Das KJSG
Rezensiert von Prof. Dr. jur. Dr. phil. Reinhard Joachim Wabnitz, 17.11.2023
Das KJSG - Besserer Kinderschutz, Partizipation und Teilhabe für ALLE. Ein Praxishandbuch zur Reform der Kinder- und Jugendhilfe. WALHALLA Fachverlag /metropolitan Verlag (Regensburg) 2023. 220 Seiten. ISBN 978-3-8029-7615-5. 29,95 EUR.
Thema
Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) vom 3. Juni 2021 (BGBl. I S. 1444) ist das bislang mit Abstand umfangreichste Änderungsgesetz zum Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vom 26. Juni 1990 (BGBl. I S. 1163), das zuletzt durch Gesetz vom 21. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2824; 2023 I Nr. 19) geändert worden ist. Das KJSG enthält in neun Artikeln zahlreiche Neuregelungen in unterschiedlichen Gesetzen und ändert bzw. ergänzt insbesondere über 60 Vorschriften des SGB VIII bzw. fügt Neuregelungen in dieses ein. Das KJSG hat zahlreiche Themen aufgegriffen, die in der Praxis schon lange diskutiert worden waren, wie beispielsweise die inklusive Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe, mehr Beteiligung junger Menschen und verbesserter Kinderschutz.
Was dies für die tägliche Arbeit in der freien und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe konkret bedeutet, ist Gegenstand des vorliegenden Praxishandbuches. Es erklärt, was sich bereits konkret geändert hat, und anhand von Beispielen aus der Praxis wird beleuchtet, auf welche zukünftigen Veränderungen man sich bei der Umsetzung des neuen Rechts einzustellen hat.
Herausgeber, Autorinnen und Autoren
Das Werk wurde vom bayerischen Landesverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes herausgegeben und von den folgenden dort tätigen Praktikerinnen erarbeitet:
- Anna Berndl, Fachberatung Kindertagesstätten
- Beate Frank, Fachberatung Behindertenhilfe/Entgelte SGB IX
- Claudia Holtkamp, Referat Kinder Jugend Familie
- Maria Meyer, Referat Frauen, Geschlechterpolitik, LGBTIQ
- Dr. Manuela Sauer, Fachberatung Kinder Jugend Familie Frauen Migration
- Bettina Wagner, Referat Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
- Lena Sophie Weihmayer, Referat Kinder Jugend Familie.
Inhalte
Das Werk ist nach einem Vorwort, einer Einleitung sowie gesetzestechnischen Hinweisen zum KJSG in 5 Kapitel untergliedert:
- Stärkung und Beteiligung von Kindern Jugendlichen und deren Familien. Hier wird zunächst das Verständnis von gleichberechtigter Partizipation und Teilhabe sowie Selbstbestimmung der Kinder und Jugendlichen geklärt. Es folgen vertiefte Ausführungen unter anderem zu unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie transidenten, nichtbinären und intergeschlechtlichen jungen Menschen. Das Kapitel beschäftigt sich des Weiteren mit den selbstorganisierten Zusammenschlüssen zur Selbstvertretung und den damit verbundenen notwendigen Veränderungen in der Kinder- und Jugendhilfe.
- Besserer Kinder- und Jugendschutz durch Kinderschutzkonzepte. Hier werden notwendige Verbesserungen des Kinder- und Jugendschutzes durch Kinderschutzkonzepte in Einrichtungen bearbeitet. Dabei wird anhand von Erfahrungsberichten aus der Praxis der Prozess eines gelebten Kinderschutzes in Einrichtungen nachvollzogen. Ein besonderes Augenmerk wird auf Fragen des inklusiven Kinderschutzes gerichtet.
- Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen. Dieses Kapitel zeigt auf, in welchen Bereichen Benachteiligungen reduziert werden können, wie diese Personengruppen gestärkt und wie Übergänge in die Selbstständigkeit verbessert werden können.
- Mehr Prävention vor Ort. Dabei geht es neben dem unabhängigen Beratungsanspruch von jungen Menschen um gemeinsame Wohnformen für Eltern und Kinder, um die Möglichkeiten der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie und um die Unterstützung in Notsituationen. Auch erfolgen Ausführungen zum neuen § 13a SGB VIII zur Schulsozialarbeit.
- Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen. Entsprechend jahrzehntelangen Forderungen aus der Fachpraxis soll aufgrund des KJSG in einem schrittweisen, dreistufigen Prozess bis zum Jahr 2028 erreicht werden, dass alle Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, seien diese körperlicher, geistiger oder seelischer Art, aufgrund des SGB VIII durch die Kinder- und Jugendhilfe betreut, gefördert und unterstützt werden. Dieses Ziel der „inklusiven Kinder- und Jugendhilfe“ zu erreichen, ist wesentlicher Regelungsgegenstand des KJSG. Das Werk gibt einen Überblick zur inklusiven Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe und wagt neben der Darstellung der bereits bestehenden inklusiven Elemente einen Ausblick auf die weiteren, noch erforderlichen Reformschritte.
Das Werk wird abgerundet durch abschließende Gedanken sowie ein ausführliches Stichwortverzeichnis. Nach einem Resümee der Autorinnen kommen auch fünf Mitgliedsorganisationen des Paritätischen mit ihren Stellungnahmen zu Wort.
Diskussion
Aufgrund der guten Vorarbeiten von Seiten des BMFSFJ und der großen Zustimmung aus der Verbändelandschaft ist das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) im zweiten Anlauf kurz vor Ende der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im Sommer 2021 mit Zustimmung des Bundesrates „unter Dach und Fach gebracht worden“.
In diesem Band werden nicht alle, aber einige besonders wichtige Neuregelungen des KJSG umfassend dargestellt. Die Beiträge beleuchten eindrucksvoll die fachlichen Grundlagen, praktischen Erfahrungen, zentralen Diskussionslinien, die weiteren Reformbedarfe und die rechtlichen Aspekte der jeweiligen Themengebiete.
Das vorliegende Praxishandbuch kann sowohl als Ganzes gelesen, aber auch als Nachschlagewerk für einzelne Themenbereiche genutzt werden. Hilfreich ist, dass der Verlag außerdem ein Zusatzheft mit dem Wortlaut des SGB VIII in der ab dem 1. Januar 2024 geltenden Fassung beigefügt hat.
Fazit
Das Buch richtet sich an Fachkräfte, die mit Theorie, Praxis und/oder Fachpolitik der Kinder- und Jugendhilfe befasst sind, sowie an Studierende der Sozialen Arbeit, Sozialpädagogik und angrenzender Fachgebiete. Ihnen allen kann das Werk nachdrücklich empfohlen werden – sowohl zur Erstinformation als auch zur fachlichen Vertiefung in der praktischen Arbeit.
Rezension von
Prof. Dr. jur. Dr. phil. Reinhard Joachim Wabnitz
Assessor jur., Magister rer. publ., Ministerialdirektor a. D.
Er war Professor für Kinder- und Jugendhilferecht und Familienrecht an der Hochschule RheinMain, Wiesbaden. Zuvor war er u.a. Leiter der Abteilung Kinder und Jugend im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Vorsitzender der Sachverständigenkommission für den 14. Kinder- und Jugendbericht sowie Schiedsstellenvorsitzender. Er ist Autor von ca. 500 wissenschaftlichen Abhandlungen und Fachveröffentlichungen, darunter 51 Buchpublikationen, sowie Lehrbeauftragter an mehreren Hochschulen und Fachbereichen für Soziale Arbeit.
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Es gibt 8 Rezensionen von Reinhard Joachim Wabnitz.
Zitiervorschlag
Reinhard Joachim Wabnitz. Rezension vom 17.11.2023 zu:
Das KJSG - Besserer Kinderschutz, Partizipation und Teilhabe für ALLE. Ein Praxishandbuch zur Reform der Kinder- und Jugendhilfe. WALHALLA Fachverlag /metropolitan Verlag
(Regensburg) 2023.
ISBN 978-3-8029-7615-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30863.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
Urheberrecht
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