteter Umgang

Rezensiert von Wolfgang Schneider, 05.07.2023

Cover Werner Dübeck: Handbuch Begleiteter Umgang ISBN 978-3-8462-1348-3

Werner Dübeck: Handbuch Begleiteter Umgang. Pädagogische, psychologische und rechtliche Aspekte. Reguvis Fachmedien GmbH (Köln) 2023. 4., vollständig aktualisierte Auflage. 350 Seiten. ISBN 978-3-8462-1348-3. D: 42,00 EUR, A: 43,20 EUR.

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Thema

Der Begleitete Umgang wird nach Anordnung des Familiengerichts durch die Einrichtungen der Jugendhilfe angeboten und umgesetzt. Die Anwesenheit eines mitwirkungsbereiteten Dritten, wie es im Familienrecht heißt, beim Umgang dient der Unterstützung des Kindes bei Kontaktaufbau oder -erhalt nach familiären Trennungen, gleichzeitig aber auch dem Schutz des Kindes vor möglichen Schädigungen wie zum Beispiel Gewalt, Suchtverhalten oder Entfremdung bei unbegleitetem Umgang. Dieser Titel soll allen Beteiligten dabei helfen, den Begleiteten Umgang im Sinne des betroffenen Kindes und unter Beachtung des Kindeswohls durchzuführen – denn Umgangsbegleitung erfordert eine kindorientierte Betrachtungs- und Handlungsweise.

Autor

Dr. Werner Dürbeck, ist Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht. Neben ihm gehören erfahrene Praktiker*innen aus Psychologie, Pädagogik, Recht und Sozialarbeit zu den Autor*innen der einzelnen Kapiteln wie zum Beispiel Katharina Lohse und Dr. Janna Beckmann vom DiJuF aus Heidelberg.

Entstehungshintergrund

Es handelt sich um die vierte Neuauflage dieses Titels. Zum ersten Mal hat nun die Herausgeberschaft gewechselt, was dazu geführt hat, dass das Buch komplett neu konzipiert wurde. Die bisherigen Herausgeberinnen – die letzte Aktualisierung erfolgte vor fünf Jahren – sind auf eigenen Wunsch ausgeschieden. Der Verlag selbst hat dann Dürbeck als Herausgeber ausgesucht.

Aufbau und Inhalt

Den Auftakt des Buches bildet eine Einführung, die kurz die gerichtliche Regelung des Begleiteten Umgangs beschreibt, bevor anhand der Angebote in München die aktuelle Forschung zum Begleiteten Umgang vorgestellt wird. Es folgen als ein Schwerpunkt die rechtlichen Grundlagen. Zunächst wird der Begleitete Umgang im Zivilrecht eingeordnet, bevor die Umgangsbegleitung als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe nach § 18 SGB VIII erläutert wird. Abschließend wird der Datenschutz im Themenkomplex Begleiteter Umgang beleuchtet.

Das folgende Kapitel widmet sich den psychologischen Aspekten des Begleiteten Umgangs., worunter zum Beispiel das Thema Elternverhalten fällt aber auch die Diskussion, ob Begleiteter Umgang ein Angebot zur Stärkung der Resilienz darstellt. Im vierten Kapitel stehen die praktischen Grundlagen zum Begleiteten Umgang im Fokus. Hier werden zum Beispiel Rolle und Aufgaben im Begleiteten Umgang eingeführt sowie die verschiedenen Phasen inklusive der zugehörigen Aufgaben und Haltungen definiert. Ein besonderer Abschnitt ist der zum Thema Begleiteter Umgang bei häuslicher Gewalt.

Das sehr umfangreiche fünfte Kapitel beschreibt besondere Konstellationen beim Begleiteten Umgang anhand von Praxisbeispielen. Dabei geht es um Begleitete Umgänge, wenn die Kinder in Vollzeitpflegefamilien untergebracht sind, bei hochstrittigen Elternpaaren, bei psychisch erkrankten Eltern, bei Familien mit Migrationsbiografie und im Zusammenhang mit Traumatisierungen sowie dem Thema Umgangsverweigerungen von Kindern. Abschließend wird das Ulmer Konzept „Kind im Zentrum“ für die Beratung von Trennungskindern und deren Eltern im Begleiteten Umgang vorgestellt.

Den Abschluss des Buches bilden diverse Muster und Arbeitshilfen sowie die Qualitätsstandards für den Begleiteten Umgang im Deutschen Kinderschutzbund.

Um einen differenzierten Einblick in die Inhalte zu bekommen, sollen nun ein rechtliches und ein psychologisches Kapitel näher betrachtet werden. Was sind die Eingriffsschwellen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch? Die Anordnung der Begleiteten Umgänge durch das Familiengericht setzt nicht immer eine Kindeswohlgefährdung voraus, vielmehr reicht es, dass der Begleitete Umgang für das Wohl des Kindes erforderlich ist, wenn es um eine – gemessen am jeweiligen Alter des Kindes – kurze Dauer der Begleiteten Umgänge geht. In der Regel kann dabei von maximal drei Monaten ausgegangen werden. Steht die Begleitung über einen längeren Zeitraum im Raume, sieht die Sache anders aus. Begleitete Umgänge bedürfen dann der Feststellung des Familiengerichtes, dass ohne eine Begleitung des Umgangs das Kindeswohl konkret gefährdet wäre. Dabei sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie an die familiengerichtliche Überprüfung des Kindeswohls, wenn es um einen Eingriff ins Sorgerecht geht. Auch hier gilt grundsätzlich der Maßstab der Verhältnismäßigkeit: Eine Kindeswohlgefährdung darf nur dann über einen Begleiteten Umgang abgewehrt werden, wenn es keine weniger einschneidenden Maßnahmen gibt, mit denen dies erreicht werden könnte.

Im Buch wird diskutiert, ob Begleiteter Umgang ein Angebot zur Stärkung der Resilienz sein kann. Das soll an dieser Stelle näher betrachtet werden. Die Idee fußt auf dem 7-Faktor-Resilienz-Modell nach Deinert. Dazu gehören Optimismus, Akzeptanz, das Verlassen der Opferrolle, Verantwortung, Netzwerkorientierung, Zukunftsplanung und Lösungsorientierung. Im entsprechenden Kapitel wird beschrieben, wie eben jene Faktoren sich in Begleiteten Umgängen wiederfinden lassen und – zumindest bei einem guten Verlauf der Umgangsbegleitung – dazu beitragen können, dass das betreffende Kind aber auch das komplette Familiensystem Resilienz aus diesem Vorgehen ziehen. Dass es sich dabei um einen Prozess handelt, der auch von der Beziehung zwischen den Familienmitgliedern und der begleitenden Fachkraft handelt dürfte einleuchten – ebenso die Tatsache, dass hierfür ein großer zeitlicher Rahmen erforderlich ist.

Diskussion

Dieses Standardwerk – und das ist es wirklich – beleuchtet alle relevanten rechtlichen, psychologischen und pädagogischen Aspekte des Begleiteten Umgangs aus Sicht der beteiligten Professionen. Dass die Autor*innen sich mit der Materie auskennen, wird in der anschaulichen und fundierten Darstellung von Arbeitsweisen, Techniken, Instrumenten und besonderen Fallkonstellationen wie Pflegefamilien oder psychischen Erkrankungen eines Elternteils deutlich. Der Vorteil des Buches sind dabei die verschiedenen Sichtweisen auf das Thema. Gerade für die Fachkräfte der Sozialen Arbeit dürften die rechtlichen Aspekte jenseits tradierten Wissens von erfahrenen Kolleg*innen von großer Bedeutung sein. Andererseits können auch Jurist*innen sicherlich aus den Darstellungen der sozialen Fachkräfte wichtige Informationen für die Praxis mitnehmen.

Die Umsetzung des erworbenen Wissens in die Praxis wird dadurch unterstützt, dass sich im Anhang des Titels zahlreiche Checklisten und Muster unter anderem zu Erstgesprächen, Vereinbarungen, Protokollen und Berichten finden. Das soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeit mit Menschen immer individuell bleibt und viele Dinge auch beim Begleiteten Umgang von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen.

Zwar erwähnt Herausgeber Dr. Werner Dürbeck im Vorwort, dass der Titel personell und inhaltlich in vielen Bereichen neu aufgestellt wurde. Was aber leider fehlt, ist eine Synopse, um eben erkennen zu können, was neu ist. Das mag für Erstleser*innen nicht tragisch sein, für Nutzer*innen der vorherigen Auflage wäre es aber sicherlich ein guter Service gewesen. Positiv zu erwähnen ist allerdings an dieser Stelle, dass im Verzeichnis der Autor*innen genau angegeben wurde, wer für welches Kapitel verantwortlich zeichnet.

Wie wichtig die genaue Kenntnis der Rechtslage für Sozialarbeiter*innen sein müsste, zeigt sich in diesem Buch sehr deutlich. So wird noch einmal ganz klar herausgestellt, dass ein Begleiteter Umgang ein massiver Eingriff ist in das Erziehungsprimat der Eltern nach Artikel 6 Grundgesetzt darstellt – massiver sogar noch als eine Umgangspflegschaft. Daraus folgt für die Praxis, dass ohne einen familiengerichtlichen Beschluss gegen den Willen eines der Beteiligten ein Begleiteter Umgang völlig unmöglich ist. Ein Aspekt, der in der gelebten Praxis, sicherlich nicht allen Beteiligten bekannt sein dürften.

Dieser Punkt zeigt sehr gut die Bedeutung des Titels: Wer mit Begleitetem Umgang zu tun hat, sollte dieses Buch gelesen haben.

Fazit

Der Klappentext bezeichnet das Buch selbst als „Standardwerk“. Eigentlich sollte man als Leser*in bei so viel Eigenlob immer skeptisch sein, aber in diesem Fall trifft diese Aussage uneingeschränkt zu. Die breite inhaltliche Aufstellung bietet eine umfassende Beleuchtung aller Aspekte dieses in der Praxis bisweilen heiß diskutierten Themas. Insofern kann es nur ein Gewinn sein, wenn Fachkräfte mit einem breiten Wissen dazu ausgestattet sind. Und das gewinnen sie mit diesem Titel definitiv.

Rezension von
Wolfgang Schneider
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Zitiervorschlag
Wolfgang Schneider. Rezension vom 05.07.2023 zu: Werner Dübeck: Handbuch Begleiteter Umgang. Pädagogische, psychologische und rechtliche Aspekte. Reguvis Fachmedien GmbH (Köln) 2023. 4., vollständig aktualisierte Auflage. ISBN 978-3-8462-1348-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30699.php, Datum des Zugriffs 03.12.2023.


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