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Maurizio Bach: Klassiker der Soziologie

Rezensiert von Prof. Dr. Ina Scholz, 28.08.2023

Cover Maurizio Bach: Klassiker der Soziologie ISBN 978-3-7560-0506-2

Maurizio Bach: Klassiker der Soziologie. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2023. 144 Seiten. ISBN 978-3-7560-0506-2. 20,00 EUR.
Reihe: Studienkurs Soziologie.

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‚Klassiker‘ der Soziologie

Dieses Lehrbuch gewährt entlang ausgewählter ‚Klassiker‘ einen Einblick in die sozialwissenschaftliche Theoriebildung und die Hauptprobleme der Soziologie. Es richtet sich an Studierende und Interessierte, die sich einen ersten Eindruck von den grundlegenden Fragen und Themen der Soziologie machen wollen, ohne dass es dabei einen Anspruch auf Vollständigkeit oder Vertiefung erhebt. Es zielt vielmehr „auf intellektuelles Verstehen, kritische Aneignung und individuelle Verarbeitung“ einiger Grundlagen der Gesellschaftstheorie.

Autor

Maurizio Bach ist emeritierter Professor für Soziologie und seit 2019 Senior-Professor für Soziologie an der Europa-Universität Flensburg.

Aufbau und Inhalt

Das Lehrbuch ist in 13 kurz gehaltene Kapitel gegliedert, die jeweils einen Vertreter der Soziologie sowie die Kerngedanken seines Werks darstellen. Während Max Weber vier Kapitel (7-10) und Durkheim drei (3-4;6) gewidmet sind, werden Marx, Smith, Hobbes, Simmel, Pareto, Elias, und Bordieu in einem Kapitel dar- und teils gegenübergestellt. Die Reihung scheint einer chronologischen Logik zu folgen.

Der Autor präsentiert zunächst Marx sowie Smith und Hobbes als wichtige Vordenker der modernen Soziologie, die insbesondere vor dem Hintergrund der politischen und ökonomischen Neuordnungen der Gesellschaft gelesen und verstanden werden müssen. Es folgt eine Zusammenfassung der Grundgedanken des Begründers der französischen Soziologie Emile Durkheim, der die Soziologie als ‚Wissenschaft von Moral‘ formuliert hat und einem harmonistischen Gesellschaftsbegriff verhaftet bleibt. Der Autor hebt Durkheims Soziologie als eine hervor, die an objektiven Erkenntnissen, d.h. kollektiven Wirkungszusammenhängen als sozialen Tatbeständen interessiert ist und somit der modernen Soziologie vor allem methodisch den Weg bereitet hat. Simmel und sein Werk kontrastiert er dazu als mikrosoziologische Herangehensweise, in der das Individuum als Quelle des Sozialen gesehen wird. Beide postpositivistischen Ansätze werden in einer Gegenüberstellung gewürdigt: Während es bei Durkheim um die ‚Gesellschaft‘ als verhaltensregulierende Übermacht geht, interessiert sich Simmel für die Formen der Wechselwirkungen als ‚Vergesellschaftung‘.

Es folgt die vergleichsweise ausführliche Auseinandersetzung mit Max Webers Theorie des Sozialen Handelns. Diese hat die wichtigsten und bis heute weitgehend unbestrittenen Fundamente der wissenschaftlichen Soziologie gelegt. Weber konstituiert die Disziplin erstmals als verstehende Wissenschaft, eine Wissenschaft nämlich „welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will.“ In Auseinandersetzung mit Webers Typen Sozialen Handelns wird verdeutlicht, dass die gesellschaftliche Dimension menschlichen Lebens primär in den Sinnorientierungen des Sozialen Handelns zu finden ist. In Auseinandersetzung mit und Analyse der protestantischen Ethik entwickelt Weber ein neues multidimensionales soziologisches Erklärungsmodell, das die Bedeutung und Prägekraft von kulturellen Orientierungen für Soziales Handeln hervorhebt und das auch in Zeiten, in denen der Geist des Kapitalismus nunmehr die generalisierte Norm darstellt, nichts an Aktualität einbüßt. Gleiches gilt für Webers soziologische Typologie der Herrschaftsformen, die er systematisch aus dem Blickwinkel der Unterworfenen erarbeitet und so die Grundlage der Legitimität von Herrschaft neu begründet.

Anschließend wird Paretos Vorstellung des „Nicht-rationalen Handelns“ sowie seine Erklärung des Kreislaufs der Eliten skizziert. Der Verweis auf die Nähe der Elitentheorie zum Faschismus fällt kurz aus.

Die letzten beiden Kapitel des Studienbuchs sind Elias und Bordieu gewidmet. Elias‘ Kernbegriff der Figuration wird eingehend als menschliches Interdependenzgeflecht dargestellt. Sein Bestreben, die Entwicklung der Soziologie in Richtung eines Denkens in diesen Verflechtungen voranzutreiben, wird anhand der Darlegung der gemeindesoziologischen Studie Etablierte und Außenseiter (1990) ausgearbeitet. In dieser untersucht Elias mittels seines Figurationsmodells Prozesse der Zivilisation wie auch der sozialen Schließung. Auch Bordieu, der als einer der bedeutendsten Kultursoziologen des 20. Jahrhunderts vorgestellt wird, widmet sein Hauptwerk der Frage nach den sozialen Ungleichheiten. In Die feinen Unterschiede (1987) entwickelt er mit der Kapital- und Habitustheorie ein empirisch fundiertes Erklärungsmodell über die Reproduktion ebendieser. Er versucht dabei den Gegensatz zwischen Objektivismus und Subjektivismus zu überwinden, indem er durch den Habitus handelndes Subjekt und Strukturalismus als miteinander vereint denkt und so die praxeologische Erkenntnisweise begründet.

Bemerkung

Der gute fachliche Eindruck dieses Studienbuchs wird nicht unwesentlich durch eine enorm hohe Anzahl an Rechtschreib- und/oder Tippfehlern getrübt, die auf ein mangelndes Lektorat schließen lassen und über die sich schwer hinweglesen lässt.

Diskussion

Maurizio Bachs Buch führt seinen Titel „Klassiker der Soziologie“ durchaus zu Recht. Wesentliche Vertreter der Soziologie finden hier Erwähnung und werden mit ihren Werken in unterschiedlicher Ausführlichkeit vorgestellt. Zu diskutieren ist zunächst, ob und inwieweit die unterschiedliche quantitative Gewichtung der Darstellung begründet werden kann. Dabei ist zwar sicherlich unbestreitbar, dass Weber als einem der Gründungsväter der Disziplin eine vergleichsweise umfassende Darstellung gebührt. Jedoch kann auch dafür argumentiert werden, dass insbesondere für Bordieu mit seiner mehrdimensionalen Sichtweise der Gesellschaftsstruktur dasselbe gilt, der hingegen nur recht kurze Erwähnung findet. Des Weiteren ist bei der Auswahl der ‚Klassiker‘ zu fragen, ob in diesen Kreis nicht mindestens auch Niklas Luhman, Talcott Parsons, Herbert Mead und Erving Goffman gehören.

Beide Diskussionspunkte verweisen auf ein grundlegendes Phänomen der Soziologie und können daher weniger dem Autor und seiner letztlich subjektiven Selektion angelastet werden: Denn „mit einer Paradigmatisierung der Soziologie und einer Akkumulation von Erkenntnissen“ (Gerhards 2014, 320) ist es generell nicht gut bestellt.

Fazit

Das Studienbuch führt auf selektive und knappe Weise in einige Klassiker und somit Grundthemen der Soziologie ein. Es vermittelt erste wichtige Grundkenntnisse und stellt zuweilen auch erste Bezüge zwischen den besprochenen Theorien dar, wodurch es sich vor allem für Studierende und Interessierte eignet, die sich erstmals und ohne Vorkenntnisse mit dem komplexen Feld der Soziologie beschäftigen möchten.

Literatur

Gerhards, Jürgen (2014): Top Ten Soziologie. Welche soziologischen Texte sollten Studierende der Soziologie gelesen haben? In: SOZIOLOGIE, 43. Jg., Heft 3, 313 -321

Rezension von
Prof. Dr. Ina Scholz
Professorin für Kindheitspädagogik an der IU Internationale Hochschule
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Es gibt 1 Rezension von Ina Scholz.

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Zitiervorschlag
Ina Scholz. Rezension vom 28.08.2023 zu: Maurizio Bach: Klassiker der Soziologie. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2023. ISBN 978-3-7560-0506-2. Reihe: Studienkurs Soziologie. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30904.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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