Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Andrea Erkert: Musik im Morgenkreis

Rezensiert von Prof. Dr. Thomas Grosse, 23.04.2024

Cover Andrea Erkert: Musik im Morgenkreis ISBN 978-3-8080-0897-3

Andrea Erkert: Musik im Morgenkreis. Die schönsten Ideen für Krippe und Kita. Verlag modernes lernen Borgmann GmbH & Co. KG. (Dortmund) 2024. 176 Seiten. ISBN 978-3-8080-0897-3. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 32,30 sFr.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Thema

Musikalische Aktivitäten im Morgenkreis sind eine wertvolle Bereicherung für den Start in den Tag an einer Krippe oder Kita. Um dieses Angebot vielfältig und flexibel gestalten zu können, bietet das Buch eine Sammlung entsprechender Anregungen.

Aufbau und Inhalt

Das Buch „Musik im Morgenkreis“ ist ein Kompendium, das 70 Aktivitäten für den Morgenkreis enthält. Dafür wird jeweils eine Doppelseite aufgewandt, auf der einem erläuternden Text eine kommentierte Abbildung zu Seite gestellt wird.

Jeweils 10 Aktivitäten sind dabei thematisch in folgenden Abschnitten zusammengefasst:

  • Alle Kinder sind schon da! Ankommen und Vertrauen aufbauen: Begrüßungsrituale und -lieder.
  • Hoppe hoppe Reiter. Gruppen und Rhythmusgefühl: Krabbelverse, Kniereiter kooperative Musikspiele und Sitztänze.
  • In der Kreismitte klingt‘s so schön. Hörschulung: Klang- und Geräuschspiele.
  • Häschen in der Gruppe. Sprache und Motorik: Sprechverse, Klatschspiele, Klanggeschichten, Sing- und Fingerspiele.
  • Wir singen und tanzen im Kreis. Reaktionsvermögen und räumliches Denken: Bewegungslieder, Stopptänze, Krabbel- und Laufspiele mit Klängen.
  • Rundum entspannt mit Musik. Körperwahrnehmung und Entspannung: Klangmassagen, Windspiele und ruhige Tänze.
  • Ein klangvoller Abschlusskreis. „Tschüss!“ sagen und Vorfreude steigern: Abschlussrituale und -lieder.

Ein Vorwort, ein Überblick über den Aufbau des Buches sowie einleitende Texte für die einzelnen Abschnitte tragen zur Gliederung der Publikation bei. Letztere sind jeweils mit einem auf Musik bezogenen Zitat von historischen Persönlichkeiten versehen. Ergänzt wird das Buch durch einen Anhang, in dem neben dem Register und Bildnachweis auch Literatur und Musiktipps gegeben werden. Dieser Abschnitt verweist auf zwanzig weitere Bücher von Andrea Erkert. Andere weiterführende Literaturtipps oder Verweise sind nicht enthalten, auch enthält das Buch weder Notenbeispiele noch Hinweise auf musikalische Quellen. Der Anhang wird komplettiert durch einige Leerseiten mit Raum für eigene Notizen.

Diskussion

Zur Einordnung dieser Sammlung von Praxisideen soll zunächst der Versuch unternommen werden, den Bezugsrahmen zu präzisieren. Das Buch enthält weder Aussagen zum Musikbegriff noch wird deutlich, ob die Zielgruppe (laut Klappentext „alle, die auf der Suche nach Musikangeboten für den täglichen Morgenkreis sind“) voraussetzungsfrei angesprochen werden soll oder musikalische Vorkenntnisse oder Bezüge erwartet werden.

Für die Arbeit mit Kindern in Krippe und Kita empfiehlt sich ein sehr weit gefasster Musikbegriff. Geräusche und Klangwelten sind ebenso Bestandteile musikalischen Ausdrucks wie auch Melodien im Gesang oder Instrumentalspiel. Aber ganz ohne Kontext wird ein solcher Umgang mit dem Medium beliebig, vor allem, wenn ohne erkennbare Intention konkrete Instrumente vorgeschlagen werden. Weshalb eine Aktivität namens „Wie viele Kinder sind heute da?“ einen Schellenkranz einsetzt, indem dieser weitergereicht wird, das Kind ihn erklingen lässt und dann alle Kinder gemeinsam eine Zahl nennen oder aus welchem Grund bei dem Fingerspiel „Fünf Hasen“ eine Kastagnette ebenfalls „erklingen“ soll, ist selbst mit einem weitgefassten Musikbegriff kaum in Einklang zu bringen. Der bloße Einsatz eines Musikinstrumentes als Klangerzeuger hat nichts mit Musik zu tun und der Satz „Für das folgende Fingerspiel benötigen Sie eine Kastagnette“ erscheint in diesem Kontext schlichtweg absurd. Ein derartig unreflektierter Einsatz von einfachen Musikinstrumenten trifft auf viele im Buch enthaltene Aktivitäten zu. Dass darüber hinaus der zum Fingerspiel gehörende Sprechvers nach Ansicht der Verfasserin vorgelesen werden soll, obwohl er ausgesprochen simpel ist, wirft die weitergehende Frage auf, welchen Anspruch an die Fähigkeit zur pädagogischen Arbeit mit Kindern im Morgenkreis die Verfasserin zum Ausdruck bringen will.

In Bezug auf die – angesichts des Buchtitels naheliegender Weise nicht außer Acht zu lassenden – musikalischen Vorerfahrungen der Zielgruppenangehörigen für diese Publikation schweigt sich das Buch aus. Zwar ist dem Vorwort zu entnehmen, dass Vorsingen zur musikalischen Anleitung im Morgenkreis gehört, aber gleichzeitig scheint die Verfasserin davon auszugehen, dass das Abspielen von Musikaufnahmen im Morgenkreis für viele Lesende offenbar selbstverständlich ist. Erläuternde Hinweise wie „Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um Kinderlieder handeln. Für ältere Kinder eignet sich auch Pop- und Rockmusik oder gar fröhliche Volksmusik zum Bewegen“ während für Entspannungsangebote „klassische Musik und Klaviermusik besonders gut geeignet“ sei, ist nicht nur banal, sondern schlichtweg falsch und ebenso Ausdruck eines oberflächlichen Musikverständnisses, wie auch beispielsweise die Auswahl eines Zitates von Gustav Mahler im Kapitel zu Gruppen- und Rhythmusgefühl: „Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten“.

Für das vorliegende Buch trifft es insofern zu, als tatsächlich keine Noten enthalten sind. Nicht eine einzige Melodie ist notiert, was damit zu begründen wäre, dass es sich nicht an eine Zielgruppe richtet, die Noten lesen kann. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, aber dass die Autorin an keiner Stelle einen Hinweis darauf gibt, wie bzw. wo denn die Melodien von den Lesenden nicht bekannten Liedern gewonnen werden können, ist irritierend, vor allem im Kontext des selbstreflexiven Literaturverzeichnisses, das ausschließlich auf eigene Bücher – teilweise mit beiliegenden CDs (!) – verweist. Vermutlich werden findige Lesende sich entsprechende Materialien und Aufnahmen im Internet suchen, wo es ohnehin zahlreiche geeignete Beispiele für Musik im Morgenkreis gibt. Andere, denen die Lieder bekannt sind, werden sich vermutlich fragen, wozu sie ein solches Buch benötigen, dessen Potenzial letztlich gering ist, da es wenig Neues zu bieten hat. Auch wenn sich für viele interessierte Menschen die eine oder andere neue Praxisanregung verbergen mag, ist die Gesamtbilanz angesichts des aufwändig und sorgfältig produzierten Druckerzeugnisses mager.

Selbst die Frage, in wie weit die Auswahl der Aktivitäten wirklich immer dem Setting „Morgenkreis“ gerecht wird, kann nicht beantwortet werden, weil es hier zu viele verschiedene Ansätze geben dürfte. Wenn beispielsweise tatsächlich „Pausenfüller“ (S. 32) benötigt werden oder das Lied „Alle Leut‘ gehn jetzt nach Haus“ (S. 162) zum Abschluss eines den Tag einleitenden Morgenkreises gewählt wird, wird hier ein nicht ganz gängiges Verständnis der Funktion (und auch der Dauer) eines Morgenkreises deutlich. Im Morgenkreis ist Raum für Rituale, beispielsweise in der Begrüßung oder beim Abschied. Jede Praxisidee zum Abschluss verwendet aber einen anderen Abschiedsvers. Auch hier fehlt die Reflexionsebene und sei es nur in den jeweiligen einleitenden Texten.

Zu einem flexiblen Umgang mit allen Vorschlägen dieses Buches wird an keiner Stelle aufgefordert, stattdessen stehen enge rezepthafte Vorgaben, die vor allem im Kontext der vielfältigen einschlägigen Publikationen und Praxisfortbildungen kaum originell und definitiv nicht innovativ sind. Dieses Buch mag für Beginnende Ideen bieten, allerdings weniger als ernsthaften Beitrag zur Musik im Morgenkreis im Sinne eines gemeinsamen Musizierens, denn um diesem Anspruch zu genügen, sind Vorkenntnisse erforderlich, die die Publikation an keiner Stelle kompensieren kann.

Fazit

„Musik im Morgenkreis“ ist eine rezepthafte Sammlung von Ideen für Aktivitäten im Morgenkreis, die sich im weitesten Sinne mit Klang und Musik befassen. Für die Praxis können sich daraus einzelne Anregungen ergeben, jedoch bietet das Buch weder eine erkennbare Begründung für die Auswahl der Aktivitäten und Materialien noch fördert es einen eigenständigen, kreativen Umgang mit Musik im Morgenkreis. Auch sind weiterführende Informationen in Bezug auf Noten oder Klangbeispiele nicht enthalten.

Rezension von
Prof. Dr. Thomas Grosse
Professor für Ästhetische Kommunikation mit Schwerpunkt Musik in der Sozialen Arbeit, Rektor der Hochschule für Musik Detmold
Website
Mailformular

Es gibt 8 Rezensionen von Thomas Grosse.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Thomas Grosse. Rezension vom 23.04.2024 zu: Andrea Erkert: Musik im Morgenkreis. Die schönsten Ideen für Krippe und Kita. Verlag modernes lernen Borgmann GmbH & Co. KG. (Dortmund) 2024. ISBN 978-3-8080-0897-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/30988.php, Datum des Zugriffs 02.11.2024.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht