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Hans-Joachim Laewen, Beate Andres: Gut aufgehoben in der Kita

Rezensiert von Vanessa Maurer, 06.10.2023

Cover Hans-Joachim Laewen, Beate Andres: Gut aufgehoben in der Kita ISBN 978-3-451-39076-0

Hans-Joachim Laewen, Beate Andres: Gut aufgehoben in der Kita. Zur Praxis einer professionellen Ethik. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2022. 169 Seiten. ISBN 978-3-451-39076-0. D: 30,00 EUR, A: 30,90 EUR, CH: 41,50 sFr.
Reihe: Supplement: ISBN: 9783451397608.

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Thema

Die Autoren fordern eine Ethik des „Nicht Schaden“ für Kindertageseinrichtungen, wie es für die Ärzte seit Langem gilt. Damit soll der Grundstein für das „Gut-Aufgehoben-Sein“ in der Kita und damit der erste Schritt im Rahmen der Qualitätsentwicklung von Kindertageseinrichtungen gelegt werden. Inhaltlich greifen Sie auf Studienergebnisse zurück, um die aktuelle Situation hinsichtlich der Qualität in Kindertageseinrichtungen aufzuzeigen. Ebenfalls finden Erfahrungen von Fachkräften aus der Praxis Berücksichtigung. Maßgeblich war hier das Projekt „Gut aufgehoben“, welches in sechs Kitas durchgeführt wurde. Für die Kindertageseinrichtungen wird ein Handlungsleitfaden vorgestellt, wie diese Schritt für Schritt den Weg zu einer Ethik des Handelns gehen können. Begleitend dazu wurden Fragebögen als Arbeitswerkzeug entwickelt, auf welche im Buch eingegangen wird. Diese gibt es zusätzlich zu erwerben.

Autor:innen

Hans- Joachim Laewen, Diplompädagoge und Beate Andres sind Mitbegründer des Forschungsinstituts infans. In einer Vielzahl an Veröffentlichungen tragen Sie zum Diskurs der Kita Qualität als auch zur Bildung in Kindertageseinrichtungen bei.

Entstehungshintergrund

Ausgangspunkt stellt der aktuelle fachpolitische Diskurs zum quantitativen sowie qualitativen Kita-Ausbau dar. Die Autoren zweifeln die erfolgreiche Umsetzung des politischen Vorhabens bis zum heutigen Tag an. Sie weisen darauf hin, dass weder der quantitative Ausbau den Bedarfen entspricht noch basiert die Qualität in den meisten Kindertageseinrichtungen nicht dem Stand des Wissens, welcher den Kindern ein „Gut-Aufgehoben-Sein“ garantiert.

Aufbau und Inhalt

Einleitend stellen sich die Autoren die Frage, worin der Unterschied zwischen einer Kita mit schlechter, mittelmäßiger oder guter Qualität liegt und wie dies auf das Aufwachsen der Kinder einwirkt. Dabei wird zwischen der Strukturqualität und den konkreten Handlungsmöglichkeiten für die, in der Praxis tätigen Fachkräfte, differenziert. Anhand konkreter Praxisbeispiele wird der Leser in die Thematik eingeführt. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass in dem vorliegenden Buch kein akademischer Diskurs geführt wird. Vielmehr ist es als „Anleitung zum praktischen Handeln“ (S. 19) in der Praxis zu verstehen.

Im ersten Kapitel werden die „Bedingungen des Gut-Aufgehoben-Seins“ (S. 21) aus fachlicher Perspektive erörtert. Es wird von einem Systemversagen gesprochen, da es immer noch einer zu geringen Gruppe an Einrichtungen gelingt, auf einem hohen pädagogischen Niveau zu arbeiten. In die Verantwortung werden hier u.a. die Wissenschaft, die Politik, Träger der Einrichtungen sowie Ausbildungsstätten genommen. Die Autoren sprechen von einem ethischen Dilemma, da es kaum gelingt, die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Gut-Aufgehoben-Sein in Kindertageseinrichtungen in die Praxis zu transferieren. Den pädagogischen Fachkräften bliebe nichts anderes übrig, wie auf ihr Bauchgefühl sowie ihre Berufserfahrung zu vertrauen. Dadurch bliebe die „pädagogische Qualität (…) unter ihren Möglichkeiten“ (S. 27). Daran schließt sich die Frage an, welche Handlungsräume den pädagogischen Fachkräften unter den mangelnden Ressourcen bleibt, die pädagogische Qualität zu steigern. Die Autoren blicken auf die Entwicklung in der Pädagogik zurück und bauen den ethischen Grundsatz des „Nicht-Schadens“ auf der Bindungstheorie von Bowly auf. Es werden weitere Studienergebnisse einbezogen, welche die Risiken einer niedrigen Qualität in Kitas auf die Entwicklungs- und Bildungschancen der Kinder verdeutlichen. Im weiteren Verlauf wird das Qualitätsverständnis der Autoren geklärt sowie der Bezug zu aktuellen Messinstrumenten hergestellt. Nachdem die Ist-Stand-Analyse abgeschlossen ist, fragen die Autoren plakativ, ob es akzeptiert werden kann, dass vorhandene Forschungsergebnisse nicht mit der Praxis verknüpft bzw. für diese handhabbar gemacht werden. Dadurch könnten die Bildungsprozesse für die Kinder verbessert werden, stattdessen werde weiterhin unter mangelnden Bedingungen gearbeitet. Vielerorts werde den Kindern dadurch unwissentlich Schäden zugefügt.

In den nachfolgenden Kapiteln soll es genau darum gehen. Wie kann die pädagogische Qualität unter dem Vorsatz des „Nicht-Schadens“ verbessert bzw. das hohe Niveau gesichert werden? Die Autoren formulieren konkrete Vorschläge, wie die Entwicklung einer Ethik in den Kitas ganz konkret bewerkstelligt werden kann.

Das zweite Kapitel widmet sich der angewandten Ethik und stellt „grundsätzliche Überlegungen zur Verbesserung der Qualität“ an. Daher scheint es erst einmal wichtig, überhaupt eine hohe pädagogische Qualität zu definieren. Die Autoren beziehen auch hier wieder aktuelle Studienergebnisse ein und stellen eine direkte Verbindung zum Alltag der pädagogischen Fachkräfte her. Es wird deutlich, welchen Einfluss die pädagogische Qualität auf das Stresserleben und dadurch auf die kindliche Entwicklung hat. Zeitgleich wird auch ein Weg aufgezeigt, die Qualität zu steigern, was zeitgleich zu einer Stressreduktion bei den Kindern führt. Der Fokus liegt hier auf der Verbesserung der Teamqualität. Neben dem Teamzusammenhalt spielt auch der Aspekt einer Bindungsbeziehung durch eine gelingende Eingewöhnung eine Rolle. Beide Themen sind direkt anschlussfähig an die Praxis. Die Autor:innen plädieren: „Die Fachkräfte müssen ein Arbeiten auf höchstmöglichem Qualitätsniveau wollen, und wenn das so ist, sind sie eigentlich kaum aufzuhalten“ (S. 100).

Im dritten Kapitel werden die „Bausteine und andere Materialien auf dem Weg zu einer Ethik des Handelns in der Kita“ (S. 105) vorgestellt. Im Kapitel werden praxisnahe Vorschläge für die Bearbeitung im Team vorgestellt. Hierbei wird ein Fragebogen vorgestellt, welcher als Arbeitshilfe separat zu erwerben ist. Auf dem Weg wird die einzelne pädagogische Fachkraft zur Reflexion angeregt. In weiteren Schritten wird der Austausch, die Reflexion und Evaluation im Team angestoßen. Durch die Bearbeitung der einzelnen Schritte wird das Team angeregt, vom „Nicht-schaden“ (S. 105) über „das ethische Prinzip der Achtsamkeit“ (ebd.) hin zur „Aufforderung zur Bildung“ (S. 106) gelangen. Ein wichtiger Exkurs als Basis für den vertrauensvollen Beziehungsaufbau zwischen Kind und Fachkraft widmet sich der Aufnahme und Eingewöhnung der Kinder.

Abschließend bekräftigen die beiden Autor:innen im Schlusswort, die hohe Bedeutung der Kita-Qualität, welche nicht zulasten der Kinder, sondern zu ihrem Wohlergehen weiterentwickelt werden muss.

Diskussion

Das Buch basiert seine Erkenntnisse auf der Grundlage wissenschaftlicher Studienergebnisse. Die Autor:innen unternehmen damit den Versuch, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu transferieren. Sie beginnen mit einem Problemaufriss und gehen der Ursache für häufig zu geringe Kita-Qualität auf den Grund. Dabei nehmen Sie das ganze Kita-System unter die Lupe. Nach einem umfangreichen Diskurs über die Herausforderungen und sich daraus ergebenden Risiken für die Kinder wendet sich das Autor:innenteam an die in der Praxis-Tätigen. Die Methoden, zur Verbesserung der Kita-Qualität richten sich vor allem an die Kita-Leitung, welche mit dem Team daran arbeiten kann. Die Umsetzung verspricht die Verbesserung der Zusammenarbeit im Team sowie ein entspannterer Kitaalltag auch unter herausfordernden Rahmenbedingungen.

Durch den Aufbau von Theorie hin zur Praxis motiviert es die Leserschaft aktiv zu werden, um die Qualität zum Wohle der Kinder stetig weiterzuentwickeln. Die Umsetzung der vorgeschlagenen Methoden sowie entwickelten Fragebögen sind nachhaltig gedacht und benötigen in der Umsetzung ihre Zeit. Die Fragebögen werden jeweils in einzelne Ausschnitte unterteilt vorgestellt. Wer aktiv damit arbeiten möchte, sollte sich die entsprechenden Arbeitsbögen dazu kaufen. Diese sind jedoch separat zu erwerben.

Bezüglich der Zugänglichkeit sind die Formulierungen trotz der wissenschaftlichen Bezüge verständlich gehalten, sodass sich das Buch für jede:n eignet, die/der sich mit der Kita-Qualität auseinandersetzen möchte. Auch Beispiele aus der Praxis erleichtern den Transfer der theoretischen Erkenntnisse in die eigene Praxis. Zumal das Buch so gestaltet wird, dass wichtige Inhalte in blau hinterlegten Kästen die Kernaussagen der Abschnitte noch einmal kurz und übersichtlich zusammenfassen. Aus meiner Perspektive regt das Buch zum Nachdenken an. Auch werden dadurch Ohnmachtsgefühle, nichts machen zu können, aufgeweicht und den Pädagog:innen ein Anstoß gegeben, aktiv an der Qualität arbeiten zu können. Dadurch können sie selbst aktiv an der Atmosphäre und dem eigenen Wohlbefinden ihres Arbeitsortes sowie dem Wohlergehen der Kinder mitwirken.

Fazit

Ein sehr zu empfehlendes Buch, welches sich direkt an die in der Praxis tätigen Fachkräfte wendet. Die Inhalte basieren auf wissenschaftlichen Studien. Die Ergebnisse werden verständlich vorgestellt und in den aktuellen Diskurs gebracht. Die pädagogischen Fachkräfte werden direkt an die Hand genommen und erhalten einen praxisnahen Leitfaden für die Eigenreflexion als auch die Teamarbeit, um die Qualität der eigenen Arbeit stetig weiterzuentwickeln. Sehr motivierend.

Rezension von
Vanessa Maurer
M.A. Kindheits- und Sozialwissenschaften, B.A. Kindheitspädagogin, Erzieherin
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Es gibt 2 Rezensionen von Vanessa Maurer.

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Zitiervorschlag
Vanessa Maurer. Rezension vom 06.10.2023 zu: Hans-Joachim Laewen, Beate Andres: Gut aufgehoben in der Kita. Zur Praxis einer professionellen Ethik. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2022. ISBN 978-3-451-39076-0. Reihe: Supplement: ISBN: 9783451397608. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30945.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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