Monika Zimmermann (Hrsg.): Coaching – zum Wachstum inspirieren
Rezensiert von Thomas Reinhardt, 16.05.2024
Monika Zimmermann (Hrsg.): Coaching – zum Wachstum inspirieren. Ein interdisziplinäres, integratives Handbuch.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2023.
500 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0481-0.
D: 89,00 EUR,
A: 91,50 EUR.
Reihe: Beratung, Coaching, Supervision.
Herausgeberin, Thema und Entstehungshintergrund
Die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Monika Zimmermann ist Lehrkraft an der Internationalen Berufsakademie (iba) in Heidelberg im Bereich Soziales. Dort wirkt sie ebenfalls als Lehr-Coach und Didaktikexpertin. Sie forscht insbesondere zu Themen wie Kompetenzentwicklung, Organisationsentwicklung und Coaching. Auch ist sie Mitglied diverser Fachausschüsse im Bereich Coaching. Das dicke Handbuch «Coaching – zum Wachstum inspirieren» erscheint in der petrolfarbenen Reihe des Carl-Auer Verlags, die sich den Themen Beratung, Coaching, Supervision widmet. Herausgeber der Reihe ist Dr. Dirk Rohr. In der Einleitung beschreibt Monika Zimmermann ihr Credo zum Buch: «Was genau braucht es, damit sich Menschen zu wirksamen Coaches entwickeln, das heisst, sich professionalisieren können? Welches Wissen, welche Erfahrungen, welche Selbst- und Fremderkundungen, welches Menschen- und Weltverständnis triggert ihre individuelle ‘Coach-Werdung’? (Seite 13) Um diese Fragen geht es auf den kommenden über 500 Seiten.
Aufbau
Der Aufbau des Handbuchs orientiert sich an der von Monika Zimmermann angewandten didaktischen Strategie der drei Phasen «Begeistern – Bewusstmachen – Befähigen» und sie wendet dieses Konzept konsequent an. In der Einleitung folgt eine kurze Zusammenfassung der einzelnen Kapitel. In diesen Zusammenfassungen kommen bereits die Autorinnen und Autoren der Beiträge zu Wort. Jedes Teilkapitel, so auch die Einleitung, endet mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis. Die Beiträge sind mit Tabellen und teilweise bunten Grafiken illustriert. Das Handbuch endet mit einer detaillierten «Synopse». Dort werden nach Kategorien geordnet, die Analyseergebnisse dem jeweils untersuchten Coachingthema gegenübergestellt. Die tabellarische Übersicht ist sehr hilfreich. Die einzelnen Kapitel enthalten Unterinhaltsverzeichnisse, die den Überblick erleichtern. Die 26 Autorinnen und Autoren werden auf den letzten Seiten vorgestellt. Der Leser oder die Leserin erhält die Möglichkeit, dank beigefügter E-Mail Adresse, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Die Autorinnen und Autoren können durch in den Text eingestreute Interviews besser kennengelernt werden als nur durch ihre Beiträge.
Inhalt
„Fast jeder Coach, der sich am Markt platzieren möchte und sein Unternehmen stabilisieren will, erschafft ein weiteres Buch…..“ (Seite 9) und trägt dabei nicht wirklich neue Erkenntnisse bei. Es ist ein «Mehr vom selben» und führe nicht zwangsläufig zur Professionalisierung von Coaching – meint Monika Zimmermann in ihrer Einleitung. Sie möchte mit ihrem Handbuch das Verständnis für Coaching öffnen und die Disziplinen und unterschiedlichen Schulen zu Wort kommen lassen, die einen Beitrag zu eben dieser Professionalisierung leisten. Sie verabschiedet sich damit von der teilweise vorherrschenden Ansicht, dass die Psychologie die einzige Bezugsdisziplin für Coaching sei. Mit dem bekannten Gleichnis der Blinden, die das Wesen eines Elefanten tastend zu erkunden suchen und auf unterschiedliche Schlussfolgerungen kommen, legt die Herausgeberin den Rahmen fest: Wahrheit und Wissen gibt es nicht. Wir benötigen Vielfalt und unterschiedliche Perspektiven und Interdisziplinarität im Verständnis und auch in der Ausbildung von Coaching.
Der Dreiklang «Begeistern – Bewusstmachen – Befähigen» beginnt mit der perspektivischen Ausdehnung der Coachingdefinition aus nationaler-, internationaler-, bildungs- und beraterischer Sicht. Es wird der Frage der evidenzbasierten Forschung nachgegangen, philosophische Gedanken erweitern den Horizont und schließlich kommt die «Sinnlandschaft des Menschen» durch die Beschreibung des logotherapeutischen Zugangs zu Wort. Neben der Haltung des Coachs und der Bedeutung des Beziehungsaufbaus zum Coachee als Grundlage von Veränderungsarbeit werden Techniken und Methoden vorgestellt und erläutert. Dicht daneben folgt eine durch Ludwig Wittgenstein sprachphilosophisch inspirierte Kritik an den auf dem Markt vielfach angebotenen «Tools» und «Methoden», die die Idee von «sich auf Augenhöhe begegnen» ad absurdum führen können. Matthias Ohler mahnt: «Die Reflexion auf das eigene Professionsverständnis als – in diesem Sinne – Sorge um sich könnte davor schützen, zum Tooligan zu werden…» (Seite 23). Auch noch in die Kategorie «Begeistern» fallen die Kapitel zu «Coaching und Führung» und Gedanken zum Beitrag von Coaching in der Arbeitswelt der KlientInnen von morgen. Rainer Hundsdörfer möchte an seinen Erfahrungen teilhaben lassen, wie er Führung in seinen knapp 40 Berufsjahren, davon über 20 Jahre als CEO, erfahren hat. Er stellt fest, dass «Klassische hierarchische, autoritäre Führung» (Seite 183) heute immer weniger passt und postuliert: «Coaching wird Teil der Führung zum Wachstum des Unternehmens, der Führungskräfte und der Mitarbeitenden.» (Seite 185) Neben Management braucht es das komplett andere, jedoch komplementäre Handlungsmuster von «Leadership», um inspirierend und auch sinnerfüllt in Zeiten des Wandels führen zu können, fügt Monika Zimmermann in ihrem Beitrag zum Zusammenhang von Führung und Coaching hinzu. Dabei ist gute Führung immer selbstreflexiv, was meint, auch unter harten Bedingungen des Wettbewerbs und des Leistungsdrucks einen kühlen Kopf zu bewahren und eine verantwortungsvolle, ethisch begründete Haltung auch in struben Zeiten zu leben. Monika Zimmermann interviewt Rainer Hundsdörfer zur Unterscheidung von Therapie und Coaching und verschafft, auch durch ein Fallbeispiel angereichert, dadurch ein vertieftes Verständnis dieser oft nicht klar abgegrenzten Formen von Unterstützung.
Im zweiten Abschnitt «Bewusstmachen» reichen sich Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Schulen die Hand. Der Auftakt macht Antje Tschira mit der Frage «Worum bist du gewickelt?» und sie befragt die Entwicklung des eigenen Stils und findet auch eine Antwort in der Methode der «wertschätzenden Erkundung», bekannt als «Appreciative Inquiry» auf Seite 223. Den Ausführungen zum Neurolinguistischen Programmieren «NLP» folgen Prinzipien der «Positiven Psychologie» und die moderne Definition der Verhaltenstherapie. Ebenso Platz findet ein körperorientierter Zugang mit dem Konzept «Embodiment». Der Teil «Bewusstmachen» schließt mit Gunther Schmidt zu Hypnosystemischen Coachingkonzepten» ab.
Wollen allein reicht nicht, man muss auch können und so ist der dritte Teil «Befähigen» der Coachingausbildung und unterschiedlichen Settings gewidmet, z.B. den Möglichkeiten des Onlinecoachings und deren Anwendungsmöglichkeit bei der Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte. Elke Berninger-Schäfer definiert im Interview Coaching als «Prozessbegleitung im Sinne einer Beratung ohne Ratschlag» (Seite 435) und grenzt sich dabei von Consulting deutlich ab. Der Coach steuert dabei «in Askese einen ziel- und lösungsorientierten Prozess» (ebda.). Durch Online-Coaching werden einerseits die Spielräume der Beratungsformate erweitert, andererseits entsteht dadurch ein «noch grauerer Markt», z.B. durch Plattformen wie «Digital Coaching Provider».
Das Handbuch schließt mit der Synopse «Was ist Coaching» und analysiert die einzelnen Kapitel. Die Ergebnisse werden in den Tabellen übersichtlich dargestellt und nach Kategorien unterteilt, wie beispielsweise: «Wissenschaftliche Grundlagen», «Leitbild», «Menschenbild», «Rolle der Coaches».
Diskussion
Das Handbuch erfüllt den auf dem Klappentext proklamierten Anspruch «die wichtigsten wissenschaftlich fundierten Ansätze und Coachingschulen jeweils aus der Sicht einer Vertreter:in kennenzulernen.» Durch das von der Autorin angewandte didaktische Prinzip des Dreiklangs «Begeistern – Bewusstmachen – Befähigen», die eingestreuten Interviews mit den Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Perspektiven, den zusammenfassenden Illustrationen und den Zwischeninhaltsverzeichnissen erhält der oder die Lesende eine gute Orientierung durch die Beiträge, die teilweise, das ist wohl nicht zu vermeiden, redundant sind. Es ist kein Buch, das von vorne nach hinten zu lesen sich empfiehlt, sondern eben ein Handbuch und damit ein Nachschlagewerk. Die Printversion kann jedoch nicht einfach mitgeführt werden, ist sie doch immerhin 1Kilo und 50 Gramm schwer.
Fazit
Monika Zimmermann gelingt es, mit diesem weiteren Buch rund um das Fachgebiet des Coachings einen integrativen open mind Zugang ohne Scheuklappen zu einzelnen Schulen und Haltungen zu schaffen. Dadurch wird der Facettenreichtum einer Disziplin, die viele Mütter und Väter hat und nicht an einen einzigen Bezugsrahmen gekettet ist zu einer Reise, die inspirierend und bereichernd ist. Die Orientierung an wissenschaftlichen Methoden und der ausführliche Bezug auf Literatur machen das Handbuch zu einem grundlegenden Hilfsmittel für alle ernsthaft als Coach oder Coacherin tätigen Menschen, also vielen Dank, Monika Zimmermann für diese Leistung!
Rezension von
Thomas Reinhardt
Diplomierter Berater für Organisationsentwicklung. Arbeitet als interner Coach im Universitätsspital Basel und freiberuflich in den Bereichen Organisationsentwicklung, Gesundheitsmanagement, Konfliktmoderation, Coaching für Führungsverantwortliche, Teamentwicklung und Supervision. Schwerpunkte: Gesundheit und Führung, Change Management, Leadership, Kommunikation, Psychohygiene und Glück.
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Es gibt 33 Rezensionen von Thomas Reinhardt.
Zitiervorschlag
Thomas Reinhardt. Rezension vom 16.05.2024 zu:
Monika Zimmermann (Hrsg.): Coaching – zum Wachstum inspirieren. Ein interdisziplinäres, integratives Handbuch. Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2023.
ISBN 978-3-8497-0481-0.
Reihe: Beratung, Coaching, Supervision.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31056.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.
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