Svenja Weitzig: Lebensgestaltung in der Sozialen Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. René Börrnert, 04.07.2025

Svenja Weitzig: Lebensgestaltung in der Sozialen Arbeit. Systemische und ökonomische Impulse für die alltägliche Selbstorganisation. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. 108 Seiten. ISBN 978-3-7799-7226-6. D: 23,00 EUR, A: 23,70 EUR.
Thema
Zwangsläufig stehen Fachkräfte der Sozialen Arbeit immer in einem Bezug zum Leben ihrer Adressat:innen und Klient:innen. Grundlegende Konzepte (z.B. Lebenswelt) formulieren Aufträge (z.B. Lebensbewältigung) und Methoden (z.B. Aufsuchende Soziale Arbeit). Zwar sind ethisch-moralische Prämissen des professionellen Handelns über die Professionsethik klar postuliert, doch werden die gesellschaftlichen Mitweltbedingungen immer komplexer. Damit wird auch die Frage bzw. Antwort zum „korrekten“ Handeln immer schwieriger.
Mit dem sogenannten „Konzept der Lebensgestaltung“ will Svenja Weitzig hier theoretische Denkanstöße und Handlungsanregungen zu dieser komplexer werdenden Sozialen Arbeit geben. Hierbei implementiert sie insbesondere Erkenntnisse aus der ökonomischen Bildung und formuliert auf Basis (hypno-)systemischer Angänge das Format einer Sozialen Arbeit auf Augenhöhe.
Autorin und Entstehungshintergrund
Dr. phil. Svenja Weitzig war als ausgebildete Diplom-Sozialpädagogin in verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit tätig. Aktuell ist sie Professorin für Sozialmanagement an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe.
Laut eigener Darstellung auf der Rückseite des Buches sieht sie die Publikation als Anreiz zur Diskussion in Lehre, Praxis und Forschung. Grundlegend verortet sich Weitzig mit ihrer (hypno-)systemisch ausgerichteten Forschung zur Organisationsentwicklung an der Schnittstelle zwischen Sozialer Arbeit, Wirtschaftswissenschaften und Psychologie.
Aufbau und Inhalt
Nach der Einleitung folgt Teil 1 mit der Überschrift „Grundlagen“. Hier werden zunächst die Aufgaben von Sozialer Arbeit in lebensweltbezogenen Kontexten diskutiert, um dann den hypnosystemischen Ansatz zu referieren. Dieser geht davon aus, dass Soziale Fachkräfte die Grundhaltung verinnerlichen, dass nur die betreute Person völlig autonom Veränderungen in ihrer Lebensstruktur herbeiführen kann. Als „Co-Produzierende“ sollen sie Personen dazu befähigen, „ihre Aufmerksamkeit selbstbestimmt und ganz bewusst so zu lenken, dass sie ihr eigenes Erleben immer wieder neu zu gestalten“ können (35). Hinweise zur Prozessgestaltung und Interaktionsmöglichkeiten kombiniert die Autorin mit weiteren Impulsen für die Soziale Arbeit.
Teil 2 lautet „Die Welt, mit der wir leben“ und ist unterteilt in Ausführungen zu wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen mit Bezug auf lebensweltbezogene Kontexte. Hier vermittelt Weitzig ökonomisches Basiswissen unter Überschriften, wie „Was ist Wirtschaft? Was ist Wirtschaften?“ (60 ff.). Das ergänzt sie durch ökonomisch-didaktische Impulse. In der Einleitung wurde von ihr beschrieben, dass an dieser Stelle „Möglichkeiten zur Förderung ökonomischer Handlungskompetenz“ aufgezeigt werden (10). Diese findet der Lesende an der beschriebenen Stelle jedoch in der genannten expliziten Begrifflichkeit.
Teil 3 hat „Lebensgestaltung in der Sozialen Arbeit“ im Blick. Hier bietet die Autorin mit ihren Überlegungen „eine neue Ausrichtung der Rahmung für all das, was in der Sozialen Arbeit bereits lange erprobt wurde und sich bewährt hat. Es ist der äußere Rahmen, der sich im Zuge gesellschaftlicher sowie wirtschaftlicher Entwicklungen kontinuierlich verändert“ (88). Sodann folgen auf zehn Seiten Verweise aus Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit, in denen Weitzig ihren Konzeptgedanken in Ansätzen diskutiert.
Im Teil 4 formuliert die Autorin dann einen „Ausblick“, der recht allgemein bleibt und erneut den eigenen Anspruch relativiert, mit dem Buch nur einen Anfang hypnosystemischer Betrachtungen der Sozialwirtschaft anzubieten (102).
Diskussion
Der vorgelegte Denkanstoß kann als Fragment gesehen werden, der noch an vielen Ecken ausbaufähig ist und so gleich einem Patchwork Versatzstücke zum Ausarbeiten anbietet. Hierzu ist es notwendig, die fragmentarisch angebotenen Teile klar zu ordnen und in einen mit Fragestellungen strukturierten Kontext zu stellen. In ihrem Ausblick bietet die Autorin solcherlei Fragen, bleibt aber in Vorüberlegungen stecken. Der Beitrag insgesamt bleibt an vielen Stellen oberflächlich und unkonkret; der sprachliche Duktus ist nicht immer lesefreundlich. Das gilt insbesondere für die Herleitungen im ersten Kapitel und bei der Legitimation der eigenen Überlegungen (88).
Bedauerlicherweise liefert die in verschiedenen sozialen Handlungsfeldern erfahrene Diplom-Sozialpädagogin lediglich nur ein längeres und gutes Fallbeispiel (92f) als Bezug zur Berufspraxis und damit, wie das angedachte Konzept Einsatz finden kann. Mehrere solcher Bezüge hätten die Verständlichkeit und damit die Brauchbarkeit des Ansatzes im Theorie-Transfer fruchtbar gemacht. So aber zählt Weitzig lediglich etablierte Theorien und Konzepte aus den von ihr präferierten Bezugswissenschaften der Profession auf, ohne deren Kernaspekte mit ihren eigenen zusammenzuführen. Das angedachte „Konzept der Lebensgestaltung“ zeigt sich somit als Skizze, die vom gutwillig interessierten Lesenden weiter ausgemalt werden muss.
Fazit
Die Autorin bemerkt zu Recht, dass ihr Buch als Impuls zur Diskussion in Lehre, Praxis und Forschung dienen mag, denn es handelt sich bei der Publikation lediglich um das Angebot eines bruchstückhaften Konzeptes.
Rezension von
Prof. Dr. René Börrnert
Fachhochschule des Mittelstands (Rostock)
Mailformular
Es gibt 47 Rezensionen von René Börrnert.