Armin Groh: Die blinden Flecken der Demokratie
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 11.10.2023
Armin Groh: Die blinden Flecken der Demokratie. Eine Entdeckungsreise in die politische Ideengeschichte.
Promedia Verlagsgesellschaft
(Wien) 2023.
240 Seiten.
ISBN 978-3-85371-522-2.
D: 22,00 EUR,
A: 22,00 EUR.
Reihe: Edition Makroskop - 3.
Blase oder Blessur?
In der sich immer interdependenter, entgrenzter, globaler und unkontrollierbarer entwickelnden Welt, in der die bereits Besitzenden immer wohlhabender und die Habenichtse immer ärmer, die Mächtigen immer mächtiger und die Ohnmächtigen immer machtloser, die Wissenden immer selbstbewusster und die Unwissenden immer abhängiger und manipulierbarer werden…, werden Fragen immer bedeutsamer und existenzieller: „Wie wollen wir leben?“ (Peter Bieri, 2011, www.socialnet.de/rezensionen/​12313.php). Es sind Herausforderungen, die sich individuell, lokal- und globalgesellschaftlich und politisch stellen. Sie sind wichtig, wenn Menschen in unfreien, diktatorischen, autoritären und faschistischen politischen Systemen leben; und sie sind notwendig, wenn sie in sogenannten und tatsächlichen Demokratien leben. Denn „demokratisch“ nennen sich auch politische und gesellschaftliche Institutionen, die völlig undemokratisch verfasst sind, und in denen Menschen unfrei leben. Hier ist es relativ einfach, demokratische Werte wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Mitbestimmung, Wohlstand, Menschenrechte einzufordern; schwieriger und problematischer wird es, wenn Menschen, die in Demokratien leben, die vorhandenen, verfassten demokratischen Werte als selbstverständlich betrachten und nicht bereit oder fähig sind, sie gegen undemokratische, rechtsradikale und populistische Angriffe zu verteidigen.
Entstehungshintergrund und Autor
Wer individuell und gemeinschaftlich ein gutes, gelingendes, menschenwürdiges und erdbewusstes Dasein führen will, muss philosophieren; wer es vermisst, erst recht! Denn Philosophieren ist ja nichts anderes als das Leben zu lernen! Der Philosoph von der Kölner Universität und LehrerInnen-Ausbildner Armin Groh identifiziert „blinde Flecken in der Demokratie“. In einer wissenschaftlichen Erzählung geht er den Gründen und Ursachen nach, wie solche Bewusstseinslöcher entstehen und sich im öffentlichen gesellschaftlichen Diskurs etablieren können.
Aufbau und Inhalt
In einer 15-seitigen, individuellen Reflexion darüber, wie der Autor bereits in jungen Jahren nachbarschaftliche soziale Unterschiede und Ungleichheiten erfahren und erlebt hat, beginnt er seine Erzählung. Sein anfängliches Überrascht Sein darüber, dass persönliche Freundschaften und Einverständnisse bei „Ungleichen“ möglich sind, wird eingeführt und verstärkt zu Erlebnissen und Erfahrungen, die er als Junge bei der von den Eltern veranlassten Nachhilfelehrerin für Latein erlebte, der es gelang, ihn für philosophisches Fragen zu interessieren. Eingeführt werden weitere Personen, die das Pro und Contra der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen markieren. Das zweite Kapitel überschreibt er deshalb mit „Freiheit und Demokratie“. Dabei entwirft er didaktische Denk- und Handlungs-Instrumente und –Methoden, die er jeweils in der Spannweite von „egalitär“ bis „elitär“ einmisst. Es sind die fiktiven Jungennamen Lukas und Leon, mit denen Groh seine Erzählung würzt, und gewissermaßen eher zufällig und selbstverständlich auf die blinden Flecken aufmerksam macht: „Eigentum und Demokratie“ im dritten Kapitel, „Wirtschaft und Demokratie“ im vierten, „Globalisierung und Demokratie“ im fünften, „Frieden und Demokratie“ im sechsten, und „Medien und Demokratie“ im siebten Kapitel.
Diskussion
Das bekannte Wort des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt – „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine“ – verdeutlicht, dass Volksherrschaft die Vielfalt der Meinungen zu Wort kommen lassen, aber auch den No goes, den Fake News und Hass-Kommentaren ein demokratisches, eindeutiges Stopp entgegensetzen muss. „Mehr Demokratie wagen“, das gilt heute mehr denn je. Demokratische Werte und in der Geschichte der Menschheit mühsam erworbene Errungenschaften müssen individuell und kollektiv, lokal und global gepflegt, verteidigt und weiterentwickelt werden (Bruno Heidlberger, Mit Hannah Arendt Freiheit neu denken. Gefahren der Selbstzerstörung von Demokratien, 2023, www.socialnet.de/rezensionen/​30701.php).
Fazit
Wenn es gelingt, diese Forderung dialogisch und in der Form einer dialektischen Erzählung in die gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu bringen, könnte ein didaktischer Wurf gelungen sein! Das Essay von Armin Groh kann so verstanden werden!
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
Mailformular
Es gibt 1685 Rezensionen von Jos Schnurer.
Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 11.10.2023 zu:
Armin Groh: Die blinden Flecken der Demokratie. Eine Entdeckungsreise in die politische Ideengeschichte. Promedia Verlagsgesellschaft
(Wien) 2023.
ISBN 978-3-85371-522-2.
Reihe: Edition Makroskop - 3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30961.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.