Cornelia Cubasch-König, Angelika Jobst et al. (Hrsg.): Kreative Medien in der Psychotherapie
Rezensiert von Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Beushausen, 06.09.2023
Cornelia Cubasch-König, Angelika Jobst, Markus Böcke (Hrsg.): Kreative Medien in der Psychotherapie. Perspektiven für die Praxis. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2023. 292 Seiten. ISBN 978-3-525-40819-3. D: 40,00 EUR, A: 42,00 EUR.
Thema
Der Einsatz kreativer Medien bietet für die Psychotherapie umfassende erlebnisorientierte Erfahrungen um durch schöpferisches Handeln Patient*innen zu unterstützen. Dieses Grundlagenwerk bietet aus der Perspektive der Integrativen Therapie einen Überblick über eine schulen- und kontextübergreifende Anwendung in verschiedenen Settings.
Herausgeber*innen
Cornelia Cubasch-König, M.Sc. ist Psychotherapeutin, Paartherapeutin und Supervisorin in eigener Praxis (Integrative Therapie); Lehrtherapeutin an der Donau-Universität Krems (DUK), Lehrbeauftragte an der Alice Salomon Hochschule in Berlin, Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Integrative Psychotherapie (ÖGIT).
Angelika Jobst, Mag. M.Sc. ist Psychotherapeutin und Supervisorin in eigener Praxis (Integrative Therapie); Lehrtherapeutin an der Donau-Universität Krems (DUK) und Obfrau der Österreichischen Gesellschaft für Integrative Therapie (ÖGIT).
Markus Böckle, Mag. Mag. Dr., M.Sc. ist Psychotherapeut (Integrative Therapie) und Coach in eigener Praxis; Philosoph, Kognitionsbiologe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter (PostDoc) an der Karl Landsteiner Privatuniversität, Lehrbeauftragter an der Donau-Universität Krems (DUK), der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich, dem Österreichischen Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik, der Bertha von Suttner Privatuniversität und der Sigmund Freud Privatuniversität. Er ist Leiter des Komitees für Kommunikationen und Publikationen der Society for the Exploration of Psychotherapy Integration (SEPI), Leiter des Regionalen Netzwerks der SEPI: Study Group of the Austrian Association of Integrative Therapy.
Autor*innen der Beiträge sind neben den Herausgeber*innen Franz Brunner, Peter Cubasch, Rita DeDominicis, Konstanze Karoline Eppensteiner, Renate Frühmann, Silke Birgitta Gahleitner, Gerhard Hintenberger, Angelika Jobst, Martin Lugsch, Barbara Pammer, Sonja Pasch, Astrid Polz-Watzenig, Alli Schumacher-Möth, Melitta Schwarzmann und Christian Wiesner.
Entstehungshintergrund
Die Herausgeber*innen benennen in der Einleitung ihr Anliegen: Die Bedeutung kreativer Medien in der Therapie, die gegenwärtigen Strömungen und Erfahrungen von Kolleg*innen mit diesem Medien sollen aufgenommen werden und einer interessierten Leserschaft angeboten werden. Aus der Praxis für die Praxis berichten Integrative Therapeut*innen von ihren Erfahrungen und verknüpfen diese mit der Theorie der Integrativen Therapie.
Aufbau
Nach einem Geleitwort von Renate Frühmann und einer Einleitung der Herausgeber*innen gliedert sich das Buch in die Kapitel Theorie, Setting, Methoden, und Störungsspezifität. Einen theoretischen Einblick in die Verfahren der Integrativen Therapie, die Bedeutung der kreativen Medien und über die therapeutische Beziehung in der Arbeit mit kreativen Medien vermittelt der erste Teil des Buches. Die verschiedenen Settings stehen im Mittelpunkt des zweiten Teil des Buches, thematisiert werden in den Beiträgen Einzeltherapie, Paartherapie, Gruppentherapie, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und die Akutpsychotherapie. Im dritten Teil werden die Methoden in der Arbeit mit kreativen Medien (Musiktherapie, Arbeit mit Masken, Poesietherapie, Naturtherapie und die kreativen Medien im digitalen Raum) vorgestellt um dann im vierten Teil verschiedene störungsspezifische Ausrichtungen (Borderline-Problematik, Essstörung, Traumafolgestörung und Somatische Belastungsstörung) zu fokussieren. Im Anhang finden sich in Form eines Glossars verschiedene kreative Medien mit einer Anleitung für die Praxis, Literaturempfehlungen, Angaben zu den Autor*innen und ein Indexverzeichnis.
Die 10 – 30-seitigen Beiträge schließen jeweils mit den Literaturangaben.
Inhalt
Erster Teil: Cornelia Cubasch-König, Angelika Jobst und Markus Böckle bieten im ersten Beitrag einen Überblick über die theoretischen Grundlagen und den Einsatz kreativer Medien in der Integrativen Therapie als ein humanistisches, tiefenpsychologisch fundiertes Verfahren. Der Ursprung der Integrativen Therapie liegt in den 1960er Jahren, die Gründer*innen sind u.a. vor allem Hilarion G. Petzold, Johanna Sieper und Ilse Orth. Die Autor*innen thematisieren in ihrem Beitrag u.a. die Entwicklungs- und Persönlichkeitsgeschichte und das Krankheits- und Gesundheitsverständnis. Im Anschluss beschreiben Markus Böckle, Franz Brunner, Cornelia Cubasch-König und Angelika Jobst die Funktion der kreativen Medien in der Psychotherapie. Wichtige Aufgaben sind für die Autor*innen hierbei die Förderung von Leiberfahrung, die Symbolisierung und tiefenhermeneutische Durchdringung mittels der kreativen Medien, die Förderung von Kontakt und Beziehungsgestaltung, die Förderung von Ästhetik und Sinnerleben und der Einsatz der Medien als Diagnoseinstrument, jeweils bezogen auf alle Lebensphasen. Zudem werden verschieden Medien mit ihren Indikationen und Kontraindikationen vorgestellt. Im Anschluss fokussiert Markus Böckle Möglichkeiten der Integration der vorgestellten Methoden der Integrativen Therapie in anderen Therapieformen. Die grundlegende Bedeutsamkeit der therapeutischem Beziehung in der Arbeit mit kreativen Medien thematisieren Barbara Pammer und Silke Birgitta Gahleitner. Sie beziehen sich, auch anhand eines Fallbeispiels auf die Vertrauenstheorien, die Bindungstheorien und Netzwerkansätze.
Im zweiten Teil werden verschiedene Settings vorgestellt. Angelika Jobst stellt den Einsatz kreativer Medien in der dyadischen Psychotherapie vor und thematisiert an Beispielen Möglichkeiten in den Therapiephasen. Mit Paaren in der Therapie als ein ko-kreativer Prozess beschäftigt sich Cornelia Cubasch-König. Im Anschluss thematisiert Alli Schumacher-Möth den Einsatz kreativer Medien in der Gruppenpsychotherapie. Im Gruppenkontext dient die Einbeziehung der Medien einer tieferen persönlichen Auseinandersetzung intersubjektiven und ko-kreativen Austauschs mit den Gruppenmitgliedern. Dieser Austausch kann je nach Gruppensituation konfliktzentriert aufdeckend, erlebniszentriert stimulierend, übungszentriert funktional oder supportiv sozialtherapeutisch erfolgen. Kreative Prozesse im Kontext der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie stehen im Mittelpunkt der Ausführung von Rita DeDominicis. Sie beschreibt wie Gestaltungsprozesse mit Symbolisierungen und Narrationen u.a. mit der Einbeziehung von Zeichnungen, Collagen, Fotos, Imaginationen, Seilen, Tüchern und Körperbildern unterstützt werden können. Im letzten Beitrag dieses Kapitels beschreibt Franz Brunner die Einbeziehung kreativer Medien in der Akutpsychiatrie. Diese sind für den Autor ein wesentlicher Bestandteil psychiatrischer Behandlungsansätze.
Im dritten Kapitel werden spezielle Methoden der Integrativen Therapie in Bezug auf den Einsatz kreativer Medien exemplarisch vorgestellt. Möglichkeiten des Einsatzes von Musik, Musikinstrumenten und Musizieren in der psychotherapeutischen Praxis stellt Peter Cubasch vor und die Arbeit mit Masken beschreibt Konstanze Karoline Eppensteiner. Mit der Integrativen Therapie in der Arbeit mit geflüchteten Menschen unter Einbezug der Poesietherapie beschäftigt sich Barbara Winzely, zudem thematisiert Astrid Polz-Watzenig den Einsatz kreativer Medien in der Naturtherapie. Abschließend stellen Gerhard Hintenberger und Markus Böckle ihre Überlegungen unter dem Titel „Digital kreativ – kreative Medien im digitalen Raum“ vor. Auf dieses neue Medium soll etwas ausführlicher eingegangen werden, auch, da viele professionelle Helfer*innen eine skeptische Grundhaltung gegenüber den digitalen Welten haben. Allerdings gibt es bereits seit langem, z.B. in der Telefonseelsorge, umfangreiche Erfahrungen. Inzwischen lassen sich vielfältige Möglichkeiten des Einbezugs dieser Medien benennen, hierzu gehören z.B. das Zeichnen auf einem Tablet, das Whiteboard, auf dem gemeinsam Visualisierungen vorgenommen werden können, Aufstellungen, Darstellungen von Erklärungskreisläufen, Themensammlungen oder es können Mindmaps erstellt werden. Weiterhin ist der Einsatz von Videos oder Memes (Bilder, die mit kurzen Texten oder einem Wort kombiniert werden) möglich. Der Computer kann zudem genutzt werden Material für die Psychoedukation zur Verfügung zu erstellen. Bilder und grafische Vorlagen (Befindlichkeitsskalen, biografisch bedeutsame Fotos etc.) können eingesetzt werden. Die Autoren referieren zudem Wirksamkeitsuntersuchungen, die auf eine hohe empirische Evidenz mit dem Einsatz dieser technischen Medien hinweisen. Sie betonen, dass für die Nutzung dessen spezifisches Erfahrungs- und Fachwissen vorhanden sein sollte.
Im vierten Kapitel beschreiben die Autor*innen den Einsatz der Medien bei verschiedenen Störungen. Den Einsatz kreativer Medien in der Behandlung von Menschen mit Borderline-Problematiken stellen Martin Lugsch, Melitta Schwarzmann und Silke Birgitta Gahleitner vor. Dezidiert und einfühlsam weisen die Autor*innen auf die besonderen Probleme hin, die bei dem Einsatz der Medien bei diesem Klientel entstehen können. Verschiedene Einsatzmöglichkeiten in 10 Schritten werden vorgestellt. In einem kurzen Beitrag beschäftigt sich Sonja Pasch mit kreativen Medien bei Essstörungen, dabei stellt sie u.a. die Arbeit mit Stofftieren vor. Traumafolgestörungen und kreative Medien thematisieren Angelika Jobst, Markus Böckle und Cornelia Cubasch-König. Diese dienen in diesem Kontext u.a. dazu unaussprechliches nonverbal auszudrücken. Im letzten Beitrag mit dem Titel „Somatische Belastungsstörungen: Erkennen, Unterscheiden und Beurteilen von Pathos und Response“ bietet Christian Wiesner zunächst ein tieferes Verständnis somatischer Störungsbilder an, um dann die Technik des „Übermalens“ vorzustellen. Dabei wird das Leiden in einem Hoffnungsbild integriert und die Seite des Veränderlichen betont. In einem weiteren Schritt wird im Dialog das Gemalte validiert.
Im Anhang befinden sich ein Glossar (Cornelia Cubasch-König, Angelika Jobst und Markus Böckle) ausgewählter Techniken, Literaturempfehlungen, Angaben über die Autor*innen und ein Index.
Diskussion
Umfassend, theoretisch fundiert und praxisnah werden die verschiedensten Möglichkeiten des Einsatzes kreativer Medien in der Psychotherapie vorgestellt. Das Indexverzeichnis ist für eine Übersicht hilfreich.
Die Leser*innen erhalten zudem einen Einblick in die Theorie der Integrativen Therapie als ein humanistisches, tiefenpsychologisch fundiertes Verfahren, welches anhand klinischer, empirischer Forschung permanent weiterentwickelt, aktualisiert und revidiert wird. Dabei ist das methodische Behandlungsverständnis der Integrativen Therapie breit angelegt, wobei der Einsatz von kreativen medialen Angeboten und künstlerischen Methoden einen zentralen Stellenwert hat. Kreative Medien werden u.a. als Informationsträger im kommunikativen Prozess und als Medium zum Selbstausdruck der Person oder Gruppe eingesetzt. Mir fehlt in diesem Buch jedoch eine Beschreibung des Einsatzes dieser Methoden in Familien.
Die Auswahl einzelner Techniken des Glossars im Anhang erschließt sich mir nicht. Viele Leser*innen würden sich sicherlich über eine umfangreichere Sammlung freuen.
Fazit
Vorgestellt wird ein Grundlagenwerk über den Einsatz kreativer Medien im Kontext Integrativer Therapien. Dieses Buch vermittelt umfangreich kreative Techniken, die auch in anderen Therapieformen nutzbringend eingesetzt werden können. Dieses Buch trägt so zu einem allgemeinen integrativen Therapieverständnis bei.
Das theoretisch fundierte, übersichtliche und praxisnahe Werk kann Personen, die an dieser Thematik interessiert sind, sehr empfohlen werden.
Rezension von
Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Beushausen
studierte Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaft und absolvierte Ausbildungen als Familientherapeut und Traumatherapeut und arbeitet ab 2021 als Studiendekan im Masterstudiengang „Psychosoziale Beratung in Sozialer Arbeit“ an der DIPLOMA Hochschule
Website
Mailformular
Es gibt 71 Rezensionen von Jürgen Beushausen.
Zitiervorschlag
Jürgen Beushausen. Rezension vom 06.09.2023 zu:
Cornelia Cubasch-König, Angelika Jobst, Markus Böcke (Hrsg.): Kreative Medien in der Psychotherapie. Perspektiven für die Praxis. Vandenhoeck & Ruprecht
(Göttingen) 2023.
ISBN 978-3-525-40819-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30859.php, Datum des Zugriffs 13.10.2024.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.