Martina Baumann, Uwe Loda: Bodysongs - Musik, die in uns lebt
Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 27.12.2023

Martina Baumann, Uwe Loda: Bodysongs - Musik, die in uns lebt. Körpermusik als Embodiment in therapeutischer Praxis.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2023.
228 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0477-3.
D: 34,95 EUR,
A: 36,00 EUR.
Reihe: Reden reicht nicht!?
Thema
In der therapeutischen Landschaft sind Körpermusik und Bodysongs relativ neue Werkzeuge. Sie machen Freude, haben beruhigende Wirkung, sind also insgesamt für die Gesundheit förderlich. Verkörperte Musik kann tiefgehend und nachhaltig sein. Ihren Einsatz kann sie z.B. in der hypnosystemisch-psychotherapeutischen Praxis finden.
AutorIn und HerausgeberIn
Martina Baumann ist Dipl.-Musiktherapeutin und approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Als Musik- und Psychotherapeutin ist sie in der sysTelios Klinik und in der Palliative Care tätig.
Uwe Loda ist Dipl.-Musiktherapeut und Familientherapeut sowie Körpermusiker. Er ist als Musikpsychotherapeut in der sysTelios Klinik tätig, darüber hinaus ist er Seminarleiter in der Organisationsentwicklung; systemischer Coach und Berater in eigener Praxis.
Aufbau und Inhalt
Das vollständige Inhaltsverzeichnis findet sich auf der Homepage der Deutschen Nationalbibliothek.
Das Buch ist im Softcover Format erschienen und hat einen Umfang von 228 Seiten, die sich in zwei Teile, acht Kapitel und zahlreiche Unterkapitel sowie einem Literaturverzeichnis und empfohlene weiterführende Noten- und Liederbücher gliedern. Am linken oberen Seitenrand ist die jeweilige Kapitelüberschrift abgedruckt, am rechten oberen Rand findet sich die Bezeichnung des jeweiligen Abschnitts. Textboxen mit einem Rahmen fassen Inhalte zusammen oder enthalten ergänzende Hinweise, in den grau hinterlegten Textboxen finden sich Fallvignetten. Durch einen QR-Code im Klappentext können körpermusikalische Stimm- und Rhythmusspiele, ausgewählte Lieder sowie online bereitgestellte Videobeispiele heruntergeladen werden.
Schon auf den ersten Seiten, in der Einleitung, geschrieben von Maja Storch wird klar, dass das hier vorgelegte Buch quasi ein Fundus aus dem Lebenswerk von Baumann und Loda ist. Die allgemeine Embodiment Thematik wird durch die Autor:innen um den musikalischen Aspekt erweitern. Das Buch enthält zahlreiche Übungen und Fallbeispiele. Im Mittelpunkt steht die Musik, die als unerlässliche Ressource auf dem Weg zur Heilung wirkt.
Im ersten Teil Rahmungen (Kap. 1 und 2) verorten die Autor:innen den Ansatz. Beschrieben wird, was Bodysongs sind. Gemeint ist Musik, bei der der Körper als rhythmisches Begleitorchester mit ins Spiel kommt, es ist Musik, die in uns lebt, es ist Singen in Bewegung. Des Weiteren wird erklärt, was mit einem musikalischen Embodiment gemeint ist und was sich hinter dem Begriff der Körpermusik verbirgt. Es folgen vier Aspekte der Körpermusik: als Menschheitssprache, als Muttersprache, in der Musiktherapie und Körpermusik als sog. psychosomatischer Gesundheitserreger.
Angelehnt an Gunter Schmidt wird die Metapher „Betriebsklima“ genutzt, der Begriff steht für die psychosomatische Gesundheit. Weitere Perspektiven zum Verständnis von Gesundheit sind von den Resonanzachsen nach Hartmut Rosa abgeleitet. Im zweiten Kapitel werden Zutaten der Körpermusik beschrieben, verstanden als „Feld ansteckender Gesundheit“. Am Anfang war der Groove, der Rhythmus, dazu gehört das Singen, das Spielen, das Ruhen im Sinne von „sound of silence“ und das Teilen, bei dem alles willkommen ist sowie der Kreis – aus allem zusammen entsteht eine Mischung.
Der zweite Teil zeigt Praxisfelder (Kap. 3 bis 8) auf, in denen Körpermusik und Bodysongs sich ereignen und gelingen können. Gesundheitserregende Körpermusikspiele (Kap 3) stellt Spiele für einen guten Anfang vor, diese regen zum Mitmachen an, dabei wird Atem und Beat einbezogen. Die Spiele tragen Namen wie z.B. das „Freunde finden“ oder „Betreutes Fluchen“, jedes für sich wird einzeln erklärt. Vertiefende Stimmspiele enthalten Verlautbarungen in drei Schritten, das „Duo-Singspiel“ hat sogar fünf Stufen. Bobby Mc Ferrin gab die Anregung zum „Circle Singing“, bei dem eine dirigierende Person Stimmmotive an Teilgruppen verteilt.
Das 4. Kapitel mit dem Titel „Die Universen der Bodypercussion und ihre Verknüpfung mit Liedern“ erläutert, was Bodypercussion ist. Der Begriff steht für eine alte Sprache des Körpers. Die Autor:innen machten ihre ersten Experimente mit Bodypercussion und Liedern. Sie beschreiben, welche Wirkung Bodypercussion hat und welche Spielformen der Bodypercussion es gibt. Bodypercussion hat quasi eine Sprache, auch rhythmische Schrittmuster gehören dazu.
Im 5. Kapitel „Bodysongs“ erfahren die Lesenden von Liedern, die quasi als Blumen im Garten der Musik wachsen. Bodysongs können ermutigen und anstecken. Reflektiert wird auch, wie Bedenken und Ängsten vor aktiver Musikbeteiligung begegnet werden kann. Das Phänomen der Trance in einem rhythmusbasierten Bodysong wird näher erläutert, auch wird besprochen, wie neue Räume nach Traumaerleben gefunden werden können. Bodysongs sind auch dazu geeignet, die energetische Wirkung des Klopfens zu nutzen, dieser Zugang ist auch in der Trauerarbeit einsetzbar.
In sog. selbstgeschöpften Bodysongs (Kap. 6) können innere Anteile zum Klingen gebracht werden. Anhand der Fallvignette von Frau F. wird dargelegt, wie ein therapeutischer Prozess in einen Circle Song mündet. Am Ende des Aufenthaltes in einer stationären Therapie steht die Frage, wie es gelingen kann, einen nachhaltigen Transfer zu schaffen und Erfahrenes und Gelerntes ins Selbstmanagement mit musikalischem Embodiment in den Alltag außerhalb einer Klinik zu übertragen. Berichtet wird von Impulsen, mit denen es gelingen kann, dass Bodysongs hilfreiche Begleiter auf Schritt und Tritt werden. Es schließen sich sieben weitere kurze Fallskizzen an (S. 196–202).
Das 7. Kapitel vor dem letzten Kapitel mit dem Ausblick formuliert Grundannahmen und Haltungen der Körpermusik als sog. „Gesundheitserreger“. Genannt werden beispielsweise: Körpermusik, die Freude und Sinn macht, Musik- und Körpererfahrungen sind im menschlichen Urgrund verankert, Körpermusik fördert soziale Gesundheit und Gemeinsinn, Musik hat das Potenzial, in einen heilen Raum zu führen.
Im Anhang findet sich neben dem Literaturverzeichnis, Angaben zu zitierten oder abgebildeten Liedtexte und Noten, empfohlene weiterführende Noten- und Liederbücher sowie Webseiten der Komponist:innen.
Diskussion
In der therapeutischen Landschaft sind Körpermusik und Bodysongs relativ neue Werkzeuge, die Freude machen, aktivierend und beruhigend auf das Nervensystem wirken und insgesamt für die Gesundheit förderlich sind. Musikaffine Therapeutinnen und Therapeuten finden zahlreiche Anleitungen und Ideen. Verkörperte Musik kann tiefgehend und nachhaltig sein. Ihren Einsatz kann sie z.B. in der hypnosystemisch-psychotherapeutischen Praxis finden.
Embodiment-Ansätze, also Erkenntnisse über das Zusammenspiel/​Wechselwirkung von Körper, Psyche und Umwelt existieren schon seit der Antike, seit ein paar Jahren werden diese Erkenntnisse in verschiedenen Fachbereichen wieder verstärkt in den Fokus genommen. Ausgangspunkt ist, dass alles, was Menschen erleben oder erfahren, neben der Speicherung im Großhirn auch im gesamten Körper gespeichert wird.
Die Autor:innen bezeichnen Körpermusik als sog. „Gesundheitserreger“ z.B. weil sie Freude und Sinn macht, weil Musik- und Körpererfahrungen im menschlichen Urgrund verankert sind, weil Körpermusik für die soziale Gesundheit und für den Gemeinsinn förderlich ist. Musik ist eine unerlässliche Ressource auf dem Weg zur Heilung. Bodysongs können ermutigen und anstecken. Manche Menschen haben zu Beginn Bedenken oder Ängste vor aktiver Musikbeteiligung, diese gilt es zu berücksichtigen.
Beim Einsatz rhythmusbasierter Bodysongs kann zudem das Phänomen der Trance sichtbar werden, auch wird besprochen, wie neue Erfahrungsräume nach Traumaerleben gefunden werden können. Bodysongs sind auch dazu geeignet, die energetische Wirkung des Klopfens zu nutzen, dieser Zugang ist auch in der Trauerarbeit einsetzbar.
Baumann und Loda arbeiten beide in der sysTelios Klinik und bringen ihren vielfältigen Wissens- und Erfahrungshintergrund in dieses Buch ein.
Fazit
Das hier vorgelegte Buch bindet körperliche Erfahrungen von Musik in Therapie und Beratung ein und vermittelt einfache, leicht umsetzbare Übungen für musikaffine Therapeutinnen und Therapeuten. Musikalische Interventionen werden mit Erkenntnissen aus der Polyvagaltheorie (nach Porges), embodimentfokussierten Therapiekonzepten (nach Bohne) und der Hypnosystemik (nach G.Schmidt) verknüpft.
Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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