Eva Wunder: Nor-mal-anders
Rezensiert von Dr. Winfried Leisgang, 27.12.2023
Eva Wunder: Nor-mal anders. 105 Übungen und Impulse zu Normalitäten und Diversität.
Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2023.
210 Seiten.
36,00 EUR.
105 Blätter, das heißt 210 Seiten : Illustrationen ; Schachtel 15 x 11 x 5 cm, 612 g + 1 Begleitheft (34 Seiten)
EAN 4019172100940
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Autorin
Eva Wunder ist Psychologin und systemische Paar- und Familientherapeutin. Sie ist Professorin an der Hochschule Landshut an der Fakultät für Soziale Arbeit.
Aufbau
Der Inhalt der Kassette umfasst ein Anleitungsheft mit 14 Seiten und 105 Bildkarten.
Inhalt
Das Kartenset hinterfragt „Konzepte von Normalität und zeigt deren Abhängigkeit von historischen, politischen und soziokulturellen Gegebenheiten sowie individuellen Erfahrungen und Erwartungen.“ (2) Es eignet sich für viele Berufsgruppen und kann in der Einzel- und Gruppenarbeit eingesetzt werden.
Die Inhalte verteilen sich auf vier Module:
- Normal!?,
- normal im Alltag,
- normal anders und
- normal und ich.
Auf den nächsten Seiten werden die Bildkarten in den einzelnen Modulen genauer vorgestellt.
Im ersten Modul „Normal?!“ findet man eine Begriffsklärung zu Vorurteilen, Stereotypen und Diskriminierung und man geht der Frage nach, was denn normal sei. Dafür findet man als Beispiele im Folgenden einige Karten, die diese Frage vertiefen: gesunde Zähne, Singen, Umgang mit Statistiken, der Einfluss von Normen und wie sich Normalität im Laufe der Zeit verändert.
Das zweite Modul beleuchtet, was Normalität im Alltag bedeutet. die Karten machen u.a. einen historischen Rückblick, wie sich Höflichkeitsnormen verändert haben, wie Familie, Mutter und Kind gelebt werden, wie sich Sprache in seiner Bedeutung verändert, wieviel Besitz normal ist, wie sich das Essen und Ernährung verändert haben, wie die Schönheit im Auge des Betrachters liegt, wie der Umgang mit Sozialcourage ist oder was nach Covid 19 noch normal ist. Karte 22 befasst sich mit der Ernährung und fragt, was ein normales Essverhalten ist? In Hinblick auf Fleisch, Obst, Gemüse? Wie verändern sich Erkenntnisse zum Essverhalten im Laufe der Zeit? Wie ernähre ich mich? Wie wichtig ist für mich Gesundheit, Fitness oder Genuss? Wie normal will ich hier sein? Was würde ich gerne ändern?
Im dritten Modul geht es darum, dass man auch normal anders sein kann. Es behandelt z.B. Themen des Umgangs mit der Diversität, was gerecht sein kann, setzt sich mit Geschlechterunterschieden, dem Arbeitsleben und der Rollenverteilung in der Familie auseinander, thematisiert eine gendergerechte Sprache, das Schubladendenken und Diskriminierung, fragt nach dem Umgang mit Tod und Behinderung, wie werden Gesundheit und der eigene Körper erlebt und wahrgenommen, was ist psychisch normal, was macht die Geschlechtsidentität aus und wie gehe ich mit meiner sexuellen Orientierung um.
Auf der Rückseite der Karte 62 wird abgefragt, was für mich psychisch normal ist, wie ich mich auf einer Skala von 0–100 % selbst einschätze. Inwieweit bin ich ängstlich, unruhig oder zappelig, übermütig oder zwanghaft? Danach wird gefragt, wie ich meine Einschätzung begründen kann oder wo für mich die Grenze zum Normalen liegt.
Das vierte Modul beschreibt die Karten zum Modul „Normal und ich“. Was sind meine Werte, Motive und Glaubenssätze, meine Glücksmomente, wie kann ich anderes ausprobieren und aus der Reihe tanzen, wie sehe ich die Welt und wie normal bin ich, es betrachtet meine Lebenslinie: war/ist mein Leben normal, wie normal ist meine Familie, sehe ich rosarot oder schwarz, wie funktioniert meine Kommunikation, wie steht es um meine Körperhaltung, Motivation und mein Arbeitsverhalten, was sind Stolpersteine für mich und wie verhalte ich mich in Gruppen. Mit Karte 104 kann ich mein Verhalten in Gruppen reflektieren. Welche Rollen nehme ich in unterschiedlichen Kontexten in Gruppen ein (in der Familie, im Beruf, mit Freunden)? Ist meine Rolle normal? Welche Funktion hat meine Rolle im aktuellen Kontext? Welche Rolle würde ich gerne einmal einnehmen?
Diskussion
Die Karten bieten konkreten und anschauliche Anregungen, sich mit dem auseinanderzusetzen, was wir gemeinhin im Alltag für normal halten. Sie beziehen sich auf die unterschiedlichsten Felder des Lebensalltags. Damit lassen sich die Einstellungen und Haltungen sowohl der Klient*innen als auch die eigenen überprüfen. Warum erachte ich es z.B. als normal, dass ich perfekt im Sinne der Modeindustrie aussehen muss? Was treibt mich dabei an und welche alten Muster wirken dabei mit? Auf diese Weise lassen sich eingeübte und eingefahrene Tendenzen ansprechen und schrittweise verändern.
Ob immer tatsächlich die Lebenswirklichkeit von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen erfasst wird, mag bezweifelt werden. Hin und wieder erkennt man den Bias zwischen den Lebensmilieus der akademisch gebildeten Autorin und den Betroffenen, die deutlich weniger Entwicklungschancen im Leben vorgefunden haben. Beispiel
Fazit
Ein hilfreiches Kartenset für Menschen, die coachen und Menschen begleiten, die sich fragen, ob sie noch normal sind. Die Karten können helfen, über die Erfahrung und den Umgang mit Normalität ins Gespräch zu kommen und Verunsicherungen abzubauen.
Rezension von
Dr. Winfried Leisgang
Dipl. Soz.-Päd., Master of Social Work (M.S.W.)
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