Olaf-Axel Burow: # Schule der Zukunft
Rezensiert von Steffen Müller, 04.08.2023
Olaf-Axel Burow: # Schule der Zukunft. Sieben Handlungsoptionen.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2022.
215 Seiten.
ISBN 978-3-407-63253-1.
D: 24,95 EUR,
A: 25,60 EUR.
Reihe: Pädagogik.
Thema
Wie kann und muss sich die Institution Schule weiterentwickeln, um den Herausforderungen, die jungen Menschen heute und in der Zukunft begegnen, gerecht zu werden? Wie könnte eine Schule der Zukunft aussehen? Dies sind die zentralen Leitfragen, die Olaf-Axel Burow in seinem rund 200 Seiten starken Werk „#Schule der Zukunft“ diskutiert. Die Lehren für das Bildungssystem aus der Corona-Pandemie, sowie die zunehmende Digitalisierung sind dabei die Ausgangsfragen, wofür im weiteren Verlauf „Sieben Handlungsoptionen“ abgeleitet werden.
Autor
Prof. Dr. Olaf-Axel Burow ist emeritierter Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel. Seit über 40 Jahren beschäftigt er sich mit Zukunftsfragen der Pädagogik, und publiziert regelmäßig pädagogische Schriften. Seine Forschungsschwerpunkte sind Organisationsentwicklung und Schulentwicklung. Burow ist Direktor des IF Institute for future design, das seinen Schwerpunkt auf Zukunftsforschung und Weiterbildung von Organisationen legt (vgl. https://www.olaf-axel-burow.de/ Zugriff 15.07.2023).
Aufbau und Inhalt
Nach der Einführung, in der ein Bezug zu den aktuellen Herausforderungen an Schulen und ein Überblick über den Aufbau des Buches dargestellt wird, folgen drei Kapitel.
Im ersten Kapitel werden mit vielen biografischen Rückblicken Problemfelder und Zukunftsfragen für das Schulsystem erörtert. Ausgehend von der Aussage „Schulen wandeln sich langsamer als Kirchen“ (Seite 11) werden eigene Erfahrungen des Autors als Schüler und Lehrer beschrieben. Die ersten Versuche, Schulen durch Methoden der Gestaltpädagogik und mittels Zukunftswerkstätten weiterzuentwickeln stellt Burow mit vielen Bezügen zu seinem Ansatz der Positiven Pädagogik dar. Der Einzug digitaler Medien in die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen und die Bedeutung für das Bildungssystem sind weitere Schwerpunkte des ersten Kapitels. Immer wieder wird dabei ein Verweis auf die aktuellen Herausforderungen nach Ende der Corona-Pandemie hergestellt. Burow attestiert Schulen dabei ein Bedürfnis, zur „alten Normalität“ zurückzukehren, was er als vertane Chance für die Zukunftsfähigkeit bewertet. Abschließend beschreibt er Herausforderungen an Schulentwicklungsprozesse, die maßgeblich von Schulleitungen, der Haltung der Lehrkräfte und der Unterrichtsgestaltung abhängig sind.
Das zweite, umfangreichste Kapitel, behandelt die „Sieben Handlungsoptionen für die Schule der Zukunft“ in je einem Abschnitt.
Im ersten Abschnitt plädiert der Autor dafür, die Chancen der Digitalisierung im Schulsystem kreativ zu nutzen. Durch die Einbeziehung von digitalen Lehr- und Lernformaten kann auf den individuellen Leistungsstand jedes Schülers bzw. jeder Schülerin eingegangen werden. Die zentrale Aufgabe für Lehrkräfte ist dabei, rückgreifend auf reformpädagogische Überlegungen, eine vorbereitete Umgebung mit individuellen Lernmaterialien zu schaffen, welche selbstgesteuertes Lernen ermöglichen. Lehrkräfte verstehen sich dabei als Lernbegleitungen und Lerncoaches.
Der zweite Abschnitt fokussiert das Bild des Schülers bzw. der Schülerin. Burow appelliert dazu, Talente und Neigungen der Lernenden konsequent zu berücksichtigen. Er möchte die „gleichmacherische Massenpädagogik […] wie auch die Prozesse von Ausgrenzung und Abwertung […] beenden“ (S. 105). Die Schule solle vielmehr die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler erkennen und somit die Lernfreude fördern. Es werden mehrere Querverweise zu den Konzepten der „Positiven Pädagogik“, „Resonanz“ und „Flow“ gezogen. Lehrkräfte sollen Lernende darin unterstützen, ihre Kompetenzen zu erkennen, um so intrinsische Motivation für die eigene Wissenserweiterung zu schaffen. Dem entgegen steht die gängige Praxis der Bewertung und Benotung sowie ein Festhalten an überholten Unterrichtsformaten.
Im dritten Abschnitt beschreibt der Autor ausführlich seine Vorstellungen von neuen Bildungsräumen als Abkehr der Klassenraum- und Flurschule. Selbstgesteuertes Lernen benötigt andere Räume als traditioneller Frontalunterricht. Es werden mehrere Raumkonzepte vorgestellt, die neben lehrkraftzentriertem Unterricht auch Partnerlernen, Einzelarbeit und Gruppenarbeit ermöglichen. Auch die Rahmenbedingungen, wie die 45-Minuten-Taktung und die Klassengröße, sowie die technische Ausstattung werden reflektiert.
Der Abschnitt „Agile Schulkultur gestalten“ beschreibt die Möglichkeiten, die sich durch aktive Schulentwicklung bieten. Es werden Leadership-Konzepte umrissen und die maßgebliche Bedeutung von proaktivem Handeln von Schulleitungen dargestellt. Demnach beachten wertschätzende Schulleitungen drei Grundhaltungen: Sei leidenschaftlich! Sei visionär! Gestalte es einfach! Burow regt dazu an, die Gestaltungsräume maximal zu nutzen und dabei die individuellen Kompetenzen der Lehrkräfte optimal einzusetzen.
Im Abschnitt „Gesundheit, Glück und Resilienz sichern“ wird der Blick auf eine gesundheitsförderliche Lehr- und Lernumgebung gelenkt. Lehrkräfte tendieren dazu, sich in ihrem Beruf dauerhaft zu überlasten, was zu Resignation und reduziertem beruflichen Engagement führen kann. Um dies vorzubeugen, sollte durch wertschätzendes Schulleitungsverhalten ein „resilienzförderliches Design […] [geschaffen werden], das sich durch Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung und Machbarkeit auszeichnet“ (S. 169) und somit zur Leistungsmotivation beiträgt. In einem zweiten Schritt lenkt der Autor den Blick auf die Kinder und Jugendlichen und fordert ein Schulfach Glück, um so das psychische Wohlbefinden zu stärken. Die Schule könnte so zu einem Ort werden, an dem Lernende aus eigener Motivation große Leistungsbereitschaft zeigen.
Im sechsten Abschnitt „Demokratie und Gerechtigkeit leben“ wird die Gefährdung der Demokratie durch populistische politische Tendenzen und den Einfluss der sozialen Medien beschrieben. Die Schule sollte Kinder und Jugendliche befähigen, Manipulationen und Fake-News im Internet als solche zu erkennen. Außerdem sollten Schülerinnen und Schüler in der Schule demokratische Strukturen erleben und in den Lehrkräften Vorbilder in Bezug auf demokratische Werte und persönliche Haltungen erleben. Ein zweiter Argumentationsstrang beschäftigt sich mit der Ungerechtigkeit im Bildungswesen. Die soziale Herkunft entscheidet nach wie vor zentral über die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen. Hier fordert der Autor politisches Engagement, um bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen Teilhabe zu ermöglichen.
Schließlich wird im letzten Abschnitt gefordert, die Zukunftskompetenzen von Heranwachsenden zu fördern. Als solche beschreibt der Autor „Kritisches Denken und Problemlösen, Kommunikation und Kollaboration, Kreativität und Innovation“ (S. 185). Um diese Kompetenzen zu erwerben bzw. auszubauen, sollten Schulen Möglichkeiten des handlungsorientierten Lernens bieten sowie in Projekten und mit außerschulischen Kooperationspartnern Zukunftsideen entwickeln. Die Auseinandersetzung mit Herausforderungen der zukünftigen Lebensführung und die Offenheit, lediglich „Werkzeuge“ zur gemeinsamen Lösungssuche und eben kein vorgefertigtes Curriculum zu bieten, sind zentrale Aufgaben einer zukunftsfähigen Schule.
Im letzten Kapitel begründet der Autor seine Auffassung des derzeitigen Epochenumbruchs als „Ende der Normalität“. Ausgehend von der Analyse des Klimawandels wird festgestellt, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppen einer Neuorientierung unterziehen müssen. Die Schule als zentrale Instanz der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen sollte hier vorangehen, die Ängste und Sorgen der jungen Generation ernst nehmen und mit ihnen den nötigen Transformationsprozess beschreiten. Die Schule der Zukunft muss einen raschen Mentalitätswandel und damit einhergehend eine Neufokussierung vollziehen, um zukunftsfähige Verhaltensweisen im Einklang mit den natürlichen Ressourcen zu vermitteln.
Diskussion
Das Buch „#Schule der Zukunft. Sieben Handlungsoptionen“ spannt einen weiten Bogen zu vielen Themen des pädagogischen Alltags im System Schule. Olaf-Axel Burow entwickelt sehr innovative Ideen, wie sich Schulen im Sinne von Kindern und Jugendlichen zu einem Ort faszinierenden Lernen und Lebens entwickeln könnten. Der Autor verweist dabei immer wieder auf seine weiteren Werke, die jeweils einen Themenbereich vertieft behandeln. Auch werden Grundlagenquellen benannt, anhand derer die vorgestellten Konzepte vertieft werden können. Das vorliegende Buch kann daher gut als Überblick über eine innovative Schulentwicklung und gleichzeitig als ein Einstieg in die konkrete Beschäftigung mit den Teilbereichen gewertet werden. Besonders auffällig sind auch die vielen Verweise zu Internetquellen im Text, die eine weitere Beschäftigung mit sehr aktuellen Konzepten und Praxisbeispielen ermöglichen. Der Text ist insgesamt gut strukturiert und verständlich formuliert.
Fazit
Olaf-Axel Burow beschreibt im Buch „#Schule der Zukunft. Sieben Handlungsoptionen“ aktuelle Herausforderungen und Zukunftsaufgaben von Schulen im Kontext der zurückliegenden, durch die Corona-Pandemie geprägten Jahre. Ausgehend von dieser Analyse plädiert er im zweiten Teil für eine Neuerfindung von Schulen, welche die Digitalisierung kreativ nutzen, Talente und Neigungen von Lernenden stärken, neue Bildungsräume erschließen, agile Schulkulturen gestalten, Gesundheit, Glück und Resilienz fördern, Demokratie und Gerechtigkeit leben und Zukunftskompetenzen fördern. Das Werk bietet einen guten Überblick über aktuelle Themen der Schulentwicklung und verweist auf weitere Werke des Autors sowie aktuelle Konzepte bzw. Praxisbeispiele.
Rezension von
Steffen Müller
Student an der HS Koblenz
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Zitiervorschlag
Steffen Müller. Rezension vom 04.08.2023 zu:
Olaf-Axel Burow: # Schule der Zukunft. Sieben Handlungsoptionen. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2022.
ISBN 978-3-407-63253-1.
Reihe: Pädagogik.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30808.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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