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Lisa Jares: Sozialraum­orientierung in der Kita

Rezensiert von Prof. Dr. rer.soc. Ulrich Deinet, 16.11.2023

Cover Lisa Jares: Sozialraum­orientierung in der Kita ISBN 978-3-7799-7216-7

Lisa Jares: Sozialraum­orientierung in der Kita. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. 95 Seiten. ISBN 978-3-7799-7216-7. D: 20,00 EUR, A: 20,60 EUR.
Reihe: Die Kita im sozialen Raum - 1.

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Thema und Hintergründe

Das mit knapp 90 Seiten sehr übersichtliche Buch versucht sowohl theoretische Zugänge der Sozialraumorientierung als auch Handlungsstrategien und Methoden für den Bereich der Kita zu beschreiben, in dem das in anderen Feldern stark verbreitete Thema Sozialraumorientierung bisher relativ schwach vertreten war.

Autorin

Lisa Jares Diplom-Sozialpädagogin, Pädagogik und Management in der Sozialen Arbeit M.A., Pädagogische Fachberaterin für Kindertageseinrichtungen, Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen in kindheitspädagogischen Studiengängen und Chefredakteurin des frühpädagogischen Fachportals ErzieherIn.de.

Inhalt

Nach der Einleitung begründet Lisa Jares im 2. Teil veränderte Anforderungen an pädagogische Fachkräfte vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels und beschreibt die Grundlagen moderner Kita-Arbeit sehr kurz in der Arbeit mit Kindern, der Zusammenarbeit mit den Eltern und der Vernetzung im Sozialraum (Seite 8–9). Dieser etwas kurz geratenen Einführung folgt Kapitel 3 „Sozialraumorientierung theoretisch betrachtet“ mit einer Reise durch historische und theoretische Ansätze im Themenfeld der Raumsoziologie und der Sozialwissenschaften. Im Wesentlichen geht es dabei um die Erweiterung des Raumbegriffes sowie der von Reutlinger und Wigger begründeten Sozialraumarbeit (Seite 11).

Nach diesem auch sehr kurzen Teil folgt nun das Thema der „Sozialraumorientierung im Fachdiskurs der Kindertageseinrichtungen“. Hier bezieht sich die Autorin vor allen Dingen auf Renate Thiersch, die vier Dimensionen von Sozialraumarbeit in Kindertageseinrichtungen beschrieben hat (Seite 13/14). Hierzu werden auch weitere AutorInnen herangezogen.

Teil 3.2 beschäftigt sich mit der Sozialraumorientierung in der Kinder- und Jugendhilfe und geht zurück auf die Kinder- und Jugendberichte der Bundesregierung, in denen die Sozialraumorientierung der Jugendhilfe hinreichend begründet wird.

Der Teil 3.3 beschäftigt sich mit dem Thema der räumlichen Aneignung von Kindern als einem subjektorientierten Ansatz, der im Aneignungskonzept als „der tätigen Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt“ beschrieben wird. Abschließend wird der Zusammenhang von Kindertageseinrichtungen und der Lebenswelt von Kindern durch die beiden klassischen sozialökologischen Modelle von Baacke (Zonenmodelle) und Zeiher (Inselmodell) beschrieben.

Es folgt Teil 4 „Sozialraumorientierung, ein neuer Ansatz für Kindertageseinrichtungen?“. Dieser beginnt mit einem Rückgriff auf historische Ansätze, in denen auch sozialräumliche Orientierungen ansatzweise zu finden sind über Jean Jaques Rousseau, Pestalozzi, Froebel bis hin zu den moderneren Ansätzen der Reggio- und der Freinet-Pädagogik. Dieser historische Exkurs wird auf Seite 22 noch einmal kurz zusammengefasst bzw. der Bogen zu aktuellen Ansätzen geschlagen, wie den Early Excellence Centres in den angelsächsischen Ländern, die durch ihre frühkindlichen Bildungsangebote und eine sehr viel stärkere Einbeziehung der Eltern in die Bildungsprozesse ihrer Kinder bekannt geworden sind. Darauf aufbauend beschreibt die Autorin in Kapitel 4.2 die Familienzentren in NRW, die angelehnt an die angelsächsischen Vorbilder ebenfalls als Familienzentren sich mit niedrigschwelligen Angeboten an Lebenslagen und dem Sozialraum ausrichten und Eltern sehr stark einbeziehen, z.B. mit Lotsenprojekten.

Im Kapitel 5 „Sozialraumorientierte Handlungsstrategien“ begründet Jares ihren Ansatz einer Sozialraumorientierung, der zum einen „Kita als Sozialraum“ mit vielfältigen Aneignungsformen versteht mit den Fragen der neuen Positionierung von Kitas in ihrem Nahraum und in der Lebenswelt der Kinder. Zum anderen versteht sie „Kita im Sozialraum“, als Institutionmit zahlreichen Kooperationen, die im individuellen Nahraum von Eltern und Kindern eine große Rolle spielt, mit anderen Institutionen vernetzt ist, mit den Eltern stärker zusammenarbeitet und deshalb auch als Player im Sozialraum begriffen werden kann. Das damit einhergehende Raumverständnis wird in einem Kasten auf Seite 38 kurz erklärt, ebenso wie die wichtigsten Aspekte der Kita im Sozialraum auf Seite 41.

Im Teil 6 „Netzwerkarbeit mit Institutionen im Sozialraum“ werden wesentliche Aspekte der Netzwerkorientierung in Bezug auf mögliche KooperationspartnerInnen, etc. ausgebreitet. Hierzu werden auch methodische Handlungsempfehlungen gegeben, wie z.B. das Institutionen-Mapping auf Seite 45 oder unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit in einem Netzwerk vorgestellt. Es folgen Aspekte einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit Fragen für die Evaluation, ebenso wie ein Muster für einen Kooperationsvertrag.

Kapitel 7 beschreibt unter dem Titel „die pädagogische Arbeit bedarfsorientiert gestalten“ unter anderem das Prinzip der Niedrigschwelligkeit, das als pädagogische Arbeit auch operationalisiert und in drei verschiedene Dimensionen differenziert wird. Besonders geht es dabei darum, Bedarfe von Eltern wahrzunehmen; dazu werden auch Möglichkeiten einer Befragung thematisiert, deren Rahmenbedingungen aber auch mögliche Inhalte eines Fragebogens.

Im Teil 7.3 geht es um die Partizipation von Kindern in der Sozialraumarbeit, die Demokratiebildung im Sozialraum, die auch die Kita mit einbezieht, Stufen von Partizipation (Seite 59 oben) sowie auch Reflexionsfragen für das Team, inwieweit partizipative Ansätze in der Einrichtung umgesetzt werden konnten. Zusätzlich werden Beteiligungs- und Engagement-Projekte auch methodisch eingeführt (Seite 62 ff.) im Sinne einer differenzierten Gestaltung eines Partizipationsprojektes am Beispiel einer Spielplatzgestaltung.

In Teil 8 werden praktische Methoden der Sozialraumarbeit, insbesondere der Sozialraumanalyse vorgestellt. Von der Sozialraumerkundung mit Kindern (hierzu gibt es auch praktische Arbeitshilfen und Arbeitsbögen zur Analyse eines Sozialraumes) über Nadelmethode, Autofotografie, subjektive Landkarten, Institutionen, Befragungen sowie das PolitikerInnen-Gespräch bis hin zu den Zeitbudgets.

Teil 9 bezieht sich auf die „Sozialraumorientierung im Team“ und die Frage, welche sozialräumlichen Kompetenzen eine frühpädagogische Fachkraft entwickeln muss, um sozialräumlich arbeiten zu können. Hier gibt es eine ganze Reihe von Auflistungen, die etwas normativ daherkommen. Die Rolle der Leitung im Prozess der Öffnung wird besonders herausgestellt und die sozialräumliche Öffnung als Leitungsaufgabe verstanden; „Change-Management Sozialraumorientierung“ – dieser Teil richtet sich vor allen Dingen an Leitungen und die Frage, wie Teams sozialräumlich ausgerichtet werden können.

Im Teil 10 „Fazit“ versucht die Autorin unter dem Aspekt einer raumsensiblen Haltung ihre bisherigen Überlegungen zusammenzufassen und auf den Punkt zu bringen.

Diskussion

Das Buch richtet sich meiner Einschätzung nach vor allen Dingen an Leitungskräfte, an Leitungen von Kitas und anderen Einrichtungen im Bereich der Kindertagespflege und -betreuung sowie an Menschen in der Fortbildung oder besonders auch der fachlichen Begleitung von Einrichtungen, z.B. bei einem Träger oder in einer Kommune (Fachberatung). Das Buch ist weniger Praxishilfe für Erzieherinnen und Erzieher, die in der Gruppenarbeit sind, dafür ist es zu komplex und auch zu voraussetzungsvoll. Die Stärke des Buches ist auch gleichzeitig seine Schwäche, das heißt der Versuch, möglichst viele Aspekte der Sozialraumorientierung in einem sehr übersichtlichen Buch (was ich für einen Vorteil halte) zusammenzubringen, überfordert an einigen Stellen möglicherweise die Lesenden und führt auch zu – besonders im ersten, theoretischen Teil – etwas sehr verkürzten Beschreibungen von theoretischen Ansätzen, etc. Demgegenüber ist der zweite Teil wesentlich anwendungsorientierter bis hin zu direkt transferierbaren Arbeitsblättern und Vorlagen.

Fazit

Auf weniger als 100 Seiten wird hier ein kompletter Überblick über das Thema Sozialraumorientierung und seine konzeptionelle Umsetzung für den Bereich der Kindertageseinrichtungen geliefert. Leitungskräfte und FachberaterInnen finden hier viele Ansätze, wie sie die Sozialraumorientierung ihrer Einrichtungen stärken können, was dazu methodisch, konzeptionell, etc. getan werden muss. Das ist genau die Flughöhe dieses Buches und seine Stärke. Viele Schaubilder, Grafiken und Kästen mit Zusammenfassungen erleichtern die Lesbarkeit des Buches, das gleichzeitig Theorie- und Praxisbuch ist.

Rezension von
Prof. Dr. rer.soc. Ulrich Deinet
Dipl.-Pädagoge, bis 2021 Professur für Didaktik/Methodik der Sozialpädagogik an der Hochschule Düsseldorf, Co-Leiter der Forschungsstelle für sozialraumorientierte Praxisforschung und –Entwicklung FSPE; Mitherausgeber des Online-Journals sozialraum.de. Freiberuflicher Kindheits- und Jugendforscher, Seminarleiter, Berater und Referent, Themen: Kooperation von Jugendhilfe und Schule, Schulsozialarbeit, Ganztagsbildung, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Sozialraumorientierung, Konzept- und Qualitätsentwicklung.
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Es gibt 13 Rezensionen von Ulrich Deinet.

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Zitiervorschlag
Ulrich Deinet. Rezension vom 16.11.2023 zu: Lisa Jares: Sozialraum­orientierung in der Kita. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2023. ISBN 978-3-7799-7216-7. Reihe: Die Kita im sozialen Raum - 1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30985.php, Datum des Zugriffs 11.09.2024.


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