Klaus Eidenschink: Die Kunst des Konflikts
Rezensiert von Regina Grigorian, 01.10.2024
Klaus Eidenschink: Die Kunst des Konflikts. Konflikte schüren und beruhigen lernen.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2023.
208 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0502-2.
D: 29,95 EUR,
A: 30,80 EUR.
Reihe: Beratung, Coaching, Supervision.
Thema
In dem Buch „Die Kunst des Konflikts-Konflikte schüren und beruhigen lernen“ wird eine Sicht auf Konflikte eröffnet, die diese als wichtige und nötige Phänomene des Lebens und des sozialen Miteinanders betrachtet. Die Aufgabe von Konflikten, besteht darin, alte Ordnungen zu labilisieren und neue zu etablieren, worin gleichzeitig deren sozialer Nutzen liegt.
Konflikte werden nicht als etwas zu Vermeidendes betrachtet, sondern sie werden als gegeben und erwartbar angenommen und mit systemisch- fragender Grundhaltung auf ihre Funktion geprüft. Ziel ist es auf dieser Grundlage nicht Konflikte zu lösen, sondern deren Eigenleben zu erkennen und sie durch Beobachtung und Beschreibung ihrer kommunikativen Muster, zu schüren und zu regulieren.
Konfliktregulation als Kunst zu begreifen, die durch die Verarbeitung subjektiver Wahrnehmungen die Funktionen dieser paradoxen Phänomene zu erkennen ermöglicht, ist die Essenz dieses Werkes und der Grund dafür, dass es keine Anleitung zum Lösen von Konflikten beinhaltet, sondern eine Haltung gegenüber sozialen Konflikten.
Dazu stellt Klaus Eidenschink seine Theorie vor, bildet sie in einem Modell anschaulich ab und rundet dies mit Praxisbeispielen ab.
Autor:in oder Herausgeber:in
Klaus Eidenschink ist Dipl.-Theologe, studierter Psychologe und Philosoph, Gestalttherapeut, Geschäftsführer von Eidenschink & Partner, Leiter des Weiterbildungsinstituts „Hephaistos“ in München sowie Buchautor. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Paartherapie, Konfliktmoderation sowie Persönlichkeitsworkshops.
Entstehungshintergrund
Als Gast bei „GOOD WORK, dem Podcast für gute Zusammenarbeit und innovative Arbeitskultur“ (# 171 Klaus Eidenschink) benennt Klaus Eidenschink den Ursprung seiner Idee sich mit Konflikten zu beschäftigen in seiner Jugend, in welcher er immer wiederkehrende dysfunktionale Konflikte im Elternhaus erlebte. Daraufhin habe er die Frage entwickelt, wie es denn eigentlich sein könne, dass Menschen so viel Energie in das Miteinander stecken, das alle irgendwie belastet, ohne dass am Ende was dabei rauskommt“.
Aufbau und Inhalt
Das Buch besteht aus 6 Kapiteln, die sinnhaft und aufeinander aufbauend, zuerst den Konflikt mit seinen Funktionen, Systemen und Formen betrachten und anschließend den Menschen und was dieser braucht, um in Konflikten frei bleiben und diese regulieren zu können, in den Blick nehmen.
„Die Grundlage aller Überlegungen ist also die These, dass der Konflikt das >>Gegebene<< und Erwartbare ist, wohingegen Konsens, Frieden und Verständigung Zustände sind, die wir Menschen für eine gewisse Zeit, für bestimmte Themen und in einem konkreten sozialen Feld mit viel Achtsamkeit und sozialen Rahmenbedingungen erzeugen können.“ (vgl. S. 14)
Auf dieser Prämisse baut Eidenschink seine Theorie auf, nach welcher Konflikte die Folge einer dynamischen Welt sind und immer dann auftreten, wenn bestehende Ordnung aufgelöst werden und neue Stabilität hergestellt werden soll. Dabei zeigt der Autor, den in der Gesellschaft zumeist als unangenehm und zu vermeiden geltenden Konflikten gegenüber, eine offene und fragende Haltung.
Nach seiner Theorie können sowohl Eskalation als auch Deeskalation nötig oder hilfreich sein, wenn Konflikte gestaltet werden sollen. Aufgrund des Eigenlebens von Konflikten sei es jedoch erforderlich, sich von der Illusion zu lösen, dass Konflikte beherrsch-, kontrollier- oder gar lösbar sein könnten.
Um Konflikte zu verstehen und sie nutzbar zu machen, stellt Eidenschink in Anlehnung an Luhmanns Systemtheorie drei Dimensionen vor (sachlich, sozial und zeitlich), welche wiederum die Basis für seine neun Leitunterscheidungen sind, mit welchen er die Formen von Konflikten benennt. Die Leitunterscheidungen mit ihren jeweils zwei Polen beschreiben, wo Konflikte Entscheidungszwängen unterliegen. An dieser Stelle wird die Rolle des (Konflikt-) Menschen und dessen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Konflikten relevant. Nach Eidenschink braucht der Mensch kommunikative, emotionale, volitionale, kognitive und handlungsbezogene Kompetenzen, um in Konflikten frei bleiben zu können und diese nutzen zu können.
Wer also mit Konfliktdynamiken arbeitet, Konflikte gestalten und regulieren möchte, muss auf Basis systemtheoretischen Denkens deren Komplexität, vielfältige Funktionalität und deren Eigenleben mit ihren kommunikativen Mustern beobachten und beschreiben, um dann den passenden Pol (entweder eskalierend oder deeskalierend) der Leitunterscheidung wählen zu können.
Diskussion
Bereits während der Lektüre wird dem/der Leser*in bewusst, dass die Qualität des sozialen Miteinanders, privat sowie beruflich, maßgeblich davon abhängt, wie er/sie mit Konflikten umgeht. Es ist entscheidend, den Konflikt nicht als Problem, auch nicht als Lösung, sondern als Botschaft eines sozialen Kommunikationssystems zu verstehen. (vgl. S. 155f)
Weiterführend könnte man wohl auch sagen, dass alle Verhaltens- und Handlungsoptionen als Werkzeuge zu sehen sind, die man benötigt und einsetzen kann, um Konflikte funktional zu gestalten. Hierbei ist die Sicht des Autors auf sozial erwünschtes Verhalten oder das vermeintlich „Gute“ anmutend irritierend. Aggression, Macht und Drohung oder auch Kompromisse, Konsens und Zuhören werden in ihren Auswirkungen auf den Verlauf des Konflikts betrachtet anstatt in einer stereotypen moralischen Bewertung.
Da dies immer einen situativen Umgang erfordert, gibt es kein „Rezept“ wie mit Konflikten umgegangen werden soll, sondern es werden hohe Ansprüche an die Fähigkeiten und Kompetenzen der Konfliktperson gestellt, die eine Haltung zu Konflikten beschreiben und gleichzeitig die Qualität und den Anspruch dieser Theorie abbilden.
Fazit
Ein wunderbar anregendes und (im positiven Sinne!) irritierendes Buch, welches neue Sichtweisen auf Konflikte und sozial-normatives Verhalten eröffnet, zum freien und kritischen Denken anregt und einlädt, eigene bestehende Gedankenschubladen auszumisten und das Grundvertrauen zu haben, dass sich nach dem Loslassen von Bewertungen überraschend Neues ergibt.
Rezension von
Regina Grigorian
Studentin an der HS Koblenz
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Es gibt 1 Rezension von Regina Grigorian.
Zitiervorschlag
Regina Grigorian. Rezension vom 01.10.2024 zu:
Klaus Eidenschink: Die Kunst des Konflikts. Konflikte schüren und beruhigen lernen. Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2023.
ISBN 978-3-8497-0502-2.
Reihe: Beratung, Coaching, Supervision.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31054.php, Datum des Zugriffs 13.10.2024.
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