Franziska Stedry: Handwerkliche Techniken in der Ergotherapie
Rezensiert von Prof. Dr. Elke Kraus, Nicola Thapa-Görder, 23.12.2024
Franziska Stedry: Handwerkliche Techniken in der Ergotherapie. Theorie und Praxis. Verlag modernes lernen Borgmann GmbH & Co. KG. (Dortmund) 2022. 256 Seiten. ISBN 978-3-8080-0922-2. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 48,50 sFr.
Thema
In ihrem Buch „Handwerkliche Techniken in der Ergotherapie: Theorie und Praxis“ präsentiert Franziska Stedry das Handwerk als Medium im Rahmen der Ergotherapie.
Autorin
Franziska Stedry ist ausgebildete Ergotherapeutin und bringt Erfahrung mit, aus den psychiatrischen, orthopädischen und neurologischen Bereichen, insbesondere der rehabilitativen Medizin für Schulter und Hand. Aktuell ist sie im Therapeutischen Dienst eines Gesundheitsamts in Berlin.
Entstehtungshintergrund
Aus dem Prolog der Autorin geht hervor, dass das Buch für angehende Therapeut_innen konzipiert wurde, sowie für Therapeut_innen, die „die Wissenschaft und somit das Handwerk zum Wohle von Therapeut, Klient und Gesundheitssystem in die Therapie einschließen wollen“.
Aufbau und Inhalt
Teil 1 befasst sich mit den sogenannten psychosozialen Tools der Therapeuten in Bezug auf die Vorbereitung und die Reflexion auf verschiedenen Ebenen und von unterschiedlichen Perspektiven. Stedry formuliert die Notwendigkeit von evidenzbasiertem Arbeiten, kommt ihrem Anspruch aber nicht nach. Die Darstellung der Ergotherapie entspricht eher dem Verständnis der 80/90er Jahre und nicht dem aktuellen Paradigma.
Stedry stellt die Reflexion als elementar heraus und stellt unsortiert verschiedene Autoren der allgemeinen Kommunikation zusammen, ohne diese weiter zu konkretisieren (Rogers, Watzlawick, Schulz-v. Thun, Wahrnehmungsfehler (S. 26). Das Umsetzen von Smart-Zielen wird als Titel formuliert, im Text findet sich aber keine Darstellung, wie es geht bzw. was dazu gehört. (S. 23). Stattdessen werden Abwehrmechanismen benannt. Es finden sich auch weder Studien oder Belege für die Behauptungen und Zuordnungen der „psychosozialen Tools“ herangezogen, noch werden Literaturverweise benannt (z.B. woher die Begriffe „ausdruckszentrierte“, „wahrnehmungszentrierte“ oder „kompetenzzentrierte“ Methode kommen – erstmals benannt von Scheiber 1996, S. 30ff). Es wird auch nicht beschrieben, was die jeweilige Methode ausmacht und die Beispielfragen sind so basisch, dass auch hier eine therapeutische Relevanz nicht deutlich wird. Das Sammelsurium aus verschiedenen – nicht belegten – Themen im 1. Teil lässt sowohl erfahrene Therapeut_innen, Lehrende als auch Auszubildende eher irritiert zurück.
Teil 2 ist der Hauptteil des Buches, in dem die therapeutische Durchführung der Medien Peddigrohr, Weben, Speckstein, Holz, Linoldruck, Ton, bildnerisches Gestalten, Pappe und Papier, Metall- und Wollarbeit, Makramee und Seide aufgeführt werden. Hier wird jeweils die therapeutische Relevanz, die Technik mit ihren Fachbegriffen und Werkzeugen, praktische Durchführung und Technik, Materialliste sowie Planung aufgeführt, meistens auch mit Beispielen aus der Praxis. Die Darstellungen der jeweiligen handwerklichen Techniken sind größtenteils korrekt. Die vorrangehenden Unterkapitel zur „Therapierelevanz: Bio-psycho-soziale Effekte auf den Menschen“ sind jedoch ebenfalls ein Sammelsurium von Behauptungen, die entweder nicht belegt oder teilweise falsch sind. Außerdem ist zu sagen, dass ausgebildete Ergotherapeut_innen oder Auszubildende, die im Rahmen ihrer theoretischen und praktischen Ausbildung die ergotherapeutischen Mittel erlernen und anwenden, die dargestellten handwerklichen Techniken sind in der Regel nicht notwendig.
Diskussion
Es gelingt Stedry nicht, das Handwerk in den aktuellen Diskurs der Ergotherapie einzubetten. Im ersten Teil wird der klientenzentrierte Ansatz fokussiert. Allerdings überzeugt die Einführung des Buches mit dem Hinweis zum „wissenschaftlichen Arbeiten“ mit Bezug zu „Strukturen aus der Wirtschaft“ der Einleitung nicht. Auch hier werden Begriffe nicht weiter ausgeführt, sodass es eher missverständlich erscheint. Auf der fachlichen Ebene fehlt der Bezug zur Bestätigungszentrierung, die ein Top-Down Vorgehen voraussetzt. Das Buch jedoch untermauert einen Bottom-Up Ansatz, der auch seine Berechtigung hat. Aber im Rahmen des aktuellen ergotherapeutischen Paradigmas sollte zumindest der Bezug zu einem betätigungszentrierten Ansatz deutlich gemacht werden. Auch auf der wissenschaftlichen Ebene befasst sich das Buch nicht mit Wirksamkeitsstudien zum Handwerk als Medium um die Wissenschaftlichkeit in Bezug auf Evidenzbasierung darzustellen, obgleich es hierzu etliche Studien gibt.
Fazit
Insgesamt ist festzustellen, dass dieses Buch versucht, einen Beitrag und eine Übersicht zu den handwerklichen Techniken zu leisten, aber die konzeptionelle Einbettung in die aktuelle Ergotherapie, das Clinical Reasoning und Wissenschaftlichkeit bzw. Evidenzbasierung, sind entweder missverständlich oder nicht vorhanden. Daher bleiben im Rahmen der aktuellen Ergotherapie viele Fragen offen oder es werden neue Fragen aufgeworfen.
Rezension von
Prof. Dr. Elke Kraus
Ergotherapie
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Nicola Thapa-Görder
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Zitiervorschlag
Elke Kraus, Nicola Thapa-Görder. Rezension vom 23.12.2024 zu:
Franziska Stedry: Handwerkliche Techniken in der Ergotherapie. Theorie und Praxis. Verlag modernes lernen Borgmann GmbH & Co. KG.
(Dortmund) 2022.
ISBN 978-3-8080-0922-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30745.php, Datum des Zugriffs 24.01.2025.
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