Uwe Britten: Die Kunst der Intervention
Rezensiert von Dipl. Päd. Sabine Kamp-Decruppe, 24.04.2024

Uwe Britten: Die Kunst der Intervention. 22 Therapeutinnen und Therapeuten im Gespräch.
Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG
(Gießen) 2023.
151 Seiten.
ISBN 978-3-8379-3244-7.
D: 22,90 EUR,
A: 23,60 EUR.
Reihe: Therapie & Beratung.
Herausgeber:in
Der Herausgeber Uwe Britten studierte Philosophie und Germanistik und ist tätig als Lektor und Publizist in den Bereichen Psychotherapie, Psychiatrie und Jugendhilfe.
Entstehungshintergrund
„Wie lässt sich die (Selbst-)Sicherheit von TherapeutInnen erhöhen“, fragt der Herausgeber, und meint, jenseits von Ausbildung und Begabung spielt die Haltung eine große Rolle – „und auch die lässt sich erlernen und entwickeln“ (S. 12).
So kreisen die Interviews um herausfordernde therapeutische Situationen und geben einen guten Überblick über die aktuelle Diskussion im psychotherapeutischen Kontext.
Bereits 2019 erschien ein ähnlicher Band mit 23 Interviews. So hat man jenseits und unabhängig vom Ärzteblatt eine Kompilation, die einen umfassenden Ein- und Überblick verschafft.
Inhalt
Das Buch versammelt 22 Interviews, die von März 2019 bis November 2022 im Ärzteblatt für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erschienen sind. Die 4 Therapeutinnen und 18 Therapeuten repräsentieren unterschiedlichste Schwerpunkte der therapeutischen Arbeit, sind in leitender und/oder lehrender Position sowie auch als BuchautorInnen tätig. Die Interviews oder Gespräche sind zwei thematischen Blöcken zugeordnet, denen ein Interview zum Begriff „Interventionen: ein kreativer, fast künstlerischer Prozess“ (S. 13) vorangestellt ist.
Der erste Block „Sprechen, kommunizieren, in Kontakt kommen“ behandelt die Themen
- Biografisches Erzählen
- Ausdruck von Gefühlen
- Eingeschränkte Kommunikation
- Therapiefallen
- Psychotische Erfahrungen – sowie -
- Migrationserfahrungen von Kindern und Jugendlichen.
Der zweite Block „Therapeutisch(e) Räume öffnen“ widmet sich den Themen
- Soziale Kontexte
- Therapeutische Settings
- Ortswechsel
- Süchtige Menschen
- Narzisstische Menschen
- Mentalisieren des Anderen
- Leiblichkeit
- Dissoziationen
- Borderline
- Suizidalität
- Schuld und Schuldgefühle
- Mörder
- Folter- und Isolationserfahrung - sowie -
- Glauben an Gott
Das Schluss-Interview handelt von der „Methodenvielfalt“.
Aufbau
Alle Gespräche folgen derselben Struktur. Jedes Gespräch ist 4 - 6 Seiten lang, wird durch ein Eingangsstatement und ca. 9 Fragen und/oder Feststellungen des Interviewers strukturiert. Ich gebe zwei Beispiele.
Beispiel 1: „Therapiefallen. Gitta Jacob: Gute Therapiebeziehung und Konfrontation schließen sich nicht aus. In der therapeutischen Beziehungsgestaltung gibt es Fallstricke, die sich als Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeit bemerkbar machen und auch den Therapieerfolg gefährden. Wo liegen die Tücken?“ (S. 39)
Der Interviewer stellt fest: „Nun gibt es jene Therapien, in denen sich die Therapeuten wahnsinnig anstrengen, sich aber mit ihrem Latein am Ende fühlen… Und wenn sich nun ein Klient überhaupt nicht bewegen will, obwohl sie selbst alles versuchen, dann können auch mal Ärger und Wut aufsteigen“ (S. 40).
Im Verlauf des Interviews wird über „Therapeutische Beißhemmung“, „Non-Responder“ in der Psychotherapie, Selbstreflexion und Idealvorstellungen und die Bedeutung von Supervision und Selbsterfahrung gesprochen.
Beispiel 2 aus dem Block „Therapeutisch(e) Räume öffnen“:
„Borderline. Ewald Rahn: Vieles in der Borderlineerkrankung basiert auf Resignation Menschen mit instabiler Emotionsbewältigung brauchen eine klare und eindeutige therapeutische Beziehungsgestaltung. Doch genau die ist bei dieser Klientengruppe mit Borderlineerkrankung für Therapeuten nicht immer leicht zu gewährleisten. Resignation kann sich auf beiden Seiten einstellen.
Herr Dr. Rahn, es gab eine Zeit, da schreckte die Ankündigung, eine Borderlinerin müsste aufgenommen werden, ganze Stationen auf – diese Zeiten sind vorbei, oder?“ (S. 107).
Im Gespräch werden durchaus kritische Fragen gestellt und auch kritische Antworten gegeben. „Ja, aber die Schnittstellen in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Hilfe sind in Deutschland nicht gut entwickelt. Wir haben ein zu gegliedertes und zu wenig verbundenes Hilfesystem“ (S. 108).
Diskussion
Die Interviewform der Gespräche vermittelt die jeweilige Thematik ansprechend, leicht lesbar und praxisorientiert.
Gleichzeitig geben die einzelnen Interviews bezogen auf ihren jeweiligen Fokus ehrliche Einblicke, versammeln einen interessanten Erfahrungsschatz und machen zum Teil auch nachdenklich. Obwohl sich ein roter Faden von eher „leichten“, allgemeineren zu schweren Themen durch das Buch zieht, lassen sich die einzelnen Interviews gut nach Interesse lesen, denn sie sind inhaltlich in sich abgeschlossen.
Damit ist dieses Buch lesenswert sowohl für Berufseinsteigerinnen als auch Interessierte aus verwandten Gesundheits- und psychosozialen Berufen.
Da alle InterviewpartnerInnen auch als AutorInnen tätig sind, erhält die LeserIn zusätzlich Hinweise zu weiter führender (Fach-)Literatur.
Fazit
Man erhält in komprimierter Form einen breiten Überblick zu verschiedensten Themenfeldern der aktuellen psychotherapeutischen Arbeit.
Rezension von
Dipl. Päd. Sabine Kamp-Decruppe
Mediatorin, Mitarbeiterin im Psychosozialen Dienst der Friesenhörn GmbH
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