Raphael Krämer, Lars Schöppe: Neuropsychologisches Coaching
Rezensiert von Mirko Schwindling, 17.08.2023
Raphael Krämer, Lars Schöppe: Neuropsychologisches Coaching. Entwicklung eines Konzepts für persönliche Veränderungsprozesse.
Tectum
(Baden-Baden) 2022.
163 Seiten.
ISBN 978-3-8288-4766-8.
D: 38,00 EUR,
A: 39,10 EUR.
Reihe: Beratung, Organisation und Coaching - Band 2.
Thema
Hinter diesem Buchtitel verbirgt sich das Interesse zweier Autoren, die der Frage nachgehen, ob Coaching einen nachhaltigen Einfluss auf die Persönlichkeit hat. Das bedeutet, dass erforscht werden soll, ob wesentliche Veränderungen der Wahrnehmung oder die Interpretationen des Geschehens durch Coaching beeinflusst werden können. Außerdem möchten die beiden Autoren, aufbauend auf den Ergebnissen ihrer theoretischen Arbeit, ein Coaching-Modell entwickeln, welches Veränderungen der Persönlichkeit begünstigt.
Autor:innen und Herausgeber
Die beiden Autoren, Raphael Krämer und Lars Schöppe, verfassten das Werk als Abschlussthesis ihres Masterstudiums. Es wurde im Jahr 2022 veröffentlicht und von Prof. Dr. Markus Jüster herausgegeben.
Entstehungshintergrund
Der Titel wurde als Abschlussarbeit beziehungsweise Masterthesis veröffentlicht. Es soll als wertvoller Beitrag für Berater:innen dienen, die das Coaching als Instrument für gezielte Veränderungen verstehen und dabei die Erkenntnisse aus der Neuropsychologie vereinen wollen.
Aufbau
Zum Aufbau des Werkes lässt sich sagen, dass es in vier Bereiche eingeteilt wurde. Zu Beginn leiten die beiden Verfasser mit der Einführung in die Thematik ein und stellen ihre Forschungsfragen vor. Im Anschluss beschreiben sie den Stand der Forschung im Bereich der Neuropsychologie und des Coachings. Ergänzend zum Stand der Forschung werden Grundlagen sowie Entwicklungen der Bereiche erläutert.
Das nächste Kapitel befasst sich mit der Präsentation der Ergebnisse und fügt diese zusammen. Dabei soll eine Symbiose der beiden einzelnen Themen stattfinden. Infolgedessen zeigen die Autoren das Coaching-Konzept, welches sie aus den neuropsychologischen Erkenntnissen, in Bezug auf die Veränderungsprozesse, entwickelt und fundiert haben, auf. Den Abschluss des Buches bilden kritische Diskussionen und Auseinandersetzungen mit der bestehenden Literatur und die Beantwortung der Forschungsfragen. Außerdem werden die Ergebnisse bewertet und fortführende Forschungsfragen empfohlen.
Für die Bearbeitung der Forschungsfrage entschieden sich die beiden Autoren für eine rein literaturbasierte Methodik. Dazu bedienen sie sich vielfältiger seriöser und wissenschaftlicher Journale und Quellen.
Inhalt
In dem ersten Kapitel „Einleitung“ führen die beiden Autoren explizit in das Thema „Entwicklung eines neuropsychologisch fundierten Coaching-Konzepts für persönliche Veränderungsprozesse“ ein. Dazu nehmen sie Bezug auf die Neuropsychologie und ihre Erkenntnisse. Das bedeutet, dass sie die Funktionsweise des Gehirns hinterfragen und diese in Relation mit dem Prozess des Coachings stellen wollen. Die Autoren definieren als Ziel des Werkes eine Verbindung zwischen dem aktuellen neuropsychologischen Modell und den Anforderungen des Coaching-Prozesses herzustellen und damit ein praxistaugliches Konzept zu entwickeln.
Im folgenden zweiten Kapitel „Stand der Forschung“ beschrieben die beiden Verfasser die neuroanatomischen Grundlagen des Gehirns. Dazu wird in Kapitel 2.1.1.1 grundlegend der Aufbau des Gehirns verdeutlicht. Des Weiteren erklären sie in dem Kapiteln 2.1.1. die wechselwirkende Funktionsweise der Synapsen und Neuronen. In Kapitel 2.1.2. widmen sich die Autoren dem limbischen System, welches als der Bereich der emotionalen Regulierung verstanden wird und damit eine bedeutende Struktur in der Bearbeitung von emotionalen Reizen darstellt. Dieses System besteht aus einem Netzwerk von Hirnarealen. Primär zählen die Amygdala, der Hippocampus und der Gyrus cinguli zu den tragenden Strukturen. Das nächste Kapitel 2.1.3 behandelt die Grundlagen der Neuropsychologie. In diesem Abschnitt gehen die Autoren konkret auf das menschliche Handeln, Denken und Fühlen ein. Außerdem wird erläutert wie Menschen Lernen bzw. das Lernen beeinflusst wird. Dazu stellen sie im Kapitel 2.1.3.3 das „vier Ebenen Modell nach Strüber und Roth“ vor. Dieses Konzept besteht aus vier Ebenen, die die psychische Entwicklung und das daraus resultierende funktionale System, welches wiederum Einfluss auf die Psyche ausübt, verdeutlichen und vereinfachen soll. Dazu wird die Entstehung des limbischen Systems in verschiedenen Altersstufen, sowie die Funktionsweisen des Gehirns erklärt.
Die fortführenden Abschnitte im Buch, nämlich Kapitel 2.1.3.4 bis 2.1.3.10 erläutern die beiden Autoren Zusammenhänge von Emotionen beziehungsweise Gefühlen in Relation mit körperlichen Zuständen in verschiedenen Situationen. Diese Relationen lassen sich als somatische Marker beschreiben. Auf die bidirektionale Beeinflussung von Körper und Gefühl bauen die Autoren das Embodiment auf.
Fortführend wird das „Predictive Processing“ durchleuchtet, welches grundlegende Funktionsmuster des Gehirns in Bezug auf die Wahrnehmung beschreibt. Den Abschluss des Kapitels bilden die Grundbedürfnisse und Konsistenztheorie nach Grawe. Dies beschreibt, dass jedes Lebewesen essenzielle Anforderungen an seine Lebensbedingung zum Überleben stellt. Dazu zählt Grawe vier Aspekte auf, die in seinen Augen keine Bedürfnisse sind, sondern ein Prinzip des Funktionierens bilden.
Im zweiten Theorieteil des Buches steigen die beiden Autoren tiefer in die Materie rund um das Coaching ein. Im Kapitel 2.2 werden die elementaren Aspekte des Coachings erklärt. Sie fahren anschließend mit der Entwicklung und dem Verständnis von Coaching fort und erläutern die Praxis des Begriffs.
In den Kapiteln 2.2.2.1 bis 2.2.2.6 schaffen die Autoren einen Vergleich von sechs verschiedenen Konzepten des Coachings. Woraufhin sie eine klare Trennung von Coaching und Psychotherapie setzen.
Fortlaufend werden in Kapitel 2.2.4 Themen benannt, die beim Coaching tragend sind. Ob Business oder Personalcoaching; es gibt viele verschiedene Formen.
Im nächsten Kapitel 2.2.5 werden verschiedene Coaching-Ansätze beziehungsweise Verfahren gewählt und vorgestellt. So findet sich zum Beispiel der systemische Ansatz oder das neurolinguistische Programmieren wieder.
In 2.2.6 und 2.2.7 werden verschiedene Varianten und Zielgruppen des Coachings geklärt und durchleuchtet.
Abschließend wird in 2.2.8 der Prozess des Coachings gezeigt. Hierzu werden verschiedene Autoren und Autorinnen herangezogen.
Im dritten Kapitel „Ergebnisse: Neuropsychologisches Coaching“ stellen die beiden Autoren ihre Ergebnisse aus dem Theorieteil vor. Dafür präsentieren sie ein vereinfachtes neuropsychologisches Modell und gehen auf dieses sowie die Grundlagen, wie zum Beispiel die Förderung neuer Erregungsmuster oder Grundbedürfnisse ein, ehe sie am Ende zur Synthese der Erkenntnisse aus Coaching und Neurowissenschaft kommen und das „neuropsychologisch fundierte Coaching-Konzept“ darstellen.
In Kapitel 3.3 wird nun das Coaching-Modell vorgestellt, welches Kapitel 2.2 und 3.3 vereint. Dies ist die Zusammenfassung der Erkenntnisse und stellt das Grundgerüst für das Konzept da.
Die Kapitel 3.4.1 bis 3.4.7 beschreiben den Prozessablauf eines Coachings. Es beginnt mit der Begrüßungs- und Vereinbarungsphase und endet mit der Professionalisierungsphase.
Das letzte Hauptkapitel 4 „Diskussion“ beinhaltet zuerst die kritische Auseinandersetzung mit bereits bestehender Literatur zu den Themenfelder des Coachings und der neuropsychologischen Wissenschaft. Fortführend werden in Kapitel 4.3 die Forschungsfragen, die der Arbeit zugrunde liegen beantwortet. Abschließend werden diese kritisch betrachtet und bewertet, um zukünftige Fragestellungen zu erschließen.
Diskussion
Besonders aufgefallen ist die Tiefe gewisser Kapitel. So könnten die Grundlagen der Neuropsychologie bzw. der Anatomie eines menschlichen Gehirns prägnanter beschrieben werden. Beim Leser kann es somit dazu kommen, dass er leicht überfordernd ist oder der Inhalt als überflüssig wahrgenommen wird.
Sehr positiv zu erwähnen ist jedoch die fachliche und anfängerfreundliche Ausdrucksweise. Das Buch ist für jeden zu empfehlen, der sich mit der Materie rund um nachhaltige Veränderungsprozesse durch das Coaching interessiert und sich zum Thema des Coachings aufklären möchte.
In vier Kapiteln schaffen es die beiden Autoren einen grundliegenden Einblick in die Teilbereiche der Neurowissenschaften und des Coachings zu vermitteln. Dabei kreieren sie ein Coaching-Konzept, welches auf den Ergebnissen der Forschung in den Bereichen der Neuropsychologie und dem Coaching aufbaut. Sie zeigen auf wie nachhaltig ein Coaching für die persönliche Entwicklung bzw. Veränderung sein kann.
Fazit
Das Buch bzw. die Masterthesis von Raphael Krämer und Lars Schöppe behandelt das Thema des neuropsychologischen Coachings und dem Erstellen eines darauf basierenden Konzepts. Das Buch schafft definitiv ein Mehrwert und ist für Einsteiger*innen geeignet.
Rezension von
Mirko Schwindling
im Masterstudium „MAKS“, Ausbildung: Sozialpädagoge, Beruf: Erzieher in der stationären Kinder- und Jugendhilfe.
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Zitiervorschlag
Mirko Schwindling. Rezension vom 17.08.2023 zu:
Raphael Krämer, Lars Schöppe: Neuropsychologisches Coaching. Entwicklung eines Konzepts für persönliche Veränderungsprozesse. Tectum
(Baden-Baden) 2022.
ISBN 978-3-8288-4766-8.
Reihe: Beratung, Organisation und Coaching - Band 2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30770.php, Datum des Zugriffs 13.10.2024.
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