Sebastian Klein, Ben Hughes u.a.: Der Loop-Approach
Rezensiert von Prof. Dr. Paul Brandl, 22.06.2023

Sebastian Klein, Ben Hughes, Frederik Fleischmann: Der Loop-Approach. Wie Du Deine Organisation von innen heraus transformierst, plus E-Book inside (ePub, mobi oder pdf). Campus Verlag (Frankfurt) 2023. 2. Auflage. 303 Seiten. ISBN 978-3-593-45170-1.
Die Autoren
Sebastian Klein hat Psyhologie studiert, hat als Strategieberater gearbeitet und das Unternehmen Blinkist gegründet. Danach hat er die Transformationsberatung TheDive aufgebaut und ist Mitbegründer von Neue Narrative, dem Magazin für Neues Arbeiten.
Ben Hughes hat in mehreren internationalen Unternehmensberatungen gearbeitet. Er leitete fast 10 Jahre das Content-Team von Blinkist. Mittlerweile ist er selbstständiger Berater und Speaker.
Frederik Fleischmann ist Betriebswirt und Organisationsentwickler, Partner in der Transformationsberatung TheDive und Mitbegründer von SpaceBeyond, einem Ansatz zur Stärkung der Gewaltfreien Kommunikation.
Thema und Zielsetzung
Es ist Zeit für flexiblere Organisationen. Ein neues Mindset „sense and respond” ersetzt das alte Mindset „predict and control”. Transformationen sind insbesondere für große Organisationen schmerzhaft. Man verlangt nach einem Werkzeugkoffer, der strukturieren hilft und trotzdem keine Blaupause ist. Es geht mehr um das Wie der Transformation als um das Was der Ergebnisse. Jede Organisation muss sein eigenes Betriebssystem erarbeiten und der Loop-Approach hilft dabei. Im Zentrum steht das neue Mindset, das einen Paradigmenwechsel mit sich bringt: Weg von starren Pyramiden, hin zur verteilten Macht und flexiblen Organisationen. Der Loop-Approach soll helfen, dass Struktur in etwas hineinkommt, das sich nicht vollständig planen lässt. Das Buch stellt ein Modell vor, das Transformationen jeder Größe handhabbar machen soll. Das Ziel ist dabei klar definiert, geht von einer Transformation von innen aus und stellt den iterativen Prozess in den Fokus. Das Ergebnis sieht deshalb bei jeder Transformation anders aus.
Inhaltlicher Überblick
Das Buch hat vier Teile und startet im Einstieg mit einem Checkin. Die Autoren laden zum Verlassen der Pyramide ein, wobei das Ergebnis nicht klar ist. Zunächst das Neue: Es wird eingangs die Teal-Organisation von Frederic Laloux vorgestellt, die drei Charakteristika aufweist: Die Ganzheit, der evolutionäre Sinn und die Selbstorganisation. Die Lücke für den fundamentalen Wandel hat mit dem Loop-Approach eine Rahmung, die hilft gute Entscheidungen zu treffen. Damit kommt Ordnung in das Chaos aus all den Tools, Konzepten und Begriffen. Es gibt keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen, aber einen Prozess. Es gibt keinen Standardprozess, keine One-size-fits-all-Lösung.
Zunächst wird ein Blick auf die wichtigsten Informationsquellen gelegt:
- Holocracy,
- Getting things done,
- 7 Tugenden effektiver Organisation (klare Ausrichtung, gut genutzte Potenziale, verteilte Verantwortlichkeiten, individuelle Effektivität, effektiv als Team, Anpassungsfähigkeit, Feedback- und Konfliktkompetenz),
- gewaltfreie Kommunikation,
- Design Thinking,
- Scrum/​Agile,
- systemische Organisationsberatung,
- Achtsamkeitspraktiken,
- Positive Psychologie,
- spiral dynamics und
- integrale Theorie.
Diese sieben Tugenden gruppieren sich in drei Schritten kreisförmig:
- Klarheit,
- Ergebnisse,
- Evolution.
All dies macht die Organisation der Zukunft aus, mit bestimmten Prinzipien, die das Denken und Handeln prägen. Dieser Loop-Approach steht im Zentrum und fokussiert auf Personen und Teams sowie auf deren Verhalten. Dies ist auch der Ort, wo die eigentliche Arbeit geschieht. Daher fokussiert man sich auf Sprache und Kommunikation. All dies findet sich in einem dreiteiligen Curriculum mit drei aufeinander aufbauenden Modulen wieder: Klarheit, Ergebnisse und Evolution.
Im ersten Modul Klarheit finden sich drei Bausteine: Klare Ausrichtung, gut genutzte Potenziale und verteilte Verantwortlichkeiten. Das zweite Modul Ergebnisse umfasst die Themen der individuellen Effektivität und jener des Teams. Schließlich wird im dritten Modul den Themen der Anpassungsfähigkeit sowie der Feedback- und Konfliktkompetenz breiter Raum gegeben.
Anfangs geht’s auch um den Existenzgrund und die damit verbundenen Spannungen, gefolgt vom Warum zum Wie und Was. Dem wird ein Purpose-Integrationsturnier angeschlossen, um die Potenziale der beteiligten Personen einbringen zu können. Anschließend geht es um die verteilten Verantwortlichkeiten und um geteilte Rollen. Für die Spannungen ist in den 4 Räumen ausreichend Platz vorhanden:
- der operative Raum zum normalen Arbeiten,
- der Steuerungsraum dient der Arbeit an der Organisation für die Themen Struktur, Rollen und Regeln
- der individuelle Raum zur Arbeit an sich selbst samt aller individuellen Spannungen sowie
- der Beziehungsraum wie die Arbeit in der Gruppe incl. der Austragung der Konflikte und das Treffen von Entscheidungen.
Insbesondere dem Treffen von Entscheidungen ist breiter Raum gewidmet. Dazu gehören die 4 Arten des Entscheidens: Die Einzelentscheidung, der Mehrheitsentscheid, der Konsens und der Konsent. Letzterer kann in sieben Phasen abgearbeitet werden:
- Spannungen beschreiben
- Lösungsvorschläge – kann jede/r einbringen
- Klärende Fragen
- Reaktionsrunde
- Abändern oder/und Präzisieren
- Sicherheitsbedenken – kann jede/r einbringen
- Integration der Bedenken in die Lösung
In der verkürzten Form wird dann auch noch der Advice-Prozess beschrieben, der auch als Beratungsprozess bezeichnet werden kann und wo punktuell Rückmeldungen eingeholt und integriert werden. Rund um die Anpassungsfähigkeit geht es im letzten Modul um die Fragen der Strukturveränderung, das Geben von neuen Regeln und das Schaffen bzw. Verändern von Rollen. Unter dem Punkt der Feedback- und Konfliktkompetenz findet sich das regelmäßige Feedback zum Verbessern der Arbeit und der Arbeitsbeziehungen. Ebenso kommt die Fragestellung wie man Konflikte als Treibstoff zur Verbesserung nutzen kann. Beispiele für Workshops, Formen des Feedbacks, Clear-The-Air-Meetings, vier Elemente effektiver Kommunikation sowie Tipps zur Stärkung der gewaltfreien Kommunikation runden den Inhalt ab.
Die Transformationsarchitektur beinhaltet folgende Erfolgsfaktoren: * Die Führungskräfte geht sichtbar voran. * Inseln der Transformation schaffen – es müssen nicht alle folgen * klare Gründe für die Transformation benennen * alle Führungsebenen auf die Reise mitnehmen * akzeptieren, dass nicht alle die Reise mitmachen * starke interne Change-Agents aufbauen * auf Pionier:innen und interne Multiplikator:innen setzen * das Team macht den Unterschied * jenseits des Change-Managements, also spannungsbasiert, agil planen, lernen im Prozess, auf Eigenverantwortung und Vertrauen bauend.
Die Transformationsarchitektur bedarf mehrerer Loops: Stakeholder:innen-Management, Steuerungsteam, Führungsloop, Vertiefungstrainings, Content und Kommunikation und das Betriebssystem. Zunächst beginnt der Prozess mit Analyse und Konfiguration durch die Beantwortung folgender Fragen:
- Warum will sich die Organisation verändern?
- Welche Probleme sollen mit der Transformation gelöst werden?
- Hat die Organisation ein motivierendes Zielbild?
- Sind die Mitarbeitenden an Bord und sind sie bereit etwas zu verändern?
- Ist die Führung an Bord?
- Ist der Erfolg realistisch oder gibt es zu viele intervenierende Variablen?
Bei der Konfiguration der Teams helfen die Freiwilligkeit, das Bewerben um die Teilnahme, Selbst- oder Fremdzahler, Pionier:innen und zuerst das zentrale Steuerungsteam. Bei den Stakeholdern kann drei Fragen nachgegangen werden: Wer muss informiert werden? Wer muss überzeugt werden? Wer kann helfen? Bei den Führungskräften braucht es das Zeigen von Führung, in dem das Budget freigegeben und Prioritäten festgelegt werden. Das Führen im Prozess heißt antizipieren des Weges, Anpassen des Weges und Vermeiden von Fallstricken. Das Coaching meint das persönliche und fachliche Fördern, das stetige Lernen und Weiterentwickeln. Zudem braucht es gut aufbereitete Inhalte und deren Kommunikation von den Führungskräften über tunlichst viele Mitarbeiter:innen mit möglichst vielen Kanälen. Dann braucht es auch noch das „Betriebssystem“, das es neu zu entwickeln gilt und wofür das Steuerungsteam zuständig ist. Darauf sollten dann alle Mitarbeiter:innen Zugriff haben.
Im letzten Kapitel wird in drei Fallstudien die Einführung des Loop Approach an Hand von Zeittafeln, Teamzusammensetzungen und Abläufen dargestellt:
- Sievers Group – ein mittelständisches IT-Unternehmen mit ca. 300 Mitarbeiter:innen, davon 130 im Projekt: Ziel: Das Unternehmen an die neuen Anforderungen der Kund:innen anpassen. Der Fokus im Buch liegt auf der Steuerung.
- Der Pharmakonzern Roche PTDE – mit 800 Mitarbeiter:innen, alle involviert: Ziel: Die Steigerung der Produktivität und die menschenzentrierte Arbeitskultur zusammenbringen. Dies verbunden mit der Antwort, wie man agiles Arbeiten und die streng regulierten pharmazeutischen Prozesse zusammenbringen kann.
- Deutsche Telekom AG mit 220.00 Mitarbeiter:innen, davon 2.000 involviert: Wie lässt sich der Loop skalieren? Welche Faktoren machen Transformation in so großen Unternehmen möglich?
Den Abschluss bildet ein Checkout mit der Möglichkeit für die eigene Reflexion aber auch als Möglichkeit, das eigene Team mit auf die Reise zu nehmen. Dazu kommt noch ein Anhang. Darin ist eine Checkliste für Workshops, themenzentrierten Literaturempfehlungen und ein New Work-Glossar enthalten.
Diskussion
Wenn man sein Leben lang in (einem) Unternehmen ist, das hierarchisch aufgebaut und funktional organisiert ist, dann kann man sich „etwas anderes“ nur schwer oder gar nicht vorstellen. Will ich wirklich und überhaupt aus der Komfort-Zone heraus? Bin ich bereit, mich auf andere Gedanken einzulassen? Bereits die ersten Seiten sind dazu ein Gradmesser. Leichter ist es für Personen, die noch wenig Erfahrung mit hierarchischen Unternehmen haben oder Personen, die in kleineren Unternehmen beschäftigt sind. In keinem Fall schadet es, wenn man sich vor einem Transformationsprojekt mit dem Loop-Ansatz beschäftigt, egal ob mit deutschen oder englischen Begriffen. Man darf sich nur nicht abschrecken lassen! Wichtig erscheint, dass man sich mal das neue Vokabular aneignet, da auf Wörter wie Change, Hierarchie, Zuständigkeiten und Alleinverantwortung bewusst verzichtet wird. Die Hierarchie wird zum Kreis, die Verantwortung einer Führungskraft wird zur geteilten Verantwortung von mehreren Personen und es braucht neue, klare Regelungen der professionellen Zusammenarbeit. Es wird alles flexibler im Sinne von individualisierten Leistungen und die Mitarbeiter:innen können und werden sich die Arbeit im Team selbstständig aufteilen. Dass dabei die Kommunikation im Zentrum steht ist nicht verwunderlich, da der Kommunikationsbedarf aufgrund der geteilten Verantwortungen steigt. Führen heisst angesichts der komplexeren Zusammenarbeit auch weiterhin „Fehler machen“. Dass alle Führungskompetenzen in einer Person erfolgreich vereinigt werden können, war bisher schon nicht der Fall. Die Idee des Aufteilens ist daher eine Lösungsmöglichkeit, die konsequent ausprobiert werden will und muss. Spannend wird es, wenn ich mir die gerade heranwachsende Generation anschaue und mir die Frage stelle, wie sie den Weg in die sich verändernde Arbeitswelt schaffen werden.
Ein Buch, das nicht zum Querlesen geeignet ist. Der Loop-Approach beleuchtet einen wesentlichen Aspekt bei allen New Work-Diskussionen. Wie verändere ich bestehende Strukturen und Abläufe? Wie schafft das ein Team? So einfach ists jedenfalls nicht, aber spannend. Letztlich geht es darum, sich und ein tunlichst motiviertes Team schlau zu machen, um sich im Anschluss auf den Weg zu machen. Dazu kann vermutlich auch die Unterstützung eines/r Beraters/in helfen. Die drei Fallbeispiele weisen den strukturierten Weg. Es gilt für die eigene Transformation einen gangbaren Weg in iterativen Schleifen zu entwickeln und es sich zuzutrauen. Ein Team kann dabei helfen.
Fazit
Die Publikation vermag einen Anstoß für den Aufbruch in die agile Organisation zu liefern – für den/die Leser:in und auch für ein Team. Wichtig ist noch einmal zu betonen, dass das sichtbare Vorangehen einer Führungskraft die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen ist. Die zweitwichtigste Voraussetzung ist das Einladen und Mitnehmen der Mitarbeiter:innen. Dazu braucht es transparente und verbindliche Regelungen, eine unterstützende IT und vor allem eine professionelle Kommunikation.
Rezension von
Prof. Dr. Paul Brandl
war Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberösterreich, Department für Sozial- und Verwaltungsmanagement und ist Berater insbesondere für die prozessbasierte Optimierung und Neugestaltung von sozialen Dienstleistern
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Zitiervorschlag
Paul Brandl. Rezension vom 22.06.2023 zu:
Sebastian Klein, Ben Hughes, Frederik Fleischmann: Der Loop-Approach. Wie Du Deine Organisation von innen heraus transformierst, plus E-Book inside (ePub, mobi oder pdf). Campus Verlag
(Frankfurt) 2023. 2. Auflage.
ISBN 978-3-593-45170-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30813.php, Datum des Zugriffs 08.12.2023.
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