Karl-Heinz Menzen: Grundlagen der Kunsttherapie
Rezensiert von Prof. Dr. habil. Ruth Hampe, 29.09.2023
Karl-Heinz Menzen: Grundlagen der Kunsttherapie. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2023. 6. durchges. Auflage. 353 Seiten. ISBN 978-3-8252-6058-3. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 37,50 sFr.
Thema
Es handelt sich um eine fundierte Einführung in die Grundlagen der Kunsttherapie bezogen auf ihre unterschiedlichen Ausrichtungen, spezifische Förderansätze, praktische Umsetzungsformen sowie auf das Berufsbild der Kunsttherapie. In diesem Zusammenhang werden historische Entwicklungsaspekte und die wissenschaftliche Verzahnung der Kunsttherapie mit anderen Therapieformen vorgestellt. Die gesellschaftliche Bedeutung von Kunsttherapie mit einem besonderen Zugang zu unterschiedlichen Förderungsmöglichkeiten angesichts der Aktivierung vielschichtiger Sinnesmodalitäten wird dargelegt. Stets werden wissenschaftliche Bezugsquellen und medizinische Kontextbezüge differenziert erwähnt. Es geht u.a. um die Förderung von Lebensqualität bei Krankheit und Behinderung, aber auch um ein psychosoziales Wohlbefinden in ambulanten, akutmedizinischen und rehabilitativen Bereichen. Kunsttherapie kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten, was sich auch in den rechtlichen Grundlagen der Berufsausübung mit entsprechenden Ausbildungsrichtlinien zeigen soll.
Zum Autor
Karl-Heinz Menzen war als Professor an der Katholischen Hochschule in Freiburg tätig, und zwar im Studiengang Heilpädagogik. Bereits 1982 hatte er die Weiterbildung zur Kunsttherapie an der Hochschule der Künste Berlin geleitet. Zudem hat er an unterschiedlichen Hochschulen Kunst und Therapie als Wissenschaftler in der Lehre vertreten. Mit seiner Emeritierung baute er u.a. den Ausbildungsgang M.A. Kunsttherapie an der Sigmund Freud Universität Wien/Berlin auf. Sein Tätigkeitsfeld ist breit gefächert und wird durch eine Vielzahl an Publikationen belegt, u.a. zu Kunst und Neurowissenschaften bzw. zur Anwendung der Neuro-Ästhetik auf die Rehabilitation. In seinem neuesten Buch von 2022 befasst er sich mit dem Bild, und zwar hinsichtlich der Quantentheorie bezogen auf therapeutische Perspektiven.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich nach dem Vorwort in vier Teile, d.h.
- Kunsttherapie – Einführung und Überblick
- Methoden der Kunsttherapie
- Kunsttherapie in der Praxis
- Kunsttherapeut/in – ein Beruf.
Zudem ist eine Auflistung von Instituten, Verbänden und Ausbildungsrichtlinien angefügt. Neben dem umfangreichen Literaturverzeichnis gibt es ein Sach- und Personenregister. Im Text sind zur Verdeutlichung Übersichtstabellen sowie schwarz-weiße Fotos von Grafiken und gestalterischen Praxisumsetzungen eingefügt. Damit wird dem/der Leser/in ein verständlicher Zugang in die vielschichtigen Thematiken vermittelt, die systematisch vom Autor aufgeführt sind.
Im ersten Teil werden vom Autor verschiedene Ansätze künstlerischer Therapie voneinander differenziert beleuchtet- wie der kunstpsychologische, der kunstpädagogische und kunstdidaktische, der ergotherapeutische bezogen auf die Psychiatrie, der heilpädagogisch-rehabilitative, der kreativ- und gestaltungstherapeutische sowie der tiefenpsychologische Ansatz. Ausgehend davon reflektiert er die Aktualität der künstlerischen Therapieformen.
Im zweiten Teil geht der Autor in sechs Unterpunkten auf verschiedene Aspekte der Förderung mittels Kunsttherapie bei unterschiedlichen Krankheitsbildern und Störungen im Kontext biopsychosozialer Grundlagen ein. Fundiert leitet er einzelne Förderaspekte ab und vermittelt einen breiten Überblick über das Erfahrungsfeld. Dies betrifft beispielsweise Sinneskompensation und Sinnesförderung u.a. bei unterschiedlichen Störungsbildern wie Demenz, Schlaganfall, Alzheimer, Schädel-Hirn-Traumata bezogen neurologische Forschungsergebnisse im Kontextbezug kunsttherapeutischer Methoden. Weiterhin geht es um Formwahrnehmungsstörungen und Gestaltkonstruktion, Entwicklungskompensation und ästhetische Sozialisation, aber auch um Tiefenpsychologie und biographisches Erzählen sowie um die Entwicklung kunsttherapeutischer Methoden in Hinsicht auf Erlebnis-, Gestaltungs- und Kunstpädagogik/​-therapie und deren Weiterentwicklung angesichts des Einflusses von Kognitionspsychologie, Systemtheorie und Verhaltenstherapie. Ausgehend davon leitet der Autor wesentliche Aspekte zur Eigenständigkeit von Form und Formprozessen des Gestalteten in der Kunsttherapie ab bzw. auch Effizienz- und Wirkkriterien als Maßstäbe für Kunst- und Gestaltungstherapie.
Mit dem Teil drei werden in fünf Gliederungspunkten praxisrelevante Erfahrungskontexte dargelegt, und zwar bezogen auf den Theorieteil zu Methoden der Kunsttherapie. So werden praxisnah zur Sinneskompensation und Sinnesförderung entsprechende konkrete Praxiseinheiten vorgestellt. Zur Förderung durch Gestaltkonstruktion werden Aspekte einer Orientierungsförderung bei neurologischen Störungen sowie praktische Beispiele bei desorientierten Menschen gegeben. Zum Thema Entwicklungsförderung durch ästhetische Sozialisation wird auf das Material als auch exemplarisch auf die Förderung von Kindern und Jugendlichen anhand von Fallbeispielen eingegangen. Im Hinblick auf die Förderung nach einem tiefenpsychologischen Ansatz und auf die Psychiatrie wird dieser Bereich fallbezogen als auch mit den Konsequenzen für die kunsttherapeutische Ausbildung erörtert. Die gestalttherapeutische Förderung in der Praxis wird anschaulich an mehreren Fallbeispielen belegt.
Im Teil vier werden Voraussetzungen für den Beruf der Kunsttherapie differenziert vorgestellt. Es betrifft bildungsrechtliche, heilungsrechtliche und leistungsrechtliche Voraussetzungen im Rahmen der Berufspolitik und die Abrechnung von Kunsttherapie im Abrechnungs- und Kodiersystem, d.h. der Sozialen Förderung und der Sozialhilfe, der Sozialen Vorsorge, bezogen auf Leistungen der Akut- und Rehabilitationskliniken. Ausgehend davon leitet er den Beruf „Kunsttherapeut/in“ mit dem Schwerpunkt der klinischen Rehabilitation ab. Die Vielschichtigkeit und das Besondere kunsttherapeutischen Arbeitens werden vom Autor in den non- bzw. transverbalen Interaktionsformen abschließend nochmals aphoristisch hervorgehoben.
Diskussion
Im Rahmen dieses Themenbandes werden die Grundlagen der Kunsttherapie differenziert dargelegt. Wesentlich ist dabei das Kontextwissen, wobei die Kunsttherapie wissenschaftlich fundiert eingebunden wird. Damit wird Kunsttherapie als eine wesentliche Disziplin in therapeutischen Arbeitsfeldern ausgewiesen. Zugleich werden Forderungen an eine Ausbildung deutlich, die dieses Grundwissen mit einzubinden hat und Kunsttherapie als ernstzunehmendes Berufsbild in der Ambulanz, an Kliniken und sozialen Hilfen unterstützt. In der Darlegung von unterschiedlichen Ansätzen zur Grundlage von Kunsttherapie ist die Argumentation teilweise sehr verdichtet und setzt Grundwissen voraus. Es geht einher mit dem Anliegen möglichst umfassend die Spannbreite von Autor:innen zu den Themenbereichen in die Argumentation einzubinden. Für eine kunsttherapeutische Ausbildung wird damit ein Standardwerk vorgelegt, um das Berufsbild als Kunsttherapeut:in besser zu verstehen. Es werden wesentliche bildungs-, heilungs- als auch leistungsrechtliche Aspekte vorgestellt bzw. unterschiedliche Bereiche der kunsttherapeutischen Leistungserbringung. Im Hinblick darauf siedelt der Autor Kunsttherapie schwerpunktmäßig insbesondere in der klinischen Rehabilitation an. Angesichts sich stets verändernder gesellschaftlicher Anforderungen könnte sich dieses noch erweitern, was z.B. Bereiche von Bildung und Soziales beinhaltet wie bezogen auf das breite Feld von schulischen und außerschulischen Institutionen sowie auf Aspekte von Teilhabe und Nachhaltigkeit.
Fazit
Mit der umfassenden theoretischen Fundierung der Kunsttherapie und der Darlegung eines breiten Methodenspektrums der Kunsttherapie mit entsprechender Übertragung auf Praxisfelder stellt Karl-Heinz Menzen grundlegende Zugänge zur Kunsttherapie dar. Es geht insbesondere um ein Verstehen von unterschiedlichen Förderansätzen mittels Kunsttherapie in der Theoriebildung und praktischen Umsetzung. Dahingehend liegt eine fundierte Zusammenstellung vor, die auch neuere wissenschaftliche Ansätze berücksichtigt und zugleich den historischen Kontext mit einbindet.
Rezension von
Prof. Dr. habil. Ruth Hampe
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Es gibt 19 Rezensionen von Ruth Hampe.
Zitiervorschlag
Ruth Hampe. Rezension vom 29.09.2023 zu:
Karl-Heinz Menzen: Grundlagen der Kunsttherapie. Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2023. 6. durchges. Auflage.
ISBN 978-3-8252-6058-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30879.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.
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