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Jeremy Rifkin: Das Zeitalter der Resilienz

Rezensiert von Dipl.-Päd. Ines Polzin, 23.05.2025

Cover Jeremy Rifkin: Das Zeitalter der Resilienz ISBN 978-3-593-50664-7

Jeremy Rifkin: Das Zeitalter der Resilienz. Leben neu denken auf einer wilden Erde. Campus Verlag (Frankfurt) 2022. 359 Seiten. ISBN 978-3-593-50664-7. D: 32,00 EUR, A: 32,90 EUR.

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Thema

Was ist erforderlich aus einem dystopischen Weltbild herauszufinden, um die immer offensichtlicher in Erscheinung tretenden Krisen, die miteinander in Beziehung stehen, was Matthias Horx als „Omnikrise“ betitelt, zu managen, den Übergang zu etwas Neuem zu gestalten? Rifkin postuliert die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels als Basis: „Um die große Kehrtwende von der Anpassung der Natur an die menschlichen Bedürfnisse zur Anpassung der Menschheit an die Natur zu schaffen, ist eine Abkehr vom traditionellen Verständnis der Wissenschaft nötig, … ein Verständnis, das der Natur ihre Geheimnisse zu entreißen sucht und die Erde als Rohstoff und Ware für die ausschließliche Nutzung durch den Menschen betrachtet. An dessen Stelle muss ein radikal neues Paradigma treten – das Denken in komplexen adaptiven Systemen (KAS).“ Und: „Der verwilderte Planet wird unseren kollektiven Mut auf die Probe stellen. Bleibt zu hoffen, dass uns der Weg, den wir im Zeitalter der Resilienz einschlagen, in einen neuen Garten Eden führt – nur diesmal nicht als Herrscher, sonder als Gleichgesinnte unserer Mitlebewesen, mit denen wir unsere Heimat teilen.“ (Rifkin, S. 17)

Autor

Jeremy Rifkin unterrichtet an der Wharton School der University of Pensilvania und ist sowohl Gründer als auch Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington. Er ist New-York-Times-Bestsellerautor, und einige bekannte Titel seiner in über 35 Sprachen übersetzten Bücher lauten: Das Ende der Arbeit, Access und Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Seine Werke stoßen weltweite Debatten zu den großen gesellschaftlichen und ökonomischen Fragen aus. Sein Werk wird teilweise sehr kontrovers diskutiert.

Entstehungshintergrund

Rifkin veröffentlicht seit 1973 Bücher zu den Themen Umwelt, wirtschaftliche Entwicklung, Forschung. Seine Arbeiten haben die EU bzgl. des „Green Deal“ maßgeblich beeinflusst. 2020 wurde Rifkin mit dem 13. Deutschen Nachhaltigkeitspreis geehrt.

Aufbau und Inhalt

„Das Zeitalter der Resilienz“ ist in vier Teile mit Unterkapiteln gegliedert:

Teil 1 – Effizienz vs. Entropie. Die Dialektik der Moderne

  • Kap.1 Masken, Beatmungsgeräte und Toilettenpapier; Wie Anpassungsfähigkeit über Effizienz triumphiert
  • Kap. 2 Taylorismus und das Gesetz der Thermodynamik
  • Kap. 3 Die wirkliche Welt; Das Kapital der Natur

Teil 2 – Die Privatisierung der Erde und die Verarmung der Arbeiter

  • Kap. 4 – Das große Beben; Die Privatisierung von Raum und Zeitalter
  • Kap. 5 – Der Raubzug; Die Kommerzialisierung der Sphären, Gene und Radiowellen der Erde
  • Kap. 6 – Das Dilemma des Kapitalismus; Mehr Effizienz, weniger Arbeitnehmer, verschuldete Verbraucher

Teil 3 – Wie wir an diesen Punkt gekommen sind. Ein neues Verständnis der Evolution

  • Kap. 7 - Das ökologische Individuum; Der Mensch als dissipative Struktur
  • Kap. 8 – Eine neue Ursprungsgeschichte; Wie biologische Uhren und elektromagnetische Felder das Leben takten und gestalten
  • Kap. 9 – Jenseits der wissenschaftlichen Methode; Komplexe adaptive sozioökologische Systeme

Teil 4 – Das Zeitalter der Resilienz. Das Ende des Industriezeitalters

  • Kap. 10 – Die Infrastruktur der Resilienzrevolution
  • Kap. 11 – Die Entstehung der bioregionalen Ordnung
  • Kap. 12 – Abschied von der repräsentativen Demokratie; Auftritt der Peerocracy

Fokussierend auf den 4. Teil, Das Zeitalter der Resilienz, kritisiert Rifkin die alleinige Ausrichtung von Wirtschaft und Gesellschaften auf Effizienz, weil sich hierdurch die Krisenanfälligkeit enorm erhöhe. Z. B. haben Just-in-time Lieferketten zwar den Vorteil der Kostensenkung – solange keine unvorhergesehenen Ereignisse, z.B. Pandemien oder Naturkatastrophen auftreten. Ist dies der Fall, schwächt die alleinige Ausrichtung auf Effizienz die Widerstandskraft und damit die Resilienz von Wirtschaft und Gesellschaften. Flexibles Gestalten und Anpassungsprozesse werden erschwert. Insofern führt ein Weg weg von der reinen Effizienz hin zu mehr Widerstandsfähigkeit. (Kap. 10)

In Kap. 11 spricht sich Rifkin für eine Hinwendung zu einer dezentralen, naturverbundenen Organisation der Gesellschaft und damit für eine Abkehr von zentralistischen Strukturen aus. Durch die Orientierung an Bioregionen (Ausrichtung an natürlichen Gegebenheiten wie Wassereinzugsgebieten, Klimazonen oder Ökosystemen) können Gemeinschaften resilienter werden und besser auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts reagieren, indem sie Entscheidungen über Ressourcenmanagement, Energieversorgung oder Landwirtschaft dezentral treffen, was die Anpassungsfähigkeit und Resilienz gegenüber globalen Krisen erhöht.

Das politische System (Kap. 12) der repräsentativen Demokratie kann den komplexen Herausforderungen aufgrund mangelnder Schnelligkeit, starker Hierarchisierung und Ausrichtung an Gruppeninteressen immer weniger gerecht werden. Auch hier bedarf es einer Neuausrichtung mittels Peerocracy. Rifkin entwirft folgendes Szenario: „Peerocracy ist eine Erweiterung der repräsentativen Demokratie und ein Mittel gegen ihre Schwächen. Bürgerbeiräte heben die Demokratie auf eine neue Ebene. Zentral- und Regionalregierungen werden wohl erhalten bleiben, doch in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten werden sie vermutlich ihre hierarchische Struktur verlieren und ein verteiltes Muster annehmen, und die Entscheidungen dürften immer mehr auf der vertrauten Ebene der Bioregion getroffen werden, wo die Menschen leben. Von dort aus werden Entscheidungen an weitere Regierungsebenen weitergegeben und auf diese Weise ein tieferes Muster der Vernetzung zwischen Bioregionen und dem gesamten Kontinent geschaffen.“ a.a.O. S. 259)

Im letzten Kapitel von Teil 4 entwickelt Rifkin eine Vision einer Gesellschaft, die auf empathischem Miteinander, der Verbindung des Menschen zur Natur und bewußtseinsförderlicher Bildung fusst. Mitgefühl und Kooperation als

Diskussion

Resilienz wird in erster Linie immer auch mit Widerstandskraft gleichgesetzt. Dabei beinhaltet Resilienz, da es sich um eine Anpassungskraft handelt, zusätzlich zur Widerstandskraft u.a. auch das Gestalten, Verändern, Lösungsorientierung, Kreativität. All dies sind notwendige Faktoren, die beim Umgang mit Herausforderungen ihre Wirkung entfalten. Die alleinige Ausrichtung an Effizienzkriterien gibt zwar eine feste Struktur und damit Orientierung – schränkt aber auch die Flexibilität von Systemen ein. Wenn wir heute die Transformationsanliegen allein in unserem Land betrachten, können wir an nahezu jeder Stelle beobachten, wie komplex und auch teilweise chaotisch anmutend sich die aktuellen Realitäten gestalten. Unsere enge Vernetzung mit anderen Wirtschaften und politischen Systemen sind noch nie so deutlich erfahrbar geworden wie aktuell. Rifkins Werke werden kontrovers diskutiert, was nicht verwundern kann, wendet man den Blick allein auf seine Ausführungen zu „Big Data“ (Kap. 5, Der Raubzug), wo er das Spannungsfeld zwischen Prävention, Überwachungstools (Apps) und Stigmatisierung marginalisierter Bevölkerungsgruppen und wirtschaftlichen Benefit der Tec Konzerne beleuchtet. Seine Vision einer empathischen Gesellschaft könnte als Spinnerei und wirklichkeitsfremd diffamiert werden. Andererseits macht sie Mut und weist einen mögliche Entwicklungsrichtung. Ähnlich wie das Buch „Im Grunde gut“ (Rutger Bregman) werden Alternativen, mögliche Entwicklungen aus der derzeitigen unsicheren Übergangsphase aufgezeichnet. Dies kann Menschen ermutigen, sich aktuellen Herausforderungen zu stellen.

Eine bioregionale, demokratisch mitgestaltete Zukunft, in der Mensch und Natur keine getrennten Einheiten, sondern als miteinander verbunden verstanden werden – sind Rifkins Vision hin zu einer vom Empathie und Kooperation getragenen Gesellschaft, die Verantwortung übernimmt, Zukunft flexibel gestaltet und Herausforderungen so besser begegnen kann als bislang. Unser aktueller Status Quo – wie wir dahin kamen, wo wir heute stehen, wird historisch hergeleitet. Das allein von Effizienz geprägte Wirtschaften und das entsprechende Gesellschaftsleben sind aus Rifkins Sicht nicht mehr adäquat für die komplexen Krisen, die auf allen Ebenen von Systemen in Erscheinung treten. Ein politischer, sozialer, ökologischer Dreiklang prägen ein neues Bewußtsein. Nur mit diesem neuen Bewußtsein sind die bereits eingetretenen und künftigen Herausforderungen bewältigt werden.

Fazit

Das Buch bietet viele spannende Perspektiven und Inspirationen hinsichtlich der globalen Umwälzungsprozesse. Drei Jahre nach Erscheinen erscheinen gerade die Themen zu Zukunftskraft der demokratischen Systeme irritierend prophetisch, aber nicht dystopisch! Die Gestaltung von Zukunft unter unabdingbarem Einbezug der belebten Natur wird durch Rifkin umfassend beschrieben.

Rezension von
Dipl.-Päd. Ines Polzin
Autorisierte INQA-Coach (Initiative Neue Qualität für die Arbeit), Resilienzcoach und –Trainerin (zert. nach den Standards des Resilienzzentrums Osnabrück), zert. Mediatorin
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Es gibt 19 Rezensionen von Ines Polzin.

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ISSN 2190-9245