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Konrad Weller, Heinz-Jürgen Voß (Hrsg.): Sexualität und Partnerschaft der Deutschen

Rezensiert von Danilo Ziemen, 18.10.2024

Cover Konrad Weller, Heinz-Jürgen Voß (Hrsg.): Sexualität und Partnerschaft der Deutschen ISBN 978-3-8379-3194-5

Konrad Weller, Heinz-Jürgen Voß (Hrsg.): Sexualität und Partnerschaft der Deutschen. Erkenntnisse aus den PARTNER-5-Studien. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2023. 350 Seiten. ISBN 978-3-8379-3194-5. D: 44,90 EUR, A: 46,20 EUR.
Reihe: Angewandte Sexualwissenschaft.

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Thema der Publikation

Das Buch ist in der Reihe Angewandte Sexualwissenschaft des Instituts für Angewandte Sexualforschung der Hochschule Merseburg im Psychosozialverlag erschienen. Die Autor*innen analysieren die quantitativen Ergebnisse der Befragung von 3466 Erwachsenen und 861 Jugendlichen im Kontext von sexualitäts- und partnerschaftsrelevanten Aspekten. Diese Ergebnisse werden im Kontext aktueller sexualwissenschaftlicher und sexualpädagogischer Diskurse interpretiert und, wo möglich, mit früheren Studien verglichen.

Herausgeber*innen

Prof. Dr. Konrad Weller ist analytischer Paar- und Sexualberater. Er lehrte und forschte von 1995 bis 2020 als Professor für Psychologie und Sexualwissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Merseburg. Er engagiert sich in der sexualwissenschaftlichen, sexualpädagogischen und sexuologischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß ist Professor für Sexualwissenschaft und sexuelle Bildung an der Hochschule Merseburg. Er forscht und arbeitet praxisorientiert zu Prävention sexualisierter Gewalt und zur Förderung geschlechtlicher und sexueller Selbstbestimmung.

Entstehungshintergrund

Die PARTNER-5-Studie steht in einer langen Tradition von Befragungen, die in den 1970er Jahren in Leipzig begannen. Die aktuellen Daten stammen aus den Jahren 2020 und 2021 und stellen die fünfte große Befragungswelle dar. Anlass der Untersuchung war das Interesse eines Landesministeriums an der Verbreitung sexueller Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt im Dunkelfeld.

Aufbau und Inhalt

Im Band gibt es insgesamt 15 Beiträge, verfasst von acht verschiedenen Autor*innen. Eröffnet wird er mit einem historischen Überblick von Kurt Starke auf die vier ersten PARTNER-Studien, gefolgt von einer eingehenden Analyse zu Partnerschaft, sexuellen Aktivitäten, partnerschaftlicher Sexualität und dem Einfluss digitaler Medien auf Sexualität (Konrad Weller, Maria Urban). Weitere Beiträge behandeln Themen wie Schwangerschaftsabbruch (Cornelia und Konrad Weller) und die geschlechtliche sowie sexuelle Pluralisierung (Heinz-Jürgen Voß). Vier Kapitel widmen sich der sexualisierten Gewalt (Gustav-Wilhelm Bathke, Eva Kubitza, Konrad Weller). Den Abschluss bilden ein Beitrag über Forschung während der Corona-Pandemie (Kurt Starke und Gustav-Wilhelm Bathke) sowie ein Gespräch zwischen den Sexualwissenschaftlern Gunter Schmidt (Hamburg) und Konrad Weller (Leipzig).

Im Folgenden wird auf drei Artikel konkreter eingegangen: „Partnerschaft-Wünsche, Erfahrungen, Einstellungen“ von Konrad Weller, „Die Bedeutung von Digitalisierung für die sexuelle Sozialisation Jugendlicher und Angebote der Sexuellen Bildung“ von Maria Urban und „Sexuelle Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt“ von Konrad Weller.

Im erstgenannten Artikel wird-auch im Vergleich zu früheren Studien-deutlich, dass das Leben in einer festen Partnerschaft für alle Jugendlichen das Ideal ist (Weller 2023, S. 52). Auch die Anzahl der eingegangen Beziehungen ist im Vergleich recht konstant: „Bis Mitte 40 werden im Durchschnitt drei bis vier Beziehungen erlebt […]“ (ebd., S. 61). Einen historisch deutlichen Anstieg gibt es bei den Sexualpartner*innen: „Hatten 1990 die weiblichen Personen bis Mitte 30 durchschnittlich fünf, die männlichen sieben Partner*innen, so erlebte die Vergleichsgruppe 30 Jahre später mit mehr als doppelt so vielen Partner*innen Sex“ (ebd., S. 62). Eine deutliche Veränderung gab es auch bei der Einstellung zur Treue. Eine Liebesbeziehung neben der aktuellen konnten sich 1990 nur 6 % der Frauen und 10 % der Männer vorstellen. Im Jahr 2020 sind es 31 % bzw. 32 %. Sex ohne Liebe ist-historisch niedrig-für 12 % der Frauen und 7 % der Männer undenkbar (ebd., S. 71). Abschließend wird am Ende darauf hingewiesen, dass die emotionale Qualität in den Beziehungen hoch ist.

Im zweitgenannten Artikel wird von Maria Urban-ganz im Sinne der „Synchronisation der ‚Online-und Offline-Welt‘“ (Urban 2023, S. 165) -wie wichtig digitale Medien für die sexuelle Sozialisation bei Jugendlichen sind. So geben knapp die Hälfte der Befragten mit der Geschlechtsangabe männlich und weiblich und 75 % mit der Geschlechtsangabe divers an, dass Videoplattformen wie z.B. YouTube zum Wissen über Sexualität beigetragen haben. Bei Social Media (z.B. Instagram) sind es 40 % (weiblich), 31 % (männlich) und 61 % (divers) (ebd., S. 169). Bei der erlebten sexuellen Belästigung durch Messengerdienste hängen die Angaben stark vom Geschlecht ab: 59 % (weiblich), 18 % (männlich) und 67 % (divers) (ebd., S. 172). Der Artikel endet mit der Feststellung, wie wichtig nach wie vor Forschung zum Themenfeld ist und dass sexualwissenschaftliche und sexualpädagogische Fachinstitutionen ihre Angebote an den digitalen Lebenswelten der Jugendlichen ausrichten sollten.

Der drittgenannte Artikel beginnt mit einer kurzen Reflexion der bisherigen PARTNER-Studien und dem Themenfeld der sexualisierten Gewalt. Den umfangreichsten Anteil an Fragen hat die aktuelle Befragung. Bei einigen Fragen gab es auch die Möglichkeit der offenen Antwort. Dadurch enthält der Artikel z.B. verschiedene Aussagen zum Thema der sexuellen Belästigung im öffentlichen Raum („wenn mich jemand süße nennt“, S. 219) oder am Arbeitsplatz („Verbale und körperliche Provokation durch früheren Chef.“, S. 221). Als Zwischenfazit wird eine Zunahme an Sensibilisierung konstatiert. Weiter geht es mit der partnerschaftlichen Gewalt und die wichtigsten Befunde dazu. So wird festgestellt, dass Beziehungssymmetrie die Beziehung befriedet und Asymmetrie gewaltfördernd ist (ebd., S. 232). Einen starken Einfluss auf die partnerschaftliche Gewalterfahrung haben familiäre Herkunftsbedingungen. Wer in seiner Familie Gewalt erfahren hat, erlebt diese auch häufiger in Beziehungen (ebd., S. 239).

Diskussion

Die drei ausführlicher besprochenen Artikel sollen exemplarisch für den umfangreichen und fruchtbaren empirischen Fundus im gesamten Buch stehen. Die diskutierten Ergebnisse bieten Fachkräften in der sozialen Arbeit, Sexualpädagog*innen sowie Lehrenden und Forschenden eine evidenzbasierte Grundlage für ihre Praxis. Die Autor*innen zeigen transparent, wie es aktuell um die Sexualität ausschaut und welche historischen Vergleiche und Veränderungen nachzuvollziehen sind. Die Methodik, alle Fragen und die Ergebnistabellen sind für Interessierte online einzusehen. Die Sprache aller Autor*innen ist klar und verständlich. Neben der durchforschten Jugendsexualität in Deutschland ist es wichtig, endlich auch wieder aktuelle Zahlen zum Thema der Erwachsenensexualität zu besprechen. Erfreulich auch, dass es die Möglichkeit von verschiedenen Bezeichnungen des eigenen Geschlechts gab. So sind- wenn auch keine statistisch abgesicherten- Aussagen bzgl. der Menschen möglich, welche als Geschlechtskategorie divers angeben haben. Alle Artikel enthalten empirisch gestützte Aufgaben für die Sexualpädagogik, die Sexualwissenschaft und weitere Disziplinen. Ganz im Sinne von Wissenschaft erfolgt schlussendlich noch eine Relativierung: „Es sind keine Wahrheiten, die hier verkündet werden“ (Weller/Voß 2023, S. 9).

Fazit

„Sexualität und Partnerschaft der Deutschen“ ist eine umfassende und fundierte Darstellung der sexuellen Kultur in Deutschland, die auf jahrzehntelange Forschungsergebnisse aufbaut. Durch die Verknüpfung von empirischen Daten, theoretischen Analysen und praxisnahen Empfehlungen leistet das Buch einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Sexualität und Partnerschaft in einer sich wandelnden Gesellschaft. Dieses Werk ist unverzichtbar für alle, die sich professionell mit sexueller Bildung, Beratung und den Sozialwissenschaften auseinandersetzen.

Rezension von
Danilo Ziemen
Sexualwissenschaftler (M.A.) Sexualpädagoge (isp/gsp) Dozent am Institut für Sexualpädagogik (isp) Systemischer Berater und Coach (DGSF)
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Es gibt 1 Rezension von Danilo Ziemen.

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Zitiervorschlag
Danilo Ziemen. Rezension vom 18.10.2024 zu: Konrad Weller, Heinz-Jürgen Voß (Hrsg.): Sexualität und Partnerschaft der Deutschen. Erkenntnisse aus den PARTNER-5-Studien. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2023. ISBN 978-3-8379-3194-5. Reihe: Angewandte Sexualwissenschaft. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/31149.php, Datum des Zugriffs 07.11.2024.


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